Polizeiliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im digitalen Zeitalter

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Die rechtliche Überprüfung zur Auskunftsverpflichtung gegenüber den Medien sollte immer auch medientaktische Aspekte mit einbeziehen.

4.2Bild- und Videoveröffentlichungen – das Recht am eigenen Bild und das Urheberrecht

Ohne Bilder und Videos ist moderne PR heute undenkbar. Jede PR-Dienststelle einer Polizeibehörde verfügt selbstverständlich über eine eigene Kamera, um Fotos für die Öffentlichkeitsarbeit zu fertigen. Gern werden auch Bilder aus anderen Quellen hinzugezogen, um sie in die eigene PR einzubauen. Aber Vorsicht! Die Bildrechte der Ersteller und das Recht von Personen am eigenen Bild liegen in einem juristischen Minenfeld, das bei Missachtung der geltenden Vorschriften den Handelnden teuer zu stehen kommen kann. Deshalb ist es wichtig, die geltenden Normen und Gesetze zwingend zu beachten, um mit eigentlich gut gemeinten Aktionen nicht dienstlichen Schiffbruch zu erleiden.

Die aktive Veröffentlichung von Bildern und Videos durch die eigene PR-Dienststelle ist aber nicht der einzige Berührungspunkt zum Thema Bildrechte in der polizeilichen Arbeit. Polizistinnen und Polizisten werden immer häufiger während des Einsatzes gefilmt, Videos werden auf YouTube oder anderen Online-Kanälen von Privatpersonen veröffentlicht, und Medien beziehen sich in ihrer Berichterstattung auf diese Bilder, die allzu häufig nur einen kleinen Ausschnitt aus einem Polizeieinsatz zeigen und dessen Gesamtverlauf nicht ansatzweise wiedergeben. Bei Großeinsätzen werden Polizeibeamtinnen und -beamte regelmäßig mit Pressevertretern konfrontiert, die Bilder von ihnen, von den Opfern einer Straftat oder eines Unfalls, von Demonstrationsteilnehmern oder auch völlig unbeteiligten Personen aufnehmen und veröffentlichen wollen. Regelmäßig werden nach daraus resultierenden Konfliktsituationen die PR-Dienststellen mit Fragen zur Rechtmäßigkeit solcher Aufnahmen und zum rechtlich sauberen Umgang mit den Erstellern konfrontiert. Insofern kommt diesem Rechtsbereich auch im polizeilichen Einsatzgeschehen eine immer größere Bedeutung zu. Die folgenden Ausführungen sollen für den polizeilichen Alltag und die Praxis Antworten auf die drängendsten und immer wieder auftauchenden Fragen im Zusammenhang mit dem Thema Bildrechte geben. Klar ist dabei eines: Wir bewegen uns in diesem Rechtsbereich permanent in Grauzonen, die immer wieder eine konkrete Bewertung des Einzelfalls verlangen. Und trotzdem helfen die grundlegenden Rechtskenntnisse dabei, konkrete Situationen in Kenntnis der Rechtsvorschriften mit Augenmaß einzuschätzen.

4.2.1Bilder von Personen und das Persönlichkeitsrecht am eigenen Bild

Die Grundregel ist simpel: Jeder Mensch kann selbst darüber bestimmen, ob er fotografiert werden möchte und ob diese Bilder veröffentlicht werden dürfen oder nicht. Wer diesen Grundsatz verinnerlicht, der ist auf jeden Fall mit der notwendigen Sensibilität unterwegs, wenn er eine Kamera zu Zwecken der Public Relations in die Hand nimmt. Aber ohne Bilder von Personen, ohne Videos, in denen Menschen agieren, ist zeitgemäße PR undenkbar. Wie sehr erschwert die Beachtung dieses Grundsatzes also unsere Intention, moderne PR zu betreiben?

