Tausche Mann suche Hund

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IRIS BLEECK

Tausche Mann suche Hund

Hund gut alles gut

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Tausche Mann, suche Hund

Impressum neobooks

Tausche Mann, suche Hund

Meine Familie

Ich mag Männer, schließlich hat mich das Schicksal mit drei Söhnen gesegnet.

Jede Form von männlicher Diskriminierung träfe somit meinen eigenen Clan.

Im Familienalltag entpuppte ich mich schnell als Fossil, in dem ein lebenslänglicher Schutzmechanismus für Nachkommen auf einer Festplatte verankert zu sein scheint, lange vor Apple und Konsorten. Unauslöschlich, jederzeit abrufbar, oft genug zum Ärger meiner erwachsenen Kinder. Was haben sie nicht alles versucht, um das zu ändern. Es gab Auslandsaufenthalte, der postalische und telefonische Zugriff wurde erschwert, Emails hieß das neue Zauberwort. Meine Schmusetöne verschwanden irgendwo im Cyberhimmel. Auf und davon, raus aus meinem Leben, raus aus meiner emotionalen Fürsorge, weg vom Tisch. Es kam eine Zeit, da schienen sie nur noch verbal meine Söhne zu sein. Andere Frauen, andere Rhythmen, am Wochenende bis zur Mittagszeit schlafen, dann erst bestellten sie Rührei mit Speck, während mein vegetarischer Sonntagsbraten im Herd die letzten Vitamine meuchelte. Mein Interesse an ihrem Befinden, körperlicher wie seelischer Natur, wurde abgebügelt, sie mutierten zur Geheimsekte, deren Pin ich nicht entschlüsseln konnte. Um nicht ganz in emotionale Vereinsamung zu fallen, erinnerte ich mich eines Morgens an meinen Hund, den ich als Kind geschenkt bekommen hatte. Was heißt geschenkt? Wir lebten in einem kleinen Dorf an der Ostsee, in dem es ebenso viele Hunde wie Einwohner gab. Irgendwann war es eben da, dieses schwarz-weiß gefleckte Etwas, das meine Mutter mir mit den Worten „Ist deiner, kümmere dich um ihn“ in die Hände drückte. Kümmere dich, das bedeutete nicht viel Aufwand, weil Rolf, so hatte ich ihn mit einer Hand voll Wasser aus unserem Bach getauft, ein Eigenleben führte, ein Rudelleben mit all den anderen Hunden des Dorfes.In den Sommer Monaten schlief er in seiner Hundehütte auf dem Hof, war oft schon bei Sonnenaufgang unterwegs. Im Winter liebte er es, in der Wohnstube vor unserem gusseisernen Ofen zu liegen. Ich konnte ihn beobachten, wie er in seinen Träumen Dachse und Füchse jagte. Seine Pfoten zuckten und bewegten sich ohne Unterbrechung. Er jaulte, lächelte und schnarchte. In diesem Anblick lagen Frieden, Entspannung und Geborgensein. Damals, in dieser armseligen Nachkriegszeit, waren Ratgeber für Hundeerziehung wenig bekannt. Obwohl Hundeprofi Martin Rütter bereits im Universum auf der Warteliste als Reinkarnation zum Hundeflüsterer stand, waren wir alle der festen Überzeugung, dass wir das Richtige taten. Als mein Hund geschlechtsreif wurde, rammelte er über alle Hündinnen und zeugte Nachkommen, die entweder ersäuft oder im Dorf verteilt wurden. Rütter hätte sofort zur Kastration geraten. Aber Schwarzschlachten war wichtiger. Obwohl das als Straftat geahndet wurde, hielt sich im Dorf niemand an derart überlebensfeindliche Verbote. Natürlich war eine solche Tat kaum zu verheimlichen, deshalb feierten wir kollektiv Schlachtfeste, und die Meute der Hunde freuten sich über Pansen und andere Abfälle. Ansonsten fraß Rolf dankbar, was von unserem Mittagstisch übrig blieb. Neugierig und übermütig kletterte er, zwischen seinen Fress- und Schlafzeiten, heldenhaft durch alle Abwasserrohre, ließ kein Gebüsch und keinen Fuchsbau aus und ist mit dieser Lebensweise fünfzehn Jahre alt geworden. Für mich war es wunderbar, wie gelassen er all meine kindlichen Entwicklungsphasen hinnahm, ohne