Buch lesen: «Dance Together»
Irma Sanderog
Dance Together
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Prolog
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
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23.
Leseprobe „Dancing without you“
Impressum neobooks
Prolog
Draußen ist wunderschönes Wetter und die Sonne scheint ins Zimmer. Auf dem Bett sitzt ein Mädchen mit langen blonden Haaren und liest in einem Buch. Die Sonne lässt ihre blonden Haare golden leuchten. Immer wieder schaut das Mädchen von ihrem Buch auf und sieht zum Fenster. Sie kann draußen Kinder spielen hören und sie würde so gern mit ihnen spielen.
An der Wand über dem Bett hängen viele Fotos und das Mädchen schaut sie sich an. Sie kann sich nicht mehr auf die Gedichte konzentrieren. Ihr Blick bleibt an einem Foto zwischen den ganzen anderen hängen. Auf dem Bild sind ein Mann, eine Frau und ein kleines Mädchen mit blonden Haaren abgebildet. Alle drei lächeln fröhlich in die Kamera. Eine Träne rollt über die Wange des Mädchens. Sie versucht sie wegzuwischen, aber immer mehr Tränen rinnen ihr über das Gesicht.
Das Mädchen legt das Buch zur Seite. Sie steht vom Bett auf und geht zum Fenster hinüber. Die anderen Kinder spielen ausgelassen miteinander und sie schaut ihnen eine Weile zu. Dann dreht sie sich um und geht zu einem Plattenspieler. Ihr Finger fährt an der Reihe der Platten entlang, bis sie die richtige Platte gefunden hat, die „Vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi. Sie dreht die Musik so laut, bis die Geräusche der spielenden Kinder für sie nicht mehr zu hören sind.
Das Mädchen beginnt zur Musik zu tanzen. Ganz in ihrem Tanz gefangen, vergisst sie alles um sich herum. Sie beginnt zu lächeln, die Tränen auf den Wangen beginnen zu trocknen.
1.
Der Nebel hatte es bis in die Straßen der Stadt geschafft. Elisabeth zog den Schal fester um ihren Hals und schlug die Arme um ihren Oberkörper. Die junge Frau, mit dem langem blondem Haar, musste sich beeilen. Sie wollte nicht zu spät zu ihrer ersten Stunde am Montagmorgen an die Musical Art Akademie kommen. Jetzt wo sie es geschafft hatte und an der Akademie aufgenommen wurde.
Sie hatte erfolgreich an der Aufnahmeprüfung vor einem halben Jahr teilgenommen. Damals war sie sehr aufgeregt in die große Stadt gefahren, um mit etwa einhundert anderen darauf zu hoffen, an der Akademie angenommen zu werden. Jedes Jahr wurden etwa dreißig Schüler an der Akademie aufgenommen, was von einer Jury entschieden wurde. Hierzu mussten alle Teilnehmer verschiedene Aufgaben in Tanz, Vorsprechen und Schauspiel absolvieren.
Elisabeth hatte die Jury mit ihren Darbietungen so beeindruckt, dass diese sich schneller als bei den anderen entschlossen hatten, sie an der Akademie aufzunehmen. Bei anderen dauerte die Entscheidung wesentlich länger und wieder andere wurden auf das nächste Jahr vertröstet.
Nun war es Herbst und das Semester an der Akademie hatte begonnen. Heute war der erste Tag und Elisabeth beeilte sich, damit sie nicht zu spät kam. Aber Tessa wollte gestern noch auf ihren Start an der Akademie und ihre gemeinsame Zeit in der Wohngemeinschaft anstoßen und so war es später geworden.