Im Mai 2018 trat zudem die neue europäische Datenschutz-Grundverordnung in Kraft. Auch dieses komplizierte Rechtsgebilde strahlt in seiner Wirkung auf das Recht am eigenen Bild, denn ein solches Bild ist zweifelsfrei ein persönliches Datum, das nun auch durch europäisches Recht einem besonderen Schutz unterliegt. Zum Zeitpunkt der Erscheinung dieses Werks herrscht allgemein die rechtliche Auffassung, dass sich aus der Datenschutz-Grundverordnung und den ergänzenden nationalen Gesetzen keine wesentlichen Änderungen der Rechtslage hinsichtlich der Nutzung von Fotos und Videos ergeben haben. In der folgenden Darstellung beziehe ich mich hinsichtlich der Aktualität der rechtlichen Einschätzung auf den Zeitpunkt der Erscheinung dieses Werkes und verweise noch einmal auf die Pflicht aller Beschäftigten im Bereich der Public Relations einer Polizeibehörde, sich hinsichtlich der aktuellen rechtlichen Entwicklungen permanent auf dem Laufenden zu halten.

Die europäische Datenschutz-Grundverordnung eröffnet in Artikel 85 Abs. 1 den Mitgliedstaaten nationale Gestaltungsspielräume für den Ausgleich zwischen Datenschutz und der Meinungs- und Informationsfreiheit. Damit bleibt nach herrschender Rechtsmeinung in Deutschland das Kunsturhebergesetz gültige Rechtsgrundlage für die Veröffentlichung von Bildmaterial. Die dort enthaltenen Regelungen fügen sich in die grundsätzlichen Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung ein. Das Kunsturhebergesetz ist damit Teil der deutschen Anpassungsgesetzgebung im Sinne der europäischen Datenschutz-Grundverordnung. Nun können die Leserinnen und Leser aufatmen, die sich schon länger mit der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und damit auch mit dem Recht am eigenen Bild auseinandersetzen: Gravierende Änderungen aufgrund der Einführung der Datenschutz-Grundverordnung gibt es damit nämlich nicht. Für alle anderen seien hier die grundsätzlichen Regelungen erläutert, die im Umgang mit Bildern und Videomaterial zwingend beachtet werden müssen.

Eigentlich vom so genannten Urheberrechtsgesetz abgelöst gelten wichtige Paragrafen des Kunsturhebergesetzes von 1907 bis heute. Aus den §§ 22 und 23 KUG ergeben sich spezialgesetzlich geregelt sowohl das Recht am eigenen Bild als auch die möglichen Ausnahmen davon.

Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie

§ 22

Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, daß er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablaufe von 10 Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten. Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner und die Kinder des Abgebildeten und, wenn weder ein Ehegatte oder Lebenspartner noch Kinder vorhanden sind, die Eltern des Abgebildeten

§ 23

(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:

1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte;

2. Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen;

3. Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben.

Einfach ausgedrückt regelt § 22 die Nutzung von Fotografien und Videos, auf denen Personen abgebildet sind. Sie dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Bei Minderjährigen überträgt sich das Einwilligungserfordernis auf die Eltern. Auch die mündliche Einwilligung des Abgebildeten ist ausreichend, kann sich aber im Nachgang in der Beweisbarkeit als problematisch darstellen. In der Regel erfolgt die Einwilligung des Abgebildeten zu einem bestimmten Zweck und nicht zur freien, zweckungebundenen Nutzung. Die schriftlich formulierte Einwilligung und Zweckbindung schafft für den Nutzer mehr Rechtssicherheit. Dabei sollte der Verwendungszweck so detailliert wie möglich benannt werden. So kann beispielsweise die Autorisierung zur Nutzung eines Bildes für das Internet auf bestimmte Seiten begrenzt werden. Gerade hier ist das besonders wichtig, um gegebenenfalls rechtliche Ansprüche gegen eine Fremdnutzung geltend machen zu können.

Von der grundsätzlich notwendigen Einwilligung gibt es aber auch Ausnahmen, die sich aus § 23 KUG ergeben.

