Reisen zur Entdeckung des Nils

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Aus der Reihe: Edition Erdmann
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Wir hatten beschlossen, unseren Kurs nordwärts nach einer Insel zu richten, wo gutes Wasser im Überfluss zu bekommen sein sollte. Am 6. gingen wir früh um 5 Uhr unter Segel. Wir litten an Wassermangel, wie wir vorausgesehen hatten. Abends ankerten wir bei Foosht in zwei Faden Wassertiefe östlich der Stadt. Den folgenden Tag blieben wir hier liegen, weil die Matrosen damit beschäftigt waren, die Schläuche zu füllen. Andere Gefäße sind auf diesem Meer nicht üblich.

Nachdem für unseren großen und so wesentlichen Bedarf an Wasser hinlänglich gesorgt war, begaben wir uns alle wieder an Bord, fanden aber, dass uns noch etwas sehr Wichtiges fehlte, nämlich Feuerholz. Das Holz ist am Roten Meer überhaupt sehr selten, es wird nur in geringen Mengen gefunden und in solchen auch verwendet. Man wusste, dass ein wenig auf der nordwärts liegenden Insel Zimmer zu finden war, doch inzwischen war auf unserem Schiff eine Unruhe von ganz besonderer Art entstanden, wovon ich nichts erfuhr, bis ich wieder an Bord kam.

Man hatte nämlich einen Abessinier, der an Bord starb und beim Aussegeln aus der Bai von Loheia begraben wurde, seit zwei Nächten auf dem Bugspriet gesehen, worüber die Matrosen in großen Schrecken gerieten. Auch den Rais beunruhigte es nicht wenig, wenn er auch nicht sicher berichten konnte, ihn selbst gesehen zu haben. Dennoch beklagte er sich bitter, als ich mich zu Bett gelegt hatte, über die schlimmen Folgen, die entstehen könnten, wenn das Gespenst seinen Platz behauptete. Er bat mich deswegen, zu dem Geist zu gehen und mit ihm zu reden. »Guter Rais«, entgegnete ich, »ich bin müde, und mein Kopf schmerzt mir von der heftigen Sonne. Ihr wisst, dass der Abessinier für seine Überfahrt bezahlt hat. Wenn er also dem Schiff nicht zu schwer ist – und ich denke, er müsste jetzt leichter sein, denn als wir ihn an Bord nahmen –, können wir es dem Geist billigerweise nicht verwehren, seine Reise nach Abessinien fortzusetzen, da wir nicht wissen, was er dort vielleicht für wichtige Geschäfte hat.« Der Rais fing an sich glücklich zu preisen, dass er von diesen Geschäften nichts wüsste. »Wenn Ihr also«, fuhr ich fort, »nicht findet, dass er das Schiff vorne zu sehr belastet, so lasst ihn doch in Ruhe. Käme er sonst irgendwo im Schiff hin oder bestünde er darauf, mitten unter Euch zu sein, würde er Euch bei Eurer gegenwärtigen Gemütsverfassung wohl weit beschwerlicher sein als auf seinem jetzigen Platz.« Der Rais fing an, sich zu segnen und einen Vers aus dem Koran herzusagen: »Bismilla sheitan rejem« (Um Gottes willen, nimm den Teufel von mir). »Nun Rais«, fing ich abermals an, »wenn er uns keinen Schaden zufügt, lasst ihn doch ruhig auf dem Bugspriet reiten, bis er müde wird oder bis er nach Massaua kommt. Ich schwöre Euch, solange er uns weder schadet noch beunruhigt, glaube ich keine Veranlassung zu haben, aus meinem Bett aufzustehen und ihm lästig zu sein. Gebt aber nur Acht, dass er uns nichts stiehlt.«