Tessa befand sich schon im dritten Ausbildungsjahr an der Akademie und sie hatten sich vor dem schwarzen Brett der Akademie kennengelernt, als Elisabeth nach der bestandenen Aufnahmeprüfung ein bezahlbares Zimmer suchte. Sie sah sich gerade bei den Wohnungsanzeigen um, als ihr jemand auf die Schulter klopfte. Es war eine junge Frau die sagte: „Na suchst du ein Zimmer? Ich hätte zufällig eins im Angebot.“ Sie grinste über das ganze Gesicht. „Du bist mir gleich aufgefallen, als ich bei den Aufnahmeprüfungen zugesehen habe. Oh warte, ich sollte mich mal vorstellen. Mein Name ist Tessa und ich bin auch an der Akademie eingeschrieben. Und du? Fängst hier an?“ Elisabeth wusste erst gar nicht was sie so schnell antworten sollte. Ihr Gegenüber hatte sie aus ihren Gedanken gerissen. Sie musterte Tessa erst einmal unauffällig. Tessa war etwas größer als sie, hatte kurze braune Haare, welche ihr wirr vom Kopf abstanden, so als hätte sie sich gerade die Haare gerauft. Sie trug ein rotes langärmliges T-Shirt mit einer Ballerina und dem Spruch 'That's my life' darauf. Ihre Beine steckten in einer hellgrünen Strumpfhose, darüber trug sie eine dunkelgrüne Hotpants und an den Füssen trug sie rote Sneakers.
Nachdem sie sich wieder gefangen hatte, sagte Elisabeth: „Ähm. Mein Name ist Elisabeth und ja ich suche ein Zimmer. Was hast du denn im Angebot? Und ja ich werde dann ab dem Herbst hier zur Akademie gehen.“ Tessa fiel ihr kreischend um den Hals, so dass Elisabeth sich verstohlen umsah, wen Tessa alles mit ihrem Schrei auf sie aufmerksam gemacht hatte. Aber nur wenige waren in der Halle und diese wenigen schauten zwar in ihre Richtung, aber als sie sahen von wem der Aufschrei kam, lächelten sie milde und gingen weiter. Die Leute hier schienen das Verhalten Tessas gewohnt zu sein.
„Das ist ja toll!!! Sorry, aber ich hab dich eben gesehen und fand dich wahnsinnig toll und habe gehofft das du angenommen wirst und nun sehe ich dich hier vor dem Brett und hab gesehen, dass du ein Zimmer suchst. Ich will unbedingt mit dir zusammenwohnen.“
Elisabeth schaute sich zuerst schockiert um, dann schaute sie Tessa mit großen Augen an. Was sollte das denn jetzt werden, hier wollte jemand unbedingt mit ihr zusammen wohnen. Tessa sah den Blick Elisabeths und fing schallend an zu lachen: „Oh man da hab ich dir ja einen ganz schönen Schrecken eingejagt, was? Das wollte ich nicht. Rede ich dir zu schnell? Ach da gewöhnst du dich dran. Oder hast du etwa Angst, dass ich auf Mädchen stehe. Keine Angst ich steh nicht auf Mädchen, sondern auf Jungs.“ Dabei sah sie einem Jungen, der vorbei ging, tief in die Augen und klimperte mit den Augenlidern. Das sah so komisch aus, dass auch Elisabeth schallend anfing zu lachen. „Also, was ist? Hast du Lust bei mir einzuziehen? Meine jetzige Mitbewohnerin Jenny ist in diesem Jahr fertig mit ihrer Ausbildung und man hat ihr eine Stelle beim Musical „Rock of Ages“ in New York angeboten. Und nun ist sie weg.“
„Wow, New York das ist ja Klasse.“
„Ja es ist zwar nur eine kleine Nebenrolle, aber immerhin. Also was ist. Hast du Lust dir das Zimmer anzuschauen? Wenn du magst kannst du gleich mitkommen und es dir ansehen. Ich hab für heute Schluss.“
Elisabeth wollte sich zumindest das Zimmer einmal anschauen und sie fand Tessa sehr lebendig, mal was anderes zu dem, was sie bisher in ihrem Leben kannte, obwohl das ja nicht immer so war.
Tessas kleine Wohnung lag nur zwei Querstraßen weiter in einer ruhigen Gasse. Die Wohnung bestand aus einem geräumigen Flur, von dem zwei Zimmer, Küche und Bad abgingen. Das Bad war mit Wanne und Dusche ausgestattet und die Küche war so geräumig, dass sie auch als Aufenthaltsraum diente. Auf der gegenüberliegenden Seite lagen die beiden Zimmer.
