Tausche Einsamkeit gegen Zweisamkeit

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3. Kapitel
BLICK ZURÜCK

Wie hatte es denn eigentlich mit Kurt und Gerda angefangen? Sie waren doch so verliebt, als sie sich im Flieger nach Marokko kennenlernten. Gerda arbeitete als Flugbegleiterin. In ihrer schicken Uniform sah sie umwerfend aus, und Kurt konnte die Augen nicht von ihr abwenden. Alle Augenblicke bat er sie um etwas, damit sie sich ihm widmen musste:

„Kann ich wohl noch einen Drink bekommen?“ Dann wieder:

„Ich komme mit meinem Sitz nicht zurecht. Helfen Sie mir?“ Das tat sie natürlich gerne, weil ihr Kurt auch sehr gefiel. Dieser gut aussehende, braungebrannte junge Mann in dem teuer aussehenden hellblauen Armani-Hemd und der weichen, braunen Lederjacke darüber hatte ein so umwerfendes Lächeln, dass Gerda ganz schwach wurde. Sie wusste genau, dass es ihr verboten war, mit den Passagieren zu flirten, aber in diesem Fall dachte sie an keine Verbote und schaute Kurt sehr verliebt an.

„Sehen wir uns in Marokko?“, flüsterte Kurt ihr leise zu. Aber Gerda hatte keinen Aufenthalt in Marokko, sondern musste gleich mit dem nächsten Flieger wieder zurück nach Deutschland. Gerda flüsterte ebenfalls sehr leise und unauffällig: „Schade, das geht leider nicht. Aber wir könnten telefonieren, wenn Sie wieder aus den Ferien zurück sind.“

Mit diesen Worten drückte sie Kurt einen Zettel mit ihrer Telefon-Nummer in die Hand. Das alles musste sehr diskret vor sich gehen. Flugbegleiterinnen war der private Umgang mit den Passagieren verboten.

Kurt nahm den Zettel lächelnd an sich. Er wusste ganz genau, dass er bei Frauen durch sein elegantes Auftreten schnelle Erfolge erzielen konnte. Dass er mit der Flugbegleiterin Gerda einen heißen Flirt während des Fluges hatte, hielt ihn nicht davon ab, sich in Agadir, seinem Feriendomizil, nach einer Urlaubsbegleitung umzusehen. Gleich am ersten Abend saß er in seinem Hotel Colombe an der Bar und neben ihm saß eine aufregende junge Frau, die scheinbar auch alleine hier ihre Ferien verlebte. Sie hatte langes, blauschwarzes Haar, das sie schwungvoll nach hinten warf, wenn sie lachte. Alles, was sie an Kleidung und Schmuck trug, sah sehr teuer aus. Die leicht durchsichtige, rote Bluse ließ ihre gute Figur ahnen. Der kurze schwarze Rock saß sehr eng und versteckte kaum die langen, gutgeformten Beine. Sie blitzte Kurt mit ihren schwarzen, aufregenden Augen an und schien einem Flirt nicht abgeneigt zu sein.

„Sprechen Sie Deutsch, schöne Frau?“

„Aber sicher. Ich bin doch mit dem gleichen Flugzeug wie Sie aus Stuttgart gekommen. Aber Sie hatten ja während des ganzen Fluges nur Augen für die blonde Flugbegleiterin. Dabei hätte ich Sie sehr gerne kennengelernt.“

„Na ja, das lässt sich ja jetzt nachholen“, lachte Kurt.

„Ich heiße Kurt Umweg.“ Dabei machte er eine kleine Verneigung.

„Oho, der perfekte Gentleman“, lachte nun auch seine neue Bekanntschaft.

„Ich heiße Marie-Lou. Der Nachname spielt hier in den Ferien keine Rolle. Du kannst ruhig Marie-Lou und Du sagen.“

„Darauf müssen wir aber ein Glas Sekt trinken.“

„Sekt? Bin ich dir nicht wenigstens Champagner wert?“

Kurt steckte die kleine Rüge lächelnd ein und bestellte bei dem Barmann zwei Gläser vom besten Champagner. „So recht?“, fragte er Marie-Lou.

„Entschuldige, ich wollte dich nicht kränken, aber den billigen Sekt vertrage ich nicht.“

Bei dem ersten Glas blieb es natürlich nicht. Kurt und Marie-Lou kamen sich mit ihren Barhockern so nahe, wie die Hocker es nur zuließen.

„Eigentlich wäre doch auch ein Kuss üblich, wenn man zum Du übergeht. Kennst du das nicht?“, fragte Kurt lockend.

