Buch lesen: «Polizeiliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im digitalen Zeitalter»

Schriftart:

Polizeiliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im digitalen Zeitalter

Ein Praxisleitfaden für den Weg zu zeitgemäßer PR

von

Jan Schabacker


Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

E-Book

1. Auflage 2020

© VERLAG DEUTSCHE POLIZEILITERATUR GMBH Buchvertrieb; Hilden/Rhld., 2020

ISBN 978-3-8011-0882-3 (EPUB)

Buch (Print)

1. Auflage 2020

© VERLAG DEUTSCHE POLIZEILITERATUR GMBH Buchvertrieb; Hilden/Rhld., 2020

Druck und Bindung: Mediaprint, Paderborn

ISBN 978-3-8011-0865-6

eISBN 978-3-8011-0882-3

Alle Rechte vorbehalten

Unbefugte Nutzungen, wie Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden. Satz und E-Book: VDP GMBH Buchvertrieb, Hilden

www.vdpolizei.de

E-Mail: service@vdpolizei.de

Inhaltsverzeichnis

1Vorwort

2Der Einstieg: Warum machen wir Presse- und Öffentlichkeitsarbeit? Ein Rückblick

3Public Relations aus einem Guss – oder: Warum die Trennung von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit nicht mehr zeitgemäß ist

4Auch PR ist an Recht und Gesetz gebunden – durch die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit tangierte Rechtsbereiche

4.1Pressearbeit: Kein Selbstzweck, sondern rechtliche Verpflichtung mit Verfassungsrang und Pfeiler unserer demokratischen Grundordnung

4.2Bild- und Videoveröffentlichungen – das Recht am eigenen Bild und das Urheberrecht

4.2.1Bilder von Personen und das Persönlichkeitsrecht am eigenen Bild

4.2.2Die Polizei im Fokus – auch Polizistinnen und Polizisten haben ein Recht am eigenen Bild

4.2.3Problemfeld Versammlung für die polizeiliche PR

4.2.4Was darf die Presse filmen? Vom sensiblen Umgang mit Medienvertretern auf der Basis geltenden Rechts

4.2.5Der Presseausweis – rechtliche Legitimation oder gar zwingende Voraussetzung für die Pressearbeit?

5Die Zielgruppen – mit wem kommuniziere ich eigentlich?

6Die Botschaften oder des Pudels Kern: Was will ich wirklich sagen?

7Wirkungsfelder der modernen PR

7.1Die interne PR

7.2Die Instrumente der internen PR

7.3Die externe PR

7.4Die Instrumente der externen PR

8Instrumente polizeilicher PR richtig einsetzen

8.1Die Pressearbeit

8.1.1Wie funktionieren Medien?

8.1.2Wie kommen Medien an die spektakulären Bilder von außergewöhnlichen Einsatzlagen?

8.1.3Crossmedia und ressortübergreifende Berichterstattung: Der Newsroom in der modernen Redaktion

8.1.4Die Organisation einer PR-Dienststelle – neue Wege im Zeitalter digitaler Kommunikation?

8.1.5Arbeiten in einer PR-Dienststelle

8.1.6Die Bewertung polizeilicher Sachverhalte aus Sicht der Pressestelle

8.1.7Veröffentlichen oder nicht? Entscheidungshilfen für die tägliche Praxis

8.1.8Die Instrumente der Pressearbeit und der crossmediale Gedanke

8.1.8.1Die Pressemitteilung

8.1.8.2Die Beantwortung von Presseanfragen

8.1.8.3Die telefonische Presseanfrage – Standard mit Tücken

8.1.8.4Die schriftliche Presseanfrage

8.1.8.5Die nächste Stufe: In Bild und Ton an die Öffentlichkeit

8.1.8.6Interview, Statement und Co. – unterschiedliche Formen des O-Tons für die professionelle Medienarbeit

