Primärziel: Der Werdegang von Luke Stone—Buch #1

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* * *

„Es ist ein gutes Angebot”, sagte Don. „Das beste, was du bekommen wirst.”



Sie fuhren durch die von Bäumen gesäumten Kopfsteinpflaster-Straßen der Stadtmitte von Fayetteville in einer unscheinbaren gemieteten Limousine. Don saß hinter dem Steuer, Luke auf dem Beifahrersitz. Leute saßen in offenen Cafés und Restaurants entlang des Bürgersteigs. Es war eine Militärstadt - viele der Leute auf der Straße waren gut durchtrainiert und gingen gerade.



Doch nicht nur waren sie gesund, sondern sie sahen auch glücklich aus. In diesem Moment konnte sich Luke nicht vorstellen, wie sich das anfühlte.



„Erkläre es mir nochmal”, sagte er.



„Du verlässt das Militär als Stabsfeldwebel. Ehrenhafte Entlassung, gültig ab Ende dieses Kalenderjahres, doch du kannst schon ab heute Nachmittag eine unbegrenzte Abwesenheitsgenehmigung bekommen. Die neue Bezahlung beginnt ab sofort und wird bis zur Entlassung durchgeführt. Dein Dienstbericht ist intakt und deine Kriegsveteranenpension und alle weiteren Vergütungen gültig.”



Es klang wie ein gutes Angebot. Doch Luke hatte bisher noch nicht erwägt, die Armee zu verlassen. Die ganze Zeit im Krankenhaus hatte er gehofft, dass er wieder zu seiner Einheit zurückkehren könnte. Hinter der Bühne hatte Don in der Zwischenzeit einen Austritt für ihn verhandelt.



„Und wenn ich dabeibleiben will?” fragte er.



Don zuckte mit den Schultern. „Du bist schon seit fast einem Monat im Krankenhaus. Die Berichte, die ich gelesen habe, zeigen, dass du wenig oder gar keinen Fortschritt bei der Therapie gemacht hast und man dich als nicht entgegenkommenden Patienten einschätzt.”



Er seufzte. „Die werden dich nicht wieder zurücknehmen, Luke. Die glauben, dass du beschädigt bist. Wenn du das Angebot, dass ich dir gerade beschrieben habe, ablehnst, dann werden die dich mit einer unfreiwilligen psychiatrischen Entlassung mit deinem derzeitigen Rang und der entsprechenden Bezahlung wegschicken, die Diagnose lautet posttraumatische Belastungsstörung. Ich glaube, ich muss dir nicht erklären, welche Chancen Männer mit einer Entlassung unter solchen Umständen haben.”



Luke dachte sich, dass nichts davon wie eine wirklich große Überraschung kam, doch es schmerzte ihn dennoch, es zu hören. Er wusste, wie es war. Die Armee erkannte nicht einmal formal die Existenz der Delta Force an. Die Mission war geheim - sie war nie geschehen. Er hatte also nicht gerade darauf gehofft, eine Medaille während einer öffentlichen Zeremonie zu bekommen. Man war nicht bei Delta wegen des Ruhms.



Er hatte zwar erwartet, dass man ihn ignorierte, doch er hatte nicht erwartet, zum alten Eisen geworfen zu werden. Er hatte der Armee viel von sich gegeben und sie waren bereit, ihn wegen einer schlechten Mission auf den Müll zu werfen. Es stimmte, die Mission war schlechter als schlecht gelaufen. Sie war ein Desaster, ein Debakel, doch das war nicht seine Schuld.



„Die schmeißen mich so oder so raus”, sagte er. „Ich kann leise gehen oder zetern.”



„So sieht’s aus”, erwiderte Don.



Luke seufzte schwer. Er schaute wie die Altstadt am Fenster vorbeirollte. Sie fuhren aus dem historischen Viertel heraus auf eine moderne Einkaufsstraße. Sie kamen ans Ende eines langen Häuserblocks und Don bog links auf den Parkplatz eines Burger King ab.