sich je nachtragend zu zeigen, auch nicht, wenn ich ihn maßregelte. Oft genug ließ ich meinen kindlichen Seelenschmerz an ihm aus, wenn Hermann in der Schule so tat, als wäre ich Luft für ihn. Eines Tages aber, ich war etwa sieben Jahre alt, passte ich nicht mehr durch den Eingang seiner Hundehütte, damit endete die gemeinsame Zeit unserer Hütten-WG. Bis zu diesem Zeitpunkt war dieses Häuschen, das mein Vater großzügig genug gebaut hatte, unser Refugium gewesen. Besonders wenn wir Ärger mit meiner Mutter hatten, verzogen Rolf und ich uns dort hinein. Dann kraulte ich zärtlich sein Fell, bestaunte alte und neue Bisswunden oder zerquetschte Zecken, die sich an ihm festgebissen hatten. Hautnah spürte ich seine ehrliche Freude über meine Anwesenheit, wenn er mir liebevoll mit unterwürfigem Blick die Hände und meine nackten Kinderbeine leckte. Es schien ihm nicht wichtig, dass ich geradewegs aus einer dreckigen Pfütze kam. Jahre später lächelte ich wissend, als einer meiner Verehrer mit dem gleichen Hundeblick die Oberfläche meiner Hand abschleckte. Auch mein Hund tat das damals sicher nicht ganz ohne Absicht. Seine geradezu bescheidenen Wünsche konnte ich allerdings erfüllen. Mit ihm in den Wald gehen, ihn loben, bis er platt auf dem Feldweg lag und die Beine in den Himmel reckte. Als Krönung ließ er sich den Bauch und die Lenden von mir kraulen. Weil er mich dabei so dankbar anschaute, schien mir das manchmal etwas peinlich. Das ging so lange, bis ich die Nase voll hatte von seiner erbettelten Zuneigung und ihn maßregelte. Sofort sprang er auf, ganz der Alte, lief Schwanz wedelnd davon, machte mir den Weg frei von fiktiven und realen Gefahren. Damals war er quasi mein Held, mein Beschützer, hörte aufs Wort, oft genug nicht auf das erste, verschwand aber tatsächlich in seiner Hütte, wenn ich es satt hatte, mich mit ihm zu beschäftigen. All das fiel mir ein, als meine Kinder ihr heimisches Nest verließen und meine Enkelkinder mit ihren Eltern nach München zogen, ohne Rücksicht auf meine durchheulten Nächte. Ich fragte mich natürlich, wer den Enkeln jetzt Nudelsuppe kochen, mit ihnen Indianer spielen, Feuer im Garten machen, am Abend mit einer Taschenlampe auf Schatzsuche gehen, Hühner füttern, den Stall säubern, Eier holen, Kartoffeln pflanzen würde, damit sie endlich einsehen, dass diese nicht bei Gewitter vom Himmel fallen. Was hatte ich jetzt dem Dirndl und der Lederhose entgegenzusetzen? Ich resignierte nach fast einem Jahr. Wir waren zu Kurzzeit-Parker im Leben unserer Enkel verkümmert, so ähnlich wie unser nutzloser Blinddarm es irgendwann aufgegeben hatte, im menschlichen Bauch doch noch eine tragende Rolle erhaschen zu wollen. Niemand vermisst ihn wirklich, wenn er von einem Skalpell erwischt wird. Schnitt, Naht, vorbei all die Hoffnung, wahrgenommen zu werden. Der entzündliche Protest brachte das endgültige Aus. Ich begann mich zu grämen, warum ich nicht schon früher auf die Idee gekommen war, endlich wieder einen Hund im Haus zu haben. Vielleicht bekämen die Kinder Sehnsucht nach ihm, und ich würde davon profitieren? Sehnsucht nach Hund hätte zwangsläufig den Kontakt mit Oma zur Folge. Meine Fantasie schien unerschöpflich. Ich überlegte, welche Räucherstäbchen wir abfackeln, welche strengen Erziehungsmaßnahmen der Eltern ich etwas aushebeln könnte, um den Kindern das unauslöschliche Gefühl zu schenken, es gibt einen Ort auf dieser Welt, da herrscht pure Nachsicht. Ja, das marterte mich, bis ich eines Morgens meinen Mann hinterhältig freundlich anschaute und meinen Wunsch nach einem Hund verbal auf seinem Schinkenbrot ausbreitete. Er war fassungslos, sah er doch sofort seine häusliche Ordnung und die