Freundinnen und der Segelmord

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Freundinnen und der Segelmord
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Ingrid Magellan

Freundinnen und der Segelmord

Ein Azurseeroman

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Inhaltsverzeichnis

Titel

1: Prolog – To-do-Liste

2:Hoffnungsvolle Zukunft

3: Misslungene Backlust

4: Gepardenlogik

5: Zusammenprall der Mohnblüten

6: Der Schreck

7: Gedankenspiele

8:Heikel! Heikel!

9: Seelenstriptease

10: Die Regatta

11: Brisante Entdeckung

12: Überraschungsgast

13: Vertrauenskrisen

14: Das Verhör

15: Die Beute

16:Interessante Neuigkeiten

17:Hundefiguren

18: Der Segelmann

19: Die Gartenparty

20: Der Fund

21: Weibliche Intuition

22: Der rosa Zettel

23: Nichts sehen, nichts wissen,nichts hören

24: Die Geburt des Superkeks

25: Die Mülltonne

26: Das süße Präsent

27: Das Rosenfest

28: Ganz spezielle Tatsachen

29: Hundeleckerli

30: Miese Bankauszüge

31: „Rot“

32: Friede und Harmonie

33: Alles ans Licht

34: Die Jolle

35: Die Wette

36: Zukunft

37: Epilog- Was es alles gibt

Impressum neobooks

1: Prolog – To-do-Liste

Es war wieder einmal soweit. Paula Gustavson atmete erleichtert auf. Die viel beschäftigte Möbelrestauratorin startete vergnügt in ihr alljährliches Wunschwochenende. Es bedeutete zwei Tage Zeit für sich. Sie konnte alles machen, wonach sie Lust hatte. Sie hatte vor, in der Stadtwohnung in der Stockholmer Altstadt zu bleiben. Ihr Mann Knut war schon voraus ins Ferienhaus gefahren. Er wollte das Segelboot für den anstehenden Urlaubstörn startklar machen. Ihr Sohn Carl besuchte über das Wochenende einen Freund.

Für die persönliche Auszeit kam ihr ein Herzenswunsch in den Sinn. Er betraf ihre geheime To-do-Liste. Sie hatte sie zu Beginn des Jahres aufgestellt. Es waren darin alle Dinge vermerkt, von denen nur sie wußte und die sie umbedingt erledigen wollte. Punkt drei gefiel ihr besonders. Einen ganzen Tag auf dem Sofa herumtrödeln, mit einem Buch in der Hand. Das Buch in einem Rutsch lesen, von der ersten bis zur letzten Zeile, Kapitel für Kapitel, ohne Störfeuer von außen. Kein Telefongeklingel, keine Termine im Studio, keine Familiendiskussionen mit Mann und Sohn oder sonstigen Dinge, die den Alltag zwangsläufig stressten. Na, ja, vielleicht gäbe es die eine oder andere Pause für einen Moment im Bad oder für einen Snack in der Küche. Höchstens.

Für ihre Mammutlesestunden hatte sie sich einen Roman ausgesucht, der in Cap Mondrian spielt. Nach einem kurzen ersten Eindruck hatte der Ort frappierende Ähnlichkeit mit Stockholm, nur daß er beschaulicher war. Sie war gespannt. Vielleicht half ihr das Buch in einer persönlichen Angelegenheit weiter. Darüber dachte sie nach. Das Lesen schenkte ihr erst einmal Zeit, einen inneren Abstand. Seit der gestrigen Sommerparty blitzten in ihrem Kopf eifersüchtig machende Bilder auf. Sie kreisten um ihre beste Freundin. Wie fand sie ihren Mann Knut tatsächlich? Ihrer Meinung nach hatte sie ihm zu heiß in die Augen geblickt.

Sie zog den hellblauen Kaftan über, der ihre 40-jährige schlanke Figur verbarg, aber unvergleichlich bequem war. Perfekt für die ausdauernde Sitzrunde. Mit einer Haarklammer steckte sie die Haarsträhnen aus dem Gesicht. Dann postierte sie den Porzellanbecher mit Kaffee und die Lieblingsschokolade „Vollmilch mit Ingwer“ auf dem Sofatisch. Das Handy schaltete sie aus. Alles war vorbereitet. Mehr brauchte sie nicht. Der ersehnte Augenblick war da. Sie machte es sich in den Sofakissen bequem. Ein klein wenig nervös schlug sie das erste Kapitel auf. Die Reise in die Fantasiewelt begann.ihre Pupillen in den blauen Gletscheraugen begannen über die Zeilen zu wandern.