Das Zivilleben käme, ob das Luke gefiel oder nicht. Es war eine Welt, die er vierzehn Jahre zuvor verlassen hatte. Er hatte niemals erwartet, sie wiederzusehen. Was ging in dieser Welt vor sich?



Er beobachtete ein übergewichtiges junges Pärchen dabei, wie sie auf die Tür des Restaurants zuwatschelten.



„Was werde ich tun?” sagte Luke. „Nach dem Ende dieses Jahres? Welche Art von Ziviljob kann ich schon kriegen?”



„Ganz leicht”, antwortete Don. „Du wirst für mich arbeiten.”



Luke blickte ihn an.



Don parkte auf einem Platz weit hinten. Dort gab es keine weiteren Autos. „Das Spezialeinsatzteam ist soweit. Während du im Bett lagst und dir den Bauchnabel angeschaut hast, habe ich mit den Bürokraten gekämpft und den Papierkram erledigt. Ich habe die notwendige finanzielle Förderung, zumindest bis zum Ende des Jahres. Ich habe ein kleines Hauptquartier in der Vorstadt von Virginia, nicht weit von der CIA entfernt. Die malen jetzt gerade die Buchstaben auf die Tür. Ich habe das Gehör des FBI Direktors. Und ich habe - wenn auch nur kurz - mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten am Telefon gesprochen.”



Don stellte den Motor ab und schaute Luke an.



„Ich bin bereit, meinen ersten Agenten anzuheuern. Das bist du.”



Er wies mit dem Kopf auf ein großes Zeichen in der Nähe der Einfahrt zum Parkplatz hin. Luke blickte in die Richtung. Direkt unter dem Burger King Logo stand eine Reihe schwarzer Buchstaben auf weißem Hintergrund. Las man sie gemeinsam, so ergaben sie eine bittere Botschaft.



Angestellte gesucht. Weitere Informationen im Restaurant.



„Falls du keine Lust hast, mit mir zu arbeiten, gibt es bestimmt viele andere Möglichkeiten für dich da draußen.”



Luke schüttelte seinen Kopf. Dann lachte er.



„Das ist ein komischer Tag heute”, sagte er.



Don nickte. „Der wird gleich noch komischer. Hier ist eine weitere Überraschung. Dieses Mal ist es ein Geschenk. Ich wollte es dir nicht im Krankenhaus geben, weil Krankenhäuser furchtbare Orte sind. Besonders Veteranenkrankenhäuser.”



Vor dem Auto stand eine schöne junge Frau mit langem braunen Haar. Sie blickte Luke an, Tränen standen ihr in den Augen. Sie trug eine leichte Jacke, unter der sie ein Mama-Shirt trug. Die Frau war hochschwanger.



Mit Lukes Sohn.



Luke brauchte den Bruchteil einer Sekunde, um sie zu erkennen - das war etwas, dass er niemals jemandem gestehen würde, nicht einmal unter Folter. Sein Gehirn hatte die letzten Wochen über nicht richtig funktioniert und sie war fehl am Platz in diesem öden Parkplatz. Er hatte nicht erwartet, sie hier zu sehen. Ihre Anwesenheit war irreal, mysteriös.



Rebecca.



„Oh Gott”, brachte Luke heraus.



„Ja”, sagte Don. „Vielleicht willst du sie besser begrüßen, bevor sie jemand besseren findet. Hier dauert das bestimmt nicht lang.”



„Warum… warum hast du sie hier hergebracht?”



Don zuckte mit den Schultern. Er blickte sich auf dem Burger King Parkplatz um.



„Romantischer als sie zurück auf dem Stützpunkt zu treffen.”



Dann stieg Luke aus dem Auto. Er schien auf sie zuzuschweben. Sie umarmten sich und er hielt sie lange fest. Endlos. Er wollte sie niemals loslassen.



Zum ersten Mal spürte Luke Tränen sein Gesicht herunterströmen. Er atmete tief. Es fühlte sich so gut an sie festzuhalten. Er sprach nicht. Ihm fiel kein einziges Wort ein.



Sie blickte zu ihm auf und wischte ihm die Tränen vom Gesicht.



