Buch lesen: «Nikolaus muss sterben»

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Irene Dorfner

Nikolaus muss sterben

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Impressum

VORWORT

ANMERKUNG

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Liebe Leser!

Von der Autorin sind bisher folgende Bücher erschienen:

Über die Autorin Irene Dorfner:

Impressum neobooks

Impressum

Copyright © Irene Dorfner 2021

All rights reserved

© Irene Dorfner, Postfach 1128, 84495 Altötting

Lektorat: Sabine Thomas, Stralsund

EarL und Marlies Heidmann, Spalt

FTD-Script, Altötting

Kein Teil dieses Buches darf ohne ausdrückliche schriftliche

Genehmigung des Herausgebers reproduziert oder in einem

Abrufsystem gespeichert oder in irgendeiner Form

oder auf irgendeine Weise elektronisch, mechanisch,

fotokopiert, aufgezeichnet oder auf andere Weise

übertragen werden.

VORWORT

Fall 40 – Wahnsinn, wie weit die Reise mit Leo Schwartz und seinen Leuten bisher ging.

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Fans und Freunden herzlich bedanken, denn ohne euch wäre das nicht möglich gewesen (keine Sorge, die Reise geht auf jeden Fall weiter!!)..

Der Kriminalfall „Nikolaus muss sterben“ ist ein ganz besonderer, denn zum runden Jubiläum gibt es einen Weihnachtskrimi!

Ich wünsche allen Lesern/Freunden von Herzen fröhliche Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr!!

Herzliche Grüße aus Altötting

Irene Dorfner

ANMERKUNG

Die Personen und Namen in diesem Buch sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig – bis auf: Jonny und Angelika Wittrock, sowie der Nikolaus Klaus-Dieter Heidmann. Hier liegen Einverständnisse vor – schön, dass ihr dabei seid!

Der Inhalt des Buches ist reine Fantasie der Autorin. Auch hier sind Ähnlichkeiten rein zufällig. Die Örtlichkeiten wurden den Handlungen angepasst.

…. und jetzt geht es auch schon los:

1.

Samstag, 27. November

Ein Nikolaus lief gegen zweiundzwanzig Uhr über den menschenleeren und sehr spärlich beleuchteten Stadtplatz der oberbayerischen Kleinstadt Neuötting. Dessen Laune war gut, denn den ersten Nikolaus-Besuch in dieser Saison hatte er hinter sich. Bei der Familie Wölfle gab es einiges zu holen, deshalb hatte er die Ohren gespitzt und auf jedes Wort geachtet. Bereits morgen früh konnte er zuschlagen, denn zum ersten Advent wollte die ganze Bagage in die Kirche gehen. Frau Wölfle wiederholte für ihren offenbar begriffsstutzigen oder auch bockigen Gatten mehrfach, dass die Messe um zehn Uhr begann, was der nur murrend zur Kenntnis nahm, weil er sich nicht komplett taub stellen konnte. Die Frau war unerbittlich und hielt an der alten Familientradition fest, auf die er gut und gern verzichten konnte, denn mit der Kirche hatte er nichts am Hut. Die Kinder waren noch zu klein, um sie zu beeinflussen und auf seine Seite zu ziehen, deshalb wusste er, dass er in diesem Jahr nicht entkommen konnte. Wie schön war doch das letzte Jahr gewesen, als wegen Corona alle Kirchen geschlossen waren und zu hohen kirchlichen Feiertagen nur für ein auserwähltes Publikum öffneten, zu dem die Familie Wölfle zum Glück nicht gehörte. Also signalisierte Herr Wölfle mit einem Augenzwinkern dem Nikolaus, dass er sich fügen würde, um den Familienfrieden nicht zu gefährden. Frau Wölfle konnte sehr ungehalten reagieren, wenn gerade in der Vorweihnachtszeit nicht alles so ablief, wie sie es geplant hatte.

Der Nikolaus, unter dessen Kostüm sich der achtunddreißigjährige Klaus-Dieter Heidmann verbarg, musste schmunzeln. Angespornt von diesen guten Aussichten nach dem letzten chaotisch-mageren Coronajahr, in dem alle Nikolaus-Besuche ausnahmslos ausfielen, achtete er nicht auf einen Mann, der ihm hier auf dem Stadtplatz quer vor die Füße lief. Es kam, wie es kommen musste – die beiden stießen zusammen. Während sich der Nikolaus gerade noch so an einem Pfeiler der Arkaden festhalten konnte, landete der andere auf dem harten Pflaster. Heidmann war froh, denn ein lädiertes Kostüm zu Beginn der Saison wäre eine Katastrophe.