Das rechte Zimmer bewohnte Tessa und das linke Zimmer war noch frei. Beide Zimmer waren mit einem Balkon verbunden. Dahinter konnte man einen kleinen Innenhof mit viel Grün erkennen. „Jenny hat ihre Möbel hiergelassen, da sie sie in New York nicht brauchen kann, denn es wird ihr dort ein möbliertes Zimmer zur Verfügung gestellt. Außerdem wäre ein Umzug mit allem drum und dran doch recht teuer gewesen, da sie ja am Anfang ihrer Karriere steht. Gott hat sie ein Glück...!“ Sehnsüchtig schaute Tessa in die Ferne, besann sich aber wieder darauf, dass Elisabeth vor ihr stand. „Und was sagst du, möchtest du das Zimmer haben? Es kostet dich 150,00 Euro im Monat, Wasser und Heizung inbegriffen, für einen gefüllten Kühlschrank musst du selbst sorgen und das Putzen legen wir in einem Plan fest. Ich sage dir gleich, dass ich ein wenig chaotisch bin.“
„Das habe ich schon bemerkt“, lachte Elisabeth. „Die verstreuten Klamotten, Schuhe und andere Dinge kann man in der Wohnung ja nicht übersehen.“
Aber das Bad und auch die Küche waren in einem sauberen Zustand. Elisabeth tat so, als würde sie noch etwas darüber nachdenken. Dabei hatte sie sie sich schon längst dafür entschieden, das Zimmer zu nehmen, aber sie wollte Tessa noch etwas zappeln lassen. Sie ahnte schon, dass man mit Tessa viel Spaß haben könnte. Und Spaß war etwas, auf das Elisabeth in letzter Zeit oft verzichten musste und wenn sie ihn dann doch mal hatte, dann war er viel zu schnell vorbei gewesen und sie hatte mit den Konsequenzen leben müssen. Elisabeth schüttelte schnell die negativen Gedanken ab. Sie wollte nicht mehr daran denken, sie wollte ein neues Leben beginnen.
Tessa begann schon ein enttäuschtes Gesicht zu machen und so beeilte Elisabeth sich zu sagen: „Ich werde das Zimmer nehmen und mit den Bedingungen bin ich einverstanden, allerdings stelle ich auch eine Bedingung und die ist, dass du deine Klamotten nicht auch noch in meinem Zimmer verteilst.“ Kurz darauf musste sie sich an der Tür festhalten, denn Tessa fiel ihr so stürmisch um den Hals, so dass beide fast zu Boden fielen.
So hatten Elisabeth und Tessa sich kennengelernt und nun wohnte Elisabeth seit Freitag im Zimmer neben Tessa. Viel auszupacken hatte sie nicht: ein paar Bilder von ihren Aufführungen und ihrer Familie, ihre Lieblingsbücher, ein paar Filme und ihre Klamotten. Tessa stand die ganze Zeit daneben und erzählte ihr von der Akademie und den Dozenten dort und staunte über die Dinge, die Elisabeth aus den Kisten holte.
Am Abend verschwand Tessa und kam erst weit nach Mitternacht nach Hause. Sie fiel dann müde in ihr Bett und schlief bis zum nächsten Morgen. Auch am Vormittag verließ sie die Wohnung für ein paar Stunden und kam verschwitzt und erschöpft wieder nach Hause. Sie entschuldigte sich bei Elisabeth dafür, dass sie sich jetzt noch ein wenig hinlegen wollte. Die Nacht würde wieder sehr kurz werden. Elisabeth störte das nicht weiter, denn sie war froh ein wenig Verschnaufpause zu haben. So konnte sie ungestört ein wenig lesen und Kraft schöpfen, bis Tessa wieder wach war. So viel Trubel um sich herum, war sie schon nicht mehr gewohnt. Obwohl es auch andere Zeiten gab. Aber die letzten Jahre waren doch sehr still gewesen. Verstohlen wischte sich Elisabeth eine Träne von der Wange.
Tessa bot ihr auch an mitzukommen, wobei sie ein Geheimnis darum machte wo es hinging. Elisabeth lehnte aber ab, sie musste sich erst daran gewöhnen nicht mehr zu Hause zu wohnen und wirklich frei zu sein.