8.1.8.7Die Pressekonferenz

8.1.8.8Das Hintergrundgespräch

8.1.8.9„Unter Dreien“

8.1.9Medienanalyse – das Monitoring

8.1.10Die publizistische Krise und ihre Veränderung im digitalen Wandel

8.2Die Online-Kommunikation

8.2.1Texten für das Web – eine besondere Form des Schreibens

8.2.2Die Online-Medienkanäle der Polizei

8.2.2.1Die polizeiliche Internetpräsenz

8.2.2.2Facebook

8.2.2.3YouTube

8.2.2.4Twitter

8.3Die Instrumente der internen Kommunikation

8.3.1Das polizeiliche Intranet

8.3.2Die Mitarbeiterzeitung

8.3.3Veranstaltungen

8.3.4E-Mail und Newsblog als weitere Wege der internen Kommunikation

8.4Corporate Design als Teil professioneller PR – sorgen Sie für ein einheitliches Erscheinungsbild!

9PR konzeptionieren

1Vorwort

Als Marcus da Gloria Martins am 22. Juni 2016 zum Dienst fuhr, hatte er noch keine Vorstellung davon, was dieser Tag für ihn bedeuten würde. Für den Sprecher der Münchner Polizei war es ein ganz normaler Mittwoch, doch dieser Tag sollte sein Leben verändern. Bei einem spektakulären Amoklauf, bei dem zunächst von mehreren Tätern ausgegangen worden war, tötete ein 18-Jähriger neun Menschen und richtete sich anschließend selbst. Im Anschluss war da Gloria Martins der bekannteste Polizeisprecher in Deutschland. Ausgezeichnet mit Medienpreisen, von der Presse gefeiert wegen seiner ruhigen und sachlichen Art, blieb er bescheiden und beschrieb auch im Anschluss den Amoklauf von München in aller Ruhe und Sachlichkeit. Denn er hatte an diesem Tag nur eines getan: Er hatte einen guten Job gemacht. Trotzdem war dieser Tag wie eine Zäsur für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit nicht nur der deutschen Polizei. Auf einmal war das Thema Social Media in aller Munde. Über die anschließende Berichterstattung wurde auch dem Letzten klar, dass die Zeit der klassischen Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern nahezu ausschließlich über die Presse endgültig ad acta gelegt war. Und worüber weniger berichtet wurde: Hinter Marcus da Gloria Martins stand ein Team. Ein Team professionell agierender Öffentlichkeitsarbeiter, die in Windeseile Social-Media-Kanäle bedienten, Botschaften formulierten und da Gloria Martins die notwendigen Informationen zur Verfügung stellten.

Wenn Sie dieses Buch in die Hand nehmen, wird das in der Regel deswegen geschehen, weil Sie im Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit einer deutschen Polizeibehörde Ihren Dienst versehen. Ob als Öffentlichkeitsarbeiter oder Pressesprecher: Auch Sie erleben tagtäglich den Wandel der Kommunikation, die immer wichtiger werdenden Online-Präsenzen der großen, ehemals nur in Print erscheinenden Medien, den Einfluss von Social Media auf die Berichterstattung der Presse und die erhebliche Dynamisierung des Medienmarktes. Und egal, wo Sie das tun, auch in Ihrer Behörde ist jeder Tag eine neue Herausforderung. Jederzeit ist alles möglich. Die großen medialen Ereignisse, die ganz besonderen Polizeilagen, kündigen sich in der Regel nicht an. Sie geschehen, und wenn es so ist, dann sind Sie meist zu 110 Prozent gefordert, weil dann innerhalb kürzester Zeit ein Anspruch der Öffentlichkeit auf Information an die Polizei besteht, der im ersten Angriff kaum zu bewältigen ist. Und diesen Anspruch erheben heute nicht mehr nur allein die Medien. Wir lernen mit der Zeit, mit diesem Umstand umzugehen. Die Polizei bereitet sich auf schwierige Einsatzlagen professionell vor. Und so macht es auch die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit einer Polizeibehörde.

