Kaiser und Galiläer

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Julian. Das war Scherz – Redeübung –

Der Weisheitslehrer. Was hat nicht Mardonios von ihm aufgezeichnet? Und dann Hekebolios? Welche Kunst lag nicht schon in der Rede des Knaben, – welche Schönheit, welche Anmut in der Gedanken leichtem Spiel!

Julian. Und Dich deucht –?

Der Weisheitslehrer. Ja, – wohl könnte er uns ein Gegner werden, den wir fürchten ebenso wie ersehnen müßten. Was fehlt ihm, um eine so ehrenvolle Höhe zu erreichen? Braucht er denn nicht bloß dieselbe Schule durchzugehen, die Paulus durchging, und zwar so unbeschadet, daß er sich später den Galiläern anschließen konnte, heller leuchtend als die andern Bekenner zusammengenommen, weil er Weisheit hatte und Beredsamkeit! Hekebolios fürchtet für den Glauben seines Schülers. O, ich weiß recht wohl: von ihm geht es aus. Aber vergißt er denn, dieser ungemein gewissenhafte Mann, daß er selbst in seiner Jugend aus den Quellen getrunken hat, die er jetzt seinem Schüler verstopfen will? Oder hat er nicht etwa bei uns gelernt, die Waffe der Sprache zu gebrauchen, die er mit so hochgepriesener Fertigkeit jetzt gegen uns schwingt?

Julian. Wahr, unstreitig wahr!

Der Weisheitslehrer. Und was für Gaben besitzt denn dieser Hekebolios im Vergleich zu den Fähigkeiten, die so wunderbar in jenem fürstlichen Knaben sich offenbarten, der, wie es heißt, in Kappadocien, auf den Gräbern der hingerichteten Galiläer eine Lehre verkündete, die ich für irrig halte, und die deshalb um so schwerer Eingang findet, die er aber doch mit solcher Verzücktheit des Geistes kündete, daß sich – wenn ich einem weit verbreiteten Gerüchte glauben darf – viele Knaben seines Alters ihm anschlossen und ihm als Lehrlinge folgten! Ah, Hekebolios ist wie Ihr andern – mehr selbstsüchtig als eifersüchtig. Darum hat Libanios vergebens gewartet.

Julian packt ihn am Arm. Was hat Libanios gesagt? Bei Gott, ich beschwöre Dich, laß es mich wissen!

Der Weisheitslehrer. Das alles, was Du eben gehört hast. Und er hat noch mehr gesagt. Er hat gesagt: Seht, jener fürstliche Galiläer – er ist der Achilleus des Geistes.

Julian. Achilleus! Leiser. Der Traum meiner Mutter!

Der Weisheitslehrer. Dort in den offenen Lehrsälen wogt der Kampf. Licht und Freude ist über dem Streit und den Streitenden. Des Wortes Pfeile schwirren; des Witzes scharfes Schwert zischt in der Schlacht; die seligen Götter sitzen lächelnd in der Wolke –

Julian. Weiche von mir mit Deinem Heidentum!

Der Weisheitslehrer. – und die Helden kehren heim in das Lager, Arm in Arm, ohne Groll, mit flammenden Wangen – das Blut rollt schwellend durch alle Adern – mit der Beute der Erkenntnis und mit Laub um die Stirn. Ha, wo ist Achilleus? Ich sehe ihn nicht. Achilleus ist zornig –

Julian. Achilleus ist unglücklich! – Aber kann ich es glauben! O, sag' mir – mir schwindelt – all das hat Libanios gesagt?

Der Weisheitslehrer. Warum ist Libanios nach Konstantinopel gekommen? Kam er aus einem anderen Grunde, als um die ehrende Freundschaft eines sicheren Jünglings zu suchen?

Julian gespannt. Sag' die Wahrheit! Nein, nein, das kann nicht wahr sein. Wie paßt das zu all dem Hohn und Spott, den –? Man verhöhnt doch nicht den, dessen Freundschaft man sucht.

Der Weisheitslehrer. Galiläerränke, um eine Mauer von Haß und Zorn zwischen den beiden Kämpen aufzutürmen!

