Das Leben geht weiter

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Das Leben geht weiter
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Helena Zauber

Das Leben geht weiter

Liebe im Wechsel der Jahreszeiten

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Der Anruf

Wie alles begann

Das Treffen mit Herrn Meyer

Die Trennung von Ulf

Der Überfall

Der von ihr getrennt lebende Ehemann

Das erste Date

Vor dem Klinikbesuch

Im Krankenhaus

Werners zweiter Anruf

Der nächste Abend im Krankenhaus

So ging es weiter

Der dritte Abend im Krankenhaus

Die geplante Anzeige

Drei Telefonate am Morgen

Kaffee mit Ingrid

Parkplatztreffen im Regen

Die nächsten Tage und Wochen

Klinikgespräch Nummer eins

Ein besonderer Besuchstag

Wie geht es weiter

Stunden nach dem Erwachen

Der erste Besuch nach dem Koma

Die Cousine

Nach dem Anruf

Friedhelms Pläne

Fröhliche Telefonate

Die Hausbesichtigung

Bei Ingrid

Die Diagnose

Es geht weiter

Die Einweihungsparty

Sonnenuntergang

Impressum neobooks

Der Anruf

„Hier ist Werner Meyer, ich rufe im Auftrag von Friedhelm Richter an, wegen ihrer Wartung. Sind Sie Frau Schmidt?“

Ivonne hält den Atem an, sie weiß von Friedhelms Angestelltem. Friedhelm hat eine kleine Firma, die Maschinen zum Bau von Schiffen repariert und wartet. Seine Kunden waren hauptsächlich kleine Werften und private Kunden. Aber warum ruft Herr Meyer sie jetzt an?

„Ja das bin ich“, sagt sie zögernd.

„Ich wollte Bescheid sagen, dass Herr Richter im Moment leider nicht kommen kann. Ich übernehme die Wartung!“

„Warum kann Herr Richter nicht kommen, wenn ich das wissen darf?“, fragt Ivonne innerlich total angespannt. Ihr gehen tausend Gedanken durch den Kopf, was wohl passiert sein könnte.

„Herr Richter hatte einen Verkehrsunfall und liegt im Koma, leider.“,

sagt Herr Meyer.

„Oh, nein!“, schreit Ivonne fast ins Telefon.

„Was haben Sie denn jetzt?“, fragt Herr Meyer verwirrt.

„Sorry, aber das kann ich schwer am Telefon erklären. Können wir uns irgendwo treffen?“, fragt Ivonne nun leise, ihre aufsteigenden Tränen unterdrückend.

Langsam ahnt Werner Meyer, wer sich hinter der Firma Schmidt verbirgt.

Da hat der Chef nie einen anderen Mitarbeiter hin gelassen, hat immer nur selber die Aufträge bearbeitet.

Nun wird er doch neugierig und sagt:

„Selbstverständlich können wir die Wartungstermine auch persönlich besprechen. Ich komm zu Ihnen. Wann wäre es Ihnen denn recht?“

„Am liebsten heute noch, gegen 18Uhr“,

sagt Ivonne mit Tränen unterdrückender Stimme.

„Okay, Frau Schmidt, ich könnte heute um 18 Uhr bei Ihnen sein. Aber ich habe hier gar keine genaue Adresse, nur Ihre Handynummer.“

Ivonne überlegt, ob es wohl gut wäre, jetzt ihre Adresse zu sagen.

Sie beschließt für sich, dass ein neutraler Ort besser ist.

Unbewusst nennt sie den Ort an dem Friedhelm und sie sich das erste Mal getroffen haben.

“Kennen Sie den Bootsanleger „Lühesand“ an der Elbe?“

„Ja den kenn ich. Gut, dann bis heute 18 Uhr heute Abend!“,

sagt Werner, legt auf und denkt:

„Merkwürdige Sache!“, ruft dann aber den nächsten Kunden Friedhelms an. Auch ihn hat die Nachricht von dem Unfall erschüttert. Manchmal haben Friedhelm und er darüber gesprochen, was zu tun ist, wenn so was mal passiert. Werner musste dem Chef versprechen, dass er dann alle Kunden anruft und nicht Friedhelms Ehefrau.