Marie-Lou kannte diesen Brauch natürlich auch und so neigte sie sich zu Kurt und es erfolgte ein sehr intensiver Kuss. Mit diesem Kuss an der Bar waren Kurt und Marie-Lou für die übrigen Hotelgäste als Pärchen zusammen, das stand fest. Die beiden hatten Gefallen aneinander und hofften, noch viele Stunden gemeinsam zu genießen.

„So, ich werde jetzt mal langsam ins Bett gehen“, verkündete nach einigen Gläsern Champagner Marie-Lou.

„Bezahlst du für mich mit? Ich habe kein Geld in die Bar mitgenommen.“ „Das ist doch keine Frage, fühle dich eingeladen.“

Marie-Lou rutschte von ihrem Barhocker. Dann blieb sie nachdenklich stehen:

„Hättest du vielleicht Lust, mit mir in meinem Zimmer noch einen kleinen Absacker zu trinken?“ Das ließ sich Kurt natürlich nicht zweimal sagen. So gingen Kurt und Marie-Lou Arm in Arm zum Aufzug und fuhren in Marie-Lou’s Zimmer Nr. 312 im dritten Stock. Dann kam es so, wie es sich die junge Frau und auch Kurt gewünscht hatten. Es wurde ein stürmischer Abend und eine noch stürmischere Nacht, der viele stürmische Nächte folgten. Da die Minibar in Marie-Lou’s Zimmer nur Mineralwasser und Piccolos enthielt, hatte Kurt bei seinen weiteren Besuchen immer eine Flasche eisgekühlten Champagner bei sich, der die Gefühle ordentlich anheizte. Während des Tages wurden die beiden dann im Hotel, außer bei den Mahlzeiten, kaum gesehen. Diese aufregenden Nächte konnten sie nur durch einen ausreichenden Schlaf während des Tages wieder ausgleichen. Kurt sah sein eigenes Zimmer in den ganzen 14 Tagen kaum. Nur zum Wäschewechsel tauchte er dort auf. Das wunderte das Personal des Hotels kaum. So etwas war man gewohnt. Ferienzeit war eben kein Ehealltag.

Dann waren 14 wundervolle Tage und Nächte beendet. Für Kurt und Marie-Lou begannen wieder die Gedanken an den Alltag zuhause. Kurt hätte diese aufregende Beziehung gerne weiter geführt. Aber Marie-Lou erklärte ihm klipp und klar, dass in Friedrichshafen ihr Ehemann auf sie warte.

„Du glaubst doch wohl nicht, dass ich meine Ehe deinetwegen aufs Spiel setze. Das, was mir mein Mann finanziell bietet, kannst du mir nicht bieten. Und nur für einen Urlaubsflirt mit gutem Sex lasse ich diese Beziehung nicht sausen.“

Kurt war wie vor den Kopf geschlagen. Er hatte sich in Gedanken schon eine tolle Zukunft mit Marie-Lou ausgemalt. „Na ja, so sind Frauen eben“, dachte er böse und verletzt. So trennte man sich in Stuttgart im Flughafen mit nicht sehr freundlichen Gedanken. Aber in der Halle wurde Marie-Lou auch schon von ihrem Ehemann freudestrahlend mit einem großen Rosenstrauß empfangen. In Kurts Richtung sah sie überhaupt nicht mehr. Kurt jedoch sah sich Marie-Lou’s Mann eingehend an. Ziemlich neidisch schoss es ihm durch den Kopf: „Dachte ich es mir doch, dass dieser Mann außer mit viel Geld eine solche Superfrau nicht halten kann. Tja, so sind die Frauen eben. Aber andere Mütter haben auch schöne Töchter. Und die Flugbegleiterin vom Flug nach Marokko war auch nicht schlecht. Außerdem hatte sie mir doch ihre Telefonnummer gegeben. Man könnte ja einmal versuchen, diese hübsche, kesse Blondine aus dem Flieger anzubaggern. Sie sah eigentlich aus, als wenn sie einem Flirt und weiterem nicht abgeneigt wäre. Aber zuerst muss ich mich jetzt um meine Geschäfte kümmern. Der Urlaub war doch ziemlich teuer.“

Mit diesen trüben Gedanken nahm er seinen Koffer und verließ das Flughafengebäude, um sich wieder dem Alltagsgeschäft zu widmen.

Er setzte sich in sein Büro, um die während seines Urlaubs eingegangenen vielen E-Mails und Anrufe auf dem Anrufbeantworter durchzusehen. So vergingen erst einmal vier Wochen, in denen er keine Zeit hatte, an Gerda zu denken.

