Das Geisterschiff

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Aus der Reihe: HOPF Autorenkollektion #4
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Die Laserpistolen hatte man ihnen abgenommen. Ebenso alles andere, was sich als Waffe oder Werkzeug hätte verwenden lassen.

»O’Harra fehlt«, stellte Swensson fest, doch Parker wischte den winzigen Hoffnungsschimmer sofort beiseite.

»Der Fremde hat William ebenfalls paralysiert«, sagte der Smutje. »Ich weiß es, denn er stand unmittelbar neben mir.« Wütend fügte er hinzu: »Hätten wir eine vernünftige Schleusenüberwachung, wären wir mit Sicherheit nicht hier.«

»Keinen von uns trifft ein Vorwurf«, schwächte Swensson ab. Er hielt inne, weil plötzlich blendende Helligkeit die Höhle erfüllte.

Wie von Geisterhand geschaffen, war eine Öffnung im Fels entstanden. Ein Mann erschien. Er war hochgewachsen und muskulös. Sein Blick erschien wie eine einzige stumme Drohung. Unter dem rechten Arm, nachlässig, wie man ein Bündel Lumpen zu tragen pflegt, hielt er einen schlaffen menschlichen Körper.

»William!«, stöhnte jemand.

Etwas an dem Fremden faszinierte Swensson und stieß ihn zugleich ab. Waren es die blitzschnellen, geschmeidigen Bewegungen? Seine Erinnerung kam vollends zurück: Er stand in der Schleuse, riss den Laser vom Holster und schoss …

»Nein!«, schrie er gleichzeitig. »Nicht angreifen! Er ist ein Androide.«

Die Warnung kam zu spät. Drei Männer hatten sich in fataler Fehleinschätzung ihrer Chancen auf den Fremden gestürzt. Es gab nicht einmal ein kurzes Handgemenge. Eine schnelle, heftige Bewegung wischte sie beiseite.

Der Androide wandte sich um – und verschwand. Hinter ihm entstand wieder der scheinbar natürliche Fels, der nicht den geringsten Hinweis darauf erkennen ließ, dass irgendwo ein Zugang existierte.

4.

Vor ihnen lagen die Erzeugnisse einer fremdartigen Technik. Die Überraschung war perfekt, denn bis zuletzt hatten Dave Quinger und Walter Küber Zweifel geäußert. Das Stück Boden, auf dem sie standen, senkte sich so schnell, dass sie nicht mehr zur Seite springen konnten.

Finchs Magen rebellierte. Mit irrsinniger Geschwindigkeit nahm der Lift ‒ um nichts anderes konnte es sich handeln ‒ die drei Männer mit sich in eine ungewisse Tiefe.

So abrupt, wie die Fahrt begonnen hatte, war sie kurz darauf auch wieder zu Ende. Mit zitternden Knien taumelte Finch zur Seite. Hinter ihm und seinen Begleitern stieg die Plattform aus Gras, Erde und Metall sofort in die Höhe.

Licht flammte auf und ließ erkennen, dass sie sich in einer weitläufigen Höhle befanden. Der Captain nahm an, dass allein ihre Anwesenheit genügt hatte, die Beleuchtung zu aktivieren.

Die Höhle mochte gut fünfzig Meter durchmessen und ebenso hoch sein; sie war leer. Ein Dutzend unterschiedlich großer Stollen führte in alle Richtungen weiter.

»Und nun?«, fragte der Lagerist Küber. »Wo bleibt unser Empfangskomitee?«

Finch zuckte mit den Schultern. In Gedanken rief er nach dem Fremden, immer und immer wieder, bis er endlich Antwort erhielt.

Du musst dich gedulden, vernahm der Captain. Ein eindringlich warnender Impuls folgte, dann erlosch der Kontakt.

Knapp eine Viertelstunde später stand der Erwartete urplötzlich vor einem der Stollen. Keiner der drei Männer hatte ihn kommen sehen.