Um im Alltag aber auch bei ganz herausragenden polizeilichen Ereignissen professionell agieren zu können, benötigen Sie als Pressesprecher, als Öffentlichkeitsarbeiter oder Social-Media-Manager eine fundierte Ausbildung und kommunikatives Geschick. Unterstützt durch gutes Handwerkszeug, wie technische Ausstattung, Kommunikationskonzepte und Vorbereitung auf mögliche Einsatzszenarien. Sie müssen die Klaviatur der heute zur Verfügung stehenden Medieninstrumente beherrschen und sie taktisch klug einsetzen. Das Stichwort lautet Crossmedia. Denn die Kommunikation mit unseren „Kunden“, und damit letztendlich mit der gesamten Bevölkerung, findet schon lange nicht mehr nur auf einem Kanal statt. Die Veränderung der kommunikativen Strukturen des letzten Jahrzehnts dürfte in der Geschichte der Menschheit bislang einmalig sein und vermutlich auch für lange Zeit bleiben. Ich möchte Ihnen mit diesem Buch ein Handwerkszeug zur Verfügung stellen, das Ihnen hilft, die heutigen Kommunikationskanäle professionell zu nutzen, und Sie in die Lage versetzt, für die Polizei das zu tun, was heute notwendig ist: Public Relations aus einem Guss zu betreiben. Sie lernen, crossmedial zu denken und Ihre Themen mit guten Botschaften, Bildern, Audios und Videos auf unterschiedlichen Kanälen zu platzieren.

Dieses Buch ist Leitfaden, Nachschlagewerk und Ratgeber für alle, die sich in der Polizei mit Public Relations, also mit moderner Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und Behördenkommunikation, beschäftigen: ob Pressesprecher, Intranet- oder Internetredakteur, Social-Media-Manager oder Mediengestalter für Flyer, Mitarbeiterzeitung und Webdesign. Sie werden wichtige Ratschläge und Hinweise für Ihre Arbeit finden. Dabei lernen Sie, Ihre Arbeit im Gesamtkontext guter PR für die Institution Polizei zu sehen.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre und vor allem stets eine glückliche und erfolgreiche Hand bei Ihrer Arbeit für die PR der Polizei!

Jan Schabacker

Münster im September 2019

2Der Einstieg: Warum machen wir Presse- und Öffentlichkeitsarbeit? Ein Rückblick

Der Begriff der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit hat jahrzehntelang die Arbeit der Pressesprecher und Öffentlichkeitsarbeiter innerhalb der Polizei geprägt. In Nordrhein-Westfalen, aber auch in vielen anderen Bundesländern, kann die Geburtsstunde professioneller hauptamtlicher Presse- und Öffentlichkeitsarbeit mit dem Gladbecker Geiseldrama begründet werden. Am 16. August 1988 hatten Dieter Degowski und Hans-Jürgen Rösner eine Filiale der Deutschen Bank in Gladbeck überfallen und waren anschließend mit mehreren Geiseln durch ganz Deutschland geflüchtet. Gefolgt von einem Tross von Pressevertretern scheuten sie sich nicht, vor laufender Kamera mit vorgehaltener Waffe Interviews zu geben. Einzelne Medienvertreter stiegen sogar in das Tatfahrzeug, um Rösner und Degowski sowie die Geiseln zu interviewen. Es entstand der Eindruck der Solidarisierung von Journalisten mit den Geiselnehmern. Der Polizei waren, auch aufgrund des Verhaltens der Medienvertreter, in vielen Situationen die Hände gebunden und ein Zugriff zur Rettung der Geiseln und Ergreifung der Täter nicht möglich. Auf der Flucht erschossen sie einen 14-jährigen Jungen und ein Polizeibeamter kam bei einem Unfall ums Leben. In einer spektakulären, nicht unumstrittenen polizeilichen Aktion auf der A 3 bei Bad Honnef konnten die Täter nach zwei Tagen Irrfahrt durch die Republik gestellt werden. Eine weitere 18-jährige Geisel starb dabei durch einen Schuss aus der Waffe eines der Geiselnehmer.