„Sorry, das tut mir leid“, rief Heidmann und versuchte, dem Mann aufzuhelfen.

Der schien für einen Moment verwirrt und starrte ihn an. Dann fasste er sich wieder.

„Kannst du nicht aufpassen, du Arschloch?“

Der Mann stand auf und nahm die Tasche an sich, die ihm sehr wichtig schien. Dann beschimpfte er ihn nochmals und rannte humpelnd davon.

Heidmann ließ sich von diesem unschönen Zusammenstoß nicht die Laune verderben. Er nahm sein Handy und wählte.

„Servus Heiko. Mein Besuch war ein voller Erfolg, schon morgen früh kann es losgehen. Wie war es bei dir?“

„Tote Hose, bei der Familie ist nichts zu holen. Soll ich dich morgen begleiten?“

„Nein, das mache ich allein. Wir hören uns!“ Heidmann sagte kein Wort über das, was eben geschehen war, das hatte er bereits vergessen.

Dass das noch ein schreckliches Nachspiel haben würde, konnte er in diesem Moment nicht wissen.


2.

Montag, 29. November

„Die Vorweihnachtszeit ist die schlimmste Zeit des Jahres“, brummte der neunundfünfzigjährige Hans Hiebler. Trotz der niedrigen Temperaturen sah er aus, als käme er direkt aus dem Urlaub auf einer traumhaft schönen Insel, wo er jetzt sehr viel lieber wäre. Der Winter war nichts für ihn, aber daran konnte er nichts ändern. Seine schlechte Laune wurde durch seinen Freund und Kollegen Leo Schwartz noch schlimmer, denn der lief seit Tagen mit einer Trauermiene herum, die einem echt aufs Gemüt schlug. Dazu kam, dass die Weihnachtszeit auch Erinnerungen an eine glückliche Kindheit und an die längst verstorbenen Eltern hervorrief, was ihn melancholisch stimmte. In diesen Wochen gab es immer die verrücktesten Verbrechen, mit denen sie sich als Kriminalbeamte herumschlagen mussten. Er war froh, wenn Silvester vorbei war und alles wieder normal lief.

„Einbrüche, Diebstähle und Tätlichkeiten, wohin das Auge blickt. Das Einbruchsdezernat hat es mit zwei Einbrüchen bei Juwelieren in Mühldorf und Neuötting zu tun, die an Dreistigkeit nicht zu überbieten sind. Die Diebe fuhren mit Fahrzeugen einfach in die Schaufenster und steckten alles ein, was sie in die Finger bekamen. Allein der Sachschaden geht in die Millionen. Manche Menschen schrecken echt vor nichts zurück. Warum kann die Weihnachtszeit nicht einfach mal ruhig ablaufen?“ Rudolf Krohmer, der Leiter der Mühldorfer Kriminalpolizei, schüttelte den Kopf. Er starrte in das Licht der ersten Kerze auf dem spärlichen Adventskranz. Wer hatte sich dafür entschieden, dieses hässliche Ding hier zu platzieren? Er grabschte mit den Fingern an die Tannenzweige und zuckte zusammen. Das war ein künstlicher Kranz. Angewidert zog er die Hand zurück. „Weihnachten ist früher so schön gewesen. Wo ist die besinnliche Zeit geblieben, in der man sich auf die Familie und das Wesentliche konzentrierte?“

„Diese Zeit gibt es doch schon lange nicht mehr“, maulte der siebenundfünfzigjährige Leo Schwartz. Seit einigen Tagen hatte er echt schlechte Laune. Zum einen hatte ihm seine Vermieterin und Ersatzmutter Tante Gerda vor zehn Tagen mitgeteilt, dass sie und Christine Künstle, die vor zwei Monaten tatsächlich auf dem renovierten Bauernhof eingezogen war, Weihnachten auf den Bahamas verbringen wollten. Als wäre das nicht genug, hatte seine Verlobte Sabine Kofler eine Reportage in Australien angenommen, die sie vermutlich über die Weihnachtsfeiertage festhielt. Die Aussicht, Weihnachten einsam und verlassen verbringen zu müssen, gefiel ihm absolut nicht, was er aber niemals zugeben würde. Er versuchte, Sonderschichten an sich zu reißen, um somit diesem Friede-Freude-Eierkuchen-Getue aus dem Weg zu gehen. Und er hoffte auf einen spannenden Fall, der ihn beschäftigte – aber den fand er in den vorliegenden Fällen nicht, denn die gingen allesamt die Kriminalpolizei nichts an. Wenn sich an der Situation nicht bald etwas änderte, musste er über Weihnachten verreisen, aber darauf hatte er auch keine Lust. Wenn er nicht bei der Mordkommission, sondern beim Einbruchsdezernat arbeiten würde, hätte er es wenigstens mit diesen spektakulären Einbrüchen zu tun. Aber die Fälle, die hier auf dem Tisch lagen, waren allesamt langweilige Routinearbeit, die nichts mit der Mordkommission zu tun hatten.

