Das Labyrinth im Irrgarten

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Das Labyrinth im Irrgarten
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Inhaltsverzeichnis

PROLOG

1. VON DEM WAS BEWEGT

2. FRAGEZEICHEN VOR AUGEN

3. DIREKT VON A NACH B

4. VON IRRGÄRTEN UND ANDEREN VERWIRRUNGEN

5. PERSPEKTIVENWECHSEL: DAS LABYRINTH

6. DEM FADEN FOLGEN

7. DIE KUNST DER ENTSCHEIDUNG - DIE KUNST DER WANDLUNG

EPILOG

ANHANG

Edition e-book

Verein I.K. – Internationale Kulturprojekte

ZVR 192255436, Hebragasse 4/7

A-1090 Wien

Schutzumschlag und Illustration: Erwin Reissmann, Würzburg

Layout: Ilse Seifried

Die Rechte aller Bilder liegen in privater Hand (verein-ik@aon.at)

eBook-Erstellung / -Konvertierung: PCS Schmid - Gabriele Schmid,

http://www.pcs-schmid.de

2015 Alle Rechte vorbehalten.

Anfragen an: verein-ik@aon.at

Immer sind es

die Menschen

du weißt es

ihr Herz

ist ein kleiner Stern

der die Erde

beleuchtet

Rose Ausländer

Mein Dank gilt vielen …

Rose Ausländer lehrte mich,

immer auch die Kehrseite mitzudenken,

zu sehen.

Dank euch allen!

Wien, Februar 2015


PROLOG

Ich nahm etwas in die Hand, was bislang liegen geblieben war. 1

Wir haben alle unsere Lebens- und Welterfahrungen gemacht, beziehen einen Standort und haben eine Meinung. Vielleicht wechseln wir diese aufgrund neuer Erfahrungen, Einsichten, Erkenntnisse; vielleicht aber auch nicht.

Als ich wirklich wissen wollte, was nun das Labyrinth ist, begann ich mich intensiv mit allem, was damit zusammenhängt, zu beschäftigen, und es beschäftigte all die Jahre auch mich.

Dann kam eine Zeit, da wollte ich zusammenfassen, was ich wusste, gelernt und erfahren habe, und dies auch weitergeben. Ist etwas liegen geblieben? Was ist liegen geblieben, das ich aufgreifen muss? Ich musste mir eingestehen, dass ich dem Irrgarten bisher bewusst ausgewichen war. Den Irrgarten (von vielen irrtümlich auch ‚Labyrinth‘ genannt) fand ich lustig als Spiel, doch als Weltbild lehnte ich ihn strikt ab. Hatte ich mir bisher die eine Seite der Medaille angeschaut, so gab ich nun meinen Widerstand auf und wandte mich der anderen Seite zu. Ich las, recherchierte, machte Erfahrungen und erinnerte längst Vergessenes.

Ich begann zu schreiben. Ich schrieb nicht im Elfenbeinturm, ich schrieb mitten in der Welt der Wirtschaftskrise. Und ich dachte, dass die EntscheidungsträgerInnen der Wirtschaft anders entscheiden würden, wüssten sie, was ein Labyrinth ist, und ließen sie sich führen. Der Begriff Management kommt aus dem Englischen und bedeutet Leitung. Es gilt diesen Begriff inhaltlich zu überprüfen: Wer oder was leitet mich? Wie leite ich andere? Wie leite ich mich? Lasse ich mich leiten? Wenn ja, wovon?

Egal, in welchem Berufsfeld sich wer befindet, das Thema „führen / geführt werden“ ist ein allgemein menschliches.

Fragen stehen im Raum. Manche Fragen stehen direkt vor unseren Augen. Manche Fragen stehen nicht direkt vor unseren Augen, denn wir wollen diese manchmal weder sehen noch hören: Ist das, was ich mache, richtig und gut? Kann ich es wirklich vertreten? Kann ich es wagen, alles in Frage zu stellen? Wovor fürchte ich mich am meisten und wie verhindere ich es, mir darüber klar zu werden, wovor ich mich fürchte? Entscheidungen müssen getroffen werden. Doch wie werden Entscheidungen getroffen?

Es gibt sachliche Fragen und Fragen, die sich auf Persönliches beziehen.