Bild: Degowski/Rösner, Gladbecker Geiseldrama

In der anschließenden Diskussion über das Verhalten der Presse und den polizeilichen Einsatz wurden der Polizei, aber auch den handelnden Journalisten, erhebliche Vorwürfe gemacht. Sowohl die Presse als auch die polizeiliche Einsatzleitung erkannten, dass gravierende Änderungen notwendig waren, um künftig in solchen Lagen professioneller agieren zu können. Die nordrhein-westfälische Polizei, die bei diesem Einsatz in hoher Gesamtverantwortung stand, zentralisierte die Führungskompetenz für solche Lagen in sechs Behörden. Sukzessive wurden zusätzlich Pressestellen in den Polizeibehörden eingerichtet, in denen sich Polizeibeamte hauptamtlich mit den Belangen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit auseinandersetzen. Heute ist es kaum mehr vorstellbar, dass es diese Dienststellen einmal nicht gegeben hat.

Betroffenheit und intensive Diskussionen über ethische Gesichtspunkte der Berichterstattung löste das Geiseldrama von Gladbeck aber auch unter den Journalisten aus. Der Deutsche Presserat setzte sich intensiv mit den Vorfällen auseinander. Im Ergebnis erfuhr der Pressekodex des Rates, der für Journalisten eine selbstauferlegte Bindung an bestimmte Regeln darstellt, gravierende Veränderungen:

Auszug aus dem Pressekodex

Richtlinie 11.2 – Berichterstattung über Gewalttaten

Bei der Berichterstattung über Gewalttaten, auch angedrohte, wägt die Presse das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegen die Interessen der Opfer und Betroffenen sorgsam ab. Sie berichtet über diese Vorgänge unabhängig und authentisch, lässt sich aber dabei nicht zum Werkzeug von Verbrechern machen. Sie unternimmt keine eigenmächtigen Vermittlungsversuche zwischen Verbrechern und Polizei.

Interviews mit Tätern während des Tatgeschehens darf es nicht geben.

Die Veränderungen durch Gladbeck haben viel Positives im Verhältnis zwischen Presse und Polizei bewirkt. Durch die über viele Jahre eingespielte intensive Zusammenarbeit zwischen professionellen Pressesprecherinnen und Pressesprechern der Polizei und Journalistinnen und Journalisten hat sich trotz der grundrechtlich verbrieften behördenkritischen Position der Presse ein im Grundsatz fairer und offener Umgang miteinander eingestellt, der natürlich in Ausnahmefällen auch an seine Grenzen stieß. Auch im ersten Jahrzehnt des neuen Millenniums richtete sich der Fokus der polizeilichen Öffentlichkeitsarbeit für die einzelnen Behörden noch immer zum überwiegenden Teil auf die Pressearbeit. Denn die Verlautbarungen in den Printmedien, im Radio und im Fernsehen spielten zweifelsfrei die Hauptrolle für wichtige polizeiliche Themen, insbesondere dann, wenn es um eine polizeiliche Krise ging. Das hat sich in den vergangenen Jahren gravierend verändert. Nach und nach haben weitere Kommunikationskanäle, geprägt durch die rasante Entwicklung des World Wide Web, die Kommunikation zwischen Menschen umgestaltet. Social Media macht Meinung – Blogger, Whistleblower, Influencer, Internetchats und Foren tragen dazu bei, dass behördliche Themen bewegt und polizeiliches Handeln bewertet wird. Hinzu kommen die Journalisten, die aufgrund der digitalen Entwicklung getrieben sind wie nie zuvor, um online rund um die Uhr aktuellste Nachrichten, Geschichten und Entertainment für den Kunden zu bieten. Dabei gerät der grundrechtlich verbriefte Auftrag der Presse mehr und mehr in den Hintergrund. Was zählt, ist die Story, die Quote, das, was der Kunde will. Der möchte vor allem unterhalten werden, Spektakuläres und Aktualität stehen im Vordergrund.