Aber als nach vier Wochen Gerda müde von einem Flug aus Indien in ihrer Wohnung vor dem Fernsehgerät saß, um sich wieder einmal bei einem tränenreichen Liebesfilm zu entspannen, klingelte ihr Telefon:

„Hallo, hier ist Kurt Umweg. Erinnern Sie sich noch an mich?“

„Wie könnte ich einen Mann wie Sie denn vergessen?“

„Ich würde Sie gerne wiedersehen. Ich konnte Sie auch in den ganzen 14 Tagen in Marokko nicht vergessen. Die tolle Flugbegleiterin mit dem unwiderstehlichen Lächeln. Was halten Sie von einem Treffen?“

„Holen Sie mich ab?“

„Wo wohnen Sie denn? Sie haben mir zwar ihre Telefonnummer genannt, aber ich müsste schon Ihre Adresse wissen, wenn ich Sie abholen darf.“

„Ach herrje, daran habe ich überhaupt nicht gedacht. Also: Krähenwinkel bei Stuttgart, Lerchenweg 50. Werden Sie das finden?“

„Mit meinem neuen Navigationsgerät finde ich es bestimmt. In einer Stunde stehe ich mit meinem Cabrio vor Ihrer Tür, und dann kann es losgehen!“

Pünktlich nach einer Stunde klingelte es an Gerdas Tür und ein strahlender Kurt stand mit einem süßen kleinen Sträußchen, bestehend aus duftenden Veilchen und Maiglöckchen, vor ihr.

„Kommen Sie doch herein. Wir könnten, bevor wir losfahren, bei mir noch einen Kaffee trinken. Ich bin etwas müde und gebrauche eine Aufmunterung.“

So saßen sich dann Kurt und Gerda ganz brav in der gemütlich eingerichteten Küche gegenüber, tranken ihren Kaffee und unterhielten sich über Kurts Urlaub.

„Waren denn keine jungen Mädchen in Ihrem Hotel, die Ihnen die Zeit vertreiben konnten?“

„Ich muss gestehen, ich habe mich nicht nach jungen Mädchen umgesehen, weil ich immer Ihr Bild vor den Augen hatte. Ich hatte regelrecht Sehnsucht nach Ihnen.“

Sollte sie das glauben? Gerda war etwas skeptisch, ließ sich aber nichts anmerken. Und Kurt wurde nicht einmal rot bei dieser dicken Lüge. Dabei dachte er: „Hoffentlich verspreche ich mich nur nicht bei den Namen.“ Aber bis jetzt waren sie beim Sie. Noch bestand keine Gefahr. Und später würde man eben vorsichtshalber einfach „Liebling“ sagen. Da könnte nichts passieren. So hatte er es bei früheren Frauenbekanntschaften auch gehalten. Das hatte immer funktioniert. Diese Gedanken behielt Kurt aber lieber für sich. Das war besser so.

Dann brachen die beiden auf und es wurde ein wunderschöner Tag. Kurt fuhr mit Gerda flott durch kleine Dörfer mit hübschen Fachwerk-Häusern, auf engen Waldwegen durch dichte Tannenwälder bis hinauf zur Burg Hohenzollern. Hier besichtigten sie die beeindruckende Burg mit ihren vielen Schätzen, die Gerda staunend betrachtete. Sie war hier noch nie gewesen. Kurt freute sich über ihre Begeisterung. Dann traten sie den Heimweg an, der sie jetzt auf einer schnellen Bundesstraße bis nach Stuttgart und weiter nach Krähenwinkel führte. Inzwischen war es schon später Abend geworden. Kurt hielt vor Gerdas Haustür und stieg schnell aus, um der jungen Frau als vollendeter Kavalier die Autotür aufzuhalten. Eine Einladung, Gerda in ihre Wohnung zu begleiten, erfolgte nicht, und so fuhr Kurt, leicht enttäuscht wieder nach Stuttgart. Diesem Tag folgten jedoch noch viele wunderschöne Tage.

 

„Eigentlich könnten wir ja auch endlich Du zueinander sagen. So gut kennen wir uns ja nun inzwischen“, meinte Kurt beim nächsten Treffen.

Gerda war gerne damit einverstanden. Zum Du gehörte natürlich auch ein Kuss. Und dieser Kuss war sehr intensiv. Gerda hatte sich verliebt wie noch nie. Und auch Kurt schien ganz hingerissen von seiner Freundin zu sein.

„Hast du denn keinen Beruf, dass du so viel Zeit für mich hast?“, wollte Gerda wissen.