„Ist das nicht toll?” fragte sie. „Don sagte, dass du für ihn arbeiten wirst.”



Luke nickte. Er sprach immer noch nicht. Es schien, als wäre das entschieden. Don und Becca hatten die Entscheidung für ihn getroffen.



„Ich liebe dich so sehr, Luke”, sagte sie ihm. „Ich bin so froh, dass dieses Militärleben vorbei ist.”



KAPITEL SECHS

3. Mai



7:15 Uhr (USA Eastern Daylight Zeit)



Hauptquartier des Spezialeinsatzteams



McLean, Virginia—Vorort von Washington, DC



„Ich glaube, ich habe da was für dich”, sagte Don Morris.



Sie saßen in Dons neuem Büro. Der Ort wurde gerade eingerichtet. Auf dem Schreibtisch standen Fotos von seiner Frau und den Kindern, gerahmte Schleifen und Kundmachungen verzierten die Wände. Der Schreibtisch selbst war eine große Eichenfläche. Auf ihr saß eine Telefonkonsole, ein Computermonitor, ein Handy, ein Satellitentelefon und ansonsten nicht viel. Don war kein großer Fan von Papierkram.



„Ein kleiner Einsatz. Du scheinst ein wenig unruhig, seit du hier bist. Das könnte die Unruhe heilen.”



Luke starrte ihn an. Es war fast als ob Don seine Gedanken gelesen hätte. Don hatte ihm einen Gefallen getan, indem er ihm einen Job gab. Luke wusste das. Es war wie ein Rettungsring, den man ihm zugeworfen hatte. Doch Luke drängte es schon weg. Seither waren es nur Wochen voller Herumsitzen und Gespräche. Luke war es langweilig. Das war in Ordnung. Es war nur deshalb gefährlich, weil er vielleicht verrückt würde, wenn es zu lange anhielt. Geheimdienst am Schreibtisch war nicht das Richtige für ihn. Das wurde ihm nur allzu klar.



„Ich bin ganz Ohr”, erwiderte Luke.



Don zeigte zu der offenen Tür. „Lass uns in den Gang heraustreten.”



Luke folgte Don den engen Gang zum hell erleuchteten Konferenzsaal auf der anderen Seite. Bis vor sechs Monaten war dieser kleine Bürokomplex noch ein Satellitenbüro des Wohnungs- und städtischen Entwicklungswesen. Don arbeitete daran, das Gebäude ein wenig ins einundzwanzigste Jahrhundert zu zerren.



Zu diesem Zweck hing ein großer, junger Typ mit einem Pferdeschwanz, der eine seltsame am Kopf anliegende Fliegerbrille trug, einen Flachbildschirm an einer Wand auf. Ein weiterer Bildschirm hing schon an der gegenüberliegenden Wand, Kabel zu einem Bedienfeld auf dem langen Konferenztisch. Der Typ trug ein rot, weiß und blaues T-Shirt, Jeans und rote, hohe Converse All-Star Turnschuhe.



Luke schaute ihn kaum an. Er nahm an, dass er ein Techniker einer Vertragsnehmeragentur der Regierung oder vielleicht ein Computerfreak irgendwo im FBI war.



„Luke, kennst du schon Mark Swann?” sagte Don und verdrängte gelassen diese Gedanken. „Er ist unser neuer Systemdesigner und -bediener und für unsere Geheimdienstnetzwerke, Internet, Satellitenverbindungen verantwortlich… Mark wird viele Aufgaben übernehmen, zumindest für eine Weile. Mark Swann, dies ist Agent Luke Stone. Luke ist unser erster Einsatzagent, doch wir werden bald ein paar weitere hinzufügen.”



Der Typ drehte sich um. Er war dünn. Er hatte dürre Beine. Auf seinem T-Shirt mit der amerikanischen Flagge stand „Wir sind Number 31!”

