Patschi, der Bär

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Patschi, der Bär
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Jens Kreeb

Patschi, der Bär

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Patschi, der Bär

Impressum neobooks

Patschi, der Bär

1. Am Rande einer kleinen Stadt, gar nicht weit von hier, in einer Zeit, in der es noch keine Smartphones gab, besaß Herr Meier schon seit vielen Jahren einen Laden. Zu Beginn, als Herr Meier ihn eröffnet hatte, war es noch ein ganz kleiner Laden gewesen. Doch weil Herr Meier so gute Geschäfte machte, konnte er immer wieder ein kleines Stück an seinen Laden anbauen. Früher hatte er nur Zeitschriften, Süßigkeiten und Getränke verkauft. Mit der Zeit und weil er in seinem größer werdenden Laden immer mehr Platz hatte, kamen nach und nach die unterschiedlichsten Dinge hinzu. Mittlerweile verkaufte Herr Meier außer Zeitschriften, Süßigkeiten und Getränken alles Mögliche, was man eben so brauchen konnte. Da gab es Geschirr und Kaffeemaschinen, Kerzen und Servietten, Sonnenbrillen und Hüte, Schulranzen und Schulhefte, Malstifte und allerlei Spielsachen. Besonders groß war die Auswahl an Stofftieren. Die Regale hinter dem großen Schaufenster direkt neben dem Eingang waren voller Kuscheltiere. Es gab wohl kaum ein Tier, das man nicht bei Herrn Meier kaufen konnte. Elefanten, Giraffen, Igel – natürlich mit ganz weichen Stacheln –, Enten, riesengroße Hummeln, Schafe … ach, es gab einfach alles.

Wenn man vor Herrn Meiers Laden stand und in das Schaufenster schaute, dann sah man, dass auf der linken Hälfte des obersten Regals lauter süße, kleine, knuddelige Teddybären saßen. Es waren sicherlich mehr als 30 Stück. Sie besaßen allesamt ein braunes Fell, das manchmal dunkel, manchmal hell und manchmal etwas rötlich war, und einen braunen, niedlichen, dicken Bauch. Alle hatten sie winzige, runde Bärenohren. Bei manchen waren diese schwarz, bei anderen wiederum hellbraun wie ihr Bauch oder dunkelbraun, wenn es zum der Rest des Fells passte. Die Teddybären hatten lustige, schwarze Knopfaugen und eine dicke, dunkelbraune Bärenstupsnase. Herr Meier sagte immer: „Wenn man sie ganz sanft drückt, kann man das schönste Bärenbrummen auf der Welt hören: ‚Möööhhg, möööhhg!‘ “

2. Auch das Haus, in dem die kleine Mary mit ihren Eltern in einer Wohnung im Erdgeschoss wohnte, befand sich am Rande dieser kleinen Stadt. Zu Fuß waren es nur ungefähr 15 Minuten bis zu Herrn Meiers Laden. Manchmal, wenn Mary mit ihrer Mutter einkaufen ging, statteten sie auch Herrn Meier einen Besuch ab. Mary blieb jedes Mal minutenlang vor dem Schaufenster stehen und schaute nach oben zu den Teddybären. Wenn sie nicht zu klein gewesen wäre, um die Strecke von ihrer Wohnung zu Herrn Meiers Laden alleine zu laufen, wäre sie gewiss jeden Tag hierher gekommen. An der rechten Vordertatze der Teddys hing jeweils ein Schild, auf dem ihre Namen standen. Marys Mutter musste ihr schon viele Male die Namen der Bären vorlesen, soweit die Schilder erkennbar waren. Manchmal, wenn Herr Meier wieder einige Teddys verkauft und dafür neue Stoffbären in das Regal gestellt hatte, waren die Namen der verkauften Teddys verschwunden und es erschienen neue Namen für die neuen Bärchen. Auch an jenem Samstag, als Marys Mutter in Herrn Meiers Laden nach einem Geburtstagsgeschenk für ihre Nichte suchen wollte, musste sie der kleinen Mary wieder die Namen der Bären vorlesen. Marys Mutter konnte die Schilder mit folgenden Namen erkennen: Sammy, Freddy, Tipsi, Quaxi, Timmi, Billy, Knopfi, Berti, Clipsi, Tapsi, Henry, Nini … und ganz rechts außen saß Patschi. Patschi war neu im Regal und der erste und einzige Teddy im Laden, der einen Bauchnabel hatte, welcher aus einem dicken, schwarzen Knopf bestand. Stumm und mit großen Augen starrte Mary den Teddy namens Patschi an. Sie hatte das Gefühl, als funkelten seine Knopfaugen besonders stark und als lächelte sein Stoffmund besonders lustig.