Am Sonntagabend hatte Tessa eine Flasche Sekt hervorgeholt und zusammen mit Elisabeth diese geleert. Sie unterhielten sich darüber wie lange sie schon tanzten und wo sie sich in ein paar Jahren sahen. Doch es blieb nicht bei einer Flasche und dann war es plötzlich ein Uhr nachts. Elisabeths Unterricht begann aber am nächsten Morgen um acht, Tessa hingegen musste erst zu zehn Uhr hin. Also wünschten sich beide eine gute Nacht und verschwanden in ihren Zimmern. Elisabeth konnte auch nicht gleich einschlafen und so wachte sie am Morgen völlig gerädert auf. Sie hatte das Gefühl nur zwei Stunden geschlafen zu haben, schnell schlüpfte sie unter die Dusche. Als sie wieder aus dem Bad kam, stand Tessa lässig in der Küchentür und hielt ihr einen Kaffee entgegen. Elisabeth stürzte ihn schnell herunter, wobei sie sich auch noch die Zunge verbrannte. Na toll dieser Morgen fing ja schon gut an. Tessa wollte noch, dass sie eine Kleinigkeit aß, aber Elisabeth hatte keinen Hunger vor Aufregung. Bevor Elisabeth aber einfach so aus der Tür stürzen konnte, drückte Tessa sie aber noch einmal fest. „Mach's gut Süße, wir sehen uns nachher in deiner Pause. Viel Spaß an deinem ersten Schultag.“ Und dann zauberte sie eine kleine Schultüte mit einer Ballerina hinter ihrem Rücken hervor.
„Oh, ist das süß. Danke dir meine Große. Die werde ich gleich öffnen, wenn ich nach Hause komme. Oder willst du sie mit mir gemeinsam öffnen?“
„Das kannst du entscheiden. So nun aber schnell, sonst kommst du wirklich noch zu spät.“ Das ließ Elisabeth sich kein zweites Mal sagen.
So schnell es ging, lief sie durch den Nebel zur Akademie. Es hatte schon etwas Unheimliches, aber Elisabeth ließ sich nicht ängstigen. Unheimliches hatte sie in ihrem bisherigen Leben schon zu viel erlebt.
Glücklicherweise hatte Tessa auch einmal Zeit gehabt, ihr die Akademie zu zeigen und wo sie das erste Mal Unterricht hatte. Alle Schüler der Akademie hatten einen Spind auf einem der Flure, wo sie ihre Trainingssachen oder die Bücher lassen konnten. Diese wurden ihnen zwar erst in der ersten Woche zugeteilt, doch Tessa hatte Elisabeth schon einen vor Beginn der Akademie besorgt. Elisabeth lief schnell zu ihrem Spind und stopfte eilig ihre Sachen hinein. Dann drehte sie sich um und wollte zum Raum, in dem sie Unterricht hatte. Sie kam aber nicht weit, sondern prallte gegen eine Wand.
2.
Elisabeth stolperte rückwärts und wäre fast gefallen, hätten zwei Hände sie nicht gehalten. Als sie aufblickte, stellte sie fest, dass diese Hände zu der Wand gehörten, gegen die sie geprallt war. Die Wand stellte sich als äußerst gut aussehendes Exemplar von Mann dar. Er war einen Kopf größer als Elisabeth, hatte dunkelblondes lockiges Haar, welches ihm bis zu den Ohren ging. Elisabeth verspürte sofort den Drang, ihre Finger darin zu vergraben. Sein Gesicht war schmal geschnitten und er grinste sie an: „Nana, nicht so stürmisch. Wir können uns doch auch ganz in Ruhe kennenlernen.“ Dazu zwinkerte er mit seinen braunen Augen. In dem Augenblick dachte Elisabeth: Oh Gott, hoffentlich fang ich nicht gleich an zu sabbern.
“Entschuldigung...ich wollte dich nicht umrennen, aber ich muss zum Unterricht und bin schon spät dran.“, stammelte sie.
Sie wollte schnell an ihm vorbei, bevor sie noch über ihn herfiel. Sie konnte es tief in ihrem Inneren spüren. Wie konnte man nur so verboten gut aussehen und dann noch einfach so hier herumlaufen. Da fiel ihr das Lied „Verhaftet wegen sexy“ von Olli Schulz ein und sie dachte, dass dieses Lied unbedingt auf dieses Exemplar von Mann zutraf.