Ausnahmen vom Recht am eigenen Bild

1.Personen der Zeitgeschichte

Geltendes Recht unterscheidet zwischen absoluten und relativen Personen der Zeitgeschichte. Absolute Personen der Zeitgeschichte sind unter anderem Politiker, Künstler, Schauspieler, Schriftsteller, Sportler sowie Angehörige der Königshäuser. Doch auch diese Personen haben ein Recht auf Privatsphäre und am eigenen Bild, wenn es sich bei dem Rahmen der Erstellung des Bildes nicht um ein Ereignis der Zeitgeschichte handelt. Wenn ein bekannter Politiker beim Friseur sitzt und das Bild des Haareschneidens im Internet veröffentlicht wird, gilt diese Ausnahmeregelung nicht. Es muss ein berechtigtes Informationsinteresse der Allgemeinheit vorliegen, das mit dem Recht am eigenen Bild und dem Recht auf Privatsphäre des Betroffenen abzugleichen ist. Dass die Grenzziehung in solchen Fällen sich durchaus als problematisch darstellen kann, erschließt sich von selbst. Absolute Personen der Zeitgeschichte spielen für die polizeiliche PR in der Regel aber auch nur dann eine Rolle, wenn es sich tatsächlich um zeitgeschichtliche Ereignisse handelt, beispielsweise der Besuch einer Polizeibehörde durch den Innenminister oder eine Kampagne mit Unterstützung eines prominenten Sportlers.

Spannender ist die Frage nach der Definition der relativen Personen der Zeitgeschichte. Hierzu ist wichtig, sich zunächst vor Augen zu führen, welchen Zweck diese Ausnahmeregelung verfolgt. Sie soll die Möglichkeit schaffen, die Öffentlichkeit auch im Bild über Ereignisse von allgemeiner Bedeutung, und damit von Interesse für die Öffentlichkeit, zu informieren. Zur Zeitgeschichte zählen politische, wirtschaftliche und kulturelle, aber natürlich auch sicherheitsrelevante Themen. Überwiegt in der Rechtsgüterabwägung das berechtigte Informationsinteresse der Allgemeinheit, so ist die Aufnahme von Personen und auch die Verbreitung des Materials rechtlich zulässig. Fertigen Sie selbst für die eigene PR Bilder von fremden Personen in einem solchen Zusammenhang, ist auch die Nutzung für die Öffentlichkeitsarbeit der Behörde möglich. Zu relativen Personen der Zeitgeschichte werden aber bei polizeilichen Maßnahmen regelmäßig alle handelnden Personen und damit auch die Polizistinnen und Polizisten im Einsatz.

 

Das abgestufte Schutzkonzept des BGH

Dieses Konzept wurde vom BGH zur Abwägung zwischen dem Schutz der Privatsphäre und der Pressefreiheit in einem Urteil 2007 herangezogen und hat bis heute Bestand. Demnach darf der Informationswert der Berichterstattung im Abwägungsprozess nicht unberücksichtigt bleiben. Je geringer der Informationswert einer Berichterstattung für die Allgemeinheit ist, umso mehr muss der Schutz des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen berücksichtigt werden. Dies gilt auch für bekannte und absolute Personen der Zeitgeschichte. Ausdrücklich nicht in die Bewertung mit einfließen darf die Qualität des Presseerzeugnisses, da dies ein Eingriff in die Pressefreiheit wäre.

Auszug aus dem Urteil des BGH, Urteil vom 6. März 2007 – VI ZR 13/06:

Maßgebend ist […] das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Dabei ist der Begriff des Zeitgeschehens in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zugunsten der Pressefreiheit zwar in einem weiten Sinn zu verstehen, doch ist das Informationsinteresse nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt, sodass eine Berichterstattung keineswegs immer zulässig ist. Wo konkret die Grenze für das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls entscheiden.

Diese Formulierung macht einmal mehr deutlich, dass es schwarz und weiß in diesem Rechtsbereich nicht gibt. Wir bewegen uns tatsächlich in einer rechtlichen Grauzone, die immer wieder im Einzelfall eine neue an den aktuellen Gegebenheiten gemessene Bewertung erfahren muss.