Merke:

Historie: nach dem Gladbecker Geiseldrama entwickeln Polizei und Presse neue Standards für eine bessere Zusammenarbeit, Pressestellen gehören zur Ausstattung jeder Polizeibehörde

Veränderung: Kommunikationsverhalten verändert sich gravierend, Pressearbeit ist nur noch ein Teil des Ganzen, bleibt aber trotzdem wichtiger Part der PR, viele andere Kanäle müssen aber ebenfalls bedient werden

3Public Relations aus einem Guss – oder: Warum die Trennung von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit nicht mehr zeitgemäß ist

Für die Polizei bedeutet die rasante Entwicklung der digitalen Kommunikation im World Wide Web ein Umdenken in ihrer strategischen Vorgehensweise in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Themen können nicht mehr nur über einen Kanal, beispielsweise mit einer Pressemitteilung, kommuniziert werden. Das Gebot der Stunde lautet: crossmediale Kommunikation. Viele Kanäle stehen mittlerweile zur Verfügung, die nicht mehr einzeln betrachtet werden können, sondern je nach Informationen mit einheitlichen Kernbotschaften in unterschiedlichen Sprachformen bedient werden müssen. Und diese Entwicklung ist nicht abgeschlossen. Wir müssen uns darauf einstellen, dass immer neue Online-Kanäle, insbesondere im Social-Media-Bereich, zukünftig eine Rolle spielen werden. Das sollte uns aber keine Sorgen bereiten, denn wichtig ist vor allem die Erkenntnis, dass die Kernveränderung in der Kommunikation bereits vollzogen ist. Die Kernveränderung liegt in der Nutzungsmöglichkeit des World Wide Webs als globales Kommunikationsmedium für jeden, der über eine Online-Verbindung verfügt. Vor diesem Hintergrund lernen wir, crossmedial zu denken und zu handeln, Kommunikationswege zielgruppenspezifisch zu analysieren und die unterschiedlichen Kanäle entsprechend den daraus gewonnenen Erkenntnissen zu bedienen.

Warum spreche ich heute von Public Relations der Polizei und nicht mehr vom tradierten Begriff der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit? „Jede Kommunikation mit Öffentlichkeiten intendiert mehr als eine Mitteilung; sie zielt, geplant oder spontan, bewusst oder unbewusst, darauf ab, eine Beziehung zu den angesprochenen Publika zu schaffen. Jede Kommunikation mit Öffentlichkeiten ist im Prinzip Public Relations.“ (Horst Avenarius, Vorsitzender des deutschen Rats für Public Relations, 2008) Diese Definition aus der Kommunikationswissenschaft zeigt, wie breit der Begriff der Public Relations gefasst werden kann. Orientiert man sich an einer weiten Auslegung der eigenen Aufgaben, hat das für die verantwortlichen Dienststellen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Polizei zweierlei Vorteil: Zum einen können Sie Einfluss auf jede Form der Kommunikation Ihrer Behörde mit der Öffentlichkeit nehmen, was schon deshalb sinnvoll ist, weil jede Form der Kommunikation heute geeignet ist, eine öffentliche mediale Wahrnehmung zu erzeugen. Zum anderen leistet ein Paradigmenwechsel hinsichtlich der Fachterminologie einen wertvollen Beitrag zur Beschleunigung der Veränderungsprozesse innerhalb der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Und dieser Prozess ist vor allen Dingen von einem Zusammenwachsen der bislang immer noch häufig getrennten Bereiche der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit geprägt. Auch wenn die organisatorische Anbindung vielerorts in einer Dienststelle verankert ist, zeigt allein die Trennung der Begriffe „Pressearbeit“ und „Öffentlichkeitsarbeit“, dass hier bisher gesonderte Bereiche gesehen wurden, obwohl Pressearbeit immer Teil der Öffentlichkeitsarbeit war. Natürlich benötigt ein Pressesprecher zusätzliches Handwerkszeug genauso wie ein Social-Media-Manager. Zwar sind die meisten Polizeipressestellen in Deutschland im Hier und Jetzt angekommen, setzen sich aktiv mit Social Media auseinander und versuchen aktiv, Themen crossmedial zu platzieren. Die Trennlinie zwischen Pressesprechern und Öffentlichkeitsarbeitern ist aber vielerorts noch scharf gezogen.