„Ich arbeite als Versicherungskaufmann und kann mir meine Zeit frei einteilen. Jetzt geht mir das Zusammensein mit dir vor. Arbeiten kann ich dann später wieder.“ Kurt lächelte und nahm Gerda liebevoll in den Arm. Und endlich, nach einem halben Jahr wurde aus Kurt und Gerda ein Liebespaar. Sie dachten über eine gemeinsame Wohnung nach, die auch bald gefunden wurde. Über einen Bekannten von Gerda bekamen sie in Krähenwinkel, in der Hauptstr. 8 eine hübsche, recht große Wohnung mit einem riesigen Balkon. Leider dauerte es noch einige Zeit, bis das Haus, in dem sich diese wunderschöne Wohnung befand, fertiggestellt war. Noch war nur der Rohbau zu besichtigen. Kurt und Gerda hatten also noch eine Frist, um sich den zukunftsträchtigen Schritt zu überlegen. Die Miete für diese Wohnung würde wahrscheinlich ziemlich hoch sein, aber Kurt meinte:

„Die Miete teilen wir uns, damit keiner so viel zahlen muss.“ Damit war Gerda einverstanden.

„Was hältst du davon, wenn wir heiraten?“, wollte Gerda nach einem weiteren halben Jahr wissen. Kurt hielt nicht so viel von dieser Idee. Er würde lieber unverbindlich mit Gerda zusammenleben Aber weil sie in dem kleinen Krähenwinkel wohnen wollten, ließ sich wegen der sehr konservativen Einwohner des Ortes eine Hochzeit wohl nicht vermeiden.

„Na ja, wenn du meinst. Aber unsere Wohnungseinrichtung wird sicher viel Geld kosten, dass ich unmöglich noch eine große Hochzeit finanzieren kann.“

„Meine Mutter, der auch sehr viel an einer Hochzeit liegt, und die über die nötigen Finanzen verfügt, wird sicher einen größeren Anteil an den Aufwendungen für die Hochzeit übernehmen. Da bin ich mir sicher. Ich habe auch schon mit ihr darüber gesprochen. Sie war sehr erfreut über unsere Pläne. Es machte sie nur traurig, dass ich dich noch nicht bei ihr vorgestellt habe. Bevor wir heiraten, sollten wir uns schon bei ihr in Stuttgart sehen lassen. Sicher wirst du mit deinem Charme gut bei ihr ankommen.“

So war es also ausgemacht. An einem Tag, an dem sowohl Gerda wie auch Kurt Zeit hatten, fuhren sie nach Stuttgart. Hier bewohnte Gerdas Mutter, die schon längere Zeit Witwe war, eine sehr komfortable Eigentumswohnung an der Weinsteige, einem noblen Teil Stuttgarts. Sie hatten sich den Sonntag für den Besuch bei Frau Ostertag ausgesucht. Kurt warf sich für diese wichtige Vorstellung sehr in Schale und kaufte auch noch einen teuren Blumenstrauß, um bei der zukünftigen Schwiegermutter einen guten Eindruck zu machen. Er wusste von Gerda, dass ihre Mutter Rosen über alles liebte. Deshalb bestand der Blumenstrauß aus lauter wunderschönen, rosa Duftrosen und weißem Schleierkraut.

Trotz seiner zur Schau gestellten Selbstsicherheit merkte Gerda deutlich, dass Kurt sehr nervös war. Er nestelte immer wieder an seinem Hemdkragen und der Krawatte.

„Ist sie zu eng?“ Gerda lachte amüsiert. Kurt warf ihr einen hilfesuchenden Blick zu. „Es ist ja meine erste Vorstellung bei einer Schwiegermutter. Im übrigen warst du auch noch nicht bei meinen Eltern. Ich bin gespannt, ob du da nicht nervös bist.“

„Damit lassen wir uns hoffentlich noch ein wenig Zeit. Ich bin nämlich auch nicht so mutig und ich bewundere dich.“

„Wenigstens erkennst du meine Bemühungen an“, murmelte Kurt. Aber seine Angst vor der Vorstellung bei Frau Ostertag war unnötig. Elfriede Ostertag schien ganz begeistert von ihrem zukünftigen Schwiegersohn zu sein.