Julian. Du willst doch nicht bestreiten, daß es Libanios war –?

Der Weisheitslehrer. Ich bestreite alles – vom ersten bis zum letzten Wort.

Julian. Die Spottlieder sollten nicht von ihm kommen?

Der Weisheitslehrer. Nicht ein einziges – sie sind alle zusammen im Kaiserschlosse entstanden und sind unter seinem Namen verbreitet worden –

Julian. Ah, was sagst Du da?

Der Weisheitslehrer. Was ich vertreten will vor jedermann. Du hast eine scharfe Zunge; – wer weiß, ob nicht Du selbst –

Julian. Ich! – Aber darf ich das glauben? Libanios sollte sie nicht geschrieben haben? Kein einziges?

Der Weisheitslehrer. Nein, nein!

Julian. Nicht einmal das schändliche Gedicht vom Atlas mit den schiefen Schultern?

Der Weisheitslehrer. Nein, nein, sag' ich Dir.

Julian. Auch nicht jenen albernen und höchst unverschämten Vers vom Affen im Hofgewand?

Der Weisheitslehrer. Haha – das ist in der Kirche und nicht im Lehrsaal geschrieben worden. Du glaubst es nicht? Ich sage Dir, es ist Hekebolios –

Julian. Hekebolios!

Der Weisheitslehrer. Ja, Hekebolios! Hekebolios selbst, um Böses zwischen seinen Feind und seinen Jünger zu säen. –

Julian mit geballten Händen. Ha, wenn dem so wäre!

Der Weisheitslehrer. Hätte der verblendete und betrogene Jüngling uns Weisheitsfreunde gekannt, so hätte er nicht so hart an uns gehandelt.

Julian. Wovon sprichst Du?

Der Weisheitslehrer. Jetzt ist es zu spät – Leb' wohl, Herr! Er will gehen.

Julian faßt seine Hand. Freund und Bruder – wer bist Du?

Der Weisheitslehrer. Ein Mann, der traurig ist, weil er das Gottgeborene sieht untergehen.

Julian. Was nennst Du das Gottgeborene?

Der Weisheitslehrer. Das Ungeschaffene im Wechselnden.

Julian. Mir ebenso dunkel.

Der Weisheitslehrer. Es gibt eine ganze herrliche Welt, für die Ihr Galiläer blind seid. Da ist das Dasein ein Fest inmitten Bildsäulen und unter Tempelgesängen, mit vollen schäumenden Schalen und mit Rosen im Haar. Zauberhafte Brücken spannen sich zwischen Geist und Geist, bis zu den fernsten Lichtern im Raum –. Ich kenne ihn, der Herrscher in diesem großen sonnigen Reiche sein könnte –

Julian bang. Ja, mit dem Verlust der Seligkeit!

Der Weisheitslehrer. Was ist Seligkeit? Wiedervereinigung mit dem Ursprung.

Julian. Ja, in der Bewußtheit des Lebens; Wiedervereinigung für mich, als den, der ich bin!

Der Weisheitslehrer. Wiedervereinigung wie die des Regentropfens mit dem Meere, wie die des welken Laubes mit der Erde, die es reifte.

Julian. O, hätte ich Wissen! Hätte ich Waffen, sie gegen Dich zu erheben!

Der Weisheitslehrer. Hol' Dir Waffen, junger Mann! Der Lehrsaal ist ein Fechtsaal der Gedanken und Gaben –

Julian zurückweichend. Ah!

Der Weisheitslehrer. Sieh die frohen Jünglinge dort! Es sind Galiläer unter ihnen. Irrtümer in den göttlichen Dingen verursachen keinen Zwist unter uns. – Leb' wohl! Ihr Galiläer habt die Wahrheit heimatlos gemacht. Schau' her, wie wir den Schicksalsschlag ertragen. Sieh uns, wir kränzten unsere erhobenen Stirnen mit Laub. So ziehen wir von dannen – die Nacht uns verkürzend mit Gesang und Helios erwartend.

Er steigt die Treppe hinab, wo die Schüler auf ihn gewartet haben; darauf hört man das Boot mit ihnen fortrudern.

Julian blickt lange über das Wasser hin. Wer war der rätselhafte Mann?