Nun ahnt Werner, dass er das wegen dieser einen „Kundin“ versprechen musste. Aber die Chefin hatte eh gleich dankend angenommen, als er anbot, die Anrufe zu tätigen.

Ivonne ist ganz erschüttert bei dem Gedanken an Friedhelm und will aber auch wissen, was genau passiert ist. Sie hat gleichzeitig sein Bild vor sich, sein Lachen, seine Augen, wenn er sie beim Küssen ansieht, spürt seine Hände.

„Nein, das kann nicht vorbei sein!“, denkt sie.

Die Stunden bis zum Treffen mit Herrn Meyer scheinen nicht zu vergehen.

Sie kann sich kaum auf ihre Arbeit konzentrieren.

Aber dann erinnert sie sich, wie alles begann und ein Lächeln zeigt sich auf ihrem Gesicht.

Es ist das Lächeln, das Friedhelm so liebt und behauptet, er höre es am Telefon.

„Hallo Zaubermaus, ich wollte mal wieder dein Lächeln hören!“,

mit diesen Worten hat er sie so oft am Telefon begrüßt.

Wie alles begann

Es war vor 4 Jahren im Sommer.

Sie hatte im Frühjahr vor vier Jahren noch einmal versucht ihre Ehe mit Ulf zu retten. Aber nach drei Monaten merkte sie, dass er sich nicht mehr ändern will oder kann und ihr weiterhin an allem die alleinige Schuld gab. Allmählich kamen ihr der Wille und die Lust auf eine Zweisamkeit mit Ulf abhanden. Sein Desinteresse an ihr, dem was sie tat und plante, taten ihr weh.

Es machten sich Sehnsüchte in ihr breit, nach Nähe, Kommunikation und Zärtlichkeiten.

Aber damals war sie noch nicht bereit, sich offiziell von Ulf zu trennen. Das muss doch auch irgendwie anders gehen und sie dachte:

„Vielleicht suche ich mir erst mal jemanden für eine Affäre und kann dann in Ruhe die Trennung von Ulf planen oder so.“

Richtig wusste sie zu diesem Zeitpunkt nicht, was sie wollte. Da halfen auch alle Gespräche mit Freundinnen nicht. Eine hatte dann aber den Tipp, sie solle sich doch mal auf einer bestimmten Internetseite anmelden und schauen, was passiert. Es gebe viele in unserem Alter, die nicht loslassen können von einer langen Beziehung, aber unzufrieden in dieser sind.

Ivonne überlegte eine Weile und kam dann zu dem Schluss: ,Was soll schon passieren, ich kann mich ja mal dort umschauen´, und meldete sich auf dieser Internetseite an.

„Oh jee, was da los war, auf meinem Profil!

Ich hatte doch tatsächlich innerhalb von zwei Tagen 150 Mails! Obwohl ich kein Foto eingestellt hatte. Entscheidend für die vielen Zuschriften war wohl, dass ich angegeben hatte, dass ich eine Affäre suche.“, denkt sie zurück.

Aber es waren keine für sie aufregenden oder ihre Sinne anregenden Zuschriften dabei.

Bis dann das Schreiben von Friedhelm kam.

Oh Ivonne erinnert sich noch an jedes Wort:

„Hallo Unbekannte,

bevor ich mit der ,Tür ins Haus´ falle, stelle ich mich mal kurz vor.

Mein Name ist Friedhelm. Ich bin 46 Jahre alt. Bin etwas über 2 Meter groß und habe ein paar Pfunde zu viel.

Ich lebe in einer langweiligen Beziehung. Wegen Selbstständigkeit und aus finanziellen Gründen bin ich leider (noch) zu feige auszusteigen.

Ich bin ein ruhiger Genussmensch. Kein Macho oder Proll. Unterhalte mich gern und liebe es bei interessanten Gesprächen zuzuhören.

Ich mag sehr gerne langes schönes Kuscheln und Knutschen. Sowie streicheln, massieren und schöne Erotik ohne Zwang und Hetze.

Drogen, Gewalt, Nikotin, Alkoholiker, Schmutz und Siff, Fernsehdauerschauer (GZSZ, DSDS, Richtershow und wie sie alle heißen...) sind für mich ein absolutes ,No go´.