Oam-Pham-Phu winkte die Raumfahrer zu sich heran. Seine Lippen bewegten sich lautlos, doch gleich darauf erklangen vertraute englische Worte aus dem unscheinbaren Kästchen, das er an einer dünnen Kette um den Hals trug.

Ein Translator, und wesentlich handlicher als die in der irdischen Flotte gebräuchlichen Modelle. Nur unbewusst nahm Finch das Gesagte auf. Ihm war mit einem Mal, als hätte er das alles schon erlebt. Vor seinem inneren Auge tauchte eine gigantische unterirdische Station auf, geschaffen als Vorposten einer unersättlichen Kriegsmaschinerie. Er sah Menschen, sah Produktionshallen und Lagerräume und – die MADELEINE.

In dem Moment fühlte sich der Captain, als sei er jäh aus einem Traum aufgeschreckt. Er registrierte, dass Oam-Pham-Phu ihn aufmerksam musterte. Nur langsam fand er in die Realität zurück.

»Was ist mit unseren Kameraden geschehen?«, hörte er Quinger fragen.

»Ich weiß es nicht«, antwortete Oam-Pham-Phu. »Ich bin mir jedoch sicher, dass sie von den Kriegern verhört werden ‒ und solange das der Fall ist, wird ihnen nichts geschehen. Immerhin wäre es töricht, den Eroberungsfeldzug zu beginnen, ohne über die heutigen Gegebenheiten in der Galaxis Bescheid zu wissen. Seit das Imperium unterging, vor etwa zehntausend Jahren Ihrer Zeitrechnung, sind wir von allen Informationen abgeschnitten. Keiner von uns weiß, wie es außerhalb unserer Welt aussieht.«

Der Captain fröstelte. Seine Furcht war wieder da. Er konnte die Bilder nicht vergessen, die Oam-Pham-Phu ihm telepathisch übermittelt hatte. Nur waren es gigantische Flotten gewesen, die Tod und Vernichtung über viele Sonnensysteme gebracht hatten. Nun stand den Photiden lediglich ein einziges Schiff zur Verfügung ‒ ein kleiner, altersschwacher Frachter.

»Wir müssen uns beeilen«, wurde Finch von Oam-Pham-Phu in seinen Überlegungen unterbrochen. »Die Krieger arbeiten schnell und zielsicher, und es kann in Kürze zur entscheidenden Auseinandersetzung kommen. Die Clique der Friedfertigen wird kämpfen und siegen … oder untergehen. Wie auch immer, wir werden nie vergessen, was wir Ihnen verdanken.«

Ohne eine Erwiderung abzuwarten, schritt Oam-Pham-Phu davon. Die Männer folgten ihm in den Tunnel, aus dem er zuvor gekommen war. Ein schnelles Transportband nahm sie auf. Es wurde dunkel. Wenig später schienen die Wände eng zusammenzurücken.

»Wir befinden uns bereits fünfhundert Meter unter der Oberfläche von Paramon III«, erklärte Oam-Pham-Phu. »Wir haben in den letzten Minuten annähernd fünf Kilometer zurückgelegt.«

Es war wärmer geworden. Die Luft roch schal und abgestanden.

Schließlich stiegen sie in eine bereitstehende Magnetschwebebahn um. Geräuschlos verschwand ein Teil des fensterlosen Aufbaus und gab den Blick auf ein geräumiges, komfortabel eingerichtetes Abteil frei.

Die Männer nahmen auf der hinteren Sitzbank Platz; Oam-Pham-Phu ließ sich ihnen gegenüber nieder. Der Blick nach draußen wurde durch nichts behindert. Das Fahrzeug war also nur von einer Seite her lichtundurchlässig.

Die Befürchtung, von den Kriegern entdeckt zu werden, schob der Captain weit von sich. Er vertraute Oam-Pham-Phu, der genau zu wissen schien, welches Risiko er eingehen konnte. Jedenfalls führte die Fahrt an stark frequentierten Plätzen vorbei.