2:Hoffnungsvolle Zukunft

>Cap Mondrian, Daily News Radio, Kanal Zero. Hallo! Guten Morgen,liebe Mitbewohner in unserer schönen Stadt! Aufgewacht ihr Schlafmützen! Sie hören den frühen aktuellen Wetterbericht. Um 6 Uhr.< Die männliche Stimme aus dem Radio klang müde und verschlafen aber keinesfalls frisch und munter für einen Radiomoderator des Frühstücksprogramms.

>Sie erleben einen Traumsommermonat mit einem lang anhaltenden Hoch. Alles deutet auf eine stabile Wetterlage mit warmen Sommertagen hin. Der Wind frischt täglich auf, angefangen von der sanften Mondrian Brise bis zur idealen Stärke für das Segeln auf unserem Azursee. Für die heutige Regatta – gesellschaftlicher Höhepunkt des Segelclubs – bläst der Wind nachmittags voraussichtlich in einer Stärke von 4-5 der Beaufort Scala. Die Lufttemperatur wird bei 20 Grad Celcius bis 25 Grad Celcius liegen, bei einer Wassertemperatur von runden 19 Grad in unserem blauen See. Genießen Sie die Zeit in unserer romantischen, bunten Stadt, auch wenn Ihnen das Leben ein Bein stellt und Sie straucheln läßt. Das Leben wird sie wieder mit Wünschen, Hoffnungen, Widrigkeiten oder auch himmlischen Glücksmomenten konfrontieren, egal ob Sie leidenschaftlicher Segler, Hundeliebhaber, Rosenliebhaber oder Jogger sind oder einer anderen Passion nachgehen. Das ist die aktuellste und beste Wettervorhersage die es für diesen Monat gibt.<

Tea Sommerda brustete vor sich hin: „Bei dem Wetter freue ich mich auf meine gute Laune und meine neue cremefarbene Spitzenunterwäsche. Von wegen ein Bein stellen! Der Zero Wetterfrosch sollte seinen Mund halten, anstatt banale Sprüche in den Äther zu schicken. Sie klingen schlimmer als bei einem drittklassigen Astrologen. Außerdem hat er Tortenliebhaber vergessen. Das nehme ich ihm übel! Und das alles morgens zum Frühstück, wenn der Körper erst langsam sein Aktionspotential einschaltet.“ Tea redete laut darauflos, wie so oft, wenn sie allein war. Sie kuschelte sich in ihren lilafarbenen Seidenmorgenmantel und trank einen Schluck Kaffee. Was sie noch nicht wußte: In den nächsten Tagen erlebte sie Spektakuläres.Einige Überraschungseier in Form von unerwarteten Ereignissen fielen in ihr weich gepolstertes Leben. Sie würde viel Geschick und Energie brauchen, um die damit verbundenen Aha-Effekte zu meistern. Besonders Menschen, die ihr nahe standen waren die Ursache oder darin verwickelt.

Der bekannte Kochbuchverlag „Fritzen & Kötter“ saß in einem modernen weißen Bauhauskubus mit 10 Stockwerken am Rande von Cap Mondrian. Die großen Glasflächen der Panoramafenster fingen das klare Licht des Morgens ein. Vom 10. Stockwerk blickte man geradeaus über die Dächer der Stadt auf den See. Die Aussicht war phänomenal. Der Bau war nach streng ökologischen Gesichtspunkten entwickelt, um Heizungsenergie einzusparen.

Tea Sommerda, gerade 40 Jahre alt geworden, warf ihre aschblonden schulterlangen Haare zurück, als sie aus dem Fahrstuhl in der 10. Etage stieg. Sie war Kochbuchautorin, um genau zu sein Spezialistin für Süßes. Ihre Torten, Patisserie und Desserts schmeckten umwerfend. Gern sagte sie von sich, sie sei leidenschaftliche Bäckerin. Flink überquerte sie den Flur, klopfte an der Türe mit dem Schild Sven Fritzen und rauschte in das Zimmer. Sie zeigte ihre langen Beine, die sich unter dem kurzen aber nicht zu kurzen Rock abzeichneten und streckte ihren Rücken. Auf zum Gefecht sagte ihr ganzer Körper, ebenso hießen die Gedanken in ihrem Kopf.

