Mein Weg zum Sprachenlehrer in der DDR - Alltag im "Arbeiter- und Bauern-Paradies"

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Aus der Reihe: gelbe Reihe #102
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Landwirtschaftliche Siedler in Arpshagen bei Klütz ab 1946





Landwirtschaftliche Siedler in Arpshagen bei Klütz ab 1946





Im landwirtschaftlich geprägten Kreis Schönberg kursierten immer häufiger Gerüchte von einer

Bodenreform

 und der Aufsiedlung von Gütern und Großbauernhöfen. Eines Tages, als die Getreideernte bereits eingebracht war, besuchte uns unser alter Bekannter, Bürgermeister Holst aus Tarnewitzerhagen, der uns drei Familien vorschlug, einmal darüber nachzudenken, ob wir nicht auch hier in der Umgebung siedeln wollten: „Gerade weil Sie alle aus der Landwirtschaft kommen und wissen, wie eine Bauernwirtschaft geführt werden muss, ist das für Sie eine reelle Chance, sich eine neue Existenz zu schaffen und hier im Mecklenburgischen Fuß zu fassen. Ich weiß natürlich“, und damit wandte er sich an Tante Else und meine Mutter, „dass ein solches Vorhaben für Sie als Frauen, solange sich Ihre Männer noch in der Kriegsgefangenschaft befinden, eine ganz harte Prüfung werden und Ihnen alles abverlangen wird. Aber denken Sie an Ihre Kinder! Arbeit könnten Sie sonst nur als ungelernte Landarbeiterinnen bekommen.“ Else Lederer bemerkte: „Nein, Scharwerkerinnen (westpreußisch: = Gelegenheitsarbeiterinnen, die zur harter Arbeit herangezogen werden) wollen wir auf keinen Fall werden. Aber wo könnten wir denn Ihrer Meinung nach eine Siedlung übernehmen?“ – „Einige Güter sind schon fast völlig aufgesiedelt, z. B. Grundshagen, Hofzumfelde oder Damshagen. Aber in Rolofshagen, Wichmannsdorf, Goldbeck und Arpshagen sind nach meiner Kenntnis noch Siedlungen frei. Dort gibt es auch sehr guten Boden.“ Rolofshagen zogen die beiden Frauen wegen seiner ungünstigen Lage nicht in Betracht, Wichmannsdorf kam wegen fehlenden Wohnraums und der Entfernung zu Klütz, wohin die Kinder seinerzeit zur Schule gehen müssten, trotz der verlockenden Nähe zum Strand auch nicht in Frage. Als Else und Irmgard Lederer per Fahrrad nach Goldbeck und Arpshagen unterwegs waren, entschieden sie sich sofort für Arpshagen. Dort sahen sie sich im dortigen Gutshaus um, wo die Verlosung der einzelnen Flächen vorgesehen war. Ein Glücksfall war für sie die Begegnung mit Tierarzt Preuß, der im Obergeschoss mehrere Räume bewohnte, aber im Begriff war, in eine Wohnung am Markt in Klütz umzuziehen. Er versprach den beiden Frauen, seine Räume für sie zu blockieren und einiges Mobiliar darin zurückzulassen. Er bat sie aber um Geduld, weil er zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestimmen könnte, wann konkret sein Umzug nach Klütz erfolgen würde. Er würde sie rechtzeitig informieren.



Inzwischen hatte nicht nur die Versiedlung der einzelnen Parzellen in Arpshagen im September längst stattgefunden, ebenso die Feier anlässlich der Bodenreform und das Erntefest auf der geräumigen Tenne des Speichers, wir aber hielten uns immer noch in Oberklütz auf.



Dort war in der Nacht zum 24. Oktober 1945 der Bauer Johann Wieschendorf, der sich vor dem Eindringen marodierender Russen in sein Haus mit einem Knotenstock wehrte, von den Besatzungssoldaten erschossen worden.