„Wenn ich jünger wäre, hätte ich mir auch so einen Mann gewünscht. Mein Siegfried war ein gebildeter und liebevoller Mann gewesen, aber er sah nicht so gut aus wie dein Bräutigam, liebe Gerda.“

Nun wurde die bevorstehende Hochzeit besprochen. Die fehlenden Finanzen kamen dabei auch zur Sprache und Gerdas Mutter, die eine sehr gute Witwenrente bezog, konnte die jungen Leute beruhigen:

„Ich denke, dass ich einen großen Teil der Hochzeitsausgaben als Mutter der Braut bezahlen werde. Das ist hier so üblich. Auch ein schönes weißes Kleid für dich, liebe Gerda, ist da inbegriffen. Vielleicht tragen ja auch deine Eltern, lieber Schwiegersohn in spe. zu dieser Hochzeit bei.“

„Das werden sie ganz bestimmt. Ich muss ihnen nur vorher schon mal ihre zukünftige Schwiegertochter vorstellen. Damit sollten wir auch nicht mehr allzu lange warten, denke ich.“

So war nun alles geklärt und die Vorstellung Kurts war zu Elfriedes Zufriedenheit verlaufen. Zwei strahlende junge Leute verabschiedeten sich und fuhren wieder nach Krähenwinkel, wo Kurt seine Gerda vor ihrer Wohnung absetzte, um gleich wieder nach Stuttgart in seine eigene Wohnung zu fahren. Es warteten noch Kundentermine auf ihn, die er auf den Abend verlegt hatte, um mit Gerda zu ihrer Mutter fahren zu können.

Nun stand noch die Vorstellung Gerdas bei Kurts Eltern bevor.

„Wann passt es dir denn, mit mir zu meinen Eltern zu fahren?“, wollte Kurt wissen.

„Nachdem wir ja nun deine Vorstellung bei meiner Mutter glücklich über die Bühne gebracht haben, könnten wir deine Eltern gleich am nächsten Sonntag besuchen. Ruf sie doch einmal an, ob ihnen dieser Termin passt.“ „Wenn du meinst“, antwortete Kurt, nicht sehr begeistert. Aber er rief seine Mutter, mit der er am besten sprechen konnte, gleich am nächsten Morgen an.

„Ach, das freut mich aber, dass du endlich daran denkst, sesshaft zu werden“, freute sich seine Mutter.

„Bring deine Gerda möglichst bald zu uns. Auch dein Vater wird ganz glücklich sein. Dein Leben mit stets wechselnden Freundinnen hat ihm noch nie so recht gefallen. Er wird sich über deinen Entschluss, endlich zu heiraten, sehr freuen.“

„Dann kommen wir am Sonntag zum Kaffee zu euch. Backst du deine berühmte Schwarzwälder Kirschtorte?“

„Das ist doch klar“, freute sich Mama Umweg.

So fuhren denn am Sonntagnachmittag Kurt und eine sehr nervöse Gerda nach Stuttgart, wo die Umwegs oben über der Stadt unweit der Messehallen ein kleines Reihenhaus besaßen. Gerda hatte auf Kurts Rat hin ein sehr schönes Alpenveilchen besorgt. An der Tür wurden sie schon von Kurts Eltern erwartet.

„Darf ich euch meine zukünftige Frau und eure Schwiegertochter Gerda Ostertag vorstellen?“

Mama Umweg nahm Gerda gleich in den Arm. Sie war ganz begeistert von der jungen Frau, der die ältere Frau auch sofort sympathisch war.

„Ich denke, dass wir uns sicher gut verstehen werden.“ Auch Vater Umweg begrüßte Gerda mit einem festen Händedruck. Die Umarmung überließ er lieber den Frauen. Er war diese neue Mode nicht gewöhnt, obwohl sie heute zusammen mit dem Küsschen auf beide Wangen schon wie selbstverständlich zur Begrüßung gehörte.

„Nun lasst uns endlich ins Wohnzimmer gehen. Der Kaffee wird sonst noch kalt und die Torte fällt in sich zusammen“, mahnte Mama Umweg.

Dann saß man gemütlich in dem stilvoll mit lauter alten und wertvollen Möbeln eingerichteten Zimmer. Durch die großen Fenster fiel die Sonne auf die vielen Pflanzen, die Kurts Mutter liebevoll pflegte. Sie war sehr stolz darauf und freute sich, dass auch Gerda sich mit den verschiedenen Kakteen, der gerade aufgeblühten Amaryllis und der sehr seltenen Dichtähre gut auskannte. Gerda war beeindruckt und fand ihr Alpenveilchen nicht in diese Umgebung passend.

„Bei einem nächsten Besuch weiß ich auf jeden Fall, welche Blumen Kurts Mutter liebt.“

Jetzt wurde bei Kaffe und Kuchen über die bevorstehende Hochzeit von Kurt und Gerda gesprochen.

„Habt ihr denn schon eine Wohnung?“, wollte Mama wissen.

„Aber sicher, das ist alles geregelt. Der Einzug in die neue Wohnung findet noch vor der Hochzeit statt“, versicherte Kurt.