Agathon kommt näher. Hör' mich, Julian –!

Julian in lebhafter Bewegung. Er hat mich verstanden. Und Libanios selbst; der große, unvergleichliche Libanios! Denk Dir, Agathon, Libanios hat gesagt –. Wie scharf muß doch das heidnische Auge sein!

Agathon, Glaub' mir, es war ein Werk des Versuchers!

Julian ohne auf ihn zu achten. Ich halte es nicht länger aus unter diesen Menschen. Von ihnen also kamen jene abscheulichen Spottlieder! Hier werde ich verhöhnt; sie lachen hinter meinem Rücken; hier glaubt niemand an das, was ich in mir trage. Sie gehen mir nach; sie machen sich lustig über meine Gebärden und meine Rede; Hekebolios selbst –! Ich fühle es, Christus weicht von mir; ich werde schlecht hier.

Agathon. Du weißt es nicht, – gerade Du bist besonders begnadet –

Julian geht an der Balustrade auf und ab. Mit mir möchte Libanios kämpfen. Welch seltsamer Wunsch! Libanios hält mich für seinesgleichen. Auf mich wartet er –

Agathon. Höre und gehorche – Christus wartet auf Dich.

Julian. Freund, was meinst Du?

Agathon. Das Gesicht, das mich nach Konstantinopel getrieben hat –

Julian. Jawohl, ja, das Gesicht, – das hätte ich beinahe vergessen. Eine Offenbarung – sagtest Du nicht so? Erzähle, erzähle!

Agathon. Es war daheim in Kappadocien vor einem Monat oder noch etwas früher. Da kam das Gerücht auf, daß die Heiden wieder begonnen hätten, heimliche Zusammenkünfte im Tempel der Kybele nächtens abzuhalten –

Julian. Die Tollkühnen! Es ist ihnen ja streng verboten –

Agathon. Auch erhoben sich alle Gläubigen im Zorn. Die Obrigkeit ließ den Tempel niederlegen, und wir zerschlugen die anstößigen Götzenbilder. Ja, die Eifrigeren unter uns wurden vom Geist des Herrn noch weiter getrieben. Unter Psalmengesang, mit heiligen Fahnen an der Spitze, zogen wir durch die Stadt und fielen gleich Sendboten des Zornes über die Gottlosen her; wir nahmen ihnen ihre Kostbarkeiten weg; viele Häuser wurden in Brand gesteckt; viele Heiden kamen im Feuer um; und noch mehr Flüchtlinge machten wir in den Straßen nieder. O, es war eine große Stunde zu Gottes Ehren!

Julian. Und –? Das Gesicht, mein Agathon?

Agathon. Drei volle Nächte und Tage war der Herr der Rache mächtig in uns. Aber dann konnte die Gebrechlichkeit des Fleisches nicht länger Schritt halten mit dem Eifer des Geistes, und wir gaben die Verfolgung auf. – Ich lag auf meinem Lager; ich konnte weder schlafen noch wachen. Es war mir, als wäre ich inwendig hohl, und es wäre der Geist von mir gewichen. Ich lag im Fieberbrand; ich riß mir die Haare aus, ich weinte, ich betete, ich sang – ich weiß nicht mehr, wie es war –. Da, mit einem Male, sah ich vor mir an der Wand ein weiß erstrahlendes Licht, und in des Lichtes Schimmer stand ein Mann in einem Mantel, der ihm zu den Füßen herniederwallte. Strahlen gingen von seinem Haupt aus; er hielt ein Schilfrohr im Arm und heftete seine Augen mild auf mich.

 

Julian. Das sahst Du?

Agathon. Das sah ich. Und dann sprach er und sagte: Steh auf, Agathon; such' ihn, der das Reich erben soll; gebiete ihm, in die Höhle zu gehen und mit den Löwen zu ringen.

Julian. Mit den Löwen zu ringen? Seltsam, seltsam! Wenn es wahr wäre –! Die Begegnung mit jenem Weisen –. Eine Offenbarung – eine Botschaft an mich – ich sollte der Mann der Erwählung sein?

Agathon. Du bist es gewißlich.