jetzige Freiheit gestört. Das Schlüsselerlebnis für seine Haltung hatte sich im Mai in einer lauen Frühlingsnacht ereignet, als ein Fuchs unsere Hühner meuchelte. Seit diesem Tag wollte mein Mann kein Tier mehr, weder im Haus noch im Garten. Während ich mich noch tagelang mit Schuldgefühlen plagte, schließlich hatte ich angesichts einer spannenden „hart-aber-fair“-Sendung vergessen, die Stalltür zu schließen, plante er schon die nächste Reise. Das Massaker, an das nur ein Berg Federn erinnerte, trieb mir immer noch die Tränen in die Augen. Ohne Rücksicht auf meine Gefühle hatte Meister Reineke seinem Nachwuchs meine Chicken Wings serviert. Biohühner waren das bis in die kleinste Zelle gewesen und glücklich bis zu diesem Tag. Ich tröstete mich damit, dass der Fuchs ihnen unter Umständen ein kümmerliches Älterwerden oder eine Pflegestufe erspart hatte. Da auch Nachbars Hühner hatten dran glauben müssen, trauerten wir kollektiv. Unsere Schuld ließ sich bei einem gemeinsamen abendlichen Bier auf der Terrasse besser aushalten. Trotz meines Hundeblickes erhob mein Mann jetzt seine Stimme gefährlich. Sein „Nein“ klang wie der Widerhall einer nicht zu erstürmenden Festung, das „nur über meine Leiche“ zerschmetterte meine Hoffnung, er stampfte meinen Wunsch kurz und klein mit der Empfehlung, wenn er tot sei, könne ich ja von seiner Lebensversicherung ein Tierheim aufmachen. Aber so lange noch Leben in ihm ist, nie und nimmer! Ich begann ihm vorzurechnen, falls er vielleicht in zehn Jahren das Zeitliche segnen sollte, wäre ich schon Mitte siebzig, dann gäbe mir freiwillig keiner mehr einen Hund, nicht einmal ein Tierheim, und nur dort möchte ich eine arme Kreatur herausholen, erlösen, gut zu ihr sein, mit ihr zusammen alt werden.„Stell dir doch mal vor, ich komme mit Mitte siebzig in ein Tierheim. He, ich möchte einen Hund! Seht mich an, ich habe noch meinen Führerschein, kann Schwarz und Weiß unterscheiden, vergesse nicht meinen Geburtstag und habe noch keine Pflegestufe beantragt! Was glaubst du, was die mir antworten? Das ist dort so wie früher bei der Einreise in den Osten, Papiere vorzeigen, Persönlichkeitsprofil erstellen, kann alles dauern, zappeln lassen, wieder tief in die Augen schauen, Haus und Garten inspizieren, Nachbarn befragen, so dass du ängstlich denkst, das wird nie was. Bedenke, dass ein Hund vielleicht mein letzter Wunsch in diesem Leben sein könnte. Brauche ich noch Schmuck? Nein! Eine Eigentumswohnung auf Rügen? Wäre schön, es fehlt aber das nötige Kapital. Eine Reise auf die Malediven? Wunderbar, aber die Flugzeit ist zu lang, bekomme ich dicke Füße. Was würde mich aber täglich erfreuen? Ein etwa 30 bis 40 cm hoher Mischlingshund, stubenrein, leinengängig, entwurmt, gechipt, geimpft, kastriert und in tricolor. Schön sollte er schon sein.“ Ich klappte meine Lippen zusammen und sah gespannt meinem Mann ins Gesicht. Die ins Feld geworfenen sozialen und moralischen Aspekte stimmten ihn keineswegs um. Obwohl das seine Lieblingsmahlzeit ist, verließ er unter Protest den Frühstückstisch. Achtlos ließ er sein Spiegelei zurück und schickte sich an, zum Golfplatz zu fahren. Angestrengt überlegte ich, ob der Wunsch, mit einem Hund alt werden zu wollen, ihn vertrieben hatte oder ob er sich davor fürchtete, meine Aufmerksamkeit teilen zu müssen. Ich rief ihm nach: „Selbst Albert Einstein, oder wer auch immer, hat einmal gesagt: „Es gibt ein Leben ohne Tiere, aber es lohnt sich nicht.