Selbst in Nordrhein-Westfalen, wo der Gleichklang von Social Media und Pressearbeit großgeschrieben wird, ist das traditionelle Denken des Öffentlichkeitsarbeiters und des Pressesprechers nur langsam aufzuweichen. Ein Beispiel: Die Einführung eines neuen Geschwindigkeitsmessverfahrens mittels einer sogenannten semistationären Messanlage in Nordrhein-Westfalen wurde durch die Pressestelle meiner Behörde, des Landesamtes für Zentrale Polizeiliche Dienste, mit einer Pressemeldung über Internet, Intranet und Facebook aktiv kommuniziert. Nach Vorstellung der ersten Anlage mit Beteiligung der Medien erhielt eine weitere Polizeibehörde ein solches Gerät. Ein Pressesprecher der Behörde nahm Kontakt zu mir auf und bat um weitere Informationen zu dem Thema. Ich stellte sie ihm zur Verfügung, verbunden mit der Frage, ob ich Fotos von der Anlage mitsenden solle oder ob er bereits selbst welche gefertigt habe und ob gegebenenfalls unterschiedliche Motive oder Videomaterial für Facebook und Co. gewünscht seien. Die Antwort: Er sei Pressesprecher, an Pressemitteilungen würden sie nur selten Bilder hängen und um das Internet und so weiter kümmert sich die Öffentlichkeitsarbeit.

Das Geschehen zeigt zweierlei: Zum einen war noch kein ausgeprägtes Verständnis für die Relevanz der Bilder in der modernen PR spürbar. Zum anderen aber existierte in dieser Behörde zum damaligen Zeitpunkt eine ganz klare Trennlinie zwischen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Nun kann man sagen, dass in der sachbearbeitenden Funktion eine klare Trennung auch weiter sinnhaft ist, crossmediales Denken vielleicht eher den Leitungsfunktionen obliegen muss, da Pressesprecher und Öffentlichkeitsarbeiter sich in ihrer speziellen Ausbildung doch gravierend unterscheiden. Das stimmt sicherlich in Teilen. Der Pressesprecher verfügt über anderes Spezialwissen als der Öffentlichkeitsarbeiter. Sind auf der Sprecherseite beispielsweise besondere Ansprüche an Interviews und Statements vor Mikrofon und Kamera gefragt, spielt der Öffentlichkeitsarbeiter pointiert die Klaviatur der Online-Medien inklusive des polizeilichen Intranets. Trotzdem müssen die zu sendenden Botschaften auf den unterschiedlichen Kanälen in ihrer Intention deckungsgleich sein. Deshalb ist es auch unabdingbar, von vornherein in den Köpfen aller Protagonisten in der PR einer Behörde crossmediales Denken zu verankern. So entsteht die Möglichkeit, zeitgleich auf unterschiedlichen Kanälen zu agieren und vor allem einen Einklang des Wordings zu erreichen. Das Wording beschreibt den Sprachgebrauch, also letztendlich die formulierten Botschaften und Inhalte zu einem bestimmten Thema. Dazu kommen wir später im Detail.

Die Entwicklung eines Wordings sollte im Idealfall gemeinsam unter Einbeziehung unterschiedlicher Expertisen geschehen. So entstehen gute Ergebnisse, mit denen sich am Ende alle an der PR-Aktion beteiligten Personen identifizieren können. Letztendlich wird in Zukunft die Bedienung aller Medienkanäle aus einer Hand notwendig, aber auch möglich sein, um Personalressourcen bestmöglich zu nutzen. Dazu muss in der Ausbildung das notwendige Handwerkszeug für die gesamte PR zur Verfügung gestellt werden. Nordrhein-Westfalen spiegelt das in seiner Ausbildung bereits wider. Alle Öffentlichkeitsarbeiter und Pressesprecher erwerben in der Grundausbildung Kenntnisse über die allgemeine Öffentlichkeitsarbeit, durchlaufen aber auch ein Interview- und Schreibtraining für die Pressearbeit.