Julian. Mit den Löwen ringen! – Ja, ich sehe es – so ist es, mein Agathon! Es ist Gottes Wille, daß ich Libanios aufsuche, –

Agathon. Nein, nein, hör' mich zu Ende!

Julian. – ihm ablausche seine Künste und seine Gelehrtheit, die Ungläubigen fälle mit ihren eigenen Waffen, wie Paulus – streite, streite wie Paulus – wie Paulus siege in des Herrn Sache!

Agathon. Nein, nein, nicht so ist es gemeint.

Julian. Kannst Du zweifeln? Libanios, – ist er nicht gewaltig wie der Löwe des Gebirges, und ist nicht der Lehrsaal –?

Agathon. Ich sage Dir, es ist nicht so. Denn die Erscheinung fügte hinzu: Verkünde dem Erkorenen, er soll den Staub der Kaiserstadt von seinen Füßen schütteln und nicht wieder durch ihre Tore eingehen.

Julian. Und bist Du dessen gewiß, Agathon?

Agathon. Ja, wie meiner selbst.

Julian. Also nicht hier. Mit den Löwen soll ich ringen? Wo, wo? Wo find' ich Klarheit in dieser Sache!

Gallos, ein schöner, kräftig gebauter Mann von fünfundzwanzig Jahren, mit blondem, lockigem Haar, in voller Rüstung, kommt durch die Allee links.

Julian ihm entgegen. Gallos!

Gallos. Was soll's? Zeigt auf Agathon. Wer ist der Mensch?

Julian. Agathon.

Gallos. Was für ein Agathon? Du suchst Umgang mit so mancherlei Volk –. Bei Gott, das ist ja der Kappadocier! Du bist ein ganzer Mann geworden –

Julian. Weißt Du schon, Gallos, – der Kaiser hat nach Dir gefragt.

Gallos gespannt. Jetzt? Zur Nachtzeit?

Julian. Jawohl. Er will mit Dir sprechen. Er schien äußerst zornig zu sein.

Gallos. Woher weißt Du das? Was hat er gesagt?

Julian. Ich habe es nicht verstanden. Er wollte wissen, was ein Orakel geantwortet habe.

Gallos. Ah!

Julian. Verbirg mir nichts. Was gilt es?

Gallos. Es gilt Tod oder Verbannung.

Agathon. Gnädiger Heiland!

Julian. Ahnte ich es nicht! Aber nein, die Kaiserin war zuversichtlich. Doch sprich, sprich!

Gallos. Was soll ich sagen? Weiß ich mehr als Du? Hat der Kaiser etwas von einem Orakel geredet, so muß ein gewisser Bote abgefangen sein, oder es hat mich einer verraten, –.

Julian. Ein Bote? Gallos, was hast Du gewagt!

Gallos. Konnte ich denn länger dies Leben in Ungewißheit und Angst leben? Laß ihn mit mir machen, was er will, – immer noch besser so als –

Julian leise; führt ihn einige Schritte abseits. Sei auf der Hut, Gallos! Was ist mit dem Boten?

Gallos. Ich habe an die Osirispriester zu Abydos eine Frage gerichtet –

Julian. Ah! Das Orakel! Und dieser Heidenbrauch –!

Gallos. Über den Heidenbrauch würde man sich schon hinwegsetzen; aber – nun, Du darfst es wissen – ich habe nach dem Ausfall des Perserkrieges gefragt –

Julian. Welch ein Wahnwitz! – Gallos, – ich sehe Dir an, Du hast noch mehr gefragt!

Gallos. Laß mich – ich habe nicht –

Julian. Doch, doch, Du hast eines mächtigen Mannes Leben oder Tod erfragt!

Gallos. Und wenn dem so wäre! Was liegt uns beiden mehr am Herzen als das?

Julian rüttelt ihn an den Armen. Schweig, Du Rasender!

Gallos. Bleib mir vom Leibe! Krieche Du vor ihm wie ein Hund; – ich bin nicht gesonnen, es länger zu ertragen. Ich will es auf allen Märkten ausschreien. Ruft Agathon zu: Hast Du ihn gesehen, Kappadocier? Hast Du den Mörder gesehen?