Da erreichte uns endlich die Nachricht von Dr. Preuß, am letzten Oktoberwochenende würde er die von ihm bewohnten Räume im Gutshaus frei machen. Damit war nun gesichert, dass das immer wieder ins Gespräch gebrachte Gutsdorf Arpshagen unser nächster Wohnsitz werden würde.



Ein weiteres Mal wurde ich bei der Nennung des Ortsnamens Arpshagen hellhörig: Am 1. Oktober 1945 begann an der Grundschule Klütz nach Kriegsende wieder der Unterricht. Ein Strom von etwa 900 Mädchen und Jungen ergoss sich auf den kleinen Schulhof, der gar nicht alle fasste, sodass sich etliche auf dem Bürgersteig vor der Schule aufhielten. Auf einen derartigen Ansturm war das Schulgebäude gar nicht eingerichtet. Obwohl ich in Schlagenthin bereits den Großteil des zweiten Schuljahrs absolviert hatte, musste ich wieder ganz von vom anfangen. Aber das ging fast allen Flüchtlingskindern so. In dieser zweiten Klasse wechselte ständig der Klassenleiter: Ich begann mit Fräulein Karstädt, es folgte Herr Schünemann, weiter ging es mit Frau Jess, und meine letzte Klassenleiterin war Frau Scheffler, die mir anstelle eines richtigen Zeugnisses auf einem gelben Zettel bestätigte, ich sei „nach Klasse 3 versetzt“ worden.



Was von den Lehrern an der Klützer Schule nie richtig bewältigt wurde, war die ständige Fluktuation der Schüler meiner reinen Jungenklasse. Zu Beginn jeder 1. Stunde kontrollierte Lehrer Schünemann die Anwesenheit, ließ jeden von uns seinen Namen, Geburtstag und Wohnort nennen. Und so erfuhr ich, dass hinter mir mit Günter Goerl, Paul Schulz, Herbert Uecker und Gerhard Reinke, den alle „Schäpper“ nannten, vier weitere Arpshagener saßen. Das war gut zu wissen.





Ereignisse in Arpshagen im Frühjahr 1945



Das Kriegsende im Mai 1945 war für die einheimischen Bewohner des Gutsdorfs Arpshagen ein Ereignis, das ihr Leben unvermittelt völlig veränderte.



Am 3. Mai 1945 besetzten amerikanische Truppen den Klützer Winkel. Sie wurden am 23. Mai hier von Soldaten der britischen Armee abgelöst.



Der Pächter Ludwig Boeck ließ mit Genehmigung der Besatzungsmächte die landwirtschaftlichen Tätigkeiten auf dem Gut von den hier verbliebenen Landarbeitern in bewährter Weise fortsetzen. Er versuchte auch, die Ordnung im Dorf aufrechtzuerhalten und kriminelles Verhalten seiner Bewohner zu unterbinden, indem er dank seiner Autorität gelegentlich ein Machtwort sprach. Das wurde aber dadurch zunehmend schwierig, als in Arpshagen etliche Flüchtlingstrecks aus Hinterpommern, Westpreußen, Schlesien, dem Wartegau und Ostpreußen eintrafen, hier ihre Flucht vor der Roten Armee beendeten und auf einigermaßen menschenwürdige Unterbringung hofften.



Aus Hinterpommern waren gekommen:



die Familien Ziesler, Bansen, Popko, Schulz, Reinke (alle aus Butow, Kreis Saatzig),



die Familien Kirschstein, Kapanusch, Pardun, Wollmann, Scheil (alle aus Seefelde, Kreis Flatow),



die Familie Goerl (aus Neu Zapplin, Kreis Greifenberg),



die Familien Müller, Büch, Sauter (über Oberklütz aus Döberitzfelde, Kreis Deutsch Krone).



Aus Westpreußen kamen:



die Familie Zilch (aus Polichno Hauland, Kreis Wirsitz),



die Familie Braun (Rücksiedler aus Wolhynien),



die Familie Schmidt, Nittel).