 

>Hallo, Tea, prima, daß unser Treffen so schnell geklappt hat. Du bist eben flexibel<, ertönte es gönnerhaft aus dem Munde von Sven. Sven Fritzen gehörte der Verlag zur Hälfte. Er war ein 1,75 m großer Mittfünfziger mit Bauchansatz, blankem, wohlgeformten Kopf und Joggingambitionen. Er kombinierte daher gerne eine Jogginghose mit einem gestreiften Hemd. Grußlos wandte er sich Tea zu, als er hinter seinem Glasschreibtisch hervorkam. >Setzen wir uns am besten gleich dort drüben hin. Ich habe es eilig. Ich möchte zum Punkt kommen. Ich brauche deine Rezepte für die Sommerkuchen dringend. Das heißt sofort.< Jetzt sah er Tea nach seinem ihm eigenen Wortschwall aus wäßrigen blauen Augen an. >Es ist einfach so:Wir haben unsere Druckerei gewechselt. Aus Termingründen läuft der Andruck früher und der Text muß rein. Ich hoffe, du kannst das managen.< Um dem Ganzen Nachdruck zu verleihen seufzte er hörbar auf. Tea saß kerzengerade in ihrem Sessel. Angespannt hatte sie zugehört. Ihr Zeitplan käme ganz schön durcheinander. Sie brauchte das Kochbuch mit den Kuchenrezepten aber dringend, denn es füllte ihr leeres Haushaltskonto beträchtlich auf. Bleibe sachlich und mache ihm ein Angebot, sagte sie zu sich selbst. >Welche Rezepte stehen am Anfang? Du planst doch sicher die Reihenfolge und das Layout<, sagte sie zu ihm. >Gutes Argument. Die Sommerkuchenrezepte sind von Anfang bis Mitte des Buches platziert<, meinte er. >Die Desserts und das Kleingebäck folgen. < Tea feilschte nicht herum. >O.K. Das bekomme ich mit den Rezepten hin, die meisten sind entwickelt. Du erhieltst einige vorab per Mail. Nur mit dem Probebacken bin ich noch hinterher.< Sven marschierte quer durch das repräsentativ eingerichtete Zimmer zu seinem Glasschreibtisch und griff sich mehrere Computerausdrucke. Mit rosa Papierseiten, die fächerförmig in der Hand lagen, kam er zurück. Akribisch ordnete er die Seiten auf dem Tisch zu einem Viereck. Erleichtert lehnte sich Tea in dem schwarzen Ledersessel zurück. Mit ihren langen Fingern schob sie ihre Konzeptblätter in die Mappe zurück. Sie hatte eine Auseinandersetzung mit Sven über den gesamten Inhalt des Kochbuchs befürchtet. Offensichtlich bewertete ihr Kopf die Signale von Sven neulich am Telefon anders als es der Realität entsprach.