Elisabeth kam aber nicht weit. Der junge Mann hielt sie Arm fest und sagte etwas zu ihr. Die Worte brauchten allerdings eine Weile, bis sie zu ihr durchdrangen. „Moment, junge Dame. Nicht so schnell. Ich habe dich hier noch nie gesehen, also musst du neu sein.“
„Na du bist ja ein Blitzmerker.“
„Oho, nicht nur neu, sondern auch noch frech. Na das lieben wir hier. Also du bist neu, dann kennst du dich ja auch noch nicht aus. Wo musst denn jetzt hin?“
„Äh. Äh, ich hab jetzt Theatergeschichte bei Klausen. Aber du musst mich nicht...“
„Ja, ich weiß wo Klausen unterrichtet. Ich bring dich hin.“
Also fasste er Elisabeth knapp oberhalb ihres Pos an und schob sie in Richtung des Raums. Elisabeth wollte ihm sagen, dass sie weiß wo der Raum liegt, aber sie hatte das Gefühl, dass dies den jungen Mann nicht interessieren würde. Sie war aber auch verwirrt, wie gut sich seine Hand an dieser Stelle anfühlte und wollte dies dann doch noch etwas genießen. Mist was soll das denn jetzt? Du wurdest doch schon oft von Männern berührt. Hab ich schon mal so reagiert? Aber warum muss er auch so gut aussehen.
Elisabeth war völlig in ihren Gedanken versunken, als sie realisierte, dass der junge Mann sie gespannt ansah. „Hab ich jetzt deine Aufmerksamkeit?“, der junge Mann lächelte sie an. Dabei erschienen zwei Grübchen auf seinen Wangen. So was gehört doch verboten. Für dieses Lächeln könnte man glatt morden. Seine Lippen bewegten sich wieder und Elisabeth versuchte ihm zuzuhören: „Mein Name ist Ben und ich beginne mein drittes Jahr hier. Wenn du Hilfe brauchst, dann kannst du dich jederzeit an mich wenden. Du gefällst mir, ich werde dich unter meine Fittiche nehmen. Ah, da sind wir schon.“
Er brachte sie bis zu einem freien Platz und schob ihr sogar den Stuhl zurecht. Dann drehte er sich um, ging zu Tür, drehte sich nochmals zu ihr um, hob seine Hand und sagte: „Dann bis später, Dancing Queen, ich hole dich nach dem Unterricht wieder ab und dann können wir einen Kaffee trinken und in Ruhe plaudern.“
Elisabeth hob apathisch die Hand und winkte zurück. Als sie merkte, was sie tat, ließ sie sie schnell wieder sinken. Sie wusste genau, dass sie rot anlief. Gott war das peinlich. Glücklicherweise wurde sie auch schon erlöst, Herr Klausen betrat den Raum. Aber von Erlösung keine Spur.
„Hallo Ben, willst du meinen Kurs nochmal besuchen? Aber den hattest du doch schon im ersten Jahr und soweit ich mich erinnern kann, hast du ihn auch erfolgreich abgeschlossen.“
„Nein, Herr Klausen. Ich habe Dancing Queen hergebracht. Sie ist neu hier und wir wollen doch nicht, dass sie sich am ersten Tag hier verläuft.“
Elisabeth schnappte entsetzt nach Luft, was erdreistete dieser Macho sich. Wo war sie denn hilflos, sie wollte nur nicht zu spät kommen, um groß aufzufallen und nun das, nun stand sie noch schön im Mittelpunkt, es fehlte nur noch die Zielscheibe. Sie lief noch roter an, als sie ohnehin schon war.
Herr Klausen hatte ein Erbarmen mit ihr: „Tja Ben, da du das ja nun erfolgreich getan hast, kannst du dann ja auch gehen. Ich würde gern mit meinem Unterricht beginnen.“
Ben drehte sich noch einmal zu Elisabeth um, zwinkerte und warf ihr noch einen Handkuss zu. Elisabeth lief noch roter an, wobei das schon fast nicht mehr möglich war, so dunkel wie das Rot in ihrem Gesicht schon war. Sie senkte den Kopf und starrte auf ihren Tisch. Herr Klausen begann mit dem Unterricht, von dem Elisabeth am Ende nicht mehr sagen konnte, was überhaupt das Thema der Stunde war.
