Gedemütigt! Entwürdigt! Bestraft!

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Gedemütigt! Entwürdigt! Bestraft!

Der tiefe Fall der Regentin von Myrtana

IMPRESSUM

Isabel de Agony

CanLaon Road km 4,5

Ulay, Vallehermoso

Negros Oriental

The Philippines

isabel.de.agony@protonmail.com

Die Gefangenschaft

Ich atme schwer. Ich habe Hunger. Ich habe Durst. Ich bin dreckig. In dieser Gefängniszelle ist alles dreckig. Und ich bin mittendrin. Ich hab mir eine bestimmte Ecke für meine Notdurft gesucht. Denn ich will nicht in meiner eigenen Scheiße sitzen. Denn sie haben mir nicht einmal einen Eimer gegeben, damit ich mich erleichtern kann. Einmal am Tag kommen sie. Ich weiß nicht, ob ich mich fürchten soll. Oder ob ich ihre Anwesenheit herbeisehnen soll. Sie werfen mir halb verschimmeltes Brot herein. Was erlauben sie sich? Was zum Teufel erlauben sie sich? Ich bin die Königin. Ich..... Verzweifelt muss ich es einsehen. Ich.... Ich war einmal die Königin. Hier unten in den Verliesen bin ich ein Nichts. Hat man mich vergessen? Warum befreit mich niemand? Wo ist meine Leibgarde? Meine Abwesenheit muss doch aufgefallen sein. Meine Berater müssen doch nach mir suchen. Oder etwa nicht? Welche Geschichte hat man ihnen über mich und mein Verschwinden erzählt. Oder sind sie tot? Sind alle meine Gefolgsleute tot? Ist denn niemand dem Gemetzel entkommen? Ich lasse mich wieder zu Boden sinken. Ich bin wütend. Wütend auf diesen scheinheiligen Hohepriester. Dieses ganze Gerede von Sünde und Schuld. Ich bin aber auch wütend auf mich selber. Warum bin ich ihm nur in die Falle gegangen? War es so offensichtlich? Ja. Das war es. Wenn ich nur nicht so hochmütig gewesen wäre, dann hätte ich es erkennen können. Aber ich war ja die Königin. Die Regentin. Was sollte mir schon passieren? Was?

Wie lange bin ich schon hier drin gefangen? Ich weiß es nicht. Jegliches Zeitgefühl ist mir verloren gegangen. Der Tag ist wie die Nacht und die Nacht ist wie der Tag. Hier unten gibt es kein Tageslicht. Nur draußen vor meiner Kerkertür brennt eine Fackel und ein flackerndes Licht fällt durch die Gitterstäbe des kleinen Fensters zu mir herein. Es ist dunkel. Meistens ist es dunkel. Bis auf die kurzen Momente, wenn sie kommt. Meine Gefängniswärterin. Ich höre Schritte. Sie kommt? Kann sein. Ich sehe aber nur ein Gesicht am Gitterfenster. Ein bärtiges Gesicht. Ich habe es aufgegeben, ihm zu befehlen, mich sofort freizulassen. Er macht es nicht. Er gehorcht seiner Königin nicht. Warum nur? Warum? Ich starre einfach zurück. Ein letzter Rest aus Stolz und Trotz, der mir noch geblieben ist. Mein Magen knurrt. Anfangs habe ich mich geweigert, das alte und harte Brot zu essen. Jetzt nicht mehr. Ich esse es. Ich esse alles, was sie mir geben. Sonst sterbe ich. Die Schritte draußen werden wieder leiser. Ich bin wieder allein. Allein mit mir und meinem trüben Gedanken. Was werden sie mit mir tun? Werden sie mich töten? Vermutlich. Aber warum haben sie das nicht schon längst getan? Sie müssen doch wissen, dass ich blutige Rache nehmen werde, sobald ich hier herauskomme. Ich hätte mich getötet. An deren Stelle. Eine so gefährliche Gegnerin wie mich tötet man. Sofort. Unverzüglich. Was haben sie also mit mir vor? Ich schließe die Augen. Versuche zurückzudenken, was falsch gelaufen ist. Was mich hier in diese verdammte, stinkende und feuchte Zelle gebracht hat.