Julian. Gallos! Bruder!

Agathon. Den Mörder!

Gallos. Den Mörder im Purpurmantel! Den Mörder meines Vaters, meiner Stiefmutter, meines ältesten Bruders –

Julian. Du rufst Verderben über uns herauf!

Gallos. Elf Häupter in einer einzigen Nacht – elf Leichen – unser ganzes Geschlecht. Aber Du kannst glauben, das Gewissen foltert ihn. Es durchwühlt ihm das Mark wie ein Haufe Würmer.

Julian. Hör' nicht auf ihn! Fort, fort!

Gallos packt Julian an der Schulter. Steh! Du siehst so bleich und verstört aus – hast Du mich vielleicht verraten?

Julian. Ich! Dein eigener Bruder –!

Gallos. Was Bruder, Bruder! Die Bruderschaft schützt keinen in unserer Sippe. Hast Du heimlich meinen Wegen nachgespürt, so sag' es! Wer sollte es sonst sein? Glaubst Du, ich weiß nicht, was man sich hier zuraunt? Der Kaiser will Dich ja wohl zum Nachfolger haben.

Julian. Niemals! Ich schwöre Dir, geliebter Gallos, niemals soll das geschehen! Ich will nicht. Ein Stärkerer hat mich erkoren. O, glaub' mir, Gallos – mein Weg ist vorgezeichnet. Dahin gehe ich nicht, sage ich Dir. Herr der Heerscharen, – ich auf dem Kaiserthron – nein, nein, nein!

Gallos. Haha, gut gespielt, Gaukler!

Julian. Ja, Du hast leicht spotten. Du weißt nicht, was geschehen ist. Ich weiß es selbst kaum. O, Agathon, – dieses Haupt sollte die Salbung empfangen?! Wäre das nicht ein Abfall, – eine Todsünde? Würde nicht das heilige Öl des Herrn mich brennen wie träufelndes Blei?!

Gallos. Da müßte unser hoher Vetter noch kahler sein als Julius Cäsar!

Julian. Versündige Dich nicht! Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist –

Gallos. Das Blut meines Vaters – Deines Vaters und Deiner Mutter –!

Julian. Was wissen wir von jenen Greueln? Wir waren ja damals noch klein. Die meiste Schuld hatten die Soldaten – das waren die Aufrührer – die bösen Ratgeber –

Gallos lacht. Der Nachfolger übt sich!

Julian in Tränen. Gallos, ich möchte sterben oder mich verbannen lassen an Deiner Statt! Ich verwirke meine Seele hier. Ich sollte verzeihen – und ich kann nicht. Das Böse wächst in mir – Haß und Rache flüstern –

Gallos schnell, blickt nach der Kirche. Da kommt er!

Julian. Sei besonnen, teurer Bruder! Ah, Hekebolios!

Die Kirchentür ist unterdessen geöffnet worden. Die Gemeinde strömt heraus. Einige entfernen sich, andere bleiben stehen, um den Hof vorbeiziehen zu sehen. Unter den Kommenden ist Hekebolios, der Schriftgelehrte; er trägt priesterliche Kleidung.

Hekebolios, indem er nach links vorübergehen will. Du hier, mein Julian? Ach, ich habe wieder eine schwere Stunde gehabt um Deinetwillen.

Julian. Leider –. Das hast Du gewiß nur allzu oft.

Hekebolios. Christus zürnt mit Dir, mein Sohn. Dein trotziger Sinn verdrießt ihn; Deine lieblosen Gedanken, diese ganze weltliche Eitelkeit –

Julian. Ich weiß es, mein Hekebolios! Du sagst es mir so oft.

Hekebolios. Jüngst erhob ich mich im Gebet für Deine Besserung. O, es war, als ob unser sonst so gnadenreicher Erlöser es zurückwiese, – als ob er kein Ohr für mich habe – er mengte Tand in meine Gedanken und lenkte sie ab –

Julian. Du hast für mich gebetet? O, du liebereicher Hekebolios, – Du betest selbst für uns unvernünftige Tiere – das heißt, wenn wir in Hoftracht gehen.

Hekebolios. Was sagst Du da, mein Sohn?

Julian. Hekebolios, wie konntest Du jenes Schmähgedicht schreiben?

Hekebolios. Ich! Ich schwöre Dir bei allem, was hoch und heilig ist –

Julian. Es steht in Deinen Augen, daß Du lügst. Ich weiß mit voller Gewißheit, Du hast es geschrieben. Wie konntest Du es schreiben, frage ich, – und noch dazu in des Libanios Namen?

Hekebolios. Nun wohl, Du innig Geliebter, da Du es weißt, so –

Julian. Ah, Hekebolios! Lug und Trug und Falschheit –

Hekebolios. Sieh, mein Teurer, so heiß liebe ich Dich! Alles kann ich für des Mannes Seele tun, den der Herr einmal salben soll. Habe ich betrogen und gelogen aus Sorge um Dich, so weiß ich, daß ein gnädiger Gott wohlgefällig auf mein Werk herniedergeschaut und billigend seine Hand darüber gehalten hat.

Julian. Ich Blinder! Laß mich diese meineidige Hand drücken –

Hekebolios. Der Kaiser!

Kaiser Konstantios mit seinem gesamten Gefolge kommt aus der Kirche. Agathon ist bereits während des Vorhergehenden zurückgetreten in das Gebüsch rechts.

Konstantinos. O, dieser süße Himmelsfrieden über mir!

Eusebia. Du fühlst Dich gestärkt, mein Konstantios?

Konstantinos. Ja, ja! Ich sah die Taube leibhaftig auf mich herniederschweben. Sie nahm alle Sündenlast mit fort. – Jetzt darf ich viel wagen, Memnon!

Memnon leise. Wag' es gleich, Herr!

Konstantinos. Da stehen die beiden! Er geht ihnen entgegen.

Gallos greift unwillkürlich nach dem Schwert und ruft ängstlich: Tu mir nichts zuleide!

Konstantinos mit ausgestreckten Armen. Gallos! Bruder! Er umarmt und küßt ihn. – Sieh, im Sternenlicht der Osternacht erwähle ich den, der meinem Herzen nahe steht. – Beugt Euch alle zur Erde. Grüßt ihn, den Cäsar Gallos! Allgemeines Erstaunen im Gefolge; man vernimmt unwillkürliche Ausrufe.

Eusebia aufschreiend. Konstantios!

Gallos betäubt. Cäsar!

Julian. Oh! Er greift, wie in Freude, nach den Händen des Kaisers.

Konstantinos schlägt abwehrend nach ihm. Komm mir nicht zu nahe! Was willst Du? Ist nicht Gallos der ältere? Welche Hoffnung hast Du Dir gemacht? Welche Gerüchte hast Du in Deinem verblendeten Hochmut –? Fort, fort!

Gallos. Ich – ich Cäsar!

Konstantinos. Mein Erbe und mein Nachfolger. In drei Tagen gehst Du zu dem asiatischen Heer. Der Perserkrieg liegt Dir ja sehr am Herzen –

Gallos. O, mein gnädigster Herr –!

Konstantinos. Dank' mir durch Taten, teurer Gallos! König Sapores steht westlich vom Euphrat. Ich weiß ja, wie besorgt Du um mein Leben bist; darum setze alles daran, ihn zu schlagen. Er wendet sich um, nimmt Julians Haupt in beide Hände und küßt ihn. Und Du, Julian, frommer Freund und Bruder, – es mußte so sein.

Julian. Des Kaisers Wille sei gesegnet!

Konstantinos. Keine Wünsche! – Doch höre – ich habe auch an Dich gedacht. Wisse, Julian, jetzt kannst Du frei atmen in Konstantinopel –

Julian. Ja, gelobt sei Christus und der Kaiser!

Konstantinos. Du weißt schon? Wer hat es Dir gesagt?

Julian. Was, Herr?

Konstantinos. Daß Libanios verbannt worden ist.

Julian. Libanios – verbannt!

Konstantinos. Ich habe ihn nach Athen verbannt.

Julian. Ah!

Konstantinos. Dort unten liegt das Schiff; er fährt diese Nacht.

Julian leise. Ihn selbst – ihn selbst.

Konstantinos. Du hast es ja lange gewünscht. Ich habe Dir bisher nicht nachgeben können – aber jetzt – nimm es als geringen Ersatz an, mein Julian –

Julian ergreift rasch seine Hand. Herr, gewähre mir noch eine Gnade!

Konstantinos. Fordere alles, was Du willst.

 

Julian. Laß mich nach Pergamon. Du weißt, der alte Aedesios lehrt dort –

Konstantinos. Ein höchst seltsamer Wunsch. Du unter den Heiden –?

Julian. Aedesios ist nicht gefährlich; er ist ein hochsinniger Greis und dabei gebrechlich –

Konstantinos. Und was willst Du von ihm, Bruder?

Julian. Ich will lernen, mit den Löwen ringen.

Konstantinos. Ich verstehe Deinen frommen Gedanken. Und Du fürchtest Dich nicht, – Du glaubst Dich stark genug –?

Julian. Gott der Herr hat mich mit lauter Stimme gerufen. Gleich Daniel gehe ich ruhig und freudig in die Löwengrube.

Konstantinos. Julian!

Julian. In dieser Nacht warst Du selbst sein Werkzeug, ohne es zu wissen. O, laß mich gehen, die Welt zu läutern.

Gallos leise zum Kaiser. Willfahr ihm, Herr; es wird ihn hindern, auf größere Dinge zu sinnen.

Eusebia. Ich bitte Dich, Konstantios, – gib dieser heißen Sehnsucht nach!

Hekebolios leise. Erhabener Kaiser, laß ihn nach Pergamon. Ich gebe es auf, ihn hier zu meistern, – und jetzt liegt ja auch nicht so viel daran –

Konstantinos. Wie sollte ich Dir in dieser Stunde etwas abschlagen? Geh mit Gott, Julian!

Julian küßt ihm die Hände. O, Dank – Dank!

Konstantinos. Und nun zum Freudenmahl! Mein kapuanischer Koch hat einige neue Fastenspeisen erfunden, – Karpfenrücken in Chioswein und –. Auf denn! – Du, Cäsar Gallos, als der nächste nach mir! Der Zug setzt sich in Bewegung.

Gallos. Helena, welch wunderbare Wandlung!

Helena. Gallos, jetzt tagt es über unserer Hoffnung!

Gallos. Ich kann es kaum glauben! Wer ist schuld daran?

Helena. Still!

Gallos. Du, Geliebte? Oder wer – wer?

Helena. Memnons spartanischer Hund.

Gallos. Wie?

Helena. Memnons Hund. Julian hat ihm einen Fußtritt gegeben, und das fordert Rache.

Konstantinos. Warum so schweigsam, Eusebia?

Eusebia leise, unter Tränen. Konstantios, – daß Du so wählen konntest!

Konstantinos. Elf Schatten verlangten es.

Eusebia. Weh uns – das beschwört nicht die Schatten.

Konstantinos ruft: Flötenspieler! Warum schweigen die Schurken? Blast, blast!

Alle, außer Julian, links ab; Agathon tritt zwischen den Bäumen hervor.

Julian. Gallos sein Nachfolger – und ich – frei, frei, frei!

Agathon. Wundersam hat sich des Herrn Ratschluß offenbart.

Julian. Du hast gehört, was hier vor sich ging?

Agathon. Alles!

Julian. Und morgen, mein Agathon, morgen nach Athen!

Agathon. Nach Athen? Du gehst doch nach Pergamon?

Julian. Pst! Du weißt nicht, – wir müssen listig sein wie Schlangen. Zuerst nach Pergamon, – und dann nach Athen!

Agathon. Leb' wohl, mein Freund und Herr!

Julian. Folgst Du mir, Agathon?

Agathon. Das kann ich nicht. Ich muß heim; ich habe für meinen kleinen Bruder zu sorgen.

Julian an der Balustrade. Da lichten sie die Anker. Guten Fahrwind, Du beschwingter Löwe! Achilleus folgt im Wasser Deines Kieles. Er ruft mit gedämpfter Stimme: Ah!

Agathon. Was war das?

Julian. Da ist ein Stern gefallen.