>Wann schaffst du es? Je früher desto besser<, fragte Sven knapp. Mit der Hand strich er sich nachdenklich über den Kopf. >Bis Monatsende dürften wohl alle Kuchen im Ofen sein. Die eine oder andere Rezeptur gehört sicher verfeinert. Das ist Routine. Der Text steht dann im Wesentlichen<, entgegnete Tea diplomatisch. >Dann ist das fix<, antwortete der Verlagsmanager. Tea dachte, sie wären fertig und wollte aufstehen. Schließlich bekam sie heute keinen Espresso von ihm wie sonst. >Bitte, bleibe noch einen Moment sitzen. Es gibt noch eine wichtige Sache, die ich mit dir besprechen möchte. In ein paar Monaten haben wir Weihnachten. Es geht um unser Weihnachts- und Adventsbackbuch.< >Du denkst schon an Weihnachten. Ist dir zu heiß?<Sven verdrehte seine Augen theatralisch und klopfte mit den Fingern auf den Tisch. >Megaheiß wird mir, wenn ich daran denke. < >Vielleicht solltest du ein Bad im See nehmen<, entgegnete Tea unbeeindruckt. >Weihnachten heißt Gebäckhimmel. Es wird gebacken ohne Ende. Wir brauchen dringend einen Knaller für den Rezeptteil des neuen Weihnachtsbandes. Einen Aufreißer für dasAdventsmarketing. < >Hm, Knaller? Worauf willst du genau hinaus?< >Also Tea. Ich dachte du springst in die Luft! Vor Begeisterung. Und Ideen sprudeln aus dir heraus.< >Ach, jetzt verstehe ich. Den Knaller, den soll ich liefern.< >So habe ich das angedacht. Mir schwebt vor, du erfindest einen ganz außergewöhnlich, geschmacklich einzigartigen Weihnachtskeks. Er soll das Herzstück werden im Adventstitel.< Sven dozierte lauthals vor sich hin. >Verstehst du, ein herausragender Keks aus der Menge der konventionellen Gebäckteile. Ein himmlischer Keks vom Weihnachtsmann. Er macht unseren Band zum Bestseller!< Tea kam aus dem Staunen nicht heraus. Von einem Weihnachtsbuch wußte sie bislang nichts.

>Ich liebe Weihnachtsgebäck< rief sie aus. > Der Keks entsteht zuerst im Mund.Ich muss ihn schmecken . In der Nase, ich muss ihn riechen. Dann im Kopf.In alten Kochbüchern gibt es fantasievolle Anregungen, meist in alten Rezepten. Dort gibt es alte Rezepturen, die wieder zu entdecken sind.< >Nichts Altes. Ein ganz neues Produkt muß es sein, es muss Kenner überzeugen. Ein kulinarischer Leckerbissen. Streng dich an. Denke jetzt schon darüber nach und fange an<, insistierte Sven. >Mich anstrengen? Was mache ich denn sonst? Was denkst du dir eigentlich? Ich kupfere doch nicht einfach Rezepte ab, sondern mache alles selbst.< Tea warf Sven wütende Blicke zu. > Die Kuchen kullern doch nicht per Knopfdruck aus dem Backofen.< >Sei nicht so empfindlich. Bitte. Ich stehe extrem unter Druck. Die Konkurrenz schlägt immer schärfer zu. < Sven formte mit beiden Händen einen Kreis. Die Geste hatte etwas Beschwichtigendes ansich aber Tea ignorierte sie.

Sichtlich genervt entgegnete sie: >Ich werde dir wie immer ein Versuchsexemplar Keks präsentieren.< Sven starrte sie irritiert an. >Es ist nicht wie gewöhnlich und wie immer.Der neue Weihnachtskeks muß einzigartig werden. Ein himmlisches Erlebnis.< Sven stand auf, ein Zeichen dafür, daß das Gespräch beendet war. Er war sichtlich in Eile. Er streckte Tea seine schlaffe Hand hin. Mit den Worten >Fröhliches Backen, Tea<, verabschiedete er sich.Tea verließ das Zimmer so schnell sie konnte. Überstanden dachte sie verärgert. Ich habe immer Superrezepte erfunden, Backen ist meine Leidenschaft, es ist mein kreativer Zufluchtsort. Was will dieser Sven Fritzen ?: Einen Knaller?Er wird seinen Knaller bekommen………………

Ach, wenn sie darüber doch mit Hilda Frey, ihrer alten Freundin, sprechen könnte! Inzwischen war viel Zeit vergangen.Es waren genaugenommen zwei lange Jahre. Sie hatten keinen Kontakt mehr seit dem amourösen Zwischenfall von Tea mit Hildas Mann. Es wäre wieder schön, sie zu treffen, mit ihr zusammen zu lachen, zu reden und Pläne zu schmieden. Obwohl es Tea bei dem Gedanken bange ums Herz wurde.