Letztere Fragen sind die emotionalen, die oft wegrationalisiert werden. Ist es nicht an der Zeit, einen Schritt zurück zu machen, um einen distanzierten Blick in den Spiegel werfen zu können? Ist es nicht an der Zeit, zu sehen, wer ich bin und was ich mit welchen Konsequenzen für andere mache? Sich spiegeln und spiegeln lassen, um damit sowohl private als auch gesellschaftliche Zusammenhänge besser überblicken und verstehen zu können … Ich werde keine Antworten, keine Anleitungen, Rezepte oder Dogmen zur Realisierung von Zielen auflisten. Weder die Aufgaben der Unternehmensführung noch umwelt-, wert-, sozial- oder ebenenorientierte Ansätze sind Thema. Auch Planung, Organisation, Führung und Erfolgskontrolle sind nicht mein Anliegen. Es geht um keine Strategien oder Zielbestimmungen, auch nicht um Personalführungstechniken, Qualitäts-oder Projekt-, Risiko- oder Finanzmanagement, und doch gibt es unsichtbare und sichtbare Fäden dorthin.

In welchem Berufsfeld Sie sich auch befinden, das Thema „Entscheidungen treffen“ ist genauso ein allgemein menschliches.

Dieses Bilder- und Gedanken-Buch macht meine Über-Legungen sichtbar und setzt die Strukturen von Labyrinth und Irrgarten um. Sie werden beim Lesen des Textes manchmal das Gefühl haben, am Ende einer Sackgasse zu stehen, eine 180° Kehrtwende zu machen oder mitten im Zentrum zu sein, Sie werden irritiert sein oder sich bestätigt fühlen …

Im wissenschaftlichen Alltag sind alle erst zufrieden, wenn die Ursache gefunden ist. Damit ist der Zufall aber prinzipiell ausgeschlossen. Doch der Zufall ist gegeben; das Quantensystem hat nur eine begrenzte Informationenmenge. Ist eine Information nicht möglich, so entscheidet der Zufall!

Ohne ein endgültiges und eindeutiges Ergebnis vorweisen zu wollen, eröffne ich Ihnen einen innovativen Erfahrungsraum, ein assoziatives Wahrnehmungsfeld und einen möglichen Perspektivenwechsel. Ich lasse dem Zufall seinen Spielraum.

Ist etwas in der labyrinthischen Fachwelt bzw. der Fachwelt der Irrgärten liegen geblieben? Ich habe den Eindruck, dass die Kombination von Labyrinth und Irrgarten bisher zu wenig im Fokus stand. Labyrinth – Irrgarten Was verbindet die beiden? Was trennt sie? „Der Irrgarten im Labyrinth“ war so lange Arbeits-Titel dieses Buches, bis ich die andere Qualität von „Das Labyrinth im Irrgarten“ erkannte. Mögen auch Sie immer wieder Neues entdecken, das Sie staunen und lächeln lässt.

Wien, 2013

Über-Legungen

legen stellen stapeln

verlegen und wiederfinden

überlegen und erkennen

zerlegen und analysieren

belegen und es sich schmecken lassen

anlegen von Gedanken-Dominosteinen

anlegen und gewinnen

anlegen im sicheren Hafen

Gelegenheiten nützen

Gelegenheiten versäumen

verlegen lächeln

überlegen siegen

zerlegen und zertrümmern

belegte und überbelegte Plätze

Überlegungen anstellen

überlegen wirken

unterlegen sein

graben

entdecken

legen und überlegen

wohl überlegt haben

labyrinthisches Werden

1. VON DEM WAS BEWEGT


Es gibt für die Verirrten zwei Arten des Aufgebens:

hilflose Resignation, was zu schnellem Tod führen kann

bzw. das pragmatische Akzeptieren der eigenen Lage.

Die Aufgabe der Hoffnung auf Rettung, nicht aber die Hoffnung zu überleben.

„Hier sein“ statt „Raus wollen“ 2

Es ist Energie, die bewegt. Das Auto wird von Benzin oder Strom angetrieben.

Was bewegt Sie?

Ein Gedanke? Ein Gefühl? Eine Erfahrung? Etwas ganz anderes?

Sind Sie der Vergangenheit oder Zukunft zugeneigt?

Was hält Sie in der Gegenwart?

Was wartet auf Sie, das zur Gänze erkannt werden will?