Aus Ostpreußen waren



das Ehepaar Raudszus,



die Familie Schreiber,



die Alleinstehende Ida Witt,



die Familie Dreyer (aus Königsberg).



Aus Schlesien kamen:



Familie Pescha (aus Konstadt, Kreis Kreuzburg),



Familie Grzyb (aus Meseritz, Grenzmark).



Aus der Provinz Posen waren



die Familien Schmidt / Wojahn / Sager (aus Karlsruhe, Rogasen).



Die Geschwister Kosbab waren unbekannter Herkunft.



– – –



Ein weiteres Ereignis brachte Aufregung und Unruhe in den Alltag der Arpshagener. In den letzten Apriltagen 1945 war ein Güterzug aus Richtung Grevesmühlen mit Gütern zur Versorgung der Besatzung des Flugplatzes Tarnewitz etwa 30 bis 40 Meter vor dem Bahnübergang Arpshagen / Bothmer in Richtung Kauhkoppelbusch zum Stehen gekommen. Die Lokomotive war sicher nach Grevesmühlen zurückgefahren worden, weil der Zug auf dem Klützer Bahnhof keine Einfahrt erhalten hatte.



Die damalige Arpshagenerin Käte Göwe berichtete: „Es ging in Arpshagen und Klütz herum wie ein Lauffeuer: „Da ist ein Zug auf der Strecke! Da ist allerhand zu holen!“ Da haben wir erst Angst gehabt, aber dann bin ich auch mitgelaufen. Und dann haben sie Waggons aufgemacht. Da waren Sachen drin, in einem nur Pappeimer mit Marmelade. Einer stand im Waggon und hat immer herausgereicht, und dann hab’ ich zum Glück auch einen Marmeladeneimer erhascht...“ In einem Waggon befanden sich Teppiche, in einem weiteren Kleidung für Flugzeugpiloten, u. a. Lederkappen, pelzgefütterte Pilotenstiefel, Lederhandschuhe, Hosen, kurze wattierte Lederjacken, dunkelblaue Wollpullover (Troyer)…



Offensichtlich war nicht nur Käte Göwe, verheiratete Moll, an diesem Beutezug beteiligt. Mitte der Vierzigerjahre habe ich mindestens zwei Angehörige der Familie Frederich in Pilotenkleidung bei der Feldarbeit beobachtet, und noch 1948 bot Frau Andersson meiner Mutter mehrere dieser dunkelblauen Troyer an, die uns Kindern damals aber viel zu groß waren und deshalb von meiner Mutter dankend abgelehnt wurden.



Im Zusammenhang mit dem Abzug der britischen Besatzungssoldaten verließ am 30. Juni 1945 auch der Pächter Ludwig Boeck mit seiner Familie und einigen Angestellten Arpshagen. Er führte nicht nur seinen gesamten Privatbesitz mit nach Niedersachsen, sondern auch einen Großteil der Arpshagener Pferde, die ihm gar nicht gehörten. Auch andere Familien aus Arpshagen verließen seinerzeit das Gutsdorf, Staszinska (nach Klütz), Langhans, Bössow, Buuck, Schreiter, J. Dunkelmann, Faasch (alle mit unbekanntem Ziel).



Ob nun das „einnehmende Wesen“ des ehemaligen Pächters Boeck für die Arpshagener Landarbeiterfamilien ein Vorbild gewesen ist, mag dahingestellt sein. Aber ab 1. Juli bedienten sich einige von ihnen mit zurückgelassenem Mobiliar aus dem Gutshaus Arpshagen, aber auch aus dem Schloss Bothmer.