Ich bin die Regentin. Die Regentin meines fünfzehnjährigen Sohnes. Formal ist er der König. In Realität bin ich es, die herrscht. Denn er ist schwach. Viel zu schwach. Ohne meinen Schutz wäre er hilflos. Ich weiß, dass ich viele Feinde habe. Ich habe sie alle vernichtet. Ich habe den Schlag nicht kommen sehen, der mich in diese Zelle gebracht hat. Denn ich habe geglaubt, der Hohepriester sei mein Verbündeter. Er ist es nicht. Ganz offensichtlich ist er es nicht. Ich weiß es noch genau. Ein Bote brachte mir die Nachricht. Die Nachricht von Ganbaatar, dem Hohepriester der Zwölf. Ich habe ihm selbst zu der Macht verholfen, die er jetzt innehat. Ich muss eine Närrin gewesen sein. Er war nützlich. Er war mir sehr nützlich bei der Vernichtung meiner Feinde. Und jetzt? Jetzt liege ich hier. Oh ja... Ganbaatar hat mich zu sich gebeten. Mich die Königin. Die Königin Aldeya. Ich hätte ihm befehlen sollen, er möge zu mir in den Palast kommen, wenn er mich sprechen will. Doch ich Närrin bin seinem Ruf gefolgt. Ich habe zwanzig Mann meiner Leibgarde gerufen, sie mögen mich begleiten. Als wir ankamen, da hat Ganbaatar mich gebeten, ich möge die Wachen draußen warten lassen. Nichts schien auf Ungemach hinzuweisen. So habe ich dem Wunsch des heiligen Mannes entsprochen. Wir unterhielten uns einige Zeit in der Kapelle im Untergeschoss des großen Tempels. Es war seltsam. Er hat mir Wein gereicht. Starken roten Wein aus dem Pintarosgebirge. Mein Lieblingswein. Es wusste es. Er wusste es, wie er so vieles über mich gewusst hat. Und ich war ahnungslos. Ahnungslos und geschmeichelt. Geschickt lenkte er das Gespräch erst dann auf religiöse Themen, nachdem wir zunächst über Politik gesprochen hatten. Wir sprachen über Sünde und Verfehlungen. Über Sünde und Verfehlungen meiner Feinde. Meiner Feinde, die nun schon längst draußen auf dem Feld verfaulen. Und dann wurde mir das Thema unangenehm. Immer wieder lenkte er das Gespräch darauf zurück. Ich meine, ich bin selbst keine Heilige. Bei den Göttern. Wirklich nicht. Aber wer herrschen will, der muss sich manchmal unterschiedlichster Mittel bedienen. Ich hatte keine Lust, mit ihm über diese Mittel zu diskutieren. Es kam ihm nicht zu, die Entscheidungen der Königin in Frage zu stellen. Ich stand auf und wollte mich verabschieden. Doch er sagte zu mir.

„Bleibt, Königliche Hoheit. Wir müssen noch zu Ende sprechen.“

„Ich wüsste nicht, was es noch zu bereden gibt.“

„Ihr stimmt mir doch zu, dass eine Regierung gerecht und rein sein muss.“

Hätte ich es da ahnen können, was auf mich zukam? Ich weiß es nicht. Ich antwortete ihm nicht. Er stand auf und kam auf mich zu. Was war er denn? Ein ungepflegter alter Mann. Er stank. Oh ja. Unser Hohepriester stank. Und doch..... Dieser Mann hatte Macht. Macht, die ich ihm gegeben hatte. Und dann sagte er:

„Unsere Diskussion ist noch nicht zu Ende, eure Hoheit.“

Ich schaute ihn an.