„Die nötigen Möbel haben wir gemeinsam in Stuttgart gekauft. Wir waren in einem Möbelhaus, in dem noch mit echtem Holz gearbeitet wird. Leider ist das natürlich nicht billig. Das Bett aus Peddigrohr, der große Schrank für das Schlafzimmer sowie die Couchlandschaft und die moderne Schrankwand für das Wohnzimmer waren ziemlich teuer. Auch die supermoderne Kücheneinrichtung hat viel Geld gekostet und unsere Reserven fast ganz aufgebraucht. Die Möbel werden kurz nach der Fertigstellung des Hauses und unserer Wohnung geliefert. Unsere Hochzeit wollen wir in den eigenen Räumen feiern. Das ist dann nicht so teuer und sicher auch viel gemütlicher, als wenn wir in einem teuren Lokal feiern. Aber weil wir unser ganzes Geld, was Gerda und ich ersparten, für unsere Einrichtung ausgegeben haben, bleibt jetzt nichts mehr für die Hochzeitsfeier übrig“, klagte Kurt.

„Na, da macht euch nur keine Sorgen. Für das, was an Geld für die Hochzeit noch fehlt, kommen wir auf. Gerdas Mutter hat ja schon das Hochzeitskleid und einen Teil der Hochzeitsausgaben übernommen; da können wir auch nicht zurückstehen“, meinte Mama Umweg.

Kurt und Gerda waren beide erleichtert.

„Es ist doch wunderbar, eine solche liebevolle Familie zu haben“, freute sich Gerda. Dann verabschiedeten sich die beiden und fuhren sehr erleichtert nach Krähenwinkel, wo Kurt seiner Gerda wieder als vollendeter Kavalier aus dem Auto half.

„Jetzt kann ich doch sicher auch mit in deine Wohnung kommen. Wir sind nach diesen Vorstellungen bei den Eltern bestimmt verlobt, auch wenn das nicht ausdrücklich gesagt wurde. Nun können die Krähenwinkler Moralapostel sicher nichts dagegen einwenden, wenn ich mit zu dir komme, anstatt dich stets nur an der Haustür abzuliefern.“

Gerda war einverstanden, dass Kurt in ihr kleines Reich mitkam.

„Sei ganz herzlich willkommen bei mir. Ich freue mich auf einen liebevollen Ausklang dieses bedeutsamen Tages“, wünschte sich Gerda. Dabei sah sie Kurt verheißungsvoll an. So kamen sie also in Gerdas kleine Einzimmerwohnung, die sie sich in Krähenwinkel für die Zeit eingerichtet hatte, an der sie von ihren Flügen mit der Worldtours wieder einmal einen freien Tag genießen konnte. Man sah es der Wohnung an, dass sie nicht für mehr als eine Person eingerichtet war. Aber sehr gemütlich war sie. Das einzige Zimmer wurde beherrscht von der großen, dunkelblauen Schlafcouch, die direkt zum Kuscheln einlud. Viele bunte Seidenkissen schmückten diese Couch, die eigentlich zum Schlafen viel zu schade war. Jetzt wurden die Kissen schnell an die Seite gepackt und Kurt klopfte auf den Platz an seiner Seite. „Leistest du mir Gesellschaft auf dieser wunderbaren Kuschelcouch?“

Das ließ sich Gerda nicht lange sagen. Schwungvoll setzte sie sich dicht neben ihren Liebsten.

„Hast du vielleicht noch einen Schluck Prickelndes im Kühlschrank, damit wir auf unseren erfolgreichen Tag anstoßen können?“

Lächelnd ging Gerda zum Kühlschrank und nahm den gut gekühlten Sekt heraus. Der stand schon eine ganze Weile extra für den ersten Besuch Kurt’s in ihrer Wohnung bereit. Zwei Gläser waren auch bald aus dem Glasschrank gezaubert.

„Jetzt können wir es uns so richtig gemütlich machen“, lachte Gerda. Der prickelnde Sekt schmeckte und dann war Kuscheln bis zum anderen Morgen angesagt.