Dies schien der Rais sehr übel zu nehmen und sagte, dass er für seine Person um sein Leben nicht besorgter sei als sonst jemand an Bord. Wenn er sich nicht vor einem unvermuteten heftigen Wind fürchte, so möge der Geist immer auf dem Bugspriet reiten und zum Teufel gehen. Er habe aber stets gehört, dass gelehrte Männer mit Geistern reden könnten. »Seid so gut, Rais«, sagte ich, »und meldet dem Gespenst, ich sei im Begriff, Kaffee zu trinken. Es wäre mir lieb, wenn er in die Kajüte käme und mir entdeckte, was er mitzuteilen habe.« Der Rais ging hinaus, hatte aber nicht den Mut, wie mir ein Diener sagte, zum Geist zu gehen. Er konnte auch niemanden finden, der sich statt seiner getraut hätte. Er kam jedoch zurück und trank Kaffee mit mir. Ich fühlte mich sehr übel und befürchtete einen Sonnenstich bekommen zu haben. »Geht hin«, sagte ich zum Rais, »und sagt dem Mahomet Gibberti, ich sei ein Christ und hätte den Geistern auf dem Roten Meer nichts zu befehlen.«

Mahomet Gibberti lag mit seinem Schiff direkt neben uns vor Anker. Ein Mohr namens Yasine, den ich in der Folge gut kennenlernte, kam herüber und erzählte mir, dass Gibberti seit unserer Abreise sehr stark an der Seekrankheit gelitten habe. Er ließ mich bitten, ich möge nicht über den Geist lachen oder dreist von ihm sprechen, weil es sehr leicht der Teufel selbst sein könnte, der oft in diesen Gegenden erscheine. Zugleich bat mich der Mohr auch, ich möge dem Gibberti etwas Kaffee schicken und meinem Diener befehlen, etwas Reis in frischem Wasser aus Foosht zu kochen. Bisher hatte man unsere Fische und den Reis in Seewasser gekocht, welches ich auch vorzog. Diese schlechte Nachricht von meinem Freund Gibberti vertrieb meine ganze Heiterkeit, und ich trug meinem Diener auf, ihn zu betreuen.

Am 8. segelten wir frühmorgens von Foosht ab, konnten aber nicht eher an den Ort unserer Bestimmung gelangen, da wir an einer offenen Reede etwa eine halbe Meile vor der Küste ankern mussten. Wie Foosht hat auch Zimmer keinen Hafen. Ich nahm meinen Quadranten und begab mich in einem Boot an Land, um Holz zu sammeln. Zimmer ist eine viel kleinere Insel als Foosht, unbewohnt und ohne Wasser, obgleich man aus den noch vorhandenen Zisternen, die sechzig Ellen im Geviert in Felsengestein gehauen sind, schließen muss, dass hier einst ein wichtiger Ort gewesen ist. Zu gewissen Jahreszeiten fällt hier Regen in großer Menge. Die Insel ist mit jungen Pflanzen vom Rackbaum bedeckt, dessen Eigenschaft es ist, in salzigem Wasser zu wachsen. Die alten Bäume waren umgehauen, es war aber eine ansehnliche Menge von Akazienbäumen vorhanden, und genau diese waren es, die wir benötigten.

Am 10. in der Frühe sah ich den Jebel (Berg) Teir, der so lange im Nebel gelegen hatte. Ich befahl dem Steuermann, gerade darauflos zu steuern. Den ganzen Vormittag war unser Schiff von einer erstaunlichen Menge Haifische umgeben. Sie waren von der Art, die man Hammerhaie nennt; ein paar große schienen miteinander zu wetteifern, wer dem Schiff am nächsten kommen könnte. Der Rais hatte eine große Harpune mit einer langen Schnur für die Fische zurechtgemacht. Ich begab mich damit auf den Bugspriet, um einem Hai aufzulauern. Vorher hatte ich noch den Rais gebeten, erst zu untersuchen, ob auch alles in Ordnung sei und ob der Geist, der so viele Nächte darauf gesessen habe, keinen Schaden angerichtet habe. Er schüttelte den Kopf, lächelte und sagte: »Die Haie suchen etwas Reelleres als Geister.« – »Wenn ich mich nicht irre«, antwortete ich darauf, »so sucht dieser Geist auch etwas Reelles, Ihr werdet es am Ende schon sehen.«