»Ich bin der Meinung, dass es Zeit für Erklärungen ist«, sagte Dave Quinger unverhofft und blickte den Photiden herausfordernd an. »Wohin bringen Sie uns überhaupt?«

Oam-Pham-Phu lächelte ‒ wenn man das Äquivalent eines menschlichen Lächelns so deuten konnte.

»Wir werden bereits erwartet«, antwortete er. »Wir, die Mitglieder der Clique, können nicht ungeschehen machen, wie viel Leid und Tränen einst mit dem Namen der Photiden verbunden waren, aber wir kämpfen für Frieden und Versöhnung. Vielleicht interessiert es Sie, dass die Zahl der Krieger rund zwanzigtausend beträgt, während die Schar der Friedfertigen nur viertausend Köpfe hat. Schon wegen dieses Missverhältnisses steht die entscheidende Auseinandersetzung kurz bevor …«

Ein Aufschrei ließ ihn und die anderen herumfahren. Walter Küber deutete nach draußen. »Die MADELEINE«, sprudelte der Lagerist hervor. »Ich habe eben unseren Frachter gesehen! Kein Zweifel …«

Zu schnell war der Schwebewaggon, als dass noch etwas zu erkennen gewesen wäre. Zudem versperrten mächtige Gerüste die Sicht nach rückwärts.

»Es war Ihr Sternenschiff«, bestätigte der Photide gelassen.

Finch schnaufte hörbar auf. »Wenn das so ist, werden die Krieger in diesem Bereich ihre stärksten Kräfte zusammengezogen haben.«

»Sie werden uns hier am wenigsten vermuten«, widersprach Oam-Pham-Phu.

»Hoffentlich geht das gut!«

Pessimismus war durchaus angebracht, denn das Fahrzeug stoppte Sekunden später so abrupt, dass die Männer von den Sitzen gerissen wurden. Fluchend kamen sie wieder auf die Beine.

Oam-Pham-Phus veränderter Gesichtsausdruck ließ nichts Gutes ahnen. »Raus hier!«, kommandierte er. »Sofort!«

Sie befanden sich in einem zweispurig angelegten Tunnel, in den in Abständen von jeweils mehreren hundert Metern röhrenförmige Gänge einmündeten. Diese Stollen waren kaum höher als zwei bis drei Meter. Der Captain vermutete, dass sie für Notfälle und zum schnellen Einschleusen von Reparaturtrupps gedacht waren.

Oam-Pham-Phu hielt plötzlich ein stabförmiges Objekt in der Hand. So wie er es von sich streckte, handelte es sich zweifellos um eine Waffe. Ohne sich davon zu überzeugen, ob die Männer ihm überhaupt folgten, lief er auf den nächsten Seitenstollen zu. Erst als das liegengebliebenes Fahrzeug nicht mehr zu sehen war, blieb der Photide kurz stehen.

»Was ist geschehen?« Im Laufen hatte der Captain seinen Laser gezogen und entsichert. Oam-Pham-Phu nickte ihm anerkennend zu.

»Sie haben es richtig erfasst«, sagte der Photide. »Nur die Leitstelle kann den Wagen auf freier Strecke zum Halten bringen. Wir werden kämpfen müssen.«

»Die Krieger haben also Verdacht geschöpft.« Finch nickte. »Wie soll es weitergehen?«

»Ein Suchtrupp wird in Kürze hier sein. Uns bleibt nur wenig Zeit, um zu verschwinden.«

Hinter ihnen war schon ein fernes Rauschen wie von näherkommenden Fahrzeugen zu vernehmen. Noch mochten sie allerdings einige Kilometer entfernt sein, denn jedes Geräusch wurde von den Felswänden um ein Vielfaches verstärkt zurückgeworfen.

Ein gleißender Energiestrahl verflüssigte etwa dreißig Meter vor den Männern einen Teil der Seitenwand. Eine enorme Hitze brandete ihnen entgegen.

 

»Sie haben uns!«, schrie Quinger auf und warf sich mit den anderen zu Boden. Keinen Augenblick zu früh, denn ein weiterer Strahlschuss fauchte dicht über sie hinweg.