„Wie dem auch sei: Zum Glück gibt es genug alte Fälle, die überprüft gehören.“ Krohmer freute sich, denn dann konnte man das Jahr doch noch rund abschließen und diese Fälle endgültig ad acta legen.

„Nicht schon wieder!“, stöhnte die neunundzwanzigjährige Diana Nußbaumer, die wieder wie aus dem Modekatalog aussah. Krohmer und seine alten Fälle. Sie hasste diese Aufgabe, mit der der Chef immer ums Eck kam, wenn sonst nichts anlag. Das war eine trockene und sehr undankbare Aufgabe, denn Kollegen, die diese Fälle bearbeitet hatten, fühlten sich immer auf den Schlips getreten, was sie gut nachvollziehen konnte.

Auch Leo und Hans waren nicht begeistert, was sie auch zum Ausdruck brachten.

Einzig Alfons Demir, der neue Kollege im Bunde, hatte nichts gegen Büroarbeit. Es war kalt, außerdem schneite es immer wieder. Kein Wetter, in dem man sich gerne draußen aufhielt. Alfons Demir, den alle nur Alf nannten, hatte sich gut eingelebt. Nach dem Tod seines Vaters war er nach Landshut gezogen, um sich um die Mutter zu kümmern, die außer ihm niemanden mehr hatte. Seit er bei ihr lebte, blühte sie regelrecht auf, was ihn täglich freute, denn die verwirrten Momente seiner Mutter wurden tatsächlich weniger. Die Arbeit in Mühldorf gefiel ihm sehr. Obwohl sein erster Fall hier sehr turbulent gewesen war, mochte er nach seinem Umzug und der Eingewöhnungsphase die ruhigeren Tage, in denen sie sich seit Wochen befanden. Und er freute sich auf Weihnachten, das er als Moslem sehr gerne mit seiner katholischen Mutter verbrachte. Kirche und Glaube standen bei der Familie Demir noch nie an erster Stelle, deshalb störte er sich nicht an den Ritualen, die er seit seiner Kindheit kannte und auf die seine Mutter immer großen Wert legte.

Gerade, als Krohmer und die Kriminalbeamten aufstehen wollten und sich gedanklich an die bevorstehende Arbeit gewöhnt hatten, klopfte es an der Tür. Es war ein Uniformierter, der Krohmer einen Zettel reichte und gleich darauf wieder verschwand. Ungläubig las Krohmer die wenigen Zeilen.

„Offenbar müssen wir die alten Fälle verschieben“, las Krohmer die Information und sah die Kollegen an. „Es gibt einen Schwerverletzten in Neuötting. Er hat offenbar einen Einbrecher überrascht und wurde niedergeschlagen.“

„Gibt es einen Hinweis auf den Täter?“

„Hier steht: Es war der Nikolaus.“


3.

Die Wohnung war weiträumig abgesperrt worden. Das hatte Friedrich Fuchs, der Leiter der Spurensicherung, veranlasst. Niemand wagte es, den Tatort zu betreten, denn alle kannten den fünfundvierzigjährigen Fuchs und seine ungezügelten Wutausbrüche, denen sich niemand freiwillig aussetzen wollte. Der Verletzte befand sich im Krankenwagen und wurde versorgt.

„Ist er ansprechbar?“, wandte sich Leo an den Notarzt.

„Nein, keine Chance. Stellen Sie sich darauf ein, dass das auch noch dauern wird – wenn er überhaupt wieder zu sich kommt. Die Kopfverletzung gefällt mir nicht. Können wir fahren?“

„Hatte er Papiere bei sich?“

„Nein. Die Identität ist geklärt, sprechen Sie mit einem Ihrer Kollegen. Der dort hinten war vor uns da“, zeigte er auf einen Uniformierten und schloss die Tür des Rettungswagens, der sich dann mit Blaulicht und Martinshorn entfernte.

Leo wies sich gegenüber dem Kollegen aus.