Nachdem die Möbel geliefert und aufgestellt waren, wobei Gerdas Mutter eine große Hilfe war, kam im Sommer die Hochzeit und der Einzug in die gemeinsame Wohnung mit der Familie, vielen Freunden und viel Sekt. Die neue Wohnung war aber auch ein wirkliches Schmuckstück. Eigentlich war sie ein wenig groß für zwei Personen. Es gab einen riesigen Wohnbereich im amerikanischen Stil, also Küche, Esszimmer und Wohnzimmer zusammen in einem Raum. Dann noch zwei Schlafzimmer; davon nur eines geschmackvoll eingerichtet. Das andere behielt sich Kurt als Arbeitszimmer so lange vor, bis sich die Familie vergrößern würde. Eigentlich hatten sie nicht vor, ihre Ehe gleich mit einem Kind zu beginnen, aber man konnte ja nicht wissen. Dann war da noch ein Bad, das aussah, als wäre es aus dem Katalog für eine Millionärsvilla. Weißer Marmor, eine riesige Wellness-Wanne, Armaturen mit Schwanenköpfen und Goldauflage. Die ganze Wohnung sah sehr teuer und sehr elegant aus. Gerda hatte nur ein wenig Angst vor der Reinigung dieser Pracht. Kurt und sie waren beide voll berufstätig. Wer also sollte hier sauber machen?

 

Während Kurt bereits in seinem Büro im Kinderzimmer arbeitete, flog Gerda schon bald nach der Hochzeit wieder mit der Worldtours nach Bombay, von wo aus sie erst nach vier Tagen zurückkehrte. Sie kam heim und fühlte sich furchtbar elend. Kurt meinte, dass das wohl von dem langen Flug käme, aber Gerda hatte da so ihre eigenen Gedanken. Sollte sie etwa schon schwanger sein? Und ihre Ahnung trog sie nicht. Pünktlich nach 9 Monaten war Simon, ein wunderschönes Baby da. Allerdings gab Gerda auch trotz der Proteste ihres Mannes und ihrer Mutter nicht den geliebten Beruf als Flugbegleiterin auf. Sie nahm sich eine Auszeit, bis Simon alt genug war, um in eine Kinderkrippe in Stuttgart aufgenommen zu werden. Die Krippe in Stuttgart hatte sie gewählt, weil sie damit rechnete und es erhoffte, dass ihre Mutter Simon versorgen würde, wenn sie selbst wieder arbeitete.

Gerdas Mutter, Elfriede Ostertag, hatte sich nach dem Tod ihres geliebten Mannes ein neues Leben aufgebaut. Die Witwenrente und ihre eigene Rente aus der Zeit ihrer Berufstätigkeit als Sekretärin reichten aus, um ein Leben ohne größere Sorgen zu gewährleisten. Elfriede hätte gerne noch einen netten Mann an ihrer Seite gehabt. Sie kleidete sich sehr sportlich, ging jede Woche einmal zum Kegeln mit netten Menschen. Ein Partner war jedoch nicht in Sicht. Elfriede stellte aber auch ziemlich hohe Ansprüche. Die Ehe mit ihrem Mann war geprägt von Theater- und Konzertbesuchen, und so einen Schatz wie ihren Mann fände man nicht so leicht. Doch sie gab noch nicht auf. Als nun Gerda mit der Bitte, während ihrer Flüge mit der Worldtours für das neue Baby zu sorgen, zu ihr nach Stuttgart kam, war Mama Ostertag eigentlich nicht sehr erfreut, wieder gebraucht zu werden. Sie erklärte sich aber nach längerem Zögern doch bereit, Simon zu betreuen, ihn aus der Krippe abzuholen und für ihn zu sorgen, bis Gerda wieder von einem Flug zurückkäme.

So verging ein Jahr nach dem anderen. Kurt arbeitete als Versicherungsagent und verdiente nicht schlecht. Leider sah Gerda nicht viel von seinem Geld. Auch seinen Anteil an der Miete bekam sie nur, wenn sie daran erinnerte. Was für den Haushalt und die Kinderbetreuung nötig war, bezahlte alleine Gerda. Zwar verdiente sie auch sehr gut, fühlte sich aber doch ein wenig ausgenommen von ihrem Mann. Dann kam nach sieben Jahren Jessy zur Welt. Auch wieder ein wunderschönes Baby, das aber noch mehr Probleme mit sich brachte. Gerdas Mutter war nun nicht bereit, auch noch für Jessy zu sorgen. Sie fühlte sich schon mit der Versorgung des kleinen Simon mehr als ausgelastet. So musste Gerda dann nach ihrer nochmaligen Auszeit für eine Ersatzmutter sorgen, die Jessy rund um die Uhr versorgte. Das kostete natürlich wieder viel Geld, aber nur so konnte Gerda weiterarbeiten. Und ihre Arbeit bei der Worldtours war ihr sehr wichtig. Sie war froh, dass ihr Arbeitsplatz ihr auch nach der zweiten Auszeit gesichert war. Durch dieses unruhige Familienleben, das eigentlich keines war, erlosch die Liebe zwischen Kurt und Gerda so ganz allmählich. Kurt kam immer weniger nach Hause. Er hatte angeblich viele Versicherungstermine, über die er nicht viel sprach oder Gerda gar erzählte, ob sie finanziell erfolgreich waren. Er beteiligte sich immer weniger sowohl finanziell wie auch emotional am Familienleben.