Das Paradoxon der unerwarteten Extemporale3 hat seinen Ursprung, als der schwedische Rundfunk 1943 oder 1944 eine Luftschutzübung ankündigt, die in der folgenden Woche stattfinden werde. Es wurde hinzugefügt, dass niemand voraussagen könne, wann diese stattfinden würde, selbst nicht am Morgen des Übungstages. Lennart Ekbom, Professor für Mathematik am Östermalms College in Stockholm, war auf die damit verbundenen logischen Schwierigkeiten aufmerksam geworden.

Gehen wir davon aus, dass alles dieselbe Grundlage hat, dass alles mit allem in Beziehung steht, ein Geflecht ist. Gehen wir davon aus, dass alle miteinander kommunizieren. Verändert sich etwas, so hat das Auswirkungen auf alles andere. Klammern wir jegliche Esoterik, Spiritualität oder gar Menschenliebe aus. Selbst die vier kantischen Fragen

 

 Was kann ich wissen?

 Was soll ich tun?

 Was darf ich hoffen?

 Was ist der Mensch?

brauchen wir weder zu stellen noch zu beantworten.

Vergessen wir, was andere dachten, entdeckten.

„Wir sind, denke ich, in einer besonderen Art und Weise vergesslich, weil uns die Erfahrung des Vergessens fehlt. Wo aber die Erfahrung des Vergessens ausbleibt, ist sowohl der Sinn für die Geschichtlichkeit von Wissen reduziert als auch die Kompetenz eingeschränkt.“4

Vergessen Sie, was andere dachten, entdeckten.

Lassen Sie alles hinter sich.5 Halten Sie inne. Seien Sie still. Stehen Sie still. Oder sitzen Sie still. Wie auch immer, aber halten Sie inne und lassen Sie es still werden in sich. Achten Sie auf das, was JETZT präsent ist.

Ich bewege mich, weil ich nicht geführt werde.

Ich bewege mich, weil ich geführt werde.

Die Erfahrung der Stille ist für viele (im Sitzen, im Stehen, im Liegen) nicht auszuhalten. Darum bewegen sie sich. Verirrt? Labyrinthisch! Raum und Zeit lösen sich in Meditation auf – um Ihnen wieder Raum und Zeit zu geben, um selbst Erkenntnis zu entwickeln, die möglicherweise mit Selbsterkenntnis einhergeht.

2. FRAGEZEICHEN VOR AUGEN


Man kann sich mit, aber auch ohne Weg verirren. 6

Es heißt, die 3 Fragen: „Woher komme ich? Wohin gehe ich? Wer bin ich?“, seien die großen Fragen der Menschheit. Ich wollte nun wissen, wer wann diese Fragen stellte und diese als die großen der Menschheit bezeichnete. Also googelte ich7 und fand Folgendes:

Wenn schwimmen schlank macht, was machen Blauwale falsch?!

Leben Verheiratete länger oder kommt es ihnen nur so vor?!

Warum haben Tankstellen, die 24 Stunden geöffnet haben, Türschlösser?!

Und auch diese Antwort8 fand ich: „Ich komme aus der Firma, bin angefressen und geh auf ein Bier.“

Die korrekte Antwort erhielt ich – ohne Umweg – fünf Tage nach meiner Anfrage per Mail von Prof. Dr. Paul Liessmann: „Die klassische Formulierung dieser uralten Fragen findet sich bei dem Philosophen Ernst Bloch (1885 – 1977), dessen seinerzeit berühmtes Hauptwerk ‚Das Prinzip Hoffnung‘ (geschrieben 1938 – 1947) mit diesen Sätzen beginnt: ‚Wer sind wir? Wo kommen wir her? Wohin gehen wir? Was erwarten wir? Was erwartet uns?‘“

John Brockman ist einer, der Fragen sucht – und Antworten dazu.9 Er will mit LeserInnen diskutieren, welche Themen gegenwärtig interessant sind. Vorschläge: Craig Venters Coup, eine Zelle mit künstlichem Erbgut zu steuern, George Churchs Projekt, die Entschlüsselung des Genoms für Normalbürger zu entwickeln, Freeman Dysons Infragestellung der ideologisierten Theorien vom Klimawandel, Dimitar Sasselovs Entdeckung hunderttausender erdähnlicher Planeten in unserer Galaxie.10

Inwieweit haben Fragestellungen mit (erlebten) Kränkungen zu tun?