„Sie sind mir nicht unbekannt, Herr Schwartz. Sie erinnern sich an mich?“

Leo musterte das arrogante Gesicht, das ihm tatsächlich bekannt vorkam, allerdings erinnerte er sich nicht an den Namen.

„Engelbrecht, Kurt Engelbrecht.“

Leo schüttelte den Kopf, damit konnte er nichts anfangen, das war aber auch nicht wichtig.

„Wer ist das Opfer?“

„Jürgen Schulze, zweiundvierzig Jahre alt. Verheiratet, zwei Kinder. Zum Glück war er allein zuhause“, fasste Engelbrecht zusammen.

„Es heißt, der Täter war der Nikolaus? Das ist doch ein Scherz, oder?“

„Keine Ahnung, ich mache nur meinen Job und gebe das weiter, was Zeugen aussagten. In diesem Fall ist die Zeugin die Nachbarin Huber. Sie hat das Opfer gefunden und Polizei und Notarzt gerufen. Sie sagte aus, dass sie einen Mann in einem Nikolauskostüm gesehen hat. Einbrüche dieser Art werden zwar vermehrt gemeldet, aber wenn Sie mich fragen, ist die alte Frau nicht ganz dicht. Sie fantasiert und hat vermutlich zu viele Krimis gesehen. Als ich mit ihr sprach, lief der Fernseher, wie vermutlich den ganzen Tag lang.“

„Können wir uns darauf verlassen, dass es ein Mann war?“ Leo war sauer, wie respektlos Engelbrecht über die Zeugin sprach. Wie sie den Tag verbrachte, ging diesen Kotzbrocken wirklich nichts an.

„Mann oder Frau? Keine Ahnung. Das herauszufinden ist nicht meine Aufgabe.“ Engelbrecht steckte seinen Notizblock ein und sah auf die Uhr.

Jetzt erinnerte sich Leo an den Kollegen, der immer genau nach Vorschrift und keine Sekunde länger als nötig arbeitete. Ein unsympathischer Typ, mit dem er schon einmal zusammengerumpelt war.

„Sie bleiben hier, bis ich Sie persönlich abziehe. Wir haben uns verstanden?“

„Das dürfen Sie nicht anweisen, das darf nur mein Vorgesetzter.“

„Im Moment bin nur ich da und Sie müssen mit mir Vorlieb nehmen. Es gilt, was ich sage, auch wenn Ihnen das nicht gefällt. Ich wiederhole es noch einmal, damit Sie mich auch richtig verstehen: Sie bleiben!“

Engelbrecht war sauer. Er hatte noch einige Weihnachtseinkäufe zu erledigen, die er sich für heute vorgenommen hatte. Nach der Frühschicht hatte er am Nachmittag Zeit, sich um diese lästige Aufgabe zu kümmern. Daraus wurde jetzt nichts. Er sah dem Kollegen Schwartz hinterher und nahm sein Handy. Trotz mehrfacher Versuche erreichte er den Altöttinger Polizeichef nicht, weshalb ihm nichts anderes übrig blieb, als sich Schwartz‘ Anweisungen zu fügen.

Die Zeugin Josefa Huber war völlig aufgelöst. Diana saß gemeinsam mit ihr in deren viel zu warmen Wohnzimmer. Obwohl Leo schwitzte, ließ er die Lederjacke, die er fast das ganze Jahr trug, an. Er wies sich Frau Huber gegenüber aus, die sich aber nicht für seinen Ausweis interessierte und ihm Platz anbot. Leo sank förmlich in dem Sessel ein, der schon viele Jahre auf dem Buckel hatte. Ungefragt schenkte Josefa Huber Kaffee ein und stellte Leo eine Tasse hin, dazu gab es ein Stück Christstollen. Leo mochte den nicht, denn er hasste die kandierten Früchte darin.

Die betagte Frau Huber erzählte Leo nochmals alles von vorn, auch wenn er sie nicht danach fragte. Die Informationen sprudelten nur so aus ihr heraus.

„Und Sie sind sich sicher, dass das ein Mann war?“, hakte er nach. Der Kaffee schmeckte vorzüglich.

„Sie meinen, dass so etwas eine Frau anrichten könnte?“

„Warum nicht? Wir müssen jede Möglichkeit in Betracht ziehen.“

Frau Huber trank vom Kaffee und aß ein Stück Christstollen. Sie dachte nach und Leo wollte ihr die Zeit geben.