Ich traf den größten Hai ungefähr einen Fuß vom Kopf mit solcher Gewalt, dass das ganze Eisen in ihn hineinfuhr. Er schüttelte sich wie ein Mensch, der friert, und dadurch löste sich der Stiel aus der Tülle, da die Harpune mit Absicht so eingerichtet war. Der Stiel legte sich quer und hinderte den Fisch am Schwimmen, blieb aber an der Leine befestigt. Kein Lachsfischer sah jemals einen schöneren Fang an seiner Angelrute. Der Hai hatte dreißig Faden der Leine mit sich fortgerissen und wir konnten ihm noch einmal so viel geben. Er tauchte nie unter, sondern schwamm um unser Fahrzeug wie ein Schiff, sodass ein Teil seines Rückens beständig über Wasser war. Der Rais, welcher uns Anleitungen gab, bat, wir sollten ja nicht zerren, sondern so viel Leine geben, wie er brauchte. Wir sahen auch tatsächlich, wie das Gewicht der Schnur den Fisch schwächte, denn er schwamm immer rund um das Schiff, ohne dass er versuchte sich zu entfernen. Endlich kam er näher, während wir die Leine einholten, und wir brachten ihn allmählich an die Seite des Schiffes, wo wir einen starken Bootshaken in seinem Schlund befestigen konnten. Nun ließen wir einen Mann an einem Seil hinab, um dem Hai den Schwanz abzuschneiden. Er konnte nun keinen Schaden mehr anrichten, wenn er auch noch nicht gänzlich tot war. Er maß elf Fuß und sieben Zoll von der Schnauze bis zum Schwanz und hatte, wo er am dicksten war, einen Umfang von vier Fuß. Im Magen fanden wir einen nicht lange vorher verschluckten Delfin und etwa eine halbe Elle Tuch. Es war der größte Hai, den unser Rais jemals im Roten und im Indischen Meer gesehen hatte.

Wir verließen Jebel Teir am 11. bei leichtem Westwind, aber gegen Mittag verstärkte er sich wie gewöhnlich. Wir richteten unseren Kurs gerade auf Dahalac, als um halb 5 Uhr ein Junge in Nordwest vier Inseln erblickte. Wir hatten bei dem frischen Wind alle Segel gesetzt, als ich kurz vor Sonnenuntergang eine Welle mit einem weißen Rand wahrnahm, wie Wellen aussehen, wenn sie sich über einer Bank brechen.

»Um Gottes willen, zieht die Segel lieber ein«, schrie ich dem Rais zu, denn die Welle war genau auf unserem Kurs. Er meinte, ich müsse mich irren. Hier gebe es keine Untiefen, und ich hätte wahrscheinlich einen Seevogel gesehen. Um 7 Uhr stießen wir auf ein Korallenriff. Die Araber sind bei allen plötzlichen Gefahren verzagt, weil sie diese als nicht zu vermeidendes Schicksal betrachten. Es gibt nur wenige unkultivierte Gemüter, die bei unerwarteten gefährlichen Situationen ihre Fassung behalten und sich selbst helfen können. Die arabischen Schiffer waren sofort dafür, das Beiboot zu nehmen und nach den von dem Schiffsjungen gesichteten Inseln zu segeln. Die Abessinier wollten die Planken und Balken des Schiffes verwenden, um ein Floß daraus zu machen.

Nun entstand ein heftiger Streit und schließlich kam es sogar zu einer Schlägerei. Die Nacht brach herein und wir saßen noch immer auf der Klippe fest. Der Rais und Yasine besänftigten inzwischen den Tumult, worauf ich die Passagiere bat, mich anzuhören: »Ihr wisst es alle«, fing ich an, »oder sollt es wenigstens wissen, dass das Boot mir gehört, weil ich es zur Sicherheit und zum Nutzen für mich und meine Leute von meinem Geld gekauft habe. Ihr wisst auch, dass ich mit meinen Leuten gut bewaffnet bin, während ihr nackt seid. Denkt also nicht, dass einer von euch ins Beiboot kommt und sein Leben auf Kosten des unsrigen retten könnte. Dieses Schiff ist euer Schicksal, darauf müsst ihr leben oder sterben. Packt also alle mit an. Der Wind ist ruhig, macht das Schiff frei. Hätte es einen beträchtlichen Schaden erlitten, wäre es schon längst gesunken.«

 

Durch diese Rede schienen sie neuen Mut zu bekommen und sagten, dass sie hofften, ich würde sie nicht verlassen. Ich versprach das, solange noch etwas an dem Schiff ganz wäre und sie sich wie Männer benähmen.