3. Von diesem Zeitpunkt an wünschte sich Mary nichts auf der Welt mehr, als dass Patschi ihr gehören würde; dass sie ihn drücken, knuddeln und liebhaben könnte. Nachts träumte sie, wie sie Patschi im Arm hielt. Wie weich und warm er sich dabei anfühlte. Am Tage fragte Mary ihre Mutter hundertmal: „Mami, ich wünsche mir Patschi zu Weihnachten. Ich wünsche ihn mir so sehr. Bekomme ich ihn geschenkt?“

„Ich weiß nicht, ob ihn das Christkind dir bringt“, antwortete ihre Mutter. „Vielleicht wenn du bis dahin ganz, ganz lieb bist; dann wird es sich das Christkind sicher überlegen.“

Was war nur, wenn jemand anderes den Teddy kaufte, bevor ihn das Christkind für Mary holen würde?

Jeden Abend, wenn Mary zu Bett ging, betete sie: „Lieber Gott, mach doch bitte, dass mir das Christkind meinen Bär Patschi bringt!“

Weihnachten kam immer näher. Draußen schneite es bereits, und jedes Mal, wenn Mary und ihre Mutter zu Herrn Meiers Laden gingen, war Mary sehr gespannt, ob Patschi denn noch auf dem Regal im Schaufenster saß. Und da saß er auch noch eine Woche vor Weihnachten. Einerseits machte sich Mary Sorgen: Ob das Christkind den Bären doch nicht holte? Andererseits war sie beruhigt, dass kein Fremder ihren Patschi einfach weggeschnappt hatte.

Anschließend besuchten Mary und ihre Mutter den Laden von Herrn Meier nicht mehr gemeinsam. Nur Marys Mutter war einen Tag vor Heiligabend noch einmal dort, und als Mary sie dann fragte, ob denn Patschi immer noch auf dem Regal saß, sagte diese: „Ja, mein Kleines, den hat noch keiner weggeholt.“

Mary war traurig. Sie glaubte nicht mehr daran, dass das Christkind den süßen Teddy noch rechtzeitig für sie holen würde.

4. Und dann war endlich Heiligabend. Wie fast alle Kinder, so hatte auch Mary in der Nacht vor Aufregung und Vorfreude schlecht geschlafen. Schon um 5.00 Uhr morgens war sie zu ihren Eltern ins Bett gekrochen. Als ihre Mutter dann nach dem Frühstück die letzten Einkäufe für das Weihnachtsessen tätigte, backte Mary mit ihrem Vater Plätzchen. Eigentlich konnte ihr Papi gar nicht richtig kochen und backen. Aber was Weihnachtsplätzchen anging, darin war er ein wahrer Meisterbäcker. Und mit Marys Hilfe schafften sie es auch, die ganze Küche unter einer dicken Mehlschicht einzudecken. In der Küche war ein furchtbares Durcheinander, dafür roch es aber umso köstlicher nach frisch gebackenen Plätzchen. Am Nachmittag, während Mutter die Küche wieder aufräumte und von der Mehlschicht befreite, schmückten Mary und ihr Vater den Weihnachtsbaum. Mary war für die unteren Zweige zuständig. Ab und zu, wenn ihr Vater einen besonders schönen Stern oder eine der großen, bunten Glaskugeln an den Baum hängen wollte, hob er Mary hoch und ließ sie den Schmuck an den oberen Zweigen anbringen. Als es draußen dunkel wurde und es zu schneien begann, kam der Moment, auf den sich Mary schon seit Wochen gefreut hatte: Die Kerzen am Weihnachtsbaum wurden angezündet und dann durfte sie ihre Geschenke auspacken. Unter dem Weihnachtsbaum, dessen Kerzen den Raum nun mit ihrem warmen Licht erfüllten und für eine wundervolle Stimmung sorgten, lagen ein kleines und drei große Päckchen. Mary begann, das kleine Päckchen auszupacken. Darin hatte das Christkind Hörspiel-CDs mit Märchen und Geschichten vom Räuber Hotzenplotz und Bibi Blocksberg versteckt.

Dann waren die großen Päckchen an der Reihe. Mary packte ein paar warme, rote Winterstiefel aus, mit denen sie durch den Schnee stapfen konnte. Das nächste Geschenk war ein großes Boot für die Badewanne, das einen kleinen Motor hatte und mit Wasser spritzen konnte. Es war ein Geschenk von Marys Patentante, die sie nur selten sah, weil sie sehr weit entfernt wohnte. Und dann war da noch das letzte Paket unter dem Weihnachtsbaum. Ob sich darin vielleicht doch der kleine Teddy Patschi befand?

Voller Erwartung öffnete Mary die Schleifchen und befreite das Geschenk vom Papier. Aber zum Vorschein kam kein braunes Kuschelfell und keine kleinen, schwarzen Knopfaugen; vielmehr war darin ein CD-Abspielgerät, mit dem Mary ihre neuen Märchen-CDs nun in ihrem eigenen Zimmer anhören konnte.

Mary freute sich sehr über das tolle Geschenk, doch ein wenig traurig war sie schon, dass Patschi nicht in einem der Päckchen versteckt war.

„Na, Mary, hat das Christkind denn noch etwas vergessen?“ wurde Mary von ihrem Papi gefragt.