Vielleicht habe ich ja Glück und wir haben einige Gemeinsamkeiten. Dein Alter und Aussehen ist für mich zweitrangig. Bilderaustausch ist für mich nicht nötig.

 

Ich suche kein ONS! Nur für länger ohne Terminstress.

Ich bin für das direkte Date nach einem Telefongespräch. Irgendwo an einem netten Ort (Restaurant, Café, …) wo man sich, beschnuppern´ kann um zu sehen, ob da vielleicht eine gemeinsame Chemie ist.

Ich bin ehrlich und nicht nachtragend, falls es nicht klappen sollte.

Ich würde mich freuen, von dir zu lesen. Auch wenn es ,negativ´ ist.

Vielleicht bis bald...

Friedhelm aus der Hansestadt Hamburg“

Das las sich toll! Irgendwie total passend, auch von den ähnlichen Lebenssituationen damals her! Und so antwortete sie:

„Hallo Friedhelm,

wir haben viele Gemeinsamkeiten, besonders das mit den Fernsehsendungen…

Leider bin ich dem Nikotin verfallen, wie man unschwer in meinem Profil erkennen kann. Auch trinke ich gerne mal ein Gläschen Wein und auf Feiern auch Cuba Libre.

Aber bei mir ist es auch ähnlich in der Beziehung, habe die gleichen Gründe nicht aus zusteigen...Auch alles andere passt. LG Ivonne“

Ivonne denkt jetzt schmunzelnd zurück.

Dann schaut sie auf die Uhr und ihr fällt wieder ein, was Werner Meyer am Telefon gesagt hat und dass sie sich in einer halben Stunde treffen werden.

Die Sorge um Ihren Friedhelm lässt ihr Herz bis zum Hals schlagen.

Das Treffen mit Herrn Meyer

Pünktlich ist sie am verabredeten Ort angekommen. Weiß nicht,wie sie es dahin geschafft hat.

Ein großer sehr junger Mann mit Pferdeschwanz und Piercings kommt zögernd auf sie zu.

Werner Meyer hatte sie schon im Auto kommen gesehen und ihm war schlagartig klar, wer Firma Schmidt sein musste.

Nun kann er das verschmitzte Lächeln auf dem Gesicht seines Chefs verstehen, wenn mal kurz die Rede von Firma Schmidt war. Fragen hat er dann immer schnell abgewiegelt,

„Da kümmere ich mich persönlich drum!“, hat er immer gesagt.

„Aber einen super Geschmack hat der Alte schon!“, denkt er grinsend.

Er findet Ivonne sofort sympathisch, auch weil sie noch so jung und aktiv wirkt.

Sie hat halblanges braunes ein bisschen wild gelocktes Haar und ganz dunkelbraune, große, allerdings jetzt besorgt blickende Augen.

Das blaue Etuikleid betont ihre frauliche Figur. Was nicht schwer war bei, schätzungsweise, Konfektionsgröße 42 und sie ist bestimmt paar Jährchen jünger als der Chef, denkt Werner Meyer,

„Schade, dass ich ihr das nun erzählen muss.“, und sagt:

„Hallo, ich bin Werner Meyer, sind Sie Frau Schmidt? Dass Sie keine Firma sind, ist mir gerade klar geworden! Tut mir leid, dass ich Ihnen sagen muss, dass Herr Richter einen Unfall hatte.“

Ivonne muss ein wenig lächeln und denkt kurz:

„Unter einem Herrn WERNER Meyer hatte ich mir keinen ca. 30 Jahre jungen und 1,90 Meter großen Mann mit Piercings und langen zu einem Zopf gebundenen Haaren vorgestellt.“

„Erzählen Sie mir bitte was passiert ist. Wie geht’s Friedhelm und nennen Sie mich doch Ivonne“, sagt sie leise während ihr kurzes Lächeln wieder verschwindet.

Werner Meyer sieht dieses kurze Lächeln und kann seinen Chef noch besser verstehen.

„Ja danke, dann sagen Sie ruhig auch Werner zu mir!“

Sie reichen sich die Hände und dann erzählt er mit kurzen Sätzen,

dass Friedhelm auf dem Weg nach Hause war.

Vor einer Baustelle auf der Autobahn bremsen musste und ein LKW, der hinter ihm war, nicht mehr rechtzeitig bremsen konnte.