Ist die Frage „Woher komme ich?“ eigentlich nicht schon längst beantwortet?

„Ein iGENEA -Test11 ermöglicht es Ihnen, Ihre Herkunft mittels einer einfachen Speichelprobe zu untersuchen. Es werden Ihre Haplogruppe, Ihr Urvolk und Ihre Ursprungsregion bestimmt. Der Test beinhaltet zudem einen zeitlich unbeschränkten Zugang zur weltweit größten DNA -Genealogie-Datenbank. Dort können Sie Ihnen bisher unbekannte Verwandte finden und an verschiedenen Projekten teilnehmen, um Ihre Herkunft noch genauer zu erforschen.“

Hier kann die Frage: Verwandt mit Tutanchamun? eindeutig beantwortet werden! Sollte die Frage mehr allgemein gemeint sein, so ist sie mit „Aus Sternenstaub!“ 12 zu beantworten.


Verlassen wir das Allgemeine und wenden wir uns dem Spezielleren und Konkreten, den Fakten zu.

1. Auch in gefestigten Demokratien sind die Grundrechte nicht vor offener oder schleichender Aushöhlung sicher.

2. Man spielt zwei Alternativen aus: Arbeitslos oder Niedriglohnsektor. Die dritte Alternative, normale Jobs für alle zu schaffen – ja, auf Kosten der Unternehmen und der Reichen –, wird schlicht weggelassen. Man muss sich nur die Statistiken ansehen. Seit 2000 ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland zwar um 650.000 zurückgegangen. Gleichzeitig gibt es aber um 2,5 Millionen weniger Voll23 zeitbeschäftigte, 1,5 Millionen mehr Teilzeitbeschäftigte, 800.000 zusätzliche geringfügig Beschäftigte und 300.000 Ein-Euro-Jobs.13

3. Von 1960 bis 200014 sank in (West-)Deutschland der Anteil der Steuern auf Gewinne und Vermögenseinkommen von 20% auf 6,7%. Im selben Zeitraum stieg der Anteil der Steuern auf Löhne und Gehälter von 6,3% auf 19,4%.

Menschen verdienen immer weniger und zahlen immer mehr Steuern. Großunternehmen machen immer mehr Gewinn und zahlen immer weniger Steuern. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank verdient so viel wie 750 Kindergärtnerinnen … „Die den Gemeinden und Ländern entzogenen Steuern verursachen die schwerste Finanzkrise15 der Städte seit dem Bestehen der Bundesrepublik“ (Essener Oberbürgermeister Reiniger)

4. Machteliten sind geschlossene Gesellschaften16, deren Grundlage die soziale Herkunft ist. Die Leistung ist weniger wichtig für Spitzenpositionen als die soziale Herkunft.

Das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber Eliten ist im Vergleich zu den 1990ern geringer geworden, da die Glorifizierung der Eliten zugenommen hat. 2010 sind im deutschen Parlament von 530 Personen nur 6 ArbeiterInnen, doch 150 JuristInnen. In der Regierung sind nur 1 Arbeiterkind (Arbeitsminister), aber 3 Großbürgerkinder (Verteidigung, Inneres, Wirtschaft).

Guttenberg war nur kurz Wirtschaftsminister, doch setzte er durch:

 Kein Mindestlohn

 Senkung der Unternehmenssteuer

 Senkung der Erbschaftssteuer

Was zu Lasten der breiten Bevölkerung ging und geht. Wenn ausschließlich Personen aus den 3-4% der obersten Bevölkerungsschicht an den Machthebeln sitzen, dann hat das Konsequenzen zu Ungunsten der breiten Masse.

1% der Bevölkerung hat ¼ des Gesamtvermögens!

In Deutschland gehören ca. 4000 zur Machtelite, in Österreich ca. 500 Menschen.

Durch staatliche Maßnahmen wurden die Reichen entlastet (z.B. Depots wieder auf das Niveau wie vor der Krise gebracht, ohne eigens etwas dazu tun zu müssen). Die Folgen der Krise wurden nicht von den Verursachern getragen.

Die Zivilgesellschaft braucht Argumente, die aber irrelevant sind für Entscheidungsmächtige.

Wo Eliten offener sind (Skandinavien), sind die Gesetze sozialer. Denn öffentliche Strukturen können wettmachen, was private Strukturen nicht bieten.