Endlich war der Unterricht vorüber. Elisabeth wandte sich ihrer Banknachbarin zu: „Hallo, entschuldige, aber ich wollte dich fragen, ob ich mal deine Aufzeichnungen haben kann. Irgendwie konnte ich dem Unterricht nicht ganz folgen.“
„Aber klar doch. Wobei es nicht so viel ist. Ich denke Herr Klausen hatte ein Einsehen mit dir und noch nicht so viel Stoff durchgenommen.“
„War ich wirklich so abwesend?“
„Tja Dancing Queen, das warst du wohl. Herr Klausen hat dich versucht ein paarmal anzusprechen, aber von dir kam keine Reaktion.“
Elisabeth stöhnte auf und rollte mit den Augen. „Na das war's dann wohl. Spitznamen weg und auch noch bis auf die Knochen blamiert. Schlimmer kann es ja wohl nicht mehr gehen. Mein Name ist übrigens Elisabeth.“
„Hi, ich bin Charlotte. Und ich denke, dass du nicht ganz recht hast. Schlimmer geht immer. Dein Traummann steht in der Tür und scheint auf dich zu warten.“
„Oh nein, mir bleibt auch nichts erspart. Aber er hatte es ja angekündigt. Mist ich wollte doch schon weg sein.“
„So kann’s gehen. Nach der Pause habe ich Jazzdance. Du auch?“
„Hm, hab ich auch.“, Elisabeth gab Charlotte die Antwort mehr als abwesend. In Gedanken befasste sie sich schon damit, wie sie an Ben vorbeikommen sollte.
„Ok, dann sehen wir uns dort. Und ich will alles hören.“, grinste Charlotte und machte sich auf den Weg, um den Raum zu verlassen. Als sie auf der Höhe Bens war, zwinkerte sie ihm kurz zu und verschwand um die Ecke.
Ben schaute ihr verwundert hinterher, schüttelte den Kopf, sah dann wieder zu Elisabeth und grinste breit über das Gesicht. „Wer war das denn? Deine Freundin?“
„Noch nicht, aber ich denke sie kann es werden.“
„Du darfst dich aber nicht von jedem ansprechen lassen. Sonst gerätst du noch an die Falschen...“
„Meinst du so wie ich an dich geraten bin“, grinste Elisabeth.
Ben schaute ihr tief in die Augen und sagte.“Oh nein Dancing Queen, ich bin einer der Guten. Aber hier soll es ein paar ganz schlimme Buben geben...“ Bei den letzten Worten zwinkerte er mit den Augen. „Hauptsache du glaubst selbst daran.“, flüsterte Elisabeth zu sich selbst, drehte sich in Richtung Mensa um und ging los.
„Moment, wo willst du denn so schnell hin? Ich habe dich doch gerade vor den bösen Buben gewarnt und dort in der Mensa warten die schlimmsten von allen auf neue Opfer. Deshalb hab ich hier dein Frühstück drin und du kommst mit in den Innenhof. Dort ist es windgeschützt und meine besten Freunde und ich essen dort immer.“ Und schon wurde Elisabeth in die andere Richtung geschoben. So langsam wurde sie wütend, sie war doch kein kleines Kind mehr. Sie wollte schon protestieren, aber sie kam nicht dazu, denn sie hatten den Innenhof erreicht. Ben hielt ihr die Tür auf und sie schlüpfte an ihm vorbei nach draußen. Im Innenhof gab es mehrere Sitzgelegenheiten, welche durch ein paar Pflanzen unterbrochen wurden und somit auch etwas Schutz für einzelne Tische bot. Auch der Schall wurde durch die Pflanzen geschluckt, so dass es angenehm ruhig war, obwohl sich viele Menschen im Innenhof befanden. Elisabeth bemerkte, dass die Sonne schien und schaute nach oben. Da sah sie, dass der Hof mit Glas überdacht war und so die Sonne hereinließ, aber die doch schon kühlere Luft des Herbstes draußen.
Plötzlich wurde Elisabeth gerufen: „Beth, komm rüber, ich sitze hier.“ Elisabeth sah Tessa, die wild mit den Armen ruderte. Sind denn hier alle verrückt? Wobei sie sich bei Tessa nicht mehr wunderte. Auch die anderen im Innenhof schienen sich nicht mehr zu wundern. Keiner nahm auch nur ansatzweise Notiz von Tessa. Elisabeth ging in Tessas Richtung und setzte sich neben sie. Sie wollte Ben konsequent ignorieren, was aber, wie sie gleich feststellen sollte, fehl schlug. Tessa schaute an Elisabeth vorbei und sagte: „Oh, wie ich sehe, habt ihr euch schon kennengelernt. Hallo Ben, dass ging aber diesmal schnell. Wolltest wohl in deinem letzten Jahr keine Zeit verlieren was.“ Ben schaute Tessa entsetzt an und stöhnte: „Was du wieder erzählst, ich wollte doch nur dieses arme unschuldige Mädchen vor den anderen Haien beschützen. Was ist denn daran so verwerflich.“ Er setzte sich auf die andere Seite neben Elisabeth und hielt ihr die Tüte mit dem Essen darin, hin.