„Ich denke schon.“

Ich wandte mich zum Gehen.

„Wir müssen noch einmal über die Sünde und das Laster sprechen.“

Ich blieb stehen. Er hatte sich nicht vom Fleck gerührt.

„Über eure Sünden und eure Laster.“

Ich wirbelte herum.

„Was fällt euch ein? Ihr vergesst, wer ihr seid, Ganbaatar. Ihr solltet euch in Erinnerung rufen, wer vor euch steht. Ich bin Aldeya, eure Königin.“

Er lächelte.

„Mein König und meine Königin sind die Götter der Zwölf. Niemand sonst. Ihr nicht und auch sonst niemand. Ich unterwerfe und diene nur den Zwölf. Jetzt aber ist es an der Zeit über eure Sünden und eure Laster zu sprechen.“

Ich fauchte ihn wütend an.

„Wir werden über gar nichts sprechen, Ganbaatar. Ich werde jetzt gehen. Und wenn ihr wieder etwas von mir wollt, dann sucht mich gefälligst in meinem Palast auf.“

Und ich konnte mir die gehässige Bemerkung zum Abschied nicht verkneifen.

„Aber vorher bitte ich euch, euch zu waschen. Ihr stinkt nämlich. Ihr beleidigt meine Nase.“

Seltsamerweise hinderte er mich nicht, die Stufen aus der Kapelle hinauf zu steigen. Doch als ich den Hof erreichte, wo ich meine Leibgarde zurückgelassen hatte, da lagen sie alle vor mir. Sie waren tot. Dahin gemetzelt bis auf den letzten Mann. Ich starrte sie ungläubig an. Und dann spürte ich seine Anwesenheit hinter mir. Ganbaatar.

„Ich denke, ihr werdet etwas Zeit zum Nachdenken benötigen. Zeit um eure Sünden und eure Laster zu bereuen.“

Ich drehte mich um. Funkelte ihn an. Doch die Macht der Königin war zu diesem Zeitpunkt bereits gebrochen. Ich wusste es nur noch nicht. Er winkte mehreren Männern, die sich in den Kreuzgängen des Innenhofs verborgen gehalten hatten. Waren sie die Mörder meiner Krieger? Ich weiß es nicht.

„Bringt Königin Aldeya weg. Sie braucht Zeit und Ruhe, um innere Einkehr zu finden.“

Sie packten mich und ich habe mich gewehrt. Ich hatte keine Chance. Sie schleiften mich schreiend über die Gänge in diesen tiefen Keller. Sie öffneten eine der Zellen und stießen mich hinein. Ich landete unsanft auf allen vieren. Ich rappelte mich auf und rannte wie eine Besessene zur Tür. Doch sie war längst zugeschlagen und der Schlüssel wurde herumgedreht. Ich war eine Gefangene. Eine Gefangene in einem düsteren Kerkerloch des Tempels der Zwölf.

Wieder höre ich Schritte. Ich höre, wie ein Schlüssel in das Türschloss meiner Gefängniszelle gesteckt wird. Ich habe es schon längst aufgegeben, mich stolz zu erheben. Ich muss meine Kräfte schonen. Ich werde sie noch brauchen. Ich werde mich an allen rächen, die mir das hier antun. Ich werde mir jedes einzelne Gesicht genau einprägen. Und mit dieser Hure in ihrer blauen Tracht fange ich an. Sobald ich hier raus bin. Die Tür schwingt auf. Sie kommt zu mir herein. Anfangs habe ich mir überlegt, ob ich sie angreifen soll. Aber ich habe den Plan aufgegeben. Ich bin den körperlichen Kampf nicht gewohnt. Sie ist groß und kräftig. Vermutlich hätte ich mir bei dem Versuch nur ein paar blaue Flecken geholt. Sie stellt sich in die Mitte der Zelle. So wie immer. Wirft mir ein paar Stücke alten Brots vor die Füße. So wie immer. Es ist ständig dasselbe Ritual. Sie schaut mich an. Dann sagt sie ein Wort. Jeden Tag nur ein einziges Wort:

„Bekenne!“

 

Und ich weigere mich. Ich weigere mich jedes Mal. Ich wüsste nicht, was ich bekennen sollte. Wessen ich mich schuldig gemacht habe. Diese Priester sind nicht meine Richter. Sie stehen gesellschaftlich weit unter mir. Ich werde mich auf keinen Fall vor ihnen rechtfertigen.