5. Die Oberschicht von 3,5% der Bevölkerung sollte proportional ihrem Anteil in der Politik und Wirtschaft vertreten sein, also mit 3,5% und nicht wie heute mit 70%.

Noch nie war der Wechsel von der Wirtschaft in die Politik / zum Gericht und vice versa so durchlässig wie heute!

6. USA: 44% der Abgeordneten im US-Kongress sind Millionäre.

1% der Bevölkerung verfügt über Millionenvermögen.

Zu 90% gewinnt, wer mehr Geld in den Wahlkampf steckt!17

7. Gibt es einen freien Willen? Dieser Streitfrage zwischen Neurowissenschaftlern und Philosophen fügt ein neues Experiment eine hübsche Pointe hinzu: Schon der Glaube an den freien Willen reicht aus, um die entsprechende Gehirnaktivität zu verändern – und damit auch die Handlungen, die folgen.18

8. Angst und Zweifel machen uns nur darauf aufmerksam, dass wir im Augenblick zu wenig Selbst-Vertrauen haben. Eigentlich eine sehr nette Geste von den beiden.19

9. „Eine Frau, gleichgestellt, wird überlegen.“20

10. Wie groß ist mein/dein/euer ökologischer Fußabdruck eigentlich?

11. Warum macht die Agenda 21 ebenso kleine Schritte wie die weltweite Armutsbekämpfung?

12. Wer weiß, was Entkoppelung, Greenwashing, Nachhaltigkeit und Peak Oil bedeuten und reagiert zweckmäßig darauf? Fakten vor Augen. Fragezeichen vor Augen. Geh ich rechts oder links oder doch geradeaus?

Eine Frage kann auch lauten: Will ich das zur Kenntnis nehmen oder will ich das jetzt nicht?

Fragen können als Irrgarten dargestellt werden.21

In der deutschen Sprache gibt es Fragewörter, die in unterschiedliche Richtungen zielen:

Warum? Wieso? Weshalb? Wie? Wer? Wo? Woher? Wohin? Was? Wann? Wen?

Tagtäglich könnten wir von Fragen überschwemmt werden, so wir uns diesen stellen. Im Meer der unbeantworteten Fragen könnten wir untergehen, ertrinken, diese Welt verlassen. Wer will so sterben?

Um das zu vermeiden, vermeiden wir Fragen. Fragen, die wir nicht beantworten können. Könnten wir alle Fragen beantworten, wäre das dann die irdische Hölle der Langeweile? An einer Frage festhalten und ein Leben lang die Antwort darauf suchen, hält am Leben. Auch eine Möglichkeit, nicht in und an der Leere zu verzweifeln.

Auf jede Frage eine vereinfachende und damit möglicherweise falsche Antwort zu haben, ist vielen lieber als keine zu haben, weil jede Antwort Sicherheit oder zumindest Orientierung gibt.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass das Wort „zweifeln“ vom Zweifel (gotisch Zweifls und althochdeutsch zwival) abgeleitet ist. Der Zweifel setzt sich zusammen aus der Kompositionsform twi, „zwei“, und dem Suffix falt, das etymologisch mit dem heutigen Wort „Falte“ gleichzusetzen ist. Dies führt zur Wortbedeutung „zwiespältig“.22

Achtung Falle! Sehen Sie, wie einfach aus der Falte eine Spalte wird! Das Wort „einfältig“ kennen wir. Einfältigkeit wird Menschen zugeschrieben, denen keine komplexe Denkfähigkeit zugetraut wird.

Nehmen Sie ein Blatt Papier oder ein Stück Stoff und falten Sie es. Was passiert? Welche Verwandlung findet statt? Mit der Faltung entsteht ein sichtbarer und ein unsichtbarer Teil. Zwei Innen- und zwei Außenseiten. Das zum Wort „Vielfalt“.


Jetzt wieder zum Wort „zweifeln“. Wie machen Sie aus einem Teil zwei Teile?

Ich beginne zu zweifeln und schon habe ich ein Pro und ein Kontra.

Willkommen in der Welt der Dualität!

Und aufgrund meiner Über-Legungen liegt damit logisch auf der Hand, dass im so genannten Paradies schon die Dualität herrschte, denn es gab Adam und Eva sowie den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis.