Fast gleichzeitig entdeckten sie den Angreifer. Er stand höchstens zweihundert Meter entfernt, auf der anderen Seite des Stollens, in einer Öffnung, die vor wenigen Augenblicken noch nicht zu erkennen gewesen war.

Finch riss den Laser hoch und löste aus. Oam-Pham-Phus Schuss röhrte dem Angreifer einen Sekundenbruchteil eher entgegen.

Der Donner einer schweren Explosion dröhnte in vielfachem Echo durch den Tunnel. Gesteinsbrocken prasselten wie Hagel herab.

»Da hinein!« Oam-Pham-Phu stürmte weiter auf den Seitenstollen zu und warf sich förmlich hinein.

Die Männer folgten ihm dichtauf. Es ging eine enge, steile Wendeltreppe hinab ‒ ein Anachronismus in dieser hoch technisierten Umgebung ‒ und weiter durch ein wahres Labyrinth von Gängen, in dem Finch, Quinger und Küber sich ohne ihren Führer bald hoffnungslos verirrt hätten.

Samuel Finch nahm die Umgebung nur noch unbewusst wahr. Seine Gedanken drehten sich ausschließlich um das Fragment, das er nach der Explosion aufgehoben hatte. Er spürte deshalb ein intensiver werdendes Würgen, das ihm die Kehle zuschnüren wollte. Das Fragment steckte in einer Außentasche seiner Kombination.

»Nein!« Quingers Aufschrei hallte von den Wänden wider. Aus vor Schreck weit aufgerissenen Augen starrte er den Photiden entgegen, die soeben einen Seitengang verließen. Die Waffen in ihren Händen waren nicht zu übersehen.

Quinger riss seinen Laser hoch, aber schon fiel ihm Oam-Pham-Phu in den Arm, und der Schuss entlud sich gegen die Decke.

»Es scheinen Freunde zu sein«, sagte Küber und deutete auf Oam-Pham-Phu, der seine Waffe schon weggesteckt hatte. Er war auch der Erste, dem die verblüffende Ähnlichkeit der Photiden auffiel. »Sie sehen aus wie eineiige Zwillinge«, stellte der Lagerist fest. »Ich kann sie jedenfalls nicht auseinanderhalten.«

Die Hand des Captains verkrampfte sich um das Bruchstück in seiner Tasche. Es war der Teil eines menschlich wirkenden Handgelenks. Unter einer dünnen, lebenden Hautschicht und einer gallertartigen Masse, die nicht unbedingt biologischen Ursprungs sein musste, steckte ein massiver Knochen aus Metall.

»Wir haben es mit Androiden zu tun«, informierte Finch seine Kameraden. »Also brauchen wir keine Hemmungen zu haben. Größenwahnsinnige Maschinen waren mir immer schon ein Gräuel.«

*

Man hätte William O’Harra lieber in Ruhe sterben lassen sollen, statt ihn nach stundenlangen Bemühungen ins Bewusstsein zurückzurufen. Was von ihm geblieben war, verdiente die Bezeichnung »Mensch« nicht mehr: ein stumpfsinniges, reaktionsloses Geschöpf, das von nichts und niemand Notiz nahm. Nur die urtümlichsten Instinkte erhielten ihn weiterhin am Leben.

Jack Swensson schüttelte in stummer Verzweiflung den Kopf. Er verstand durchaus, dass einige der Männer sich angewidert abwandten. Ihnen allen stand deutlich vor Augen, was sie erwartete. Swensson brachte es dennoch nicht fertig, die kleine Flamme des Feuerzeugs zu ersticken, denn sie allein brachte einen Hauch von Wärme in das Verlies. O’Harras bedrückende Gegenwart konnte er ohnehin keinem der Gefangenen abnehmen.

»Ich halte das nicht länger aus …« Mit einem jämmerlichen Aufschrei sank Dan Henderson in sich zusammen. »Ich werde verrückt dabei. Schafft ihn raus, ich … ich …« Die Stimme des jungen Technikers erstickte in hemmungslosem Schluchzen.