Das Boot wurde sogleich ins Wasser gelassen. Einer meiner Diener, der Rais und zwei Matrosen stiegen hinein. Sie waren sofort auf der Korallenbank, wo die beiden Matrosen ausstiegen und sich anfänglich die Füße zerschnitten, bald aber besser Fuß fassen konnten. Sie versuchten das Schiff rückwärts zu stoßen, es regte sich aber nicht. Dann nahmen sie Stangen und Brecheisen zu Hilfe, um es zu bewegen, diese waren aber zu kurz. Es hatte den Anschein, als könnten wir das Schiff nicht eher als am folgenden Morgen flottmachen. Wir wussten, dass sich dann der Wind wieder erheben würde, andererseits war aber auch zu befürchten, dass dadurch das Schiff in Stücke gehauen würde.

Mahomet Gibberti und Yasine hatten, seit das Schiff aufgelaufen war, unaufhörlich laut im Koran gelesen. Im Vorbeigehen sagte ich zu ihnen, dass es wohl besser sei, die Bücher ruhen zu lassen, bis wir an Land kämen, und jetzt lieber den anderen zu helfen. Mahomet erwiderte, er sei so schwach und krank, dass er nicht stehen könne. Aber Yasine ließ den Vorwurf nicht auf sich sitzen. Er zog sich nackt aus, ging aufs Vorschiff und sprang ins Meer. Er untersuchte zuerst die Korallenbank, welche ziemlich breit war, und dann die Lage des Schiffes auf ihr. Er fand, dass die an den Seiten des Schiffes stehenden Matrosen nichts zum Flottmachen des Schiffes beitragen konnten, sondern nur die Mannschaft an der Spitze. Der Rais und Yasine schrien nun nach Stangen und Brecheisen, welche ihnen auch gebracht wurden. Noch zwei weitere Matrosen ließen sich hinab und stellten sich auf die Bank. Ich befahl darauf dem Rais, ein Tau zu nehmen, sich mit dem Boot direkt hinter das Schiff zu legen und es in dieselbe Richtung, in der es gestoßen wurde, zu ziehen.

Sobald das Schiff unter großem Geschrei gezogen wurde, begann es sich zu bewegen. Kurz darauf erhob sich ein Lüftchen aus dem Osten und schnell wurde ein Vorsegel aufgezogen. Alle stießen und zogen, der Wind blies in das Segel und das Schiff glitt sanft von der Korallenbank herunter. Ich kann nicht sagen, dass ich die Freude der Übrigen sofort teilte. Ich fürchtete, es könnte eine Planke geborsten sein. Doch jetzt bewies sich der Vorteil eines Schiffes, welches nicht genagelt, sondern nur zusammengefugt ist. Es war nicht nur nicht beschädigt, sondern zog auch kaum Wasser. Die Mannschaft war durchweg sehr ermüdet, aber alle konnten den Mut und die Fertigkeit des Yasine nicht genug loben. Von diesem Tag an wuchs auch meine Achtung vor ihm und vermehrte sich immer mehr bis zu meiner Abreise aus Abessinien.

Um 6 Uhr früh zogen wir die Segel auf, der Wind ließ aber bald nach. Um 11 Uhr kam er wieder auf wie gewöhnlich und blies aus Norden.

Um 4 Uhr nachmittags sahen wir Land, welches nach der Aussage unseres Steuermanns die Südspitze von Dahalac war. Dies ist bei Weitem die größte Insel im Roten Meer, da keine von den bisher entdeckten über fünf Meilen lang war. Sie ist niedrig und flach, hat einen Boden aus festem Kies und weißem Sand, der mit Konchylien und anderen Meeresfrüchten vermischt ist. Es gibt keine Pflanzen, außer einer geringen Menge Binsengras, gerade hinreichend, die wenigen hier lebenden Antilopen und Ziegen zu ernähren. Von den Letzteren gibt es hier eine schöne Art; sie sind klein, kurzhaarig, mit dünnen scharfen Hörnern, welche Ringe haben, und sehr schnell auf den Füßen.