Der biblischen Entscheidung Evas ging eine andere voraus. Ob ich nun vom Baum der Erkenntnis den Apfel pflücke oder nicht, ist nicht so ausschlaggebend wie meine Entscheidung, ob ich nicht doch den Apfel des Lebens nehme. Der Apfel des Lebens bedeutet Unsterblichkeit!

Vielen Männern tut es leid (siehe Katholische Kirche), dass sich Eva für die Erkenntnis entschied und Adam ihr brav folgte. Von sich aus – aber er hat eben nicht eigenständig gewählt! – hätte er wohl lieber den anderen Apfel gepflückt. Zu spät! Jetzt zu jammern hilft nichts! Diese Art Mann jammert aber nicht nur, er vernichtet Frauen auf vielfältigste Weise. Er reflektiert seinen Ärger nicht, er projiziert ihn auf sie. Er wollte ja nie wissen! Er will nur unsterblich sein …

So sehe ich das.

Zweifeln Sie an meiner Wahrheit?

Sie suchen doch nicht die Einheitlichkeit! Oder doch?

Ja, bei so vielen Fragen können Sie schon das Gefühl von Verwirrung, Irritiertheit bekommen. Das Gefühl, in einem Irrgarten zu sein mit den relevanten Fragen: Wo bin ich? Woher komme ich? Wohin soll ich gehen, um rauszukommen? Oder macht das Herumirren sogar Spaß? Weil es ja nur ein virtuelles Herumirren ist, werden Sie nicht wirklich verhungern. Physisch meine ich. Der Apfel fällt nicht weit vom Baum und ich gehe davon aus, es gibt einen in Ihrer Reichweite. Beißen Sie rein! Beißen Sie in den Apfel der Erkenntnis!

 

Ehe wir uns der Frage Wann stellt sich uns eine Frage in den Weg? und deren Konsequenz widmen, zitiere ich die vier wundersamen Fragen von Katie Byron.23 Für sie haben sich gänzlich andere Fragen als relevant erwiesen. Sie lauten:

„Ist das wahr?“

„Kannst du absolut sicher sein, dass das wahr ist?“

„Wie reagierst du auf diesen Gedanken?“

„Wer wärst du ohne diesen Gedanken?“

Was sagen Sie dazu?

Überprüfen Sie diesen Ansatz, wenn Sie wollen, ehe Sie weiterlesen … oder lesen Sie weiter und nehmen Sie sich selbst eine Entdeckung.24

[Bild fehlt leider – siehe Fußnote]25

Byron stellt fest, dass sich mit diesen vier Fragen und deren Antworten nicht die Dinge selbst, sondern was wir über sie denken, was uns dabei unglücklich macht, zeigt. Federführend sind stets unsere oft jahrzehntelang eingeprägten Denkmuster, die gleich einem „Kommentator / einer Kommentatorin“ im Kopf für jedes Ereignis sofort eine Interpretation und Schlussfolgerung sowie Wertung parat haben. Immer auch die vier Fragen zu beantworten, ist ein Weg, um aus festgefahrenen Denkmustern herauszukommen. Es lehrt, Ereignisse wertungsfrei wahrzunehmen und authentisch, statt automatisch, zu reagieren. Katie Byrons Erfahrung ist: Annehmen ist Geben.

Aber vielleicht ist das jetzt zu viel des Guten.

Ihnen geht es gar nicht ums eigene Glücklichsein bzw. das Glücklichsein anderer?

Wieso?

Wie auch immer:

Wir befinden uns im Kapitel: Fragzeichen vor Augen. Das Motto lautet: Man kann sich mit, aber auch ohne Weg verirren.

Um auch einen interkulturellen Ansatz zu berücksichtigen, füge ich hier die Glaubenssätze der Huna (UreinwohnerInnen Hawais26) ein, die da lauten:


IKE

Die Welt ist, wofür ich sie halte.

KALA

Es gibt keine Grenzen.

MAKIA

Energie folgt der Aufmerksamkeit.

MANA WA

Jetzt ist der Augenblick der Macht.

ALOHA

Lieben heißt, glücklich sein mit …

MANA

Alle Macht kommt von innen.

PONO

Wirksamkeit ist das Maß der Wahrheit.

Ich segne die Gegenwart! Ich vertraue auf mich selbst und erwarte das Beste!