Eine große Rolle in den Public Relations spielen heute nicht nur die Texte, sondern vor allen Dingen Video- und Bildmaterial. Die Zeiten, in denen mit einer brillant formulierten Pressemitteilung die Medien, die Gesamtberichterstattung und somit die öffentliche Wahrnehmung eingefangen werden konnte, sind lange vorbei. Zu viele Protagonisten bestimmen den Stream unterschiedlicher Kanäle der Berichterstattung und lassen sich durch reines Texten nur schwer beeinflussen. Die Macht der Bilder ist jedoch um ein Vielfaches größer, sind sie doch für den Betrachter erheblich authentischer und faktischer als jeder Textbeitrag. Gelingt es, die Botschaften mit Bildern oder kurzen Videobeiträgen in den Köpfen zu verankern und das Thema für den „Kunden“ zu visualisieren, erziele ich erheblich größere Wirkung, als mit reinem Textmaterial. Der Gedanke über die Visualisierung eines Themas ist somit zwingender Bestandteil jeder Überlegung moderner PR, egal zu welchem Thema. Auch in diesem Zusammenhang müssen Presseund Öffentlichkeitsarbeiter im Idealfall eng zusammenrücken, um gemeinsam zu entscheiden: Welches Bild haben wir? Welche Bilder benötigen wir gegebenenfalls noch, um unser Thema gut aufbereitet zu platzieren?

Damit erschließen sich die Gründe, warum wir heute nicht mehr von der klassischen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sprechen, sondern von Public Relations der Polizei. Der Begriff ist allumfassend und schließt keinen Kommunikationsweg aus. Er symbolisiert die einheitliche Öffentlichkeitsarbeit und zieht keine Trennlinien zwischen der Pressearbeit als besonderer Form der Öffentlichkeitsarbeit und allen anderen Kommunikationswegen oder der Unterstützung von Kommunikation durch Bilder, Videos, Grafiken und Layouts. Gute PR ist heute aus einem Guss. Kernbotschaften müssen entwickelt und über unterschiedliche Kanäle an die Zielgruppen transportiert werden, gutes Bildmaterial und Videos müssen effektverstärkend die Themen visualisiert an den Kunden herantragen. Dann geschieht auch kein Bruch in der Kommunikation zwischen einzelnen Medien.

Für die polizeiliche PR bedeutet das natürlich auch gravierende Veränderungen. Denn wenn wir unsere Ziele der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit erreichen wollen, müssen wir all diese Kanäle im Blick behalten und, wenn nötig, auf ihnen auch aktiv tätig werden. Nur so haben wir die Möglichkeit, die Deutungshoheit für unsere Themen auf allen Medienkanälen zu halten und sie aktiv mitzugestalten. Schauen wir also im Einzelnen, wie die Instrumente aussehen und wie sie zu bedienen sind.

Vor dem Blick auf einzelne Werkzeuge muss aber eine für die Polizei ultimativ verpflichtende Voraussetzung für jegliches polizeiliches Handeln geprüft werden. Es sind die rechtlichen Voraussetzungen, die es auch in den Public Relations zu beachten gilt.

Merke:

Keine Trennung von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. PR muss aus einem Guss erfolgen. Kernbotschaften werden mediengerecht aufbereitet über unterschiedliche Kanäle veröffentlicht.

Bild und Video gewinnen in der PR immer mehr Bedeutung. Texte werden weniger konsumiert, Arbeitsschwerpunkte verschieben sich.

Deutungshoheit behalten. Alle Medienkanäle müssen im Blick gehalten werden, um die Gesamtkommunikation zu verfolgen und aktiv mitzugestalten.