„Ja!“ meinte Mary. „Ich hätte so gerne Patschi, den Bären aus Herrn Meiers Laden, gehabt.“

Mary hatte nicht bemerkt, dass ihr Vater seine Hände hinter seinem Rücken versteckt hielt. Er lächelte Mary an und zog seine Hände langsam nach vorne. Und was kam zum Vorschein? Ein dicker, brauner Bär mit rotbraunem Bauch, hellbraunen Ohren, funkelnden, schwarzen Knopfaugen und einem süßen, schwarzen Bauchnabel. Mary konnte zwar noch nicht lesen, doch wusste sie genau, was auf dem Schild, das an der rechten Vordertatze des Teddys befestigt war, stand: „Patschi.“

5. Über kein Geschenk hatte sich Mary jemals mehr gefreut als über ihren Patschi. Er war der weichste und knuddeligste Kuschelbär, den man sich nur vorstellen konnte. Egal wo Mary fortan mit ihrer Mutter hinging, ob zum Einkaufen, auf den Spielplatz oder zum Kinderarzt, wenn Mary einmal einen Schnupfen hatte: Patschi war immer dabei. Und nachts schlief er neben Mary in ihrem Bett.

Wenn Mary an einem Tag viel Schönes erlebt hatte, erzählte sie es am Abend ihrem Bärchen Patschi. Aber noch mehr brauchte sie ihn, wenn sie traurig war. Wenn sie sich zum Beispiel beim Spielen einmal weh getan hatte, dann nahm Mary ihren Patschi in den Arm und wurde schnell von ihm getröstet. Oder wenn sie manchmal von ihrer Mutter geschimpft wurde, weil sie wieder einmal ihr Zimmer nicht aufgeräumt hatte, dann kuschelte sie sich ganz eng an ihren Teddy und hörte schnell auf zu weinen.

 

Gemeinsam hörten sich Mary und Patschi die Hörspiel-CDs an, die sie zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte. Wenn Mary mit ihrem Boot in der Badewanne spielte, konnte Patschi jedoch nicht mit ins Wasser. Er würde ja sonst vollkommen nass werden. So saß er dann in sicherer Entfernung auf dem Badezimmerschränkchen neben dem Waschbecken.

Manchmal traf Mary auf dem Spielplatz andere Kinder, die ebenfalls einen der Teddy aus Herrn Meiers Laden geschenkt bekommen hatten. So konnte Patschi viele seiner alten Kumpels wiedersehen, mit denen er einige Zeit auf dem Regal hinter dem Schaufenster verbracht hatte. Sammy gehörte zum Beispiel einem Mädchen namens Anina und Knopfi einem Jungen, der Nico hieß. Doch in einer Sache war sich Mary sicher: Der süßeste und liebste Teddy von allen, das war ihr Patschi.

6. Im darauffolgenden Sommer erlebte Mary mit ihrem Patschi so manches Abenteuer. So war sie mit ihren Eltern an einem sonnigen Wochenende ins Freibad gegangen. Dort ließ Mary mit ihrem Vater im Kinderbecken das Boot schwimmen, das sie letzte Weihnachten geschenkt bekommen hatte. Und da es Patschi am Rand des Schwimmbeckens zu langweilig wurde, bat Mary ihren Papi, den Teddy auf das Boot zu setzen. Nun, das Boot war schon ein bisschen klein, doch irgendwie gelang es Marys Vater, den Teddy auf dem Boot zu platzieren, und so drehte Patschi seine Runden durch das Schwimmbecken. Doch es dauerte nicht lange, da kippte der Bär ins Wasser. Mary schrie: „Papi, Hilfe, Papi! Patschi ertrinkt! Du musst ihn retten!“ Mit einem waghalsigen Sprung ins Wasser konnte Marys Papi den Teddy gerade noch erwischen, bevor dieser unterging. Mary war sehr erleichtert. Danach musste Patschi dann so lange in die Sonne sitzen, bis er wieder ganz trocken war. Marys Mami kaufte den beiden Lebensrettern zur Belohnung ein großes Eis.

In dieser Nacht drückte Mary ihr Kuscheltier besonders eng an sich, damit sich Patschi gut von dem Schreck erholen konnte.

7. Aber die beiden hatten noch mehr zu überstehen: Eines Tages, als Mary wieder einmal auf dem Spielplatz war, dachte sie, dass es Patschi doch Spaß machen müsste, selbst einmal zu schaukeln und nicht immer nur zuschauen zu müssen. So setzte sie Patschi auf die Schaukel. Doch das kleine Bärchen konnte sich mit seinen Stofftatzen nicht festhalten. Kopfüber fiel Patschi in die Sandmulde unter der Schaukel. Mary und ihre Mutter brachten den Teddy dann schnell nach Hause. Dort wurde er von Kopf bis Fuß mit Verbänden und Mullbinden eingewickelt, und am nächsten Tag ging es ihm dann schon wieder gut.

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