Foto: Waltershausen





So wechselten wertvolle Tische, Schränke, Betten, Stühle, Kommoden, Sessel, Couches mit dem Aufkleber „Gräflich von Bothmersches Fideikommiss“ in die Wohn- und Schlafzimmer der Arpshagener Landarbeiterkaten. Jeder nahm sich, was er gerade kriegen konnte. Auch als unsere spätere Nachbarin Anna Patynowski nach der Abreise der Familie Boeck feststellte, dass sich in dem kleinen gemauerten Ställchen vor dem Gutshaus noch eine Gans mit mehreren Gösseln befand, hatte sie keine Hemmungen, die Tiere die Straße entlang zu ihrem neuen Wohnsitz in ersten Katen von Klütz aus (vormals Faasch) zu treiben. Ob sie dabei kein schlechtes Gewissen gehabt hätte? „Wieso eigentlich? Das machten doch alle Arpshagener so!“

 





Die Neuverteilung des Wohnraums



Die Neuverteilung des Wohnraums in den vier Katen regelten die Landarbeiter unter sich. Die Familie Staszinska zog in das Gebäude neben dem „Zoll“ in Klütz. Estermanns verließen die „Schnitterkaserne“ und übernahmen Staszinskas Wohnung. In den frei gewordenen Räumen der Familie Langhans fand der Schwiegersohn von Hermann Kaßner, Karl Lüth, mit Frau Frieda und Tochter Edeltraud Unterkunft.



Die Familie Bössow hatte bei ihrem Wegzug die erste Wohnung des zweiten Katens frei gemacht. Dort zog der ehemalige Gutsschäfer Albert Pagel mit Familie ein, und die abgewanderten Familien Buuck und Schurz machten im zweiten Katen Platz für Törbers und Kidschuns.



Einen politischen Hintergrund hatte der Wohnungswechsel zwischen Anderssons und Schröders. Bis Mai 1945 wohnte Familie Erich Schröder im Vogthaus, weil Schröder in der NS-Zeit die Funktion des Vorschnitters innehatte. Er war nur zu diesem Posten gekommen, weil er Mitglied der NSDAP war. Nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes musste er nicht nur sein Amt als Vorschnitter aufgeben, sondern auch die Wohnung im Vogtshaus, in das Anderssons einzogen, nachdem Fritz Andersson neuer Vorschnitter geworden war. Schröders zogen deshalb mehr oder weniger freiwillig in den dritten Katen ein. Die Familie Fuchs mit Schwiegersohn Hubert Hübner übernahm Pagels Wohnung, und Marian Michalowski und Haushälterin Rosa Raczinski zogen aus der „Schnitterkaserne“ in den dritten Katen um.



lm vierten Katen waren die Wohnungen der Familien Faasch und J. Dunkelmann frei geworden. Diese übernahmen nun die Familien Stefan und Heinrich Patynowski, die bis dahin auch in der „Schnitterkaserne“ gewohnt hatten.



Erheblich komplizierter war die Unterbringung der zahlreichen Flüchtlinge. Als Vorschnitter sorgte Erich Schröder für die Familien Nittel, Schulz und Zilch mit Unterstützung des Pächters Boeck für Wohnraum, indem er vier eigene Räume im Vogtshaus frei räumte und einen Nebenraum des Speichers zum provisorischen Bewohnen umfunktionierte.



Fritz Schmidt, dessen Mutter und Schwester Else quartierte er bei Familie Karl Lüth ein.



1944 wurde „eine Wohnbaracke zur Unterbringung ausländischer Arbeiter auf dem Gelände der Gutsverwaltung Arpshagen im Wiesenbereich östlich der Landstraße“ errichtet. Sie stand beim Eintreffen der ersten Flüchtlingswelle leer. Hier zogen das Rentnerehepaar Raudschus, die Alleinstehende Ida Witt, Familie Bruno Grzyb (Bruno, Frau und Kinder Gerhard, Gertrud und Georg, „Jorke“), Familie Schreiber (Fritz, Mutter, zwei Töchter) und Franz Ziesler mit Ehefrau, Stieftochter...Remus, Kindern Heinz, Else und Herta ein.