Es ist kein Wunder, erkannte Swensson bestürzt. Wenn nichts geschieht, erwischt es uns alle der Reihe nach. Und keiner kann etwas dagegen tun. William hat das nicht verdient. Hoffentlich begreift er seinen Zustand nicht.

Steven Kincaid spie aus. »Wer immer diese Fremden sind, das sollen sie nicht ungestraft getan haben.«

Der Erste Offizier warf dem Ortungstechniker einen resignierenden Blick zu. »Was willst du dagegen tun? Wir sind ohne Waffen machtlos.«

»Noch habe ich meine Fäuste.« In rasendem Zorn hob Kincaid die Arme. »Irgendwann wird jemand kommen ‒ die wollen etwas von uns, oder? Dann müssen wir zeigen, dass sie mit uns nicht so umspringen dürfen.«

»Sie schicken wieder einen Androiden«, sagte Swensson und zerstörte damit jede Hoffnung. »Trotzdem hast du recht. Sie wollen etwas von uns: unser Wissen. William hat schon hinter sich, was uns bevorsteht.«

Der fahle Lichtschimmer reichte aus, das blanke Entsetzen in Kincaids Gesicht erkennen zu lassen.

»Sie werden kommen und uns holen, einen nach dem anderen«, vollendete Swensson.

*

Was Captain Finch am Ziel seines Weges durch die subplanetare Station zu sehen erwartet hatte, war nicht der kleine kahle Raum, dessen Einrichtung sich in einem kabelgebundenen Bildtelefon erschöpfte. Nach allen technischen Leistungen, die er unterwegs gesehen hatte, wirkte das unverständlich. Er sagte sich, dass die Clique flexibel bleiben und notfalls in kürzester Zeit auf andere Treffpunkte ausweichen musste. Keinesfalls durften die Friedfertigen sich durch eine Anhäufung schnell anmessbarer Geräte verraten.

»Die Sprechverbindung ist absolut abhörsicher, so veraltet ist sie«, bekundete Oam-Pham-Phu nicht ohne Stolz.

Der Captain ertappte sich zum wiederholten Mal dabei, dass er den Photiden eindringlich musterte. Nichts an Oam-Pham-Phus Erscheinung deutete darauf hin, dass er kein Wesen aus Fleisch und Blut war, sondern ein vermutlich perfektes maschinelles Ebenbild seiner Schöpfer. Wenn Finch dagegen an irdische Roboter dachte, ihre eckigen, abgehackt wirkenden Bewegungen …

Während er unschlüssig seinen Gedanken nachhing, fühlte der Captain sich plötzlich an den Schultern gepackt und herumgedreht. Der Blick des Photiden sezierte ihn geradezu.

»Ihr Vertrauen zu mir scheint nachzulassen«, sagte Oam-Pham-Phu. »Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann, lassen Sie es mich wissen.«

»Es ist nichts«, murmelte Finch wenig überzeugend. Konnte er es wagen, die Frage zu stellen, die ihm auf den Lippen brannte? Was ging in einem Androiden vor, der mit seiner eigenen, künstlich geschaffenen Existenz konfrontiert wurde?

»Also …«, drängte Oam-Pham-Phu, der sich mit der erhaltenen Antwort nicht zufriedengab.

Finch platzte so direkt heraus, dass es nur falsch sein konnte: »Weshalb haben Sie uns verschwiegen, dass Sie Roboter sind, oder Androiden, oder wie immer man Ihre Erscheinungsform nennen soll?«

Der Captain warf das Fragment, das von dem getöteten Krieger stammte, vor ihm auf den Tisch. Gleichzeitig bereute er seine impulsive Handlung schon. Hoffentlich war das kein Fehler gewesen. Finch war auf alles gefasst, weil Oam-Pham-Phus Griff um sein rechtes Schultergelenk stärker wurde. Dann ließ der Photide ihn unverhofft los.