Hilda Frey, 45 Jahre alt und Torston Frey, 48 Jahre alt, bewohnten ein modernes Holzhaus mit zwei Stockwerken in der Waldstraße. Es war ein umwelttechnisches Vorzeigehaus, was den Holzbau betraf. Das Obergeschoß war holzverkleidet mit kleinen runden Fenstern. Eine breite Glasfront spendete der ersten Etage Licht. Auch das Wohnzimmer hatte zum Garten hin eine breite Glasfront. Im Inneren der Raume bestanden sämtliche Wände aus Holz. Dazu im Kontrast möblierte Hilda die Räume mit weißen, geradlinigen Möbeln. Neben dem rechteckigen Sofa mit weißem Leinenbezug standen Sessel im skandinavischen puristischen Stil. In den Vitrinen an der Wand stapelten sich Bücher und antike Porzellanhunde, die Hilda sammelte. Der Wohnraum öffnete sich zu einer großen Küche.

Torston Frey war die Treppe von der ersten Etage, auf der das Schlafzimmer lag, heruntergeschlichen. Er wollte Hilda nicht wecken. Bei einer Körpergröße von 1,90 m machte Torston einen imposanten Eindruck. Er reckte sein kantiges Kinn vor, wenn er aufgeregt war, wie heute am frühen Morgen. Seine blauen Veilchenaugen blickten noch eindringlicher als sonst. Die Segelpartie mit den zu erwartenden Winden ging ihm im Kopf herum. Er wollte bei der Regatta heute Morgen endlich einmal gewinnen. Er trug bereits seine blaue Seglerlatzhose und ein weißes T-Shirt. Um seinen Hals baumelte die Sonnenbrille an einem Halteband. Er wollte das Frühstück für sich und Hilda vorbereiten, was er immer machte, wenn er an einer Regatta teilnahm. Beim Frühstück wollte er eindringlich mit Hilda über das Hundeleckerli für „Lussodog“ reden. Der Gedanke daran machte ihn skeptisch. Ob der Augenblick, jetzt zum Frühstück, wohl der Richtige war?

Die moderne, weiß eingerichtete Küche lag auf der Südseite des Hauses. Bei schönem Wetter, wie heute leuchtete sie hell im Morgenlicht der Sonnenstrahlen. Der runde Tisch mit dem Frühstück sah appetitlich aus. In einer Glasschüssel würzte Torston sich eine Käsecreme mit Pfeffer, Paprika, Salz und Kräutern. Als weitere Zutaten für das Frühstück standen Rühreier, Obstsalat, Briekäse, Orangenmarmelade und Vollkornbaguette bereit. Die Kaffeemaschine zischte, als heißer Kaffee in die Tasse gluckerte. Beinahe hätte er sich den Finger an dem heißen Tassenrand verbrannt. Er fluchte und pustete auf seinen Zeigefinger.

>Super. Ich bestelle jeden Tag eine Regatta. Super, wie ich heute Morgen verwöhnt werde<, rief Hilda Frey, als sie in den Raum kam. Neben ihr stürmte ihr Hund Georgi, ein schwarz-weißer Jack Russell Terrier, zur Tür herein. Das schwarz-weiße Wollknäuel wirbelte durch den Raum und verschwand unter dem Tisch. Hilda gab dem weißen Raum einen Farbklecks. Ihre schlanke Figur umhüllte ein leuchtend grüner Leinenkimono mit dem Monogramm H.F. auf der Brusttasche. Ihre schwarzen kurzen Locken standen sternförmig um ihren Kopf mit den dunkel braunen Augen, der kleinen kurzen Nase in einem ovalen Gesicht. Sie zog den Kaffeeduft ein.