„Sie haben mich verunsichert, Herr Schwartz. Ich bin mir jetzt nicht mehr sicher, dass das ein Mann war. Die Person trug Turnschuhe, so wie sie die jungen Leute alle tragen. Nur Sie beide nicht“, bemerkte sie mit Blick auf Leos Cowboystiefel und Dianas Winterstiefel, die einen sehr hohen Absatz hatten.

Leo musste schmunzeln, denn Frau Huber bezeichnete ihn als jung, was ihm schon lange nicht mehr passiert war.

„Was können Sie uns über die Familie Schulze erzählen?“

„Sehr nette Leute, auch die Kinder. Sie leben sehr zurückgezogen, man sieht sie kaum. Natürlich gibt es ab und zu Streit, aber das ist normal. Die Kinder verhalten sich vorbildlich. Kein Geschrei und kein Lärm. Wenn man es nicht wüsste, könnte man nicht vermuten, dass nebenan kleine Kinder leben. Ich habe keine Kinder und somit auch keine Enkel, was ich sehr bedaure“, fügte sie nachdenklich hinzu. „Aber so ist das Schicksal nun mal. Entschuldigen Sie, das interessiert Sie sicher nicht, Sie wollen mehr über die Familie Schulze wissen. Herr Schulze arbeitet in Altötting beim Bauhof, Frau Schulze ist zuhause und kümmert sich um die Kinder und den Haushalt. Ja, das ist altmodisch, aber das soll jeder für sich selbst entscheiden. Der kleine Emil kommt nächstes Jahr schon in die Schule. Ein sehr aufgeweckter Junge, der viel zu schnell groß wird.“

Diana machte sich Notizen. Bei dem Namen Emil schüttelte sie den Kopf. Ja, es war modern, Kindern altdeutsche Namen zu geben – aber Emil? Es gab so viele schöne Namen, warum dieser?

„Wie heißt das andere Kind?“, wollte sie der Vollständigkeit halber wissen.

„Yannick. Es hat lange gedauert, bis ich mir den Namen merken konnte. Yannick ist vier Jahre alt.“

„Haben Sie eine Ahnung, wo sich Frau Schulze und die Kinder aufhalten?“

„Nein. Ich habe mich darüber gewundert, dass sie nicht da sind, normalerweise sind sie das immer.“ Frau Huber rührte in ihrer Tasse. „Ich verstehe das nicht, denn noch eine Stunde bevor ich Herrn Schulze in dem schrecklichen Zustand fand, meinte ich, Frau Schulze reden zu hören. Allerdings habe ich sie nicht gesehen, die Kinder auch nicht. Vielleicht täusche ich mich auch.“

Leo hatte genug gehört. Er bat Diana, noch etwas zu bleiben, falls Frau Huber noch etwas einfiel. Der war das nicht unangenehm, denn sie mochte die alte Dame, die trotz des hohen Alters von siebenundachtzig Jahren noch sehr fit war.

Friedrich Fuchs hatte bereits nach Leo gesucht. Er hatte etwas entdeckt, was er unbedingt weitergeben musste. Im Treppenhaus begegneten sich die beiden.

„Kommen Sie mit!“ Mehr sagte Fuchs nicht.