Friedhelm war zwischen dem vorderen PKW und dem LKW eingeklemmt, mehr will Werner nicht dazu sagen.

„Jetzt liegt er im Krankenhaus im Koma und wie es aussieht wird er wohl gelähmt bleiben.“

Er sieht Ivonne besorgt an. Diese Traurigkeit in ihren großen braunen Augen, macht ihm zu schaffen und er denkt:

„Sie ist ganz blass geworden und ihr rollen die Tränen über die Wangen. Diese tolle, hübsche Frau reagiert ganz anders als die Chefin heute Morgen!“, und sagt besorgt:

„Kommen Sie, Ivonne, setzen Sie sich erst mal! Tut mir leid, Ihnen diese Nachricht überbringen zu müssen! Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“

„Ja, sagen Sie mir bitte, wo genau ich Friedhelm besuchen kann!“, flüstert Ivonne unter Tränen,

„Ich muss zu Friedhelm! Er braucht mich jetzt!“

Sie hält sich an ihrem Taschentuch fest, so scheint es und schaut Werner mit ihren verweinten Augen bittend an.

„Wow“, denkt dieser, „sie ist nicht nur hübsch! Selbst in ihrem Kummer um den Chef ist sie wunderschön!“, und schreibt ihr alles genau auf.

„Danke“, sagt Ivonne leise, drückt seine Hand, sagt dann noch:

„Und bitte, das muss unter uns bleiben, nicht wegen mir, sondern wegen Friedhelms Familie, die sind doch bestimmt auch sehr erschüttert und wenn sie nun erfahren würden, wer ich bin…!“

„Na, bei der Chefin hielten sich die Tränen heute morgen in Grenzen, hat gleich gefragt, was nun mit der Firma wird, dass ja nun kaum Geld rein käme!“, platzt es aus Werner heraus und,

„als ich gesagt habe, ich übernehme das vorerst, war sie sehr erleichtert!“

Ivonne sieht ihn erstaunt und fragend an. Werner sagt schnell:

„Klar bleibt das unter uns!“, und weiter,

„aber eins muss ich trotzdem loswerden, Ivonne, mein Chef hat einen

Supergeschmack, echt! Wie alt sind Sie, wenn ich fragen darf?“, gleichzeitig denkt er: „Oh man, was rede ich hier?“

Ein bisschen lächelt Ivonne nun, schaut ihn an und antwortet fast automatisch:

„55 warum? Und danke für´s Kompliment!“

„Oh, sorry, ich staune, dachte Sie sind 6,7 Jahre jünger als mein Chef mit seinen 53 Lenzen. Ich bin auch etwas verwirrt, ganz ehrlich darüber, was sich hinter Firma Schmidt verbirgt! Aber ich kann meinen Chef voll verstehen! Zu dieser Firma hätte ich auch keinen Anderen geschickt!“

Nun müssen beide doch ein wenig kichern und beschließen in Verbindung zu bleiben, tauschen noch ihre Handynummern und verabschieden sich.


Wie in Trance fährt Ivonne heim.

Seit drei Jahren, ca. ein Jahr nach der offiziellen Trennung von Ulf, lebt sie in einer kleinen Doppelhaushälfte. Sie hat es sehr genossen, ihre erste eigene Wohnung einzurichten.

In dieser Zeit hat Friedhelm immer wieder gestaunt, wenn sie wieder was Neues fertig hatte. Er konnte sie ja nun jederzeit besuchen.

Dann fällt ihr plötzlich ein, wie aufregend das alles am Anfang mit Friedhelm war und wie es zu der endgültigen Trennung von Ulf kam.

„Warum fällt mir das jetzt ein?“, fragt sie sich verwundert unter Tränen.

Aber sie lässt die Erinnerung zu, weil das natürlich auch in die Anfangszeit mit Friedhelm gehört.

Die Trennung von Ulf

Am Anfang kam die Entfernung von Ulf schleichend. Sie sprachen kaum noch miteinander und wenn Ulf auf Montage war, rief er kaum an.

„Das kostet zu viel Geld über Handy zu telefonieren!“, war seine lapidare Erklärung.

Viel später erst hat sie erfahren, dass er sich an den Montageorten schon mit anderen Frauen traf, während sie noch an der Ehe festhielt.