>Herrlich, so verwöhnt zu werden. Heißer Kaffee und Orangenmarmelade, und dazu aufgewärmtes Brot. Das ist perfektes morgentliches Frühstücksglück. Es darf jeden Tag Regatta sein! Ich sage es nochmals<, rief sie. >Schön, daß ich wenigstens etwas gut kann, Frühstück machen<, wandte Torston ein. >Was ist mit dir los? Du zweifelst an dir? Warum so bescheiden!< Hilda blickte verwundert auf ihren Mann. Sie fischte sich eine Scheibe Brot aus dem Korb, dazu Butter und Marmelade. Georgi zu ihren Füßen hob den Kopf und flehte sie erwartungsvoll an. Er hoffte auf einen süßen Happen. Sie holte tief Luft. >Es geht mal wieder um die Regatta, stimmt doch.Sie kreist in deinem Kopf herum. Du hast dir bestimmt Strategien für die heutigen Windverhältnisse ausgeklügelt, wie du den Kurs steuerst. Immer optimal mit dem Wind. Du kennst den heutigen Wetterbericht bestimmt in- und auswendig. Warum also diese Sorgen? Beim Segeln bin ich keine große Hilfe, wie du weißt. Du mußt dich mit deinem Partner Jens Wegener beraten.< Ihr Mann kam ihr rätselhaft vor. Hilda fing an, sich über sein Verhalten zu wundern. Sonst drückte seine Miene gespannte Vorfreude aus, wenn es um einen Segelwettbewerb ging. Heute war es anders. Torston schaute bekümmert aus seinen blauen Augen. Oder sollte es gar nicht ums Segeln gehen, sondern es hatte alles eine tiefergehende Ursache? >Was hast du? Was ist los?< Sie zögerte kurz. >Geht es um uns? Hat es mit unserer Ehe zu tun?<, fragte Hilda dann und fuhr fort: >Brot habe ich schon, erwartest du Spiele von mir? Den Zeitpunkt finde ich etwas unpassend.< Hilda hörte nicht auf zu reden. Ein Satz stand akkurater als der andere. >Unsere Ehe läuft eben wie sie läuft, mal geradeaus, mal mit Höhen, mal mit Tiefen.< Torston betrachtete seine Frau prüfend, kaute dann seinen Apfel ohne jeglichen Einwand. >Wir können uns nicht beklagen, nach 20jähriger Ehe, finde ich, abgesehen von deiner Aktion mit Tea von vor zwei Jahren…..< Torston streckte den Kopf vor. Ein Auftaktsignal für ihn. Er begann jetzt dazwischen zufunken. Er schnitt Hilda das Wort ab. >Immer deine Spitzen! Vergiß doch endlich das Zwischenspiel mit Tea. Deine Eifersuchtsfantasien. Da war nichts. Wir haben darüber oft genug gesprochen.Du glaubst mir einfach nicht. Unsere Ehe war damals arktisch, Hilda. Du vergißt das immer.Du hast mich überhaupt nicht mehr als deinen Mann wahrgenommen.< >O.K. O.K. Ich habe verstanden, Gras und Unkraut über die Vergangenheit.< Hildas leise Stimme deutete zaghafte Emotionen an.

>Verflixt noch einmal, es geht nicht um unsere Ehe<, räusperte sich Torston. >Worum geht es dann<, fragte Hilda, wieder ganz ernst. >Es geht um das Hundeleckerli, es geht um „Lussodog“<, murmelte Torston leise. >Was soll damit sein, mit meinem Online-Versandhandel für den Hundefreund?<, fragte Hilda sofort. Sie band den Gürtel ihres Kimonos enger. Ihre dunklen Augen zeigten sich tief schwarz. >Ich finde, du mutest dir zu viel zu, mit dem Marketing und den Finanzen für deinen Versandhandel für den Hundeliebhaber<, kam es von Torston. > Wieso? Dein Einwand greift voll daneben.Völlig unberechtigt. Mit dem Geld von dir komme ich prima hin. Ich muß lediglich noch einmal den Feinschliff am Konzept durchgehen<, antwortete Hilda ernst. >Wäre es nicht sinnvoller, den Verkauf mit einem Partner zu betreiben, der aus der Branche kommt?<, warf Torston ein. Er stand auf und lehnte sich an den Tisch. >Wen hast du im Sinn?<, fragte Tea direkt und kühl. >Ich denke an Mike Petrus. Mit ihm mache ich mit den Segeltauen seit Jahren gute Geschäfte. Meine Firma „Canvas“ hat immer von ihm profitiert. Er mischt jetzt auch im Tierfutterhandel mit<, sagte Torston eindringlich. Hilda warf die Hände in die Luft. Der Kaffeelöffel klirrte auf dem Tisch.