Obgleich Dahalac in der Nähe von Abessinien liegt, sind die Jahreszeiten doch nicht gleich, denn hier fällt von Ende März bis Anfang Oktober kein Regen. Aber in den Zwischenmonaten, meist im Dezember, Januar und Februar, kommen heftige Regengüsse vor, die zwölf Stunden anhalten, die Insel überschwemmen und die Zisternen so voll füllen, dass das Wasser darin den ganzen folgenden Sommer hinreicht. Einzig in diesen Zisternen findet man Wasser. Es sind noch dreihundertsiebzig erhalten, alle in festen Stein gehauen. Man hält sie für Werke der Perser, es ist aber wahrscheinlicher, dass sie von den ersten Ptolemäern herrühren. Die Erbauer dieser prächtigen Behältnisse mögen aber sein, wer sie wollen, es müssen jedenfalls Menschen gewesen sein, die sich von den heute hier lebenden sehr unterschieden haben. Denn diese besitzen nicht einmal den Arbeitseifer, auch nur eine einzige von diesen dreihundertsiebzig Zisternen zum Gebrauch der Leute in einem reinlichen Zustand zu halten. Sie stehen jeder Art von Tieren offen und sind mit Kot halb gefüllt, welchen diese, wenn sie trinken oder baden, zurücklassen. Wäre nur eine einzige Zisterne gereinigt und mit einer Türe verschlossen, hätte man gesundes und wohlschmeckendes Wasser für das ganze Jahr.

Die Bewohner von Dahalac scheinen ein einfältiges, furchtsames und unschädliches Volk zu sein. Es ist die einzige Gegend von Afrika oder Arabien, wo keine Waffen getragen werden. Niemand hat eine Flinte, ein großes Messer oder einen Säbel in der Hand.

Die Einwohner scheinen gesund zu sein, sie versicherten mir auch, dass nur wenige Krankheiten unter ihnen herrschten, wenn nicht zuweilen im Frühling die Schiffe aus Jemen und Jidda die Kinderblattern einführten. Die wenigsten, die davon befallen würden, kämen dann mit dem Leben davon. Ich fand keinen Mann unter ihnen, der sechzig Jahre alt zu sein schien, woraus ich schließe, dass sie nicht alt werden, obgleich die Luft gesund sein sollte, weil den ganzen Sommer der Nordwind weht, welcher die Hitze mäßigt.

Von allen Inseln, die wir auf dieser Seite des Kanals passierten, ist allein Dahalac bewohnt. Die Sprache hier ist die der Hirten; die meisten Bewohner sprechen aber auch Arabisch. Von hier aus sahen wir auch die hohen Berge von Abessinien, die sich längs der Küste wie eine Mauer bis nach Suakin hinstrecken.

Wer die abessinische Seite des Kanals durchfahren will, tut gut daran, die Insel Dahalac an der Ostseite zu passieren oder sich wenigstens der letzten Insel, Wowcan, nicht mehr als zehn Seemeilen zu nähern. Besser ist es, sich ungefähr zwölf Seemeilen westwärts von Jebel Teir oder fast in der Mitte des Kanals zwischen diesem und der Insel zu halten. Dann ist man außer jeder Gefahr.

Als wir am 14. im Hafen von Dobelew ankamen sowie bei der Abfahrt am 17., lief die Flut wie das Wasser durch eine Schleuse, und wir fürchteten, obwohl wir unter vollen Segeln liefen, von unserem Kurs ab- und auf die Felsen zugetrieben zu werden.

Der Kanal zwischen dem Festland und der Insel ist sehr schmal und die Einwirkung von Sonne und Mond hatte diese ungewöhnlich heftige Flut veranlasst, indem sie eine ungeheure Menge Wasser durch den engen Raum presste.