„Nein!“

Sie lacht leise. Und dann schüttet sie den Krug Wasser auf den Boden. Jedes Mal tut sie das. Und ich muss das entsetzt verfolgen. Der Boden meines Kerkers ist aus Stein. In den Vertiefungen steht das Wasser. Ich warte ab, bis sich die Tür hinter der Kerkermeisterin geschlossen hat und dann werfe ich mich auf den Boden, um das Wasser aus den Pfützen zu schlürfen. So tief bin ich gesunken. So tief ist die Königin gesunken, dass sie das dreckige Wasser vom Boden aufleckt.

Der Prozess

Viele Tage sind ins Land gegangen. Und meine Zuversicht fällt immer mehr in sich zusammen. Meine Kleidung ist zerrissen und mein Körper ist nicht mehr wiederzuerkennen. Meine Lippen sind rau und mein langes Haar ist verfilzt. Und immer noch liege ich ohne ein Zeichen, was mit mir geschehen ist, hier in diesem Verließ. Meine einzigen Kontakte zur Außenwelt sind der bärtige Gefängniswächter und die Frau in der blauen Tracht, die mir jeden Tag die karge Nahrung bringt und mich auffordert zu bekennen. Und irgendwann bin ich so weit, dass ich vor dem Unvermeidlichen kapitulieren muss. Ich habe von Gefangenen gehört, die in der Einsamkeit schon wahnsinnig geworden sein sollen. Ich weiß, dass ich stark bin, aber so stark auch wieder nicht. Ich muss Gelegenheit haben, mich zu verteidigen. Und dazu muss ich erst einmal heraus aus diesem Loch. Als sie das nächste Mal in meiner Zelle steht, da antworte ich:

„Ich will bekennen.“

Sie nickt nur und diesmal gibt sie mir den Krug in die Hand, ohne den Inhalt vor mir auf den Boden zu schütten. Dann dreht sie sich um und lässt mich wieder allein. Was habe ich erwartet? Dass sie mich mitnimmt. Dass sie mich gehen lässt. Das war vermutlich zu vermessen. Aber ich gehe davon aus, dass meine Botschaft jemanden hinterbracht werden wird, der dies entscheiden kann. Ob das Ganbaatar selber ist? Ich schlinge das trockene Brot hinunter und trinke zum ersten Mal seit vielen, vielen Tagen, bis mein Durst gelöscht ist. Und dann warte ich. Die Zeit vergeht. Eine Stunde? Zwei? Oder länger? Ich weiß es nicht. Und dann höre ich Schritte. Viele Schritte. Ich stütze mich an der Wand ab, um mich aufzurichten. Ich habe keinen Zweifel, dass sie kommen, um mich zu holen. Jetzt will ich ihnen im Stehen gegenüber treten. Meine Beine versagen mir fast den Dienst. Aber dann bleibe ich schwer atmend stehen. Ich höre den Schlüssel. Ich höre das Quietschen der Tür in ihren verrosteten Angeln. Und dann kommen sie herein. Es sind viele. So viel Publikum hatte ich während meiner Gefangenschaft ja noch nie. Es ist die Kerkermeisterin. Dazu vier Knechte mit nacktem Oberkörper und mit Fackeln in der Hand. Ich schließe die Augen. Ich bin so viel Helligkeit nicht mehr gewohnt. Und dann höre ich ihn. Es ist Ganbaatar. Der Hohepriester höchstpersönlich gibt sich die Ehre. Er spricht salbungsvoll. Leise. So wie immer.