Wie wirken diese Glaubenssätze auf Sie?

Suchen Sie nach eigenen Glaubenssätzen



und vergleichen Sie deren Wirkkraft mit jener der Glaubenssätze der HUNA.

Wie wirkt dieser oder jener Gedanke? Das kann jede/r an sich selbst erforschen. Der Hausputz des Geistes – was gehört entsorgt bzw. gereinigt? - kann beginnen!


Der Irrgarten

Der Irrgarten hat sich verzweigende Wege. Diese zwingen zu Entscheidungen:

„Gehe ich links oder rechts weiter?“

Sprachlich interessant ist, dass nicht weiterführende Wege im Deutschen als „Sackgasse“ bezeichnet werden. Im Englischen werden sie „dead end“ genannt.

Ich bin Wienerin. Mir liegt der Tod nahe und auch sehr fern.

Darum erzähle ich Ihnen die Sage Vom lieben Augustin.27

Im Jahr 1679 kam die Pest von Ungarn nach Wien. Sie kam fast unbemerkt. Doch als sie als solche erkannt wurde, verließen alle, die konnten, die Stadt. Die Zahl der Erkrankten und Toten stieg von Tag zu Tag. Bald lagen so viele Tote in den Straßen, dass die Stadtknechte mit den Leichenwagen fast pausenlos umherzogen, um die Leichen aufzuladen, aus der Stadt zu bringen. Gruben dienten als Sammelgrab. Egal ob reich oder arm, jung oder alt – jede/r konnte an der Pest erkranken und sterben. Zu dieser Zeit lebte in Wien ein lustiger Sänger und Dudelsackpfeifer. Sein Lebensmotto hieß: „Lustig gelebt und lustig gestorben ist dem 32 Teufel die Rechnung verdorben.“ Die WienerInnen mochten ihn wegen seines unverwüstlichen Humors. Irgendwann einmal wurde er nur noch „der liebe Augustin“ genannt. Augustins Stammlokal war das Bierhaus „Zum roten Dachel“ am Fleischmarkt. Dort scherzte er und sang seine Lieder.

Als die Pest zu wüten anfing, mieden immer mehr Menschen Lokale aus Furcht vor Ansteckung. Das „Rote Dachel“ war einige Zeit dennoch gut besucht, denn Augustins Humor ließ das tägliche Elend vergessen. Doch an einem Septemberabend saß der liebe Augustin deprimiert im „Roten Dachel“, weil kein einziger Gast gekommen war. Wortlos trank er ein Glas Wein nach dem anderen und verließ spät und stark betrunken das Lokal. Als er über den Kohlmarkt in Richtung Burgtor unterwegs war, stolperte er und fiel am Rande der Straße nieder. Unfähig wieder aufzustehen, blieb er liegen und schlief ein. Kurze Zeit später kamen die Pestknechte an dieser Stelle vorbei, hielten ihn für eine weitere Pestleiche und warfen ihn zu den übrigen Toten auf den Wagen und dann in die Pestgrube.

Augustin wachte weder beim Aufgeladenwerden noch beim Abladen auf. Er verschlief alles. Die kalte Morgenluft erst weckte ihn. Gerade, als er merkte, dass er sich in einer Pestgrube befand, kamen schon die Pestknechte mit einer neuen Leichenfuhre und entdeckten Augustin. Augustin rief um Hilfe, denn er wollte so schnell wie möglich wieder aus dieser Grube heraus. Er hatte Glück gehabt, dass die Grube noch nicht voll gewesen und nicht mit Erde zugeschüttet worden war. So überlebte er dieses Abenteuer und somit seinen eigenen Tod.

Er blieb gesund und hatte danach im „Roten Dachel“ eine noch größere Anziehungskraft auf die Gäste als je zuvor. Sein schauriges Abenteuer besang er in Versen, bis er im Jahre 1702, uralt geworden, starb.

Das Lied des lieben Augustin erfuhr in Laufe der Jahrhunderte unterschiedliche Textveränderungen.28 Im Original lautete es so:

Oh du lieber Augustin

S’ Geld ist hin, d’ Freud ist hin,

Oh du lieber Augustin,

Alles ist hin!

Ach und selbst das reiche Wien

Arm jetzt wie Augustin

Seufzt mit mir in gleichem Sinn

Alles ist hin!