 



Der Typ und Luke blickten sich in die Augen. Luke musterte ihn schnell. Er war jung, vielleicht Anfang zwanzig - er sah sogar noch jünger aus. Er war selbstbewusst, fast schon arrogant. Er war intelligent. Er war in der Schule vielleicht schon ein Computerfreak gewesen. Er und Luke würden in verschiedenen Abteilungen sein. Dieser Typ befasste sich mit Ausstattung - nahm sie auseinander, setzte sie wieder zusammen und brachte sie zum Brummen. Er hatte wahrscheinlich noch nie an einem Moment Gewalt in seinem Leben teilgenommen und vermutlich keine erlebt.



Sie gaben sich die Hand.



„Wir sind also Nummer einunddreißig?” fragte Luke. „Wobei sind wir Nummer einunddreißig?”



Der Typ zuckte mit den Schultern und lächelte.



„Keine Ahnung, Mann. Vielleicht kannst du es erraten.”



Luke lachte fast.



„Ich kann es nicht erraten”, erwiderte er. „Vielleicht kannst du mir ein wenig auf die Sprünge helfen.”



„Gesundheitsversorgung”, antwortete der Typ. „Laut der Weltgesundheitsorganisation sind wir Nummer einunddreißig bei der Gesundheitsversorgung. Wir sind jedoch Nummer eins bei Gesundheitsversorgungskosten, falls du etwas suchst, auf das du stolz sein kannst.”



Luke hielt immer noch die Hand des Typen.



„Ich wäre stolz darauf, dir ein paar Knochen zu brechen und dann zu sehen, wie gut amerikanische Ärzte dich wich wieder zusammenflicken. Aber du würdest dich wahrscheinlich lieber in Mexiko behandeln lassen.”



Swann nahm beide seiner Hände zurück. „Kuba. Oder vielleicht auch Kanada.”



„Sehr nett, Mark”, sagte Don. „Ich bin mir sicher, dass Agent Stone sich darüber freut herauszufinden, dass er all diese Jahre seinen Hals für ein Land mit einer solch mittelmäßigen Gesundheitsversorgung riskiert hat.”



Don wies mit seinem Kopf auf die audiovisuellen Geräte hin. „Wie läuft’s?”



Mark nickte. „Der erste Bildschirm ist soweit. Hochauflösend, Hochgeschwindigkeitsverbindung. Sie können die Tastatur und den kleinen Bildschirm dort auf dem Tisch verwenden, und haben mit Ihrem Passwort Zugang auf jegliche unserer eigenen Archive. Sie können wählen, was Sie teilen möchten und es erscheint dann auf dem großen Bildschirm. Ich kann diese Genehmigung auch für alle anderen im Gebäude einrichten - ich wollte Sie Ihnen nur zuerst vorstellen, um herauszufinden, was Sie davon halten.”



Don nickte. „Sehr schön. Wie sieht es mit Besuchern aus? Und können wir Informationen auch mit anderen Standorten teilen?”



Der junge Mark Swann hielt seine Hände hoch, als ob er sagen wollte:

Schieß nicht!

„Das kommt noch. Doch bevor wir Geheiminformationen außerhalb des Gebäudes senden, brauchen wir eine luftdichte Datenverschlüsselung. Sie können alles e-mailen, was Sie wollen. Doch wenn es darum geht, Videos oder Daten, die anderswo erscheinen, hochzuladen oder Übertragungen hier herzubringen? Das geschieht auf einer Fall-zu-Fall-Basis mit jedem Partner. CIA, NSA, das Weiße Haus, falls notwendig, selbst das Hauptquartier des FBI. Die haben alle ihre eigenen Prozeduren und wir werden ihrem Protokoll folgen.”



Don nickte. „OK, Mark. Es gefällt mir jetzt schon. Können Sie Agent Stone und mir etwa zwanzig oder dreißig Minuten Zeit geben? Und Trudy Wellington hereinschicken?”



Swann nickte. „Klar.”



Als er ging, blickte Don Luke an.



„Komischer Junge”, sagte Luke.