„Werte Königin. Ich freue mich, euch heute wiederzusehen. Ich sehe, ihr hattet Zeit, in euch zu gehen und über eure Sünden nachzudenken.“

Am liebsten würde ich ihm die Augen auskratzen.

„Ich.... Ich..... Wasser.....“

Man reicht mir einen Krug. Ich trinke mit großen Schlucken und ein gehöriger Teil läuft mir den Körper hinunter. Durchnässt meine zerrissene Kleidung. Ich lasse ihn fallen. Er zerspringt mit einem lauten Klirren auf dem Steinboden.

„Ich.... ich möchte bekennen.“

„Das ist weise von euch. Sehr weise. Man wird euch von hier fortbringen. In ein besseres Gemach. Ihr werdet euch erholen können. Man wird euch angemessenes Essen bringen. Und dann werden wir uns unterhalten. Über eure Laster, über eure Sünden und über eure Verfehlungen. Der Prozess beginnt in vierzehn Tagen.“

„Welcher Prozess?“

„Es sind keine geringen Verfehlungen, die man euch vorwirft, edle Königin. Wahrlich keine geringen Verfehlungen. Man wird es untersuchen. Man wird euch befragen und dann wird man entscheiden, ob ihr der Gnade der Zwölf würdig seid.“

Die neuen Räumlichkeiten sind besser als das Verlies im Keller des Tempels. Ich erhalte einfache, aber ausreichende Nahrung, was meinen Körper wieder kräftigt und meine alte Entschlossenheit zurückkehren lässt. Doch ich bin nach wie vor eine Gefangene. Ich darf die Zelle nicht verlassen, aber immerhin gewährt mir ein vergittertes Fenster einen Blick auf den Innenhof des Tempels. Sie erlauben mir nicht, mich zu reinigen und meine verfilzten Haare zu kämmen. Vermutlich ist damit eine gewisse Absicht verbunden. Um mich beim Prozess zu demütigen. Auch muss ich meine alte verdreckte und zerrissene Kleidung anbehalten. Nun gut. Eine Königin ist immer eine Königin. Egal wie sehr ihr Äußeres auch etwas anderes sagt.

Und dann kommt der Tag des Gerichts. Die Frau in der blauen Tracht verkündet es mir in der Frühe, dass man mit meiner Anhörung um die Mittagszeit beginnen würde. Sie waren zu viert, als sie mich abholten. Vier Wachen und die Frau. Die mussten ja Angst haben vor mir, dass sie mir so eine große Bewachung zuteilwerden ließen. Es geht wieder die Treppen hinunter. In die Kapelle, in der mein Unglück seinen Anfang genommen hatte. Da sitzen sie. Sie sind zu elft. Sie sitzen in einer Doppelreihe an dem Ende des Raums. Und Ganbaatar hat als zwölfter Beisitzer einen besonderen Platz an der Seite. Das sind also die Zwölf. Die Priester der Zwölf. Es wundert mich, dass Ganbaatar nicht in herausgehobener Position in ihrer Mitte sitzt. Aber er ist schon immer ein relativ bescheidener Mann gewesen. Ein unerbittlicher Mann in seinem Glauben, aber dennoch bescheiden. Ich fühle mich unwohl, als man mir einen kleinen Stuhl in der Mitte des Raumes zuweist. Ich wäre lieber gestanden, aber auf der anderen Seite weiß ich ja nicht, wie lange es dauern wird und ich will vor diesem Tribunal keine Schwäche zeigen. Und dann steht Ganbaatar auf. Er tritt zu mir heran. Er stinkt immer noch (aber diesmal können wir beide um die Wette stinken).

„Ich begrüße Königin Aldeya in unserer Mitte. Sie möchte vor den Göttern der Zwölf ihre Sünden bekennen und dann ihr Schicksal in die gnädigen Hände ihrer Richter legen.“

Was ist das für ein seltsames Gerede? Das klingt gar nicht gut. Das klingt ja ganz so, als ob sie bereits über mich entschieden hätten. Ganbaatar kommt um mich herum und stellt sich an meine Seite.