Anna Bansen mit Tochter Anneliese und Sohn Werner wurden in das Obergeschoss der „Burg“, des Landarbeiterwitwenhauses an der Straße nach Bothmer, eingewiesen.



Da Familie Karl Staszinska die letzte Wohnung im dritten Katen verlassen hatte und nach Klütz gezogen war, zogen nach ihrer Ankunft in Arpshagen die Familien Wilhelm Popko mit Ehefrau und Sohn Bernhard (*01.01.1931; †22.01.2015) sowie Hermann Reinke mit Ehefrau Anna, Töchtern Annemarie (*22.10.1926; †05.03.2012), Erika (*24.01.1938), Sohn Gerhard (*28.06.1936; †1989), Schwiegermutter und Schwägerin in die unbewohnten Räume ein.



Leer stand auch die „Schnitterkaserne“, aus der Michalowski / Raczinski, Estermann und Familien Patynowski ausgezogen waren. Im oberen Stockwerk richteten sich Familie Wilhelm Wollmann mit Ehefrau, Sohn Manfred (*l944), Schwiegereltern Kirschstein und Neffen Gustav Redemann (*25.04.1933; †04.11.2012) wohnlich ein, im Erdgeschoss rechts Familie Max Kirschstein mit Ehefrau Marie, Sohn Rudolf „Rudi“ (*0l.07.l939); †; Töchtern Ursula und Inge, im Erdgeschoss rechts Familie Josef Braun (*26.08.1897; † 25.01.1976), Ehefrau Susanna (27.0l.l902; † 05.08.1983), Töchter Marianna (†) und Anna sowie Frau Scheil mit zwei Jungen im Vorschulalter (einer davon wurde „Hase Scheil“ genannt.)



Als der Verwalter Boeck das Gutshaus in den letzten Junitagen 1945 zusammen mit einem Teil seiner Angestellten räumte, übernahm die Familie Otto Albrecht (Ehefrau, Sohn Hans-Ulrich *20.06.1933; †28.06.2008, Tochter Ilse Marie *19.03.1935 im Erdgeschoss umgehend die ehemaligen vier Privaträume der Verwalterfamilie.



Im Nordwestflügel des Obergeschosses hatte Verwalter Boeck dem Tierarzt Dr. Preuß einige Zimmer überlassen.



In zwei kleinen Räumen mit Gaubenfenstern war Frau Hildegard Dreyer mit ihren drei Töchtern Sieglinde (* 1939), Gabriele, „Gabi“ (*17.08.1940) und Sabine „Bienchen“ (*13.11.1943) untergekommen, im Zimmer daneben Familien Büch (Mutter Natalie, Sohn Albert *31.03.1918; †14.09.2003) und Sauter (Mutter Ida, Sohn Horst *1935, Tochter Elfriede „Friedel“ *17.11.1939).



Im Südflügel des Obergeschosses hatte die Großfamilie Schmidt (Mutter Margarete, „Rittergutsbesitzerwitwe“, mit Töchtern Frieda, Margarete („Grete“), Elisabeth, Erna Wojahn, „Gitta“ Sager, Schwiegersohn Sager, Enkeln Peter Sager und Karl-Heinz Wojahn (*15.01.1943) sowie Gespannführer Erhard Pohl drei Zimmer bezogen.



Familie Goerl / Pieper (Mutter Margarete, Tochter Ellen (*25.03.l936), Söhne Günter (*14.07.1937) und Hans-Jörg (*1940; †1956) nutzte als einzige neben dem Wohn-Schlaf-Zimmer eine funktionstüchtige Küche.



Im Eckzimmer daneben über der Waschküche wohnte Familie Philipp Müller sen. (Ehefrau, Töchter Else und Hilde, Enkel Eberhard-Heinz Hellwig).