„Schlaues Köpfchen”, erwiderte Don. „Es ist mein Ziel, hier nur die Besten anzustellen. Und wenn es darum geht, dann ist das nicht immer der Typ, dem der Anzug am besten steht. Was Technologie betrifft ist das für gewöhnlich nicht der Fall. Wir sind hier drinnen Cowboys, Luke. Wir sind die Kinder, die außerhalb der Linien malen. Das ist es, was sie von uns wollen. Der FBI Direktor hat es selbst gesagt.”



„Ich stehe auf deiner Seite”, sagte Luke.



„Das solltest du. Du bist einer der besten Einsatzagenten, die ich in meiner langen Karriere gesehen habe und was das außerhalb der Linien malen angeht… naja…”



Plötzlich erschien eine junge Frau in der Tür. Sie war womöglich noch jünger als der Typ, der gerade gegangen war. Don heuerte anscheinend nur Kinder an. Dieses Kind war allerdings schön. Sie hatte langes, lockiges, braunes Haar. Sie trug eine Bluse und Hosen, die ihre Kurven betonten. Sie trug eine große rote Brille, die sie leicht eulenhaft aussehen ließ.



„Don?”



„Trudy, kommen Sie rein. Ich möchte Ihnen Luke Stone vorstellen. Er ist der Mann, von dem ich Ihnen erzählt habe. Luke, das ist Truy Wellington. Sie ist unsere neue Geheimdienst-Offizierin. Auch Sie ist eine Senkrechtstarterin, hat MIT als Teenager abgeschlossen und ein paar Jahre in CIA Abhörstationen verbracht. Jetzt ist sie bei uns, bereit, einen Quantensprung zum nächsten Niveau von Geheimdienst zu machen.”



Luke gab der jungen Frau die Hand. Sie war ein wenig schüchtern, erwiderte nicht ganz seinen Blick. Verdammt, sie war ja noch ein Kind.



Luke blickte zwischen Don und Trudy hin und her. Irgendetwas an der Körpersprache…



Nein, das war unmöglich. Don war seit dreißig Jahren verheiratet. Er hatte eine Tochter und einen Sohn, die älter als diese Trudy waren.



„Trudy wird uns über die Mission informieren, die uns bevorsteht.”



Trudy setzte sich gleich an den Konferenztisch. Luke und Don folgten ihrem Beispiel. Sie nahm sofort die Tastatur, zog den kleinen Monitor nach vorne und tippte ihre Information hinein. Der Desktop ihres Computers erschien auf dem großen Flachbildschirm an der Wand.



„Sie wissen schon, wie man das bedient?” fragte Don.



„Naja… Wir hatten solche Geräte natürlich am MIT. Bei der CIA habe ich nicht so viel gesehen, doch ich stelle mir vor, dass auch sie solche Ausstattung haben. Swann gab mir vorhin Zugang. Ich glaube, er wollte ein bisschen angeben.”



„Na, es ist aber schon ziemlich cool”, sagte Don.



Luke nickte. Er lachte fast wieder. Er stellte sich den Don mit dem stählernen Blick vor, den er die letzten Jahre über kennengelernt hatte - wie er in Kampfzonen sprang, Männer im Schlachtfeld kommandierte, erbarmungslos böse Typen umbrachte. Er schien fast absurd stolz auf diese kleine Agentur, ihre Büroausstattung und die jungen Zivilisten, welche sie mit solcher Gelassenheit bedienten. Na, schön für ihn.



Auf dem Bildschirm erschien ein Ausweis der United States Marine Corps. Auf ihm erschien ein Soldat mit einem Bürstenschnitt, einem breiten Kiefer und einem bedrohlichen Blick. Er schien sarkastisch, verärgert und bereit, jemanden auf der Stelle umzubringen. Er sah wie die Art Typ aus, der seinen Gefechtseinsatz in Übersee durchführte, dann nach Hause kam und seine Zeit damit verbrachte, in Kneipenstreitereien zu geraten. Ein rauer Kunde.



Luke hatte viele solcher Typen gesehen. Er hatte sogar einige von ihnen bewusstlos geschlagen.