Auch wenn es schwierig war, Ivonne glaubte an das Versprechen, das man sich zur Hochzeit gibt: „In guten, wie in schlechten Zeiten!“.

Nach diesem Motto handelte sie während ihrer Ehe ganz lange. Egal ob es mal Schwierigkeiten gab, sei es Probleme mit den Kindern oder finanziell, weil Ulf mal wieder einen Autounfall verursacht hatte. Sie war immer froh, dass kein Mensch zu Schaden kam.

Immerhin hatten sie ja auch schöne Jahre, zwei wunderbare Kinder, ein Haus gebaut, gute Jobs.

Und so lange Ivonne mit ihrem Laden selbstständig erfolgreich war, schien auch noch alles gut.

Doch dann bekam ihr kleines Landkaufhaus direkte Konkurrenz.

Ivonne musste sich eine andere Tätigkeit suchen. All das interessierte Ulf nicht mehr. Und trotzdem hielt sie noch an der Ehe mit Ulf fest. Dachte an das Eheversprechen, das in ihrer Ehe mit Ulf offensichtlich nur von ihrer Seite eingehalten wurde.

Bis Ulf eines Tages, im Herbst vor viereinhalb Jahren, von einer Montage nach Hause kam und sie mit den Worten begrüßte:

„Du schnarchst, da ziehe ich mal besser aus dem Schlafzimmer aus!“

Sie war damals vollkommen perplex! Sprachlos beobachtete sie ihren

Noch-Ehemann bei seinem Auszug aus dem gemeinsamen Schlafzimmer, zwei Jahre nach ihrer Silberhochzeit.

„Da ahnte ich ja noch nicht, dass es richtig schlimm wird“, denkt Ivonne jetzt.


Sie hat auf einem kleinen Parkplatz angehalten.

Ihr schwirren so viele Gedanken gleichzeitig im Kopf herum. Es ist die wechselnde Erinnerung, an die Zeit, in der alles mit Friedhelm begann und wie es zu der endgültigen Trennung von Ulf kam. Gleichzeitig die Sorge um Friedhelm und die Fragen nach der Zukunft.

Wie geht es weiter mit ihr und Friedhelm, kann es überhaupt noch eine gemeinsame Zukunft geben?

Dabei kommen ihr immer wieder die Tränen. Sie schaut auf den Zettel, den Werner Meyer ihr gegeben hat.

„Ich muss zu ihm, zu Friedhelm!“, denkt sie und weiter, „ich muss jetzt für ihn da sein! In guten, wie in schlechten Zeiten!“

Und ihr fällt ein, wie sehr er sich um sie gesorgt hatte, als sie in ihrem kleinen Laden überfallen wurde. Ganz anders als Ulf.

Sie hatte diesen kleinen Laden ein paar Dörfer weiter auf gemacht, nach dem sie das Landkaufhaus schließen musste, um Zeit zu gewinnen und in Ruhe überlegen konnte, was sie nun in Zukunft beruflich machen könnte.

Im Verkauf Arbeit zu finden, entpuppte sich als schwierig. Mal war sie zu alt, mal überqualifiziert.

Aber dann hatte sie eine Idee, die sich bis heute als genialer Schachzug bewährt hat.

Sie beschloss noch mal zur Schule zu gehen, um dann Menschen zu unterrichten, die als Erwachsene im Einzelhandel eine Ausbildung oder Weiterbildung machten. Also auf die schulische Seite der Ausbildung zu wechseln. Sie hoffte damals, dass ihre Erfahrungen als Ausbilderin, ihr sicher im Beruf helfen würden. Was auch genauso gekommen ist.

Aber all das interessierte Ulf damals nicht mehr. Er glaubte auch nicht, dass sie wirklich versuchte eine Alternative zu finden. Und trotzdem, irgendwie dachte Ivonne zu dem Zeitpunkt noch, die Ehe muss erhalten bleiben.

Selbst als sie Friedhelm kennen lernte war für beide klar, dass sie ihre gemeinsame Zeit genießen, aber nie mehr daraus werden würde.

Der Überfall

Aber als der Überfall auf sie geschah, hatte Ulf es übertrieben.