Tessa beugte sich zu Elisabeth herüber und flüsterte: „Vor dem musst du dich in Acht nehmen, Ben steht in dem Ruf, dass er alle drei Wochen eine neue Freundin hat. Es wird sogar gemunkelt, dass er schon mal mehrere gleichzeitig hatte. Das mit den wechselnden kann ich bestätigen, dass mit den mehreren gleichzeitig leider nicht. Obwohl mich das bei ihm auch nicht wundern würde.“ Ben stöhnte abermals empört auf, denn Tessa Flüstern war so laut, dass auch alle anderen am Tisch es hören konnten. Als alle daraufhin anfingen zu lachen, drehten sich dann doch ein paar Köpfe herum. Auch Elisabeth lachte mit, denn Ben war doch tatsächlich rot geworden.
Sie schaute in die Tüte und erschrak etwas. Darin war ein Sandwich, mit Schinken und Käse, genau wie sie es mochte. Sie schaute Ben mit zusammengekniffenen Augen an, der aber keine Notiz davon zu nehmen schien. Fast war es schon etwas unheimlich, sie kannte ihn doch noch gar nicht, wie konnte er also wissen, was ihr gefiel? Elisabeth zuckte mit den Schultern, tat dies als Zufall ab und begann ihr Sandwich auszupacken.
Am Tisch saßen noch drei weitere Personen, zwei Frauen und ein Mann. „Ach Tessa, du bist doch nur eifersüchtig, weil ich noch nichts mit dir angefangen habe.“
„Klar Ben, träum weiter, dich würde ich noch nicht einmal nehmen, wenn du der letzte Mann auf Erden wärst.“
Elisabeth verfolgte den Schlagabtausch zwischen den beiden. Sie hätte ihn gern auch noch etwas weiter verfolgt, aber sie brauchte dringend noch einen Kaffee. Sie wollte aufstehen, um sich einen zu holen, wurde aber schon wieder von Ben festgehalten.
„Wohin Dancing Queen, willst du schon wieder fliehen? Wenn das so weitergeht, dann muss ich dich wohl fesseln.“
Elisabeth schnappte entsetzt nach Luft und wollte nun erst recht aufstehen. „Also nun verstehe ich einiges“, grinste Tessa, „nicht du wolltest die Frauen nicht mehr, sondern die Frauen wollten auch mal wieder ein wenig Freiheit und haben es nicht mehr bei dir ausgehalten.“
„Ich wollte mir nur einen Kaffee holen“, Elisabeth war nun echt sauer, „was kommt als nächstes, darf ich nicht mal mehr alleine aufs Klo gehen?“ Das alles hatte sie schon erlebt, dass wollte sie nicht mehr, sie hatte es doch nicht ohne Grund soweit geschafft. Sie riss sich los und wollte schon losstürzen, da sprang Tessa auf und nahm sie in die Arme. Sie hielt Elisabeth fest, streichelte ihren Rücken und redete beruhigend auf sie ein. Mit den Augen bedeutete sie Ben sich wieder zu setzen und sich zu beruhigen.
„Ist gut Süße, Ben hat es nicht so gemeint. Klar kannst du dir deinen Kaffee holen und du darfst auch alleine aufs Klo. Wir warten hier auf dich.“
Tessa schaute Elisabeth nachdenklich nach. In den paar Tagen, die sie Elisabeth kannte, hatte sie bemerkt, dass Elisabeth etwas beschäftigte. Klingelte Elisabeths Handy, dann schaute sie immer zuerst aufs Display, um zu schauen wer anrief. Manchmal klingelte das Handy mehrmals hintereinander und Elisabeth nahm nicht ab, sie schaltete es dann lediglich auf stumm. Tessa konnte einmal sehen wer anrief, auf dem Display stand der 'Mutter'. Gestern klingelte das Handy wieder stundenlang und Elisabeth ging dann abends ran, nicht ohne vorher aufzuseufzen. Tessa ging aus dem Raum, konnte aber nicht verhindern, dass sie einige Gesprächsfetzen mitbekam. Die Mutter schien zu fragen, wie es Elisabeth ging und ob sie sich eingerichtet hätte. Elisabeth antwortete wortkarg mit wenigen Sätzen. Und dann sagte sie am Ende, dass sie jetzt auflegen müsse, da sie ein paar Sachen ausdrucken müsse, die sie für die Uni morgen früh brauchen würde. Tessa merkte, dass etwas nicht stimmte, fragte aber nicht weiter nach.