Das Gutshaus in Arpshagen – Rückseite



Im Erdgeschoss wurden zunächst aus für mich völlig unverständlichen Gründen das Wohnzimmer und der Salon des ehemaligen Pächters sowie sein großes Speisezimmer für jeglichen Zuzug blockiert. Dagegen wurde Anna Kapanusch mit ihren drei Kindern Paul (*1937, †), Bernhard (*1939 †) und Hannelore „Hanni“ (*1943 +) zugemutet, in einem Kellerraum zu hausen. Das Gutsbüro blieb als solches erhalten. Im Zimmer gegenüber der Küche lebten Georg Manthey und zwei ehemalige Soldaten der Deutschen Wehrmacht.



In dem Raum zwischen Büro und Mantheys Zimmer hatte sich Frau Pardun mit ihren Kindern Elsbeth (*07.10.1937), Rosemarie (*1939), Hans-Jürgen (*04.02.1941; †), Karl-Heinz und Burkhard sowie ihrer Schwester einquartiert.



Zu diesem Zeitpunkt wohnten die Familien Klopp, Philipp Müller jun., Glass, Wohlfeil, Else Lederer und Irmgard Lederer noch nicht im Gutshaus.



Bei den einheimischen Arpshagenern fanden Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten grundsätzlich nur dann Aufnahme, wenn es sich um Verwandte, Bekannte oder Freunde handelte. So erhielt die Familie Pescha aus Konstadt in Oberschlesien, Vater Wilhelm (*19.06.1897; †07.12.1959), Mutter Beate geb. Estermann (*26.02.1905; †13.04.l959), Töchtern Ruth und Inge (*10.06.1936) Unterkunft bei Robert Estermann, dem Bruder von Beate Pescha. Marian Michalowski nahm den Bruder seiner Haushälterin, Josef Raczinski, und dessen Kinder Heinz und Inge auf, Albert Pagel die Verlobte seines Stiefsohns Willi Burmeister und zeitweilig deren Bruder Heinz Kosbab, beide unbekannter Herkunft.



Trotz dieser ungewöhnlich großen Zahl an Hausbewohnern, die hier auf engstem Raum zusammen wohnten, deren Herkunft, Temperament, Lebensgewohnheiten sehr unterschiedlich waren, eskalierten Konflikte zwischen den einzelnen Familien recht selten. Ich kann mich nur an einen Fall erinnern, als ein etwa siebenjähriges Mädchen in höchster Bedrängnis seine Notdurft in einem Sauerkrautfass verrichtete, das seine Besitzer auf dem Kellergang abgestellt hatten. Das sorgte einige Tage lang für Aufsehen.



Grundsätzlich war das ganze Gutshaus tagsüber von unbeschreiblichem Lärm erfüllt, von Kindergeschrei, von lautem Gebrüll, von den Auseinandersetzungen zwischen Familienmitgliedern, die mitunter zornig und schrill geführt wurden. Sie waren durch die dünnen Wände ebenso vernehmbar wie das heftige Schluchzen, das verhaltene Weinen und das leise Wimmern. Aber niemand behelligte die Nachbarn mit seinen Sorgen und Schwierigkeiten.



Von dem Wenigen, was diese Flüchtlinge besaßen, wurde nichts gestohlen oder absichtlich beschädigt. Im Gegenteil, man half einander, soweit das möglich war, nahm Rücksicht aufeinander, insbesondere bei der Nutzung der Waschküche für die große Wäsche oder das Kochen von Rübensirup. Niemand beneidete den anderen wegen eines unbedeutenden Vorteils.



So gab Georg Manthey, der nicht imstande war, seine Kuh zu melken, meiner Mutter täglich die Milchmenge für uns Kinder ab, die über sein Ablieferungssoll hinaus übrig blieb, dafür dass sie ihm das Melken abnahm, während unsere Kuh trockenstand.



Andererseits sah Irmgard Lederer wie selbstverständlich nach den drei Mädchen von Hildegard Dreyer, die ihre Kinder wiederholt allein in der Wohnung zurückließ, während sie in Klütz ihren persönlichen Vergnügungen nachging. Sie gab den M