Wenn Gerda nach einem anstrengenden Flug von weither völlig ausgelaugt nach Hause kam, konnte Kurt missmutig fragen: „Nanu, kommst du schon wieder? Dich habe ich überhaupt noch nicht erwartet! Ich habe leider keine Zeit mehr. Ich muss schnell zu einem wichtigen Versicherungstermin.“

Und weg war er. Er schien über ihre Ankunft nicht sehr begeistert. Das konnte sie deutlich merken. Von diesen Terminen kam er meist spät in der Nacht oder am anderen Morgen wieder. Oft riefen Frauen an. Wenn sie dann hörten, dass Gerda am Telefon war, sagten sie superfreundlich:

„Entschuldigung, eigentlich würde ich gerne Herrn Umweg sprechen. Ist er nicht da? Wir hatten doch einen Termin wegen einer Versicherung. Wo bleibt er nur?“

Die Sorge für die Familie war nach Kurts Meinung Frauensache. Dafür hatte er keine Zeit. Kam Gerda müde heim, wartete das häusliche Chaos auf sie. Wäsche musste gewaschen werden; der Kühlschrank war gähnend leer. Kurt übersah dieses Chaos einfach. Auch Simon und Jessy mussten von den jeweiligen Ersatzmüttern abgeholt werden, um bis zu Gerdas nächstem Flug mit ihr und Kurt in der für die Kinder nicht sehr vertrauten Familienwohnung zu leben. Ihr Leben war bei der Oma oder der Tagesmutter. Dort waren auch ihr Teddy oder die Puppen. Wenigstens diese Fahrten hätte Kurt Gerda abnehmen können. Aber er kümmerte sich nur um seine Geschäfte.

Und endlich, nach etlichen weiteren nervtötenden Jahren war Simon zehn Jahre alt, alt genug, um in ein sehr gut renommiertes Internat am Bodensee aufgenommen zu werden. Hier fühlte er sich nach einer längeren Eingewöhnungszeit sehr wohl. Von seiner Mama hatte er nie viel gehabt, so dass er sie nicht sonderlich vermisste. Oma Ostertag besuchte ihn öfters am Bodensee. Von Stuttgart aus war das auch nicht besonders schwierig. So wurde Simon immer von seiner Oma getröstet, wenn er sich einsam fühlte. Nachdem er sich eingewöhnt hatte, kam Jessy, als sie alt genug war, auch in dieses Internat. Nun konnten sich die Geschwister gegenseitig trösten. Aber das kostete natürlich wieder noch mehr Geld; nur die Kinder waren jetzt gut untergebracht. Gerda musste sich keine Sorgen um sie machen und ihr Haushalt sah nicht mehr so chaotisch aus. Es war nur noch ihre eigene Wäsche und die von Kurt zu waschen. Auch ihre Mutter freute sich über diese Erleichterung; hatte ihr eigenes Leben doch durch die Betreuung von Simon sehr gelitten. Die sozialen Kontakte, die sie sich aufgebaut hatte, waren so ganz leise eingeschlafen. Es würde schwierig werden, wieder neue Kontakte aufzubauen. Daran hatten natürlich weder Kurt noch Gerda gedacht. Elfriede fuhr seit langer Zeit ihr eigenes, kleines Auto. Damit fuhr sie nun wieder mehr zum Kegeln und zu den Treffen mit ihren Freundinnen. Auch die Enkel am Bodensee besuchte sie regelmäßig. Als gutaussehende Witwe hatte sie früher noch manchen Flirt gehabt, den sie jedoch nicht allzu ernst nahm. All das hatte sie in der Zeit, in der sie ständig auf Simon aufpassen musste, sträflich vernachlässigt. Elfriede war also wieder mehr als zufrieden mit ihrem Leben.

„Die Jungen sollen selbst für sich und ihre Nachkommen sorgen“, war ihre Devise. Das klappte auch einigermaßen.

Bei Gerda war, bis auf die Geldsorgen, die sie durch die Unterbringung der Kinder im Internat nun verstärkt hatte, alles gut geregelt. Sorgen machte sich Gerda nur, weil Kurt sich immer mehr zurückzog und sich kaum noch an den hohen Kosten ihres Lebensunterhalts beteiligte.