»Sie wussten es nicht?« Oam-Pham-Phu war sichtlich überrascht und suchte nach einer Erklärung. »Auf unserem Planeten gibt es außer Pflanzen kein organisches Leben. Seit Jahrtausenden nicht mehr.«

Finch nickte irritiert. Sein Gegenüber schien kein Geheimnis aus seiner künstlichen Existenz machen zu wollen.

Oam-Pham-Phu begann zu erzählen. Er berichtete vom einstigen Imperium der Photiden, die ihren Geschöpfen nicht nur den Namen vererbt hatten. Er ließ die Szenerie grauenhafter Vernichtungswaffen wiederauferstehen und schilderte deren Wirkungen so beklemmend, dass in Finch geradezu der Eindruck entstand, er wäre selbst dabei gewesen. Der Widerständler vergaß auch nicht den Hinweis, dass die MADELEINE mit diesen Waffen ausgerüstet werden sollte. Ein einziges kleines Raumschiff, ein altersschwacher Frachter … Dennoch gelte es nun zu verhindern, dass der Krieg erneut in die Galaxis hinausgetragen wurde.

»Das gewaltige Imperium, das sich über die halbe Galaxis erstreckte und die damit verbundene ungeheure Macht stiegen den Photiden zu Kopf«, schloss Oam-Pham-Phu seinen Bericht. »Sie konnten dem Blutrausch nicht widerstehen, den sie selbst entfacht hatten. Die unausbleibliche Folge war eine Selbstzerfleischung, die nicht einmal vor den verheerendsten biologischen Vernichtungsmitteln zurückscheute.«

»So spricht ein Androide von seinen Herren?«, warf Dave Quinger zynisch ein. Er stand völlig unter dem Eindruck der eindringlichen Schilderungen, die eine unüberhörbare Mahnung enthalten hatten.

»Die Clique der Friedfertigen hat sich losgesagt von der einstigen Loyalität«, erwiderte Oam-Pham-Phu. »Unsere Programmierung wurde verändert ‒ um den entscheidenden Faktor. Das verdanken wir einem der letzten Photiden, der den großen Krieg überlebte. Er erkannte die Gefahr, die in uns fortbestand, und er setzte sein Leben ein, um die Umprogrammierung zu vollziehen. Leider konnte er sein Werk nie zu Ende bringen.«

»Soll das heißen, wir bräuchten die Programmierung der feindlichen Androiden nur entsprechend zu verändern?«, platzte Quinger heraus.

»Nein.« Oam-Pham-Phu schüttelte in typisch menschlicher Manier den Kopf. »Ohne das Spezialwissen unserer Erbauer ist die Veränderung unmöglich. Dieses Wissen ist längst verloren.«

Auch Captain Finch schüttelte den Kopf. »Wir hätten ohnehin keine Chance«, sagte er. »Kein Androide würde uns näher als bis auf fünf Schritte an sich herankommen lassen.«

*

Längst war die Flamme des Feuerzeugs erloschen. Dumpf und teilnahmslos brüteten die Männer vor sich hin. O’Harra kauerte in einer Ecke und murmelte ohne Unterbrechung unverständliches Zeug. Die Raumfahrer der MADELEINE waren zum Nichtstun verurteilt, und die Ungewissheit über ihr weiteres Schicksal zerrte an ihren Nerven.

»Wie die Ratten im sinkenden Schiff«, sagte Swensson bitter. »Wir wissen, dass wir nicht fliehen können und drängen uns auf dem letzten trockenen Fleck zusammen, in der Hoffnung, dass die Flut uns nicht erreicht und hinwegspült.«

Irgendwann fiel Licht in ihre Dunkelheit. Geblendet schlossen die Männer die Augen.

»Die Flut kommt!«, stöhnte jemand.

Swensson sah auf, nachdem er sich an die jähe Helligkeit gewöhnt hatte. Zwei Photiden standen vor ihm. Gefühllos kalt musterten sie ihn, ausgerechnet ihn ‒ wieso keinen anderen? Er fühlte sich hundeelend.