2. Personen als Beiwerk des Hauptmotivs

Diese Ausnahme greift nur dann, wenn die Person auf dem Bild oder im Video tatsächlich nur als „Beiwerk“ in Erscheinung tritt. Veröffentlichen wir beispielsweise ein Foto eines total beschädigten Unfallfahrzeugs, neben dem am Rand auf dem Gehweg einige Personen stehen, die sich die Unfallörtlichkeit anschauen, sind diese Personen dann „Beiwerk“, wenn sich aus dem Gesamtkontext der Fokus klar auf das beschädigte Fahrzeug richtet. Geht es aber in der Berichterstattung um Gaffer und das Bild ist geeignet, auch diese Thematik zu bedienen – der Fokus wird also klar auf die Personen gelenkt –, fällt die Bewertung sicherlich anders aus. Die zentrale Frage, die in diesem Zusammenhang beantwortet werden muss, lautet: Bleiben das Motiv und der Charakter des Bildes erhalten, wenn man die Personen auf dem Bild weglassen würde? Auch diese Frage muss in jedem einzelnen Fall mit der entsprechenden Sensibilität erneut erörtert werden.

3. Menschenansammlungen

Die Teilnahme an Demonstrationen und öffentlichen Veranstaltungen lässt Aufnahmen ebenfalls unter der Voraussetzung zu, dass nicht einzelne Personen abgebildet werden, die im Vordergrund stehen. Das Gesamtereignis, die Versammlung oder die Veranstaltung muss den Eindruck des Bildes prägen. Veranstaltungen und Versammlungen müssen für diesen Fall öffentlich zugänglich sein. Veranstaltungen von Privatinitiatoren, wie beispielsweise Fußballspiele oder große Konzerte, verfügen häufig über besondere Regelungen zum Fotografieren und Filmen, die sich normalerweise aus den Geschäftsbedingungen der Veranstaltung ergeben.

4.2.2Die Polizei im Fokus – auch Polizistinnen und Polizisten haben ein Recht am eigenen Bild

Immer wieder wird im Kollegenkreis diskutiert, ob man sich in einem polizeilichen Einsatz das Fotografieren oder Filmen der eigenen Person gefallen lassen muss oder nicht. Die Erörterung der Frage, ob es sich bei einem Sachverhalt um ein Ereignis der Zeitgeschichte und damit um einen Vorgang von allgemeiner Bedeutung handelt, ist auch hier häufig der zentrale Dreh- und Angelpunkt, wenn es um das Recht am eigenen Bild von Polizistinnen und Polizisten geht (siehe Kapitel 4.2.1, relative Personen der Zeitgeschichte und abgestuftes Schutzkonzept des BGH). Kolleginnen und Kollegen im Einsatz werden dann zu Personen der Zeitgeschichte, wenn die Betrachtung des Einsatzanlasses zu der Auffassung führt, dass es sich bei dem Geschehen um einen Vorgang von allgemeiner Bedeutung und somit von Interesse für die Öffentlichkeit handelt. Das dürfte bei vielen Einsatzlagen im öffentlichen Raum der Fall sein. Nehmen Polizisten beispielsweise einen schweren Verkehrsunfall auf oder eine Person fest, sind sie in diesem Moment relative Personen der Zeitgeschichte, das Fertigen von Bildern und Videos ihrer Person auch mit dem Ziel der Verbreitung ist in diesem Zusammenhang also zulässig. Grundsätzlich muss für jeden Einzelfall die Frage des zeitgeschichtlichen Ereignisses geprüft werden.