„Ich gehe davon aus, dass keiner von euch beiden schon Wissen über das Objekt oder das Ziel hat”, begann Trudy. „Das könnte diese Unterhaltung ein wenig länger als notwendig machen, oder vielleicht auch nicht. Doch für gewöhnlich garantiert es, dass wir danach alle gleichviel wissen. Klingt das in Ordnung?”



„Gut”, erwiderte Don.



„Klingt in Ordnung”, stimmte Luke zu.



Sie nickte. „Dann lasst uns anfangen. Der Mann auf dem Bildschirm ist der ehemalige Marine Corps Feldwebel Edwin Lee Parr. Siebenunddreißig Jahre alt, aufgewachsen in Kentucky, südlich von Lexington. Kriegsveterane, der sowohl 1989 bei der Invasion von Panama als auch im Golfkrieg im Gefecht war. Er wurde ebenfalls bei der Friedenssicherung am Ende des Kosovokrieges eingesetzt. Purple Heart und einen Bronzestern für verdienstvollen Dienst während der Invasion von Panama. Ehrenhafte Entlassung im Dezember 1999, nach zwölf Jahren Dienst.



„Parr kam heim und arbeitete in verschiedenen Teilen des Landes für eineinhalb Jahre im Sicherheitsdienst. Er hatte eine verdeckte Waffenlizenz und war hauptsächlich ein persönlicher Bodyguard für Geschäftsleute, oft für Diamantenhändler. Er arbeitete für eine Firma namens White Knight Security und pendelte zwischen New York, Miami, Chicago, Los Angeles und San Francisco. Ein paar dokumentierte Reisen nach Tokyo, Hong Kong und London, doch es ist nicht klar, wie die Waffenregulierungen bei diesen Fällen gehandhabt wurden.”



Luke starrte in die wütenden Augen des Mannes. Es schien wie kein schlechter Job für einen Kriegsveteranen. Nicht viel Action, aber ordentlich Reisen. Das könnte sogar einem Mann wie…



„Dann geschah der elfte September”, fuhr Trudy fort.



„Hat er sich wieder verpflichtet?” fragte Luke.



Sie schüttelte ihren Kopf. „Nein. Binnen kurzer Zeit gab es unglaublich viel Nachfrage für erfahrene militärische Auftragsnehmer. White Knight Security entwickelte eine ganz neue Abteilung, die sich White Knight Consultants nannte. Edwin Paar war einer ihrer ersten verfügbaren Kampfzonenexperten. Er ging nach Afghanistan und ist jetzt seit fünfundzwanzig Monaten ohne Unterbrechung in Irak.”



Luke begann sich zu wünschen, dass sie endlich zum Punkt käme. Der Gedanke daran, wie Edwin Parr sich auf einer Kampfschaubühne befand und dabei an wenig oder gar kein Kommando gebunden war und zehn Mal so viel wie normale Soldaten verdiente, verärgerte Luke. Um es milde auszudrücken.



„Fünfundzwanzig Monate?” fragte Luke. „Was macht er dort? Ich meine, abgesehen davon, sein Bankkonto zu füllen?”



„Es scheint, dass Edwin Parr abtrünnig wurde”, sagte Trudy.



Sie hielt inne und schaute einen Moment von der Tastatur und der Maus auf. „Die nächsten Bilder sind graphisch.”



Luke starrte sie an.



„Ich glaube, damit können wir umgehen”, erwiderte Don.



Trudy nickte. „Parr wurde vor vier Monaten von White Knight gefeuert, obwohl er eine fünfjährige Beziehung zu ihnen hat. White Knight leugnet jegliche Kenntnis über seine Aktivitäten oder seinen Aufenthaltsort ab. Sie verweigern jegliche Verantwortung für seine Handlungen.”



Ein neues Bild erschien auf dem Bildschirm. Es zeigte womöglich ein Dutzend Körper, die auf einer Art Marktplatz verstreut lagen. Die Körper konnte man fast nicht als menschlich erkennen - sie waren von einer Bombe oder einer Art hochkalibrigen Repertierwaffe zerfetzt worden.