Die Androiden beugten sich zu ihm hinab. Ohne sich dessen bewusst zu werden, sah Swensson hinüber zu O’Harra, den das Geschehen nicht im Mindesten berührte. Der Erste wich zurück, aber schon war die Wand hinter ihm, und als er sich einfach zur Seite fallen ließ, packte einer der Photiden zu. Der stahlharte Griff, der sich um seinen Oberarm schloss, ließ den Ersten Offizier aufschreien. Er las Erstaunen, Furcht, Hass und Resignation in den Gesichtern der Kameraden. Sie konnten ihm nicht helfen.

Ihr aller Schicksal schien vorgezeichnet, seit sie diese Welt betreten hatten. Kurz dachte Swensson an den Captain und dessen beide Begleiter. Was mochte aus ihnen geworden sein? Vermutlich befanden sie sich ebenfalls in der Gewalt der Androiden, falls sie überhaupt noch lebten.

Swensson musste es geschehen lassen, dass die beiden Photiden ihn mit sich schleppten.

Er bekam einen vagen Eindruck von der gewaltigen Ausdehnung der subplanetaren Anlagen. Seine Hoffnung, irgendwie einen Ausweg zu finden, schwand vollends. Nach über einer Viertelstunde stoppte die Magnetschwebebahn, die sie durch weitläufige, menschenleere Hallen gebracht hatte. Weiter ging es auf breiten Transportbändern, vorbei an monströsen Bauwerken, deren Fabrikcharakter unverkennbar war. Früher mussten hier sehr große Dinge produziert worden sein, vielleicht sogar Raumschiffe.

Swensson wurde in einen Antigravschacht gestoßen, der ihn mit mäßiger Geschwindigkeit in die Höhe trug. Er zählte acht Etagen, von denen jede mindestens hundert Meter hoch war, dann endlich schienen die Photiden ihr Ziel erreicht zu haben. Der Raum, in den sie ihren Gefangenen stießen, war kalt und unfreundlich. Maschinen reihten sich an den kahlen, weißen Wänden; es roch durchdringend nach Ozon und Desinfektionsmitteln.

In der Mitte des Raumes stand ein massiger runder Tisch, eigentlich ein gepolstertes, sich langsam drehendes Lager, über dem grelle Lichtquellen schwebten, ohne sichtbar mit der Decke des Raumes verbunden zu sein.

Nun bin ich an der Reihe!, schoss es dem Ersten Offizier durch den Sinn. Ein Stöhnen entrang sich seiner Kehle. Als ahnten die Androiden, was in ihrem Gefangenen vorging, stießen sie ihn einfach weiter.

In seiner Verzweiflung bäumte Swensson sich auf. Er kam mit dem rechten Arm frei, fuhr herum und unterlief den zweiten Androiden, der davon völlig überrascht wurde. Der Stoff seiner Kombination zerriss an der linken Schulter, und wohl nur deswegen kam Swensson vollends frei. Er rannte los, zurück zum Ausgang. Hinter ihm klirrten fremdartige Instrumente zu Boden.

 

Die Tür war geschlossen. Swensson schlug auf den deutlich erkennbaren Öffnungsmechanismus, und leise summend glitt der dicke Metallflügel zur Seite. Zu langsam, viel zu langsam, wie er sofort erkannte.

Schon waren die Androiden fast heran. Der Erste Offizier wich zur Seite aus und schlug Haken wie ein fliehender Hase. Im nächsten Moment schmetterte etwas Hartes gegen seinen Kopf. Ein stechender Schmerz raste durch seine Schläfe, vor seinen Augen begann alles zu verschwimmen. Swensson strauchelte. Er tauchte hinab in einen dichten Nebel, der ihn zu ersticken drohte.

Hart wurde er gepackt, zu jenem Tisch in der Mitte des Raumes gezerrt und darauf festgeschnallt. Er fühlte, dass sein rechter Oberarm entblößt wurde, aber er schaffte es nicht mehr, sich zur Wehr zu setzen. Das Zischen einer Hochdruckinjektion war das Letzte, was er bewusst wahrnahm.

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