„Meine Tochter. Du weißt wohl, dass du schwere Schuld auf dich geladen hast. Umso wichtiger ist es, dass du freimütig alle deine Sünden vor uns und den Göttern bekennst. Doch wisse, dass du hier unter Eid stehen wirst. Du musst uns unbedingt die Wahrheit sagen. Falscher Eid gegenüber den Göttern ist ein schwerer Frevel, der nur mit einer Strafe gesühnt werden kann.“

Ich atme tief ein und aus. Sie drohen mir mit dem Tod. Was erlauben sie sich? Ich bin zutiefst verunsichert.

„Schwörst du, Königin Aldeya, dass du vor uns und den Göttern die Wahrheit sprechen wirst. Die reine und lautere Wahrheit?“

Ich muss schlucken. Ich weiß genau, dass ich jetzt den Hals in die Schlinge lege. Doch was bleibt mir übrig?

„Ich schwöre.“

Schweigen legt sich wie ein unheilvolles Grabtuch über den Raum. Ich räuspere mich und frage dann laut:

„Was wirft man mir vor?“

„Königin? Ihr wisst nicht, was ihr bekennen sollt? Ihr habt doch selbst darum gebeten, dass man euch die Möglichkeit dazu geben solle.“

Was soll ich jetzt tun? Ich muss etwas bekennen. Etwas, was diese Bande von Priestern zufriedenstellen würde und das nicht so schwerwiegend ist, dass sie mich gehen lassen mussten. Doch bevor ich mir irgendetwas ausdenken kann, da stellt sich der Hohepriester direkt vor mir auf.

„Erzählt dem Rat der Zwölf etwas über den Tod von Lady Melisenda.“

Ich zucke zusammen. Was wissen sie? Lady Melisenda war die Gemahlin meines Sohns gewesen. Es war eine von meinem Vater eingefädelte Heirat gewesen. Doch Vater ist tot. Und ich hatte eine andere Sicht auf diese Dinge gehabt. Dummerweise hatte sich mein unerfahrener Sohn von dieser Circe einwickeln lassen. Sie musste aus dem Weg geräumt werden. Denn dafür sind Mütter ja da. Um ihre Kinder zu schützen.

„Was soll ich euch darüber erzählen? Ich weiß von nichts.“

Ganbaatar baut sich drohend vor mir auf.

„Ich warne euch, Königliche Hoheit. Denkt an euren Eid.“

„Ich.... ich habe gehört, dass es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein soll.“

„Was war eure Rolle? Sie wurde ermordet.“

Mit einem Mal ist mir klar, dass es um nichts weniger als um meinen Kopf geht.

„Ich bin keine Heilerin. Ich weiß nur, dass sie plötzlich an einem Fieber erkrankte. Ich sah, dass sie schwach und schwächer wurde. Ich habe alles versucht, sie zu retten.“

„Habt ihr das?“

„Ja.... ich habe die besten Heiler und die besten Ärzte kommen lassen. Sie haben tagelang um ihr junges Leben gekämpft. Doch der Tod war stärker als sie und so haben die Götter sie bereits in jungen Jahren zu sich gerufen.“

„Und das ist alles, was ihr wisst? Seid ihr wirklich sicher?“

Ich schlucke. Mein Hals ist rau.

„Nun... Ich.... ich glaube....“

„Möchtet ihr eine Pause, damit ihr nachdenken könnt, was ihr auf meine Frage antworten wollt?“

Ich nicke. Obwohl ich eigentlich schon weiß, dass ich Farbe bekennen muss. Ich muss meine Strategie ändern. Und dann verlässt ein Mitglied des Rates nach dem anderen die Kapelle. Am Ende bleiben nur die Frau in Blau und ich zurück. Sie tritt zu mir heran.

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