Nachdem wir unser Schiff untersucht und unbeschädigt gefunden hatten, auch genügend Wasser, so schlecht es auch war, zur weiteren Reise geladen hatten, segelten wir von Dobelew ab. Wegen widrigen Windes mussten wir gegen 5 Uhr in zehn Faden Tiefe ankern. Am 18. segelten wir mit Wind aus Nordwest und hatten auch eine starke Strömung aus derselben Richtung. Bald waren wir wieder genötigt, vor Anker zu gehen, da wir eine sehr seichte und schmale Stelle vor uns hatten.

Die Flut drang nun mit ungewöhnlicher Heftigkeit ein und lief wie der Nil oder sonst ein schneller Fluss, eher wie ein Bach, der eine Mühle antreibt, und nicht wie das Meer, wenn es mit der Flut steigt. Nach 1 Uhr hatten wir genug Wasser, um weitersegeln zu können, und wir wurden durch die Heftigkeit des Stroms auf eine in der Tat fürchterliche Weise durch die enge Passage gejagt.

Um halb 4 Uhr fuhren wir zwischen Ras Antalou, dem Nordkap von Dahalac, und der kleinen Insel Dahalottom hindurch, welche mit einigen Bäumen besetzt ist. Die Straße zwischen dem Kap und der Insel ist eineinhalb Meilen breit. Um 4 Uhr am Nachmittag ankerten wir in der Nähe der kleinen Insel Surat.

Am 19. September lichteten wir bei Surat gegen 7 Uhr morgens die Anker, um 11 Uhr passierten wir die Insel Dergaiham, die drei Meilen im Nordosten lag, und um 5 Uhr nachmittags lagen wir im Hafen von Massaua. Wir hatten siebzehn Tage, den Tag, an dem wir in Loheia an Bord gingen, eingeschlossen, mit dieser Fahrt zugebracht, obwohl man sie bei günstigem Wind im Allgemeinen in drei Tagen und oft in noch kürzerer Zeit zurücklegt. Daran war jedoch nicht bloß das Wetter schuld. Wir verbrachten viel Zeit mit der Besichtigung der Inseln und mit astronomischen Beobachtungen.

1 Der Sitz der englischen Ostindien-Kompanie in Arabien.

2 Geleitbrief, »Schutzbrief«, Bestallungsurkunde – in heutigen Übertragungen meist »Ferman« genannt.

3 Direkter Abkömmling des Propheten Mohammed.

4 Titel des Oberhaupts (Häuptling) von Massaua.

5 Die früher übliche Bezeichnung für Äthiopien. Der Name Abessinien ist die latinisierte Form des arabischen Wortes »habesch«, womit südarabische Volksgruppen bezeichnet werden, welche in vorchristlicher Zeit in dieses Land eindrangen und die sabäische Sprache und Schrift mit sich brachten. Heute ist dieser bis in unser Jahrhundert hinein verwendete Name nicht mehr gebräuchlich und wird von den modernen Äthiopiern sogar als diskriminierend empfunden. Der Name Äthiopier findet sich schon in der altägyptischen Geschichte und bedeutet so viel wie »die mit den verbrannten Gesichtern«.

6 Michael Suhul war Statthalter der Provinz Tigre und zugleich auch Ras (im Sinn von Erster Minister oder Premierminister zu verstehen). Er hatte nach dem König die höchste politische Position im Land mit fast unbeschränkten Machtbefugnissen, welche von Michael auch weidlich ausgenutzt wurden. In ganz kurzem Zeitabstand ließ er zwei Könige ermorden, die seinen Vorstellungen nicht entsprachen und seiner Gier nach Geld und Ruhm im Wege standen. Er setzte einen ihm genehmeren Prinzen auf den Thron, welchen er leichter manipulieren konnte. Dies geschah unmittelbar vor der Ankunft des James Bruce in Gondar, der Hauptstadt des Reiches.

7 Salutschießen.

8 Arabia felix: Seit der Römerzeit übliche Bezeichnung des Jemen.

9 Schiffskapitän.

10 In den verschiedenen Ländern variierendes Längen- und Tiefenmaß (so viel, wie ein Mann mit ausgestreckten Armen umfassen kann). Hier ist der englische Faden (fathom) gemeint, der heute noch in der Seefahrt für Tiefenangaben Verwendung findet (1 Faden = 1,83 m).