„Was ist?“

„Kommen Sie, das müssen Sie mit eigenen Augen sehen!“

Abseits vor dem Haus stand ein Mann – Klaus-Dieter Heidmann. Der konnte nicht glauben, was hier abging. Was sollte das? Die Familie Schulze stand ganz oben auf seiner Liste. Nach dem Einbruch bei den Wölfles war er hier goldrichtig. Vor zwei Tagen war er hier als Nikolaus verkleidet gewesen und hatte den Kindern einen Vortrag gehalten, den der Vater vorher zu Papier gebracht hatte. Die Worte waren heftig, trotzdem musste er sich fügen, schließlich war der Kunde König. Die beiden Jungs schienen eingeschüchtert, was ganz normal war. Allerdings verhielt sich die Mutter nicht so, wie es sein sollte. Andere Mütter waren aufgeregt und freuten sich, nicht aber Frau Schulze. Sie saß abseits und schien nicht zu verstehen, was um sie herum geschah. Klaus-Dieter Heidmann hatte sich nichts dabei gedacht, schließlich ging ihn der Gemütszustand der Kundschaft nichts an. Er war an anderen Dingen interessiert. Auf der Anrichte stand eine Statue, die ihn interessierte, denn sie war signiert. Längst hatte er herausgefunden, dass dieses olle Ding einige hundert Euro wert war. Auch die Lampe daneben war nicht ohne, die wollte er ebenfalls mitnehmen. Die Frau trug keinen Schmuck, weshalb er den in einer Schatulle im Schlafzimmer vermutete. In den letzten Jahren hatte er einen Blick dafür entwickelt, wo etwas zu holen war. Er nahm nie viel, denn er wollte keinen großen Schaden anrichten. Nur so viel, dass man den Diebstahl leicht verschmerzen konnte, wenn er überhaupt bemerkt wurde. Die Schulzes gaben sich bieder, aber davon ließ er sich nicht täuschen. Er war sich sicher gewesen, dass in der Wohnung sehr viel mehr zu holen war – ein paar wertvolle Schmuckstücke waren sicher dabei. Während seines Besuches hatte er aufgeschnappt, dass die Schulzes heute Vormittag nicht zuhause waren. Herr Schulze sollte in der Arbeit sein, die Kinder im Kindergarten und die Frau hatte einen Friseurtermin. Genug Zeit für einen Bruch, der nur wenige Minuten dauern sollte. Und jetzt dieser Auflauf von Polizisten! Ob die wegen den Schulzes hier waren? Er musste es herausfinden. Gleich bei der ersten Frau hatte er Glück. Schnell hatte es die Runde gemacht, dass der Nikolaus als Täter vermutet wurde, was trotz des Verletzten einiges Gelächter verursachte. Als das Wort Nikolaus fiel, wurde ihm schlecht. Nicht, weil er vorgestern selbst als solcher verkleidet in der Wohnung der Schulzes war, sondern weil er seinem Zweitnamen Klaus dem Heiligen Nikolaus zu verdanken hatte. Jetzt wurde er wegen eines Verbrechens mit diesem verhassten Namen konfrontiert. Er fühlte sich ertappt und verließ völlig verstört die Gruppe der Schaulustigen. Er lief durch die Straßen Neuöttings und setzte sich irgendwann auf eine Bank, auch wenn die völlig verdreckt und nass war. Jemand hatte sich als Nikolaus verkleidet Zutritt zur Wohnung Schulze verschafft und den Mann niedergeschlagen. Konnte es sein, dass ihn jemand nachahmte oder ihm diese Tat in die Schuhe schieben wollte? Nein, das war sicher ein Zufall. Oder doch nicht? Er musste Heiko Fleischmann anrufen, schließlich arbeiteten sie beide zusammen, wenn auch parallel.

„Was gibt es?“ Als Heiko den Grund des Anrufes verstand, reagierte der panisch. „Die suchen nach einem Nikolaus? Warst du das, du Vollpfosten? Hast du dem Mann etwas angetan?“

„Natürlich nicht! Und du?“

„Ich auch nicht! Das waren deine Kunden, damit habe ich nichts zu tun!“

„Was machen wir jetzt?“

„Nichts! Wir halten die Füße still und werden ab sofort keine Kunden mehr beklauen.“

„Spinnst du? Woher sollen wir sonst das Geld nehmen?“

„Keine Ahnung! Wir müssen uns etwas anderes einfallen lassen, verstanden? Keine Brüche mehr!“

„Meinetwegen. Es wird nicht lange dauern, bis sie herausfinden, dass ich bei den Schulzes war. Was soll ich sagen?“

„Nichts! Du hältst die Klappe, verstanden? Was ist das nur für eine Scheiße! Hätte ich mich nur nicht von dir überreden lassen!“

„Jetzt schieb nicht mir den Schwarzen Peter zu. Ja, es war meine Idee, aber du warst immer mit allem einverstanden. Das funktioniert schon seit Jahren sehr gut, das musst du zugeben. Wir beklauen nur Leute, die den Diebstahl verschmerzen können. Bleib ruhig und flipp jetzt nicht aus, verstanden? Mir können die Polizisten nichts, ich habe ein Alibi.“

„Sauber, ich aber nicht. Ich war zur Tatzeit allein zuhause.“

„Die wollen nichts von dir, sondern von mir. Du hattest mit den Schulzes nichts zu tun – ich schon. Wir kommen aus der Sache sauber raus, Heiko, das verspreche ich dir.“

Klaus-Dieter Heidmann saß lange auf der Bank und schmiedete einen Plan: Er musste herausfinden, was passiert war und wer ihm in die Quere kam!


€0,99

Genres und Tags

Altersbeschränkung:
0+
Umfang:
150 S. 18 Illustrationen
ISBN:
9783754176658
Verleger:
Rechteinhaber:
Bookwire
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