Unzulässig ist nach geltender Rechtsprechung die Aufnahme aus nächster Nähe oder Porträtbilder. Hier kann unterstellt werden, dass die Intention der Aufnahme die Darstellung der Person ist. Kommt man also in einem konkreten Sachverhalt zu dem Ergebnis, dass entweder kein zeitgeschichtlicher Vorgang vorliegt oder ein unzulässiges Bild aus nächster Nähe gefertigt wurde, dann können auch polizeiliche Maßnahmen ergriffen werden. Denn gemäß § 33 Kunsturhebergesetz stellt das Verbreiten oder öffentliche Zurschaustellen eines Bildnisses eine Straftat dar. Regelmäßig ist in diesen Konstellationen die Feststellung der Identität des Erstellers zulässig, um gegebenenfalls Straftaten zu verhindern oder bei nachfolgenden Verstößen entsprechende Rechtsansprüche geltend zu machen. Unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit und sorgfältiger Prüfung konkreter Anhaltspunkte für das Begehen einer Straftat kann auch eine Beschlagnahme der Kamera gerechtfertigt sein.

§ 33

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen den §§ 22, 23 ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt.

(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt.

4.2.3Problemfeld Versammlung für die polizeiliche PR

Im Oktober 2018 erging ein Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen zu PR-Aufnahmen der Polizei bei einer Versammlung. Ein mobiles PR-Team der Polizei hatte uniformiert Bilder der Demonstration gefertigt und sie im Anschluss über Facebook und Twitter verbreitet. Dem Urteil nach ist das Anfertigen von Bild- oder Tonaufnahmen durch die Polizei bei Versammlungen – unabhängig davon, ob es sich nur um Übersichtsaufnahmen handelt – auch dann ein unzulässiger Eingriff in die Versammlungsfreiheit, wenn die Bilder lediglich zu Zwecken der Öffentlichkeitsarbeit verwendet werden sollen.

Dieses Urteil überraschte die polizeiliche PR insofern, als der tangierte Rechtsbereich, nämlich die Versammlungsfreiheit, bislang nie im Fokus der rechtlichen Bewertung einer PR-Maßnahme stand. Dass durch Filmaufnahmen der Polizei das Versammlungsrecht eine Einschränkung erfahren kann, war im Zusammenhang mit Aufnahmen durch die Bereitschaftspolizei bereits richterlich als Eingriff bewertet worden. Die Kläger zielten in dem Gerichtsurteil zugrunde liegenden Fall darauf ab, dass, unabhängig von der Aufgabe der Polizeikräfte im Einsatz, das Filmen und Fotografieren durch die Polizei immer abschreckend auf Versammlungsteilnehmer wirken kann und so das Versammlungsrecht durch den vermeintlichen Eindruck der staatlichen Beobachtung in der Tat eine Beeinträchtigung erfährt. Das Versammlungsrecht erlaubt der Polizei Filmaufnahmen nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen, beispielsweise wenn Straftaten von erheblicher Bedeutung unmittelbar bevorstehen. Auf Grundlage dieses Urteils sollte also eine Berichterstattung über den polizeilichen Einsatz bei einer Versammlung nur mit Bildern erfolgen, die Versammlungsteilnehmer nicht erkennbar zeigen. Eine solche gerichtliche Entscheidung ist darüber hinaus Beleg dafür, wie wichtig es für die PR-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist, sich mit aktueller Rechtsprechung auseinanderzusetzen.

Merke:

Grundsatz: Jeder Mensch kann selbst darüber entscheiden, ob er fotografiert werden will oder nicht.

Ausnahmen:

–absolute oder relative Personen der Zeitgeschichte

–Personen als Beiwerk des Hauptmotivs

–Menschenansammlungen

Auch Polizisten haben ein Recht am eigenen Bild, es greifen auch hier nur die Ausnahmen aus dem Kunsturhebergesetz, insbesondere relative Personen der Zeitgeschichte im Einsatz.

Verstöße sind strafbewehrt nach § 33 Kunsturhebergesetz.

Sonderfall Versammlungsrecht: Keine Aufnahmen von Demo-Teilnehmern durch die Polizei zu Zwecken der PR.