Und nun dieser heftige Ausbruch Ben gegenüber. Als Elisabeth wieder kam, stand Ben auf und ging ihr entgegen. Als er vor ihr stand, sagte er leise: „Entschuldige, ich war wohl etwas zu forsch.“
„Oh ich muss mich wohl auch entschuldigen. Ich habe wohl ein wenig zu heftig reagiert.“, sagte Elisabeth. Dann fiel ihr Blick wieder auf die anderen: „Ich muss mich auch bei euch entschuldigen, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Meine Name ist Elisabeth und heute ist mein erster Tag an der Akademie.“
Der junge Mann stand auf und stellte sich als Artjom vor. Er kam aus Russland und war ebenfalls im dritten Jahr an der Akademie. Rechts neben ihm saß seine Freundin Liana, die im zweiten Jahr an der Akademie war und auf der anderen Seite saß seine Schwester Irina, die heute auch ihren ersten Tag an der Akademie hatte. Jetzt wo Elisabeth genauer hinsah, konnte sie sich wieder erinnern, dass sie Irina schon bei der Audition gesehen hatte und sie konnte sich vage daran erinnern, sie auch im Unterricht bei Herrn Klausen gesehen zu haben. „Schön euch kennenzulernen. Na dann auf eine tolle Zeit an der Akademie. Mit dem einen etwas länger, mit dem anderen etwas weniger lang, was.“ Elisabeth grinste und prostete mit dem Kaffeebecher den anderen zu.
Plötzlich wurde es wieder etwas lauter im Innenhof und ein weiterer junger Mann kam auf die Gruppe zu. Er hatte eine junge Frau an der Hand, die er mehr oder weniger hinter sich her zog. Elisabeth erkannte die junge Frau als Charlotte. Sie wollte schon etwas sagen, aber Tessa kam ihr zuvor: „Also ist das eure bevorzugte Masche dieses Jahr, Jungs? Ihr könnt doch nicht einfach die Steinzeitmethode anwenden und die Frauen KO schlagen und an den Haaren hinter euch her in euer Bett zerren. Javier lass die Frau los, ich glaube sie kann alleine gehen und was soll sie von uns denken, wenn du sie an unseren Tisch zehren musst.“ Charlotte lächelte Tessa erleichtert an.
Ben und Javier wollten sich gleichzeitig verteidigen: „Wir wollen die Mädels doch nicht in unser Bett zehren, wir wollen sie nur vor den anderen beschützen.“
„Also ich denke ja immer noch, dass man sie vor euch beschützen muss. Aber das müssen die beiden selbst entscheiden, sollten sie aber meinen Rat hören wollen, dann kann ich ihnen nur raten, die Beine in die Hände zu nehmen und so schnell wie möglich davon zu rennen.“
Tessa erwiderte das Lächeln Charlottes und zwinkerte auch Elisabeth zu. Die restliche Pause verlief dann etwas ruhiger und alle unterhielten sich miteinander. Es stellte sich heraus, dass auch Irina in der nächsten Stunde Jazzdance hatte. Also verabschiedeten sie sich von den anderen. Als Elisabeth vor Ben stand, kam sie nicht umhin, in ein weiteres Mal zu bewundern. Gott, jetzt fange ich doch tatsächlich gleich an zu sabbern. Ben strich ihr sanft über die Wange und Elisabeth war versucht ihren Kopf in seine Hand zu schmiegen. „Ich wollte dich nicht ängstigen, bitte verzeih mir noch einmal“, flüsterte er ihr zu. Dann hauchte er ihr einen Kuss auf die Stirn. Elisabeth sagte leise: „Ist schon gut. Mir tut mein Ausbruch von vorhin auch leid.“ Hastig drehte sich um, denn ihr traten die Tränen in die Augen, der Kuss erinnerte sie zu schmerzlich an glücklichere Zeiten.