„Parr operiert im nordwestlichen Irak, was auch als das Sunni Dreieck bekannt ist, außerhalb der Reichweite der Koalitionstruppen. Es arbeiten bis zu ein Dutzend ehemalige oder möglicherweise derzeitige Vertragsnehmer mit ihm zusammen und wir vermuten, dass sich ebenfalls ein oder zwei Marine Corps Deserteure bei ihm befinden. Man vermutet, dass er das Zivilmassaker angeordnet hat, das an diesem Fallujah Markt geschah, und man vermutet, dass dies ein Bild der Folgen des Massakers ist. Bis zu vierzig Menschen könnten bei dem Anschlag gestorben sein.”



Luke war interessiert. „Warum würde er das tun?”



Ein neues Foto erschien auf dem Bildschirm. Es zeigte zwei verbrannte, kopflose Körper, die von einer Brücke hingen.



„Die Körper, die Sie hier sehen, wurden als die Überreste der ehemaligen amerikanischen Militärvertragsnehmer Thomas Calence, einunddreißig, und Vladimir Garcia, neununddreißig, identifiziert. Ihr Jeep wurde von aufständischen Sunnis angegriffen. Sie wurden gefangen, geköpft und angezündet. Als dies geschah, war keiner der beiden vom Militär beauftragt. Das Massaker des vorherigen Fotos scheint die Rache für die Tode von Calence und Garcia zu sein. Ein Teil einer eskalierenden Reihe von Vergeltungsattentaten. Calence und Garcia arbeiteten mit Parr zusammen.”



„Was taten sie?” fragte Luke.



Ein weiteres Bild erschien, eine Karte des sogenannten Sunni Dreiecks.



„Das Sunni Dreieck war Saddam Husseins Hochburg im Irak. Der Süden des Landes ist hauptsächlich schiitisch und Saddam gab sich viel Mühe, die Schiiten zu unterdrücken, wozu auch häufig Massaker gehörten. Der Norden ist überwiegend kurdisch und die Kurden wurden oft noch schlimmer als die Schiiten behandelt. Doch das nordzentrale und nordwestliche Irak ist Sunnigebiet. Saddam wurde dort geboren und die Leute da halten zu ihm. Es fällt dem amerikanischen Militär sehr schwer, diese Region zu zähmen und große Teile davon sind immer noch unerreichbar. Wir glauben, dass Parr dort draußen operiert, weil da der Großteil von Saddams Reichtum versteckt ist.”



Sie fuhr fort: „Es scheint, dass Parr systematisch geheime Geld-, Waffen-, Diamanten-, Gold- und andere Edelmetallspeicher sowie einige Luxusautos aufgedeckt hat. Er findet die Sachen, indem er Saddams ehemalige Leutnants foltert und ermordet und die örtliche Bevölkerung einschüchtert. Die Anwohner hassen Parr und sie versuchen aktiv, ihn umzubringen.



„Doch Parr hat eine kleine Armee von harten Typen zusammengestellt - militärische Consultants, einige von ihnen aus dem Spezialeinsatz und wie ich schon zuvor erwähnt habe, möglicherweise zwei Marine Corps Deserteure. All seine Männer sind kampferfahren und Parr macht sie reich, so lange sie am Leben bleiben. Dabei verwenden sie immer extremere Methoden, um sich zu versichern, dass dem so ist. Derzeitig entführen sie Frauen und Kinder der ansässigen Stämme. Wir glauben, sie verwenden sie als menschliche Schutzschilder. Es ist auch möglich, dass sie einige an Al Qaeda und die schiitischen Stämme aus dem Süden verkaufen.”

 



Trudy hielt inne.



„Er raubt Saddams versteckten Schatz so schnell wie er kann aus und er lässt es nicht zu, dass sich ihm jemand dabei in den Weg stellt.”



„Was ist hierbei unsere Rolle?” fragte Luke.



Don zuckte mit den Schultern. „Wir sind das FBI, mein Sohn. Wir gehen dahin, retten jeden, der gegen seinen Willen gehalten wird und nehmen Edwin Lee Parr für Entführung und Mord fest.”



„Ihn festnehmen…” sagte Luke. „Für Mord. In einer Kriegszone. Wo Hunderttausende von Menschen schon gestorben sind.”