4.2.4Was darf die Presse filmen? Vom sensiblen Umgang mit Medienvertretern auf der Basis geltenden Rechts

Wenn Pressevertreter am Einsatzort filmen, führt das nur allzu häufig zu Konflikten mit den eingesetzten Polizeikräften. Wegen ihres in Teilen forschen und fordernden Auftretens und der häufig kritischen Berichterstattung ist das Klima zwischen handelnden Polizistinnen und Polizisten und den Medienvertretern von vornherein von Spannungen geprägt. Gerade bei spektakulären Fällen, die viel Bildmaterial liefern, sind die Journalistinnen und Journalisten aber auf die Bilder für die Berichterstattung bedingungslos angewiesen. Getrieben von diesem Druck ist wenig bis kein Verständnis am Einsatzort für beschränkende Maßnahmen der Polizei vorhanden. Hier ist besondere Sensibilität gefragt, denn rechtlich gesehen stehen der Polizei nur sehr begrenzte Möglichkeiten zur Verfügung, das Filmen an einem Einsatzort zu untersagen. Zunächst einmal gilt: Das Aussprechen eines generellen Film- oder Fotografierverbots ist unzulässig. Medienvertreter müssen die Möglichkeit erhalten, das Einsatzgeschehen mit der Kamera zu dokumentieren. Die Polizei kann dieses Recht im Grunde nur einschränken, wenn die Kameraleute die Arbeit der Polizei oder anderer Hilfs- und Rettungskräfte behindern oder sich selbst an der Einsatzstelle in Gefahr begeben. Auch der letzte Punkt wird unter Umständen mit Journalistinnen und Journalisten kontrovers diskutiert werden, da manche für sich auch die Legitimation sehen, sich im Rahmen ihrer Aufgabe bewusst und gewollt in Lebensgefahr zu bringen. In der Tat geht es bei unserer Argumentation dann auch weniger um die Gesundheit des Journalisten, als vielmehr darum, dass ein solches Geschehen natürlich Kräfte binden würde, weil dem Journalisten im Schadensfall auch Hilfe zuteilwerden muss. Daraus ergeben sich wiederum Gefahrenmomente für die eingesetzten Kräfte und gegebenenfalls für Unbeteiligte, denen ebenfalls in diesem Moment geholfen werden müsste. Wenn Medienvertreter am Einsatzort die Diskussion suchen, ist vor allem eines wichtig: ruhig und besonnen zu handeln, soweit es die Einsatzlage zulässt. Das gilt für alle eingesetzten Kräfte. Erfragen Sie das Medium, für das gearbeitet wird, und sprechen Sie die Verwendung der Bilder oder Filmsequenzen ab. Bieten Sie Möglichkeiten an, Aufnahmen von exponierter Stelle zu machen, von denen gefahrlos gefilmt werden kann, aber die Arbeit nicht behindert wird. Besprechen Sie Ihre Maßnahmen mit den eingesetzten Kräften vor Ort. Richten Sie bei größeren Lagen und mehreren Kamerateams an der Einsatzörtlichkeit eine Medienanlaufstelle ein. Hierzu gibt es auch noch nähere Ausführungen im Kapitel 8.1.5.

Nicht immer sind Kräfte der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit unmittelbar vor Ort im Einsatzgeschehen. Deshalb ist es wichtig, dass Sie Ihre Expertise auch an die Kräfte weitergeben, die regelmäßig in solchen Einsatzsituationen als erste vor Ort sind. Geben Sie als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter einer PR-Dienststelle Handlungsempfehlungen an die Kolleginnen und Kollegen, insbesondere des Streifendienstes und der Bereitschaftspolizei Ihrer Behörde. Machen Sie deutlich, dass Sie im Einsatz bei Konflikten mit Medienvertretern grundsätzlich als Ansprechpartner zu Verfügung stehen, aber eben auch rechtlich sauber gehandelt werden muss, wenn sie (noch) nicht vor Ort sind. Erläutern Sie die Rechtsvorschriften in Dienstunterrichten. Das kostet zwar viel Zeit, kommt aber bei den Kolleginnen und Kollegen gut an und schafft zusätzlich eine engere Bindung zur PR-Dienststelle des Hauses. Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten!