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Aus der Reihe: Konkrete Liturgie
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Mk 13,33–37

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Eigentlich bin ich ziemlich müde. Müde vom Novemberdunkel, müde von Nachrichten über Krieg, Flucht und Katastrophen. Und oft schlafe ich schlecht und träume wild. Mal wieder die ganze Nacht durchschlafen, wie schön wäre das! Wenn ich daran denke, tut es mir weh, dieses „Wach bleiben“.

Wozu wachen? Worauf warten? Glauben Sie wirklich, dass Gott in diesem Advent kommt? Oder Jesus?

Und doch können wir ohne dieses Wachen und Warten nicht leben. Sind Sie jemals zufrieden? Gesättigt? Sind wir nicht tot, wenn wir nicht mehr geweckt werden? Sind wir nicht tot, wenn wir uns abfinden mit dem, was ist? Ist nicht jeder Atemzug ein Hoffen auf das, was kommt? Sind nicht unsere Wünsche nur die Oberfläche von Wünschen, die tiefer liegen? Wenige haben dieses innere Warten so einfühlsam beschrieben wie die Benediktinerin Silja Walter in ihrem „Gebet des Klosters am Rand der Stadt“.

Wir laden Sie ein, Auszüge aus diesem Text zu hören. Wir werden nach jeder Strophe eine Stille halten, um uns selbst besser wahrzunehmen. Bei der letzten Strophe sind Sie eingeladen, in das gesummte Lied einzustimmen und unser adventliches Warten so vor Gott zu bringen.

Die Kirche wird abgedunkelt.

Eine Kerze wird in die Mitte (oder auf den Altar)

gestellt.

Ein Gong ertönt.

Der folgende Text wird von zwei Sprecher*innen vorgetragen und nach jeder Strophe für eine besinnliche Stille unterbrochen. I spricht den Text des Gedichts von Silja Walter, II spricht meditative Gedanken zu den einzelnen Strophen.

I

Jemand muss zuhause sein,

Herr,

wenn du kommst.

Jemand muss dich erwarten,

oben auf dem Berg

vor der Stadt.

Jemand muss nach dir Ausschau halten,

Tag und Nacht.

Wer weiß denn, wann du kommst?

II

Zu Hause.

Mein Körper ist mein Zuhause.

Ich spüre jeden Schmerz, jede Lust,

jeden Nervenkitzel.

Ich freue mich am Wunder meines Leibes.

Ich leide an der Müdigkeit,

an der Krankheit, am Alter.

Meine Seele ist mein Zuhause.

Ich bewohne meine Gedanken.

Ich wärme mich am Feuer meiner Gefühle.

Mein Geist ruht in der Stille.

Zu Hause sein.

Bei mir zu Hause.

Mich aushalten.

Mich genießen.

Den Wohnraum meines Ich durchschreiten.

Zwei bis drei Minuten Stille (evtl. leise Musik)

I

Herr,

jemand muss dich kommen sehen

durch die Gitter

seines Hauses,

durch die Gitter –

durch die Gitter deiner Worte,

deiner Werke,

durch die Gitter der Geschichte,

durch die Gitter des Geschehens

immer jetzt und heute

in der Welt.

Jemand muss wachen

unten an der Brücke,

um deine Ankunft zu melden,

Herr,

du kommst ja doch in der Nacht

wie ein Dieb.

II

Ganz nahe am Fenster.

Ganz nahe zur Welt.

Mit den Augen, den Ohren, den Sinnen.

Durch meine Sinnesfenster spüre ich die Welt.

Und „die Welt ist Gottes so voll“ (Alfred Delp)

Ich sehe dich kommen,

du unsichtbar-sichtbares Licht.

Deinen Advent erwarte ich.

Ich stehe am Fenster und warte.

Auf dich.

Zwei bis drei Minuten Stille (evtl. leise Musik)

I

Und jemand muss singen,

Herr,

wenn du kommst,

das ist unser Dienst:

Dich kommen sehen und singen.

Weil du Gott bist.

Weil du die großen Werke tust,

die keiner wirkt als du.

Und weil du herrlich bist

und wunderbar wie keiner.

Komm, Maranatha!

Hinter unsern Mauern

unten am Fluss

wartet die Stadt

auf dich.

Silja Walter

II

Ich spüre, wie es singt in mir.

Geheimnisvolle Töne höre ich.

Es singen nicht Mund und Lippen.

Es singt das Herz in mir.

Mein stummes Lied

sammelt Töne und Rhythmen

und tönt in den Raum.

Mein Lied.

Für dich, Gott.

Eine*r beginnt zu summen. Andere stimmen ein. Das Summen erfasst alle. Jede*r findet seinen/ihren Ton und kann mit den Tönen spielen. Der Klangteppich kommt und geht, wird leiser und lauter, wie es sich ergibt. Wenn er langsam abebbt, spricht (oder singt in freier Melodie) jemand:

Komm, Maranatha!

Hinter den Mauern unserer Herzen

wartet die Stadt

wartet das Land

wartet die Welt

auf dich.

Bitten

Bruder Jesus,

unsere lärmüberfluteten Ohren,

unsere zweifelnden Augen

unsere gebetsmüden Münder –

du weißt darum.

Maranatha.

Bruder Jesus,

unser Warten auf den Morgen,

unsere Spannung in den Gliedern,

unsere Sehnsucht im Herzen –

du weißt darum.

Maranatha.

Bruder Jesus,

dein Licht in unserem Dunkel,

deine Treue in unseren klopfenden Herzen,

deine Zusage auf unserem Weg –

wir wissen darum.

Maranatha.

Längere Stille

Segnen

nach Psalm 40

Stärk mir den Rücken, guter Gott,

dass ich in Würde aufrecht gehe,

zu mir und meinen Fehlern stehe.

Stärk mir den Rücken, guter Gott.

Hauch deinen Atem, guter Gott,

dass ich dein Leben in mir spüre,

und mein Vertrauen nicht verliere,

hauch deinen Atem, guter Gott.

Schärf meine Sinne, guter Gott,

dass ich mich zu entscheiden wage,

und furchtlos Recht und Wahrheit sage.

Schärf meine Sinne, guter Gott.

Sprich du mir Mut zu, guter Gott,

dass ich die Kraft in mir entdecke

und mich kein Widerstand erschrecke.

Sprich du mir Mut zu, guter Gott.

Helmut Schlegel | © Dehm Verlag

DEN TRÄUMEN TRAUEN

AN EINEM ADVENTSABEND

Vorbereiten

In der Mitte des Raumes ist eine Josefsfigur (evtl. aus der Krippe) aufgestellt.

Einstimmen

Herzlich begrüße ich Sie zu dieser Feier. Sie kommen nach einem ausgefüllten Tag hierher. Da tut es gut, ruhig zu werden und sich auf das einzustimmen, was den Advent ausmacht: die Ankunft Gottes bei uns.

Ich habe heute eine Figur mitgebracht, die zur Weihnachtskrippe dazugehört wie das Kind, die Mutter des Kindes, die Hirten und die Schafe: Josef von Nazaret. Und obwohl er ja in der Mitte der Krippe steht, direkt neben dem Kind, kennen wir ihn kaum. Er war Zimmermann von Beruf, heißt es in der Bibel. Wahrscheinlich war er ein Bauhandwerker, der mit Steinen und Holz gearbeitet hat. Ansonsten wissen wir wenig von diesem Mann. Er war still, aber keineswegs ein Duckmäuser oder Leisetreter. Josef war ein Mensch, der da war, wo er gebraucht wurde. Die Bibel beschreibt uns im Lukasevangelium, dass sich Josef mit seiner Verlobten Maria und mit dem ungeborenen Kind auf den Weg machte – von Nazaret nach Betlehem, wo das Kind geboren wurde. Das war sein Adventsweg. Wir gehen auch einen Weg durch den Advent hin zum Fest der Menschwerdung. Vielleicht kann uns da dieser Josef Begleiter sein. Vielleicht schauen wir auf ihn und fragen: Wie hast du das gemacht? Und wie können wir heute unseren Weg gehen?

Vor Gott bringen

Guter Gott,

Gerade in dieser Zeit spüren wir unsere Sehnsucht nach Frieden, Gerechtigkeit und Liebe. Wir glauben, du bist es, der uns diese Sehnsucht ins Herz gepflanzt hat, und du willst, dass sie erfüllt werde.

Auf dem Weg durch den Advent ist Josef von Nazaret für uns ein lichtvoller Wegbegleiter.

Gib uns Ohren, die hören können wie er. Dann können wir in der Stille dein Wort vernehmen.

Gib uns Hände, die zupacken können wie er. Dann können wir tun, wozu du uns berufen hast.

Gib uns Geduld, die ungelösten Fragen auszuhalten wie er. Dann können wir warten, bis du uns Antwort gibst.

Hören

Mt 1,18–25

Vertiefen

Kein einziges Wort ist uns von Josef überliefert. Auch in dem Text, den wir gerade gehört haben, sagt er nichts. Und doch spricht er bis heute mit eindringlicher Sprache.

 

Er spricht in einer Sprache, die heute in einer oft so geschwätzigen Zeit ganz fremd und doch ganz wichtig ist – die Sprache des Schweigens. Im Schweigen hören wir besser. Josef hat diese Sprache verstanden, darum ist sein Schweigen so wertvoll. Er zeigt mir, was wichtig ist: einmal nur zuhören, nicht sofort etwas erwidern. Auch die Kritik aushalten. Ab und zu in die Stille gehen. Den inneren Betrieb ruhen lassen.

Die Bibel sagt uns, dass Josef die Sprache der Träume verstand. Immer wieder wird er im Traum auf das hingewiesen, was wirklich zählt: die Führung Gottes. Gott überrascht uns oft mit seinen Plänen – wie damals Josef. „Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter, und flieh nach Ägypten; dort bleibe, bis ich dir etwas anderes auftrage.“ (Mt 2,13) Und wieder: „Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter und zieh in das Land Israel; denn die Leute, die dem Kind nach dem Leben getrachtet haben, sind tot.“ (Mt 2,20) – Josef ist kein Mensch des Stillsitzens. Er steht auf und geht – auf Gottes Geheiß. Er geht, ohne den Weg zu kennen. Allein die Zuversicht und der feste Glaube an Gott leiten ihn.

Gibt es nicht in jedem Leben so etwas wie Führung? Einen roten Faden, der sich durchzieht und den wir oft gar nicht sehen? Vielleicht lässt er sich in der Adventszeit entdecken.

Josef blieb. Die Treue hielt ihn. Auch dann, wenn viele und vieles dagegensprach. Er blieb bei Maria, die ein Kind erwartete, das nicht seines war. Er blieb bei diesem Kind, das schon in jungen Jahren bedroht wurde. Er wollte ihm Halt bieten und es schützen.

Bleiben. Das ist nicht sitzen bleiben, sondern treu bleiben. Zu einer Entscheidung stehen, die ich getroffen habe. Zum Wort stehen, das ich gegeben habe. Zu Menschen stehen, die ich mir vertraut gemacht habe. Braucht die Welt heute nicht gerade dieses Bleiben? Das kann anstrengend sein. Treue kostet Kraft. Aber sie ist das Fundament eines gelingenden Lebens. Sie erinnert uns daran, dass wir alle von der Treue Gottes leben.

Alternative

Dialog mit Josef

(vorgetragen von zwei Sprecher*innen)

I

Du stehst am Rand, Josef.

Von dir ist nur in Nebensätzen die Rede.

Du selbst sagst nichts.

Kein Wort ist uns von dir überliefert.

Aber heute bist du in unserem Blickfeld.

Du tust etwas.

Nicht irgendetwas.

Du tust, was der Engel dir sagt.

II

Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie sehr ich gelitten

habe.

Maria erwartete ein Kind.

Und ich, ihr Verlobter, wusste nicht, wer der Vater ist.

Durch das Wirken des Heiligen Geistes, sagte sie.

Aber wer kann das begreifen?

Ich war zerrissen zwischen Zweifel und Vertrauen.

Ich werde mich in aller Stille von ihr trennen,

beschloss ich.

I

Ich kann das gut nachfühlen, Josef.

Wie konntest du vertrauen, wenn alles dagegensprach?

Wie konntest du glauben, wenn solche Zweifel an

dir nagten?

Ich kenne diese Not:

Durch eine dunkle Nacht gehen, auch wenn ich kein

Licht sehe.

Das ist unendlich schwer. –

Aber du hattest einen Traum …

II

Es war in Wahrheit viel mehr als ein Traum.

Es war ein Wort, das mich nicht mehr losließ.

Es war eine Gewissheit, die in mir wuchs:

Gott ist mit mir.

Mit uns.

Mit Maria – ihr Kind ist aus Gott.

Aber auch mit mir – mein Glaube ist aus Gott.

Darum fürchte ich mich nicht mehr vor meinen Zweifeln.

Gott ist mit uns.

Auch wenn die Fragen bleiben.

Das ist mehr als ein Traum.

Bitten

Gott, du hast uns zugesagt, dass du uns treu bleibst, auch dann, wenn wir an deinem Wort zweifeln oder zu fallen drohen. Du hast uns ermutigt, mit allem, was uns bewegt, zu dir zu kommen und dich zu bitten. Es bewegt uns, dass unser Glaube ständig in Bewegung ist zwischen bleiben und aufbrechen, danken und stumm sein, Freude und Enttäuschung.

Stille

Es bewegt uns, dass Frauen und Männer, die ihr Glück mit einem Partner oder einer Partnerin gesucht haben, um einen gemeinsamen Weg ringen oder gar eines Tages vor den Trümmern ihrer Beziehung stehen.

Stille

Es bewegt uns, dass die Welt von einem existentiellen Abgrund bedroht wird, den wir beschönigend „Klimakrise“ nennen. Mehr und mehr gerät unsere Gewissheit ins Wanken, dass alles machbar ist und wir uns alles nehmen dürfen. Die ganze Welt hielt den Atem an, als der Corona-Virus über die Menschheit hereinbrach. Ob es uns eine Lehre ist?

Stille

Es bewegt uns, dass Kinder ohne Liebe aufwachsen müssen und seelisch verwahrlosen. Es bewegt uns, dass wir Erwachsene oft nur unsere Welt und unsere Sorgen sehen.

Stille

Es bewegt uns, dass in unserem Land viele in Altersarmut, Obdachlosigkeit und in Angst vor Fremdenhass leben müssen, während sich viele von dieser Not nicht berühren lassen.

Stille

Es bewegt uns, dass unser Leben begrenzt ist und dass uns der Tod viele unserer Nahestehenden bereits genommen hat. Es tröstet uns die Hoffnung, dass sie bei dir ein Zuhause finden.

Stille

Lass uns das alles in ein schlichtes Gebet kleiden: Du, Gott, wirst uns tragen und niemals im Stich lassen. Darauf verlassen wir uns heute und immer und in Ewigkeit.

Singen

Ein Lied für Josef von Nazaret

Träumen gehorchen,

Stille verstehn,

warten und schweigen,

hören wie du.

Heiliger Josef, führ uns zu Jesus,

teile mit uns deinen Glauben

an ihn.

Aufbrüche wagen,

Furcht widerstehn

Zuversicht leben,

hoffen wie du.

Heiliger Josef, führ uns zu Jesus,

teile mit uns deine Hoffnung

auf ihn.

Da sein und treu sein,

gut und gerecht,

schützen und trösten

lieben wie du.

Heiliger Josef, führ uns zu Jesus,

teile mit uns deine Liebe

zu ihm.

Helmut Schlegel

(GL-Diözesananhang Freiburg/Rottenburg-Stuttgart, 907)

Segnen

Gott sende uns immer wieder einen Engel.

Einen Weck-Engel, der uns wachrüttelt,

einen Weg-Engel, der uns den Weg weist,

einen Trost-Engel, der uns auch in der Trostlosigkeit

begleitet,

einen Schutz-Engel, der uns den Rücken stärkt,

einen Segens-Engel, der uns deinen Frieden bringt.

Das gebe uns der Vater und der Sohn und der Heilige

Geist. Amen.

DAS GESICHT DER BARMHERZIGKEIT

GOTTESDIENST IM ADVENT

Vorbereiten

Ein großes Herz aus rotem Wollfaden auf dem Boden,

Stuhlkreis für das Schriftgespräch,

Adventskranz beim Taufbrunnen,

Kuverts mit „Schuldbriefen“,

Schreibmaterial,

Christus-Ikone

STATION 1: DER TAUFBRUNNEN
Einstimmen

„Viel mehr als Ziele braucht man vor sich ein Gesicht, um leben zu können“, hat der Schriftsteller Elias Canetti einmal geschrieben. „Das Gesicht der Barmherzigkeit“ heißt das Motto dieses adventlichen Gottesdienstes, zu dem wir Sie begrüßen. Wir stellen uns dabei nicht irgendein Gesicht vor, sondern ein offenes, freundliches, warmherziges Gesicht. Das tut gut.

Wir beginnen diesen Gottesdienst am Taufbrunnen. Dieser Ort mag uns daran erinnern, dass sich uns Jesus in der Taufe zugewandt hat.

Warmherzig, mit einem liebenden Herzen, mit weiter Seele, mit offenen Sinnen, ganz präsent und aufmerksam – so stelle ich mir Jesus vor. Und ich mag daran glauben, dass auch in einer verrückten und grausamen Welt, in der Menschen sich gegenseitig unterdrücken, etwas durchscheint von der Barmherzigkeit Jesu. Seine Gegenwart in dieser Welt ist sehr leise, verborgen, ja oft kaum spürbar. Umso mehr lohnt es sich, aufmerksam zu sein und um Gottes Geist zu bitten.

Jemand zündet die Kerzen des Adventskranzes an.

Vor Gott bringen

Geist Gottes,

du erfüllst uns mit deiner Gegenwart.

Du machst uns frei von inneren und äußeren

Zwängen.

Geist Gottes, du schenkst uns offene Augen und

Ohren,

Du gibst uns Mut und Kraft für die Aufgabe, dich im

Alltag zu bezeugen.

Geist Gottes, du bist in der Trockenheit unsere

Quelle

und in dunklen Stunden ein leuchtender Stern.

Alle nehmen Wasser aus dem Taufbrunnen und bezeichnen sich mit dem Kreuzzeichen.

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