 

>Ich glaube es nicht. Jetzt ist die Katze aus dem Sack<, rief Hilda aufgebracht. Mit den Händen strich sie ihre Locken aus dem Gesicht. >Ausgerechnet Mike Petrus! Nur weil dein Segeltauhandel mit ihm gut läuft, ist er noch lange kein seriöser Geschäftsmann<, antwortete sie wütend. >Jetzt übertreibst du aber<, zischte Torston. >Ich denke nicht. Mike Petrus ist ein Windbeutel<,antwortete Hilda kurz und knapp. >Wieso?< >Vom Tierfutter habe ich gehört. Aber ich habe auch gehört, daß er den Händlern ganz schlechte Qualität zu einem überteuerten Preis angeboten hat. Seine Geschäftspraktiken sind undurchsichtig. Auch soll es bei ihm einen finanziellen Engpaß geben.< Hilda war sich sicher und antwortete bestimmt. >Wer hat dir das erzählt?<, fragte Torston ungläubig. >Aus welcher Quelle stammt das.< >Meine Ohren funktionieren. Mein Grafiker für das „Lussodog“-Design hat sich am Telefon über Mike Petrus beschwert. Ich habe es mitbekommen<, antwortete Hilda. >Das muß nicht stimmen<, wendete Torston ein. >Das stimmt. Im Segelclub wird über ihn gemunkelt. Du bist einfach zu leichtgläubig, Torston<, meinte Hilda. Und ernsthaft fuhr sie fort: >Außerdem will ich „Lussodog“ alleine managen. Die Idee stammt von mir. Und so will ich auch den Erfolg, möglichst viel Gewinn, alleine einfahren. Und Mike Petrus ist nur scharf auf die Geschäftsidee mit dem Hundeleckerli. Du hast ihm hoffentlich nicht davon erzählt ?< >Daß du ein interessantes Rezept für Hundeleckerli hast, habe ich ihm bereits erzählt<, gab Torston kleinlaut zu. Hilda schoß in die Höhe, knallte die Kaffeetasse auf den Tisch. Georgi, ihr Hund, ergriff vorsichtshalber die Flucht, stob unter dem Tisch hervor und stürmte aus dem Zimmer. >Bist du komplett wahnsinnig, Torston, du verrätst hier meine Geschäftsidee, ich kann es nicht glauben. Deswegen wieder die ganze Zermonie mit dem Frühstück. Diese Idee mit Petrus wolltest du mir möglichst schonend beibringen.< Hilda konnte sich nicht mehr beruhigen. >Meine Güte, Torston, was ist los mit dir? Ich kann es nicht anders sehen. Du hast deine wenigen Gehirnzellen letzte Woche komplett beim Pokern verzockt. So sieht es aus. Das wußte ich nicht.< Hilda war wieder so richtig in Fahrt und prustete los: >Weißt du was, „Lussodog“ ist meins. Es gehört ganz allein mir. Hoffentlich kentert dein Boot. Ein kaltes Bad im Azursee bringt dich wieder zur Vernunft. Ahoi, Ahoi.< Torston warf jetzt mit rauher Stimme ein: > Beruhige dich wieder. Mike Petrus weiß im Grunde nichts, außer ein paar oberflächlich angedeuteten Spekulationen. Und was soll das: Ahoi, Ahoi! Ich bin kein Hausbootkapitän.< >Was hat Mike Petrus dir geboten als Gegenleistung für „Lussodog“<, wendete Hilda verdächtig ruhig ein. >Ein besonderes Geschenk für dich, mindestens ein Preisnachlaß bei den Tauen, oder eine Segelreise in die Karibik?< Hilda drehte sich blitzschnell um, stand auf, der Stuhl kippte um und lief mit wehenden Stoffzipfeln aus dem Zimmer. Eine Duftwolke ihres neuen französischen Parfüms „Lemonde“ blieb in der Luft haften.

Torston rieb sich einige Sekunden die Augen in seinem verdatterten Gesicht. Daß es Aufruhr mit Hilda geben würde, war vorauszusehen. Aber so ein Donnerwetter! Er mußte sich wieder konzentrieren. Welchen Platz er bei der Regatta erkämpfen würde, entschied über geschäftliche Belange, sowohl bei einem Sieg als auch bei einem sonstigen Platz. Hilda lag gewissermaßen richtig, wenn auch in einem anderen Zusammenhang. Erst das eine, dann das andere, mit diesen Gedanken warf Torston den Matchsack über die Schulter, verließ das Haus und ließ die schwere Holztüre mit Wucht hinter sich ins Schloß fallen.