Jeden Tag war sonst ein Fest,

Und was jetzt? Pest, die Pest!

Nur ein großes Leichennest,

Das ist der Rest!

Oh du lieber Augustin,

Leg nur ins Grab dich hin,

Ach du mein liebes Wien

Alles ist hin!


Die Geschichte kann natürlich auch anders29 erzählt werden:

Bereits im Dezember des Jahres 1678 traten in der damaligen Vorstadt „Leopoldstadt“ die ersten Pestfälle auf, die aber von den Behörden vertuscht und bagatellisiert wurden. Die Seuche breitete sich rasch über die angrenzenden Vorstädte aus, blieb aber noch außerhalb der kaiserlichen Residenzstadt. Die ärmeren Bevölkerungsschichten stellten also ihre ersten Opfer. Obwohl die Zahl der Todesfälle von Monat zu Monat stieg, blieben alle Warnungen und die Kritiken des Pestarztes Paul de Sorbait an der unzulänglichen Situation des Sanitätswesens und der Hygiene ungehört.

Die genaue Zahl der im Jahr 1679 in Wien an Pest verstorbenen Menschen wird sich wohl niemals ermitteln lassen. Es könnte ein Fünftel der Bevölkerung gewesen sein.

Was wird gegenwärtig in Wien in Bezug auf Tod gesungen?

2009 kam die CD „wiad scho wean“ vom kollegium kalksburg30 heraus.

Darauf befindet sich auch das Lied zwischn d’finga

da ane mocht am liabstn metta

da aundre an maschinschreibkuas

i moch bresln und brobleme

und sicha niggs mea wos i muas

weu is lebm zarinnt uns zwischn d’finga

scho muagn kauns ogreend sei fia imma

und samma a ole entbealich

samma eahlich, es is healich!

sea vüle woatn auf a wunda

und betn fest das’s wunda wiad

gauns am schlus sans daun vawundat

waun goa niggs wundaboas basiat

und is lebm zarinnt uns zwischn d’finga

scho muagn kauns ogreend sei fia imma

und trotzdem i sog ihnas eahlich

a wauns wuaschd is, es is healich!

an frein wün hasds hauma ole

und ole gfrein si driwa sea

wauns wos griagn wos goa ned woin haum

gfrein sa si driwa umso mea

und die zeit zarinnt uns zwischn d’finga

scho muagn kauns ogreend sei fia imma

und samma a ole entbealich

sogns is eahlich, is es nicht healich!

de gfrasta haum si olas eignaad

di wöd, in himmü und a d’hö

wauns da d’botschn endlich aufdraad

woins gaunz am schluss a no dei sö

und die zeit zarinnt uns zwischn d’finga

scho boid wiads ogreend sei fia imma

und trotzdem i sog ihnas eahlich

a wauns wuascht is, es is healich!

und samma a olle entbealich

samma eahlich, es is healich!

Am Ende der Sackgasse gibt es einen Wendeplatz, der auch als „Wendehammer“ bezeichnet wird. Dabei assoziiere ich Axt und Doppelaxt. Naja. Ist und bleibt meine Assoziation – ich weiß schon um die Unterschiede der beiden Begriffe. Es wäre halt zu schön gewesen, würde ich auf diese Weise Ariadne am Ende der Sackgasse finden!

In Wikipedia lese ich, dass es Sackgassendörfer gibt. Das ist eine besondere, spätmittelalterliche dörfliche Siedlungsform entlang von Sackgassen, die als Erweiterung von Rundlingen entstanden (z.B. Ostsee, Erzgebirge). Zu dieser Zeit wurde die Sackgasse unter anderem als „Kehrwiedergasse“ bezeichnet. Kehrwiedergasse. Das klingt schön in meinen Ohren. Somit hat ein Irrgarten viele Kehrwiedergassen. Hat für mich etwas mit Heimatgefühl zu tun – das gänzliche Gegenteil zum Verlorenseingefühl! Wenn am Ende jeder „Dead-end-Gasse“ der Tod steht, dann sind ja IrrgartengeherInnen spezielle KennerInnen von Todbegegnungen. Respekt!

Der Tod ist nicht das Ende.

Der Tod ist ein Meister aus … unvergesslich Celans Todesfuge.31 Darum fällt sie mir auch jetzt ein. Halten wir an dieser Stelle inne.