“ Mein Mann drehte sich noch einmal um und antwortete gefährlich leise: „Therese, ich werde gleich zum Tier, dann hast du das, was du willst“, und weg war er. Kaum aus dem Haus, griff ich zum Telefon, um meiner besten Freundin ausführlich mein Leid zu klagen. Aber auch sie gab zu bedenken, dass es nicht klug wäre, mein bequemes Leben einfach so für einen Hund an den Nagel zu hängen; dann doch lieber eine Katze, die bleibt schon mal mehrere Tage bei Trockenfutter allein. „Ich will aber keine Katze, ich möchte einen Hund, basta.“ Zum Glück kündigte meine Freundin mir nicht die Freundschaft, sondern zeigte nach all meinen Argumenten, wie schön ich mir das Leben mit einem Hund vorstelle, Verständnis. Tröstend meinte sie: „Du bekommst kein Hausverbot bei mir, wenn du mit dem Hund zu Besuch kommst. Allerdings solltest du wegen meiner Katze einen verträglichen aussuchen, sonst gibt es hier Ärger.“ Ah, da taten sich weitere Hindernisse auf. Die nächste Freundin gab zu bedenken, dass ihre Enkel allergisch auf Hundehaare seien, ich also den Hund zu Hause lassen müsse, wenn wir uns bei ihr träfen. Die dritte hatte eine Hundephobie, weil sie als Dreijährige von einem Dackel umgerannt worden war. Ich konnte es kaum fassen, an nur einem Tag entpuppten sich mir vertraute Menschen als Hunde geschädigt. Das Schlimmste aber war, mein Mann hatte eine Lobby. Um meinen Kopf freizubekommen, nahm ich meine Jacke und lief über Feldwege. Ich begegnete etlichen Spaziergängern mit Hund, angeleint oder nicht, ich war zu allen nett und die Hunde zu mir. Während ich ging, überkamen mich diese Gedanken. Es gibt Lieblingskinder, -enkel, -hunde, -katzen und Lieblingsblumen. Ich wollte diese Reihe fortsetzen, aber „Lieblingsmänner“ daran konnte ich mich in diesem Moment nicht entsinnen. Meine Laune hob sich schlagartig, als ich mir vorzustellen begann, wie sich ein Lieblingsmann meinem Wunsch gegenüber verhalten würde. Ach, Süße, du wünscht dir einen Hund? Das ich nicht darauf gekommen bin! Sofort nach dem Frühstück werde ich am PC alle Tierheime und Hilfsorganisationen aufstöbern. Pfeif auf den Golfplatz, wir werden einen Hund für dich suchen. Beim diesem Gedanken spürte ich erfreut, wie sich mein Gesicht entspannte. Vor allem, als ich mir vorzustellen begann, wie der Nicht-Lieblingsmann nun dumm aus der Wäsche schauen würde. Wunderbar! Dann brauchte ich nicht mehr allein durch die Landschaft zu gehen. Am Morgen könnte ich meinen Arm lässig aus dem Bett fallen lassen und dann die Hand abgeschleckt bekommen, ohne das gleichzeitig Spiegelei mit Speck gefordert würde. Der Hund könnte, so lange ich mich bequem im Bett rekle, an seinem Trockenfutter naschen, die Hinterläufe zusammenkneifen, damit kein Tröpfchen Pipi auf den Teppich geht, bis ich ihm endlich die Terrassentür öffne, damit er in Windeseile in Richtung Komposthaufen flitzen kann, um dort brav seine Notdurft zu verrichten. Ich sah herrlichen Zeiten entgegen. Inzwischen näherte sich ein junger Mann, mir nicht bekannt, mit einem größeren Hund. Diesem streckte ich meine offene Hand entgegen, bis er sie dankbar leckte und mich tröstend anschaute. Es war eine Hündin mit strammen Zitzen. Interessiert fragte ich, ob sie trächtig sei: „Nein“, antwortete der junge Mann, „ nur schein-trächtig. In Deutschland darf sie keine Jungen werfen, weil Lisa ein Listenhund ist.“ Also ein Kampfhund, schoss es mir durch den Kopf. Meine Hand lag noch immer unter der Zunge der Hündin, während ich innerlich vor Angst erstarrte. Derweil überlegte ich, wie ich aus dieser Nummer am besten wieder herauskommen könnte. Vorsichtig zog ich meine Hand aus der Beißweite, lächelte freundlich, wünschte einen herrlichen Tag und machte mich schön langsam, um den Hund nicht zu reizen, aus dem Staub. Nicht ohne einen Seufzer der totalen Erleichterung in Richtung Himmel geschickt zu haben.

 
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