Er ließ sich das eine Minute durch den Kopf gehen.



Don nickte. „So sieht’s aus. Wir werden ihn hierher zurückbringen, ihn verurteilen und ihn wegschließen. Dieser Typ Parr ist ein Durcheinander, der muss aufgeräumt werden. Das ist ein Mörder, ein Lügner und ein Dieb. Keiner kommt dort an ihn ran, er arbeitet unter keinem Kommando und ist zu seinem eigenen Gesetz geworden. Der begeht Grausamkeiten, für welche die Iraker die Amerikaner beschuldigen. Wenn der weitermacht, dann wird er einen internationalen Vorfall verursachen. Das wird unserem ganzen Aufwand im Irak, in Afghanistan und überall auf der Welt schaden.”



Luke atmete tief durch. „Und wie, stellst du dir vor, soll das ablaufen?”



Don und Trudy starrten ihn an.



Trudy erklärte. „Wenn du den Fall annimmst, dann wird dir die CIA eine Identität als ein angehender korrupter Militärvertragsnehmer ausstellen”, sagte sie. „Du und ein Partner werdet allein ins Sunni Dreieck reisen, Parrs Hauptquartier unter einem Dutzend verdächtiger Standorte finden, ihn festnehmen und dann um eine Abholung durch Helikopter bitten.”



Luke grunzte. Er lachte fast. Er sah die junge, hübsche Trudy, Graduierte einer elitären Ostküstenuniversität, an. Aus irgendeinem Grund konzentrierte er sich auf ihre Hände. Sie waren winzig, makellos, sahen sogar schön aus. Er zweifelte daran, dass sie jemals eine Waffe gehalten hatten. Sie sahen aus als ob sie noch nie etwas schwereres als einen Stift hochgehoben hatten oder von Dreck verschmutzt worden waren. Ihre Hände sollten in der Werbung von Palmolive erscheinen. Ihre Hände sollten ihre eigene Fernsehsendung bekommen.



„Das klingt gut”, erwiderte er. „Haben Sie sich das überlegt? Ich kann Ihnen erklären, dass meine letzte Helikopterabholung ganz toll lief. Mein bester Freund starb, mein kommandierender Offizier starb, so ziemlich alle starben. Die einzigen, die nicht starben, waren ich, ein Typ, der verrückt wurde und ein weiterer, der beide Beine verlor

und

verrückt wurde. Und… wissen Sie, seine Fähigkeit zu…”



Luke hielt inne. Er wollte nicht den Satz beenden.



„Der Typ will nicht mehr mit mir reden, weil er mich darum bat, ihn zu töten und ich ihm die Bitte verweigert habe.”



Trudy starrte Luke mit diesen großen, hübschen Augen an. Durch die Brille sahen sie größer aus als sie eigentlich waren. Sie sah in diesem Moment aus wie ein Wissenschaftler, der durch ein Mikroskop ein Insekt inspiziert.



„Das ist unangenehm”, sagte sie.



„Das sind alte Nachrichten”, entgegnete ihm Don. „Entweder steigst du wieder aufs Pferd oder nicht.”



Luke nickte. Er hielt die Hände hoch. „Ich weiß. Es tut mir leid. Ich weiß es. OK? Nehmen wir mal an, ich gehe dahin. Was, wenn Parr nicht einfach mitwill? Was, wenn er keine Lust darauf hat, den Rest seines Lebens im Knast zu verbringen?”



Don zuckte mit den Schultern. „Wenn er sich der Verhaftung widersetzt, dann beendest du sein Kommando und die Fähigkeit seiner Gruppe, weiterzuarbeiten, wie auch immer du das in diesem Moment erledigen kannst.”



„Ihr wisst aber schon, dass wir über Amerikaner reden?” fragte ihn Luke.



Sie sahen ihn beide an. Keiner von ihnen antwortete. Ein langer Moment verstrich. Es war eine dumme Frage. Natürlich wussten sie das.



„Willst du mitmachen?” wollte Don wissen.



Es dauerte ein