Ein Junkie hatte sie damals am hellerlichten Tag, es war ein Donnerstag, mit einem Messer überfallen. Sie hatte richtig reagiert und alles getan, was er wollte. Ihm das Geld aus der Kasse gegeben und sich dann auf dem Bauch in ihrer kleinen Fotostudioecke gelegt. Als er den Laden verließ, hatte sie gleich die Polizei gerufen. Diese war binnen Minuten bei ihr.

Sie hatte den Überfall genau geschildert und Fragen beantwortet. Als die Polizei weg war, hat sie ihre Tochter Nadine angerufen, die auch sofort kam und Ulf anrief, der auf Montage war. Sie verabredeten, dass Ulf Ivonne zu hause anrufen würde gegen 19:00, wenn er im Hotel sei.

Ivonne konnte zu dem Zeitpunkt keine Entscheidung treffen. Sie war nicht in der Lage, den Laden zu schließen und so hat sie mit ihrer Tochter noch bis zum offiziellen Feierabend verkauft.

Zwischendurch hatte sie Friedhelm eine Mail geschickt, damit er nicht aus den Nachrichten hört, was geschehen war.

Er rief sofort an und fragte mit besorgter Stimme, wie es ihr gehe und dass er leider nicht sofort kommen könne, da er auf einer Werft in Ostfriesland war.

Aber er versprach am nächsten Tag nach der Arbeit auf der Werft zu kommen.

Alle Stunde schickte er dann eine sms. Da kannten sie sich gerade vier Wochen und hatten sich erst zweimal getroffen.

Dann fuhren Ivonne und Nadine gemeinsam nach hause, aßen ein wenig. Ivonne fühlte sich, als stünde sie neben sich. Als sie ihre Tochter verabschiedete, schaute Ivonne auf die Uhr, es war 19:30 Uhr. Sie wunderte sich kurz, dass Ulf noch nicht angerufen hatte. Ging dann aber mit dem Telefon und ihrem Handy in die Wanne. ,Vielleicht habe ich das mit der Uhrzeit ja auch falsch verstanden`, dachte sie.

 

Aus der Wanne kommend, ging sie ins Wohnzimmer, schaltete den Fernseher ein und sah, es war nach 20:00 Uhr.

Dann bekam sie plötzlich eine sms nach der anderen von Freunden, die wissen wollten, ob sie das war, die überfallen wurde und ob es ihr gut gehe. In den Nachrichten wurde der Überfall gebracht.

Sie beantwortete die Nachrichten und rief dann ihre Tochter an, um zu fragen, welche Zeit denn ausgemacht war, wann Ulf anrufen wollte. Nadine bestätigte ihr, 19:00 Uhr und fand es auch komisch, dass Ulf noch nicht angerufen hatte.

Inzwischen war es fast 21:00 Uhr.

Sie schrieb ihm eine sms und fragte darin, wann er sie anrufen wolle. Er schrieb zurück, er sei noch unterwegs. Als er dann nach 23:00 Uhr anrief, ist sie nicht mehr ans Telefon gegangen. Auch weil sie insgeheim gehofft hatte, er sei unterwegs zu ihr. Aber an der Nummer, die im Telefon angezeigt wurde, erkannte sie, er war in seinem Hotel. Die Montage war Freitag zu ende. Ulf kam trotzdem erst am Sonnabend nach hause. Das war der Auslöser für Ivonne, diese Beziehung endgültig zu beenden.

„In guten, wie in schlechten Zeiten!“, stieß ihr heute wieder mit einem bitteren Nachgeschmack auf.


Durch die Erinnerungen an die Ereignisse des Überfalls und die Tage danach, wird Ivonne etwas ruhiger. Jedenfalls soweit, dass sie nun wieder weiter fahren kann.

Doch während der Fahrt denkt sie wieder an Friedhelm und dass sie unbedingt zu ihm muss. Sie ist fest davon überzeugt, dass es ihm gut tun würde, wenn sie zu ihm geht, ihn besucht. Vielleicht hilft es ja, wenn sie ihm von ihren gemeinsamen Abenteuern erzählt.

Da fällt ihr ein, dass Friedhelm so sehr gelacht hat, als sie ihm die Geschichte mit Ulf erzählte, als dieser damals am Wochenende plötzlich aufgetaucht war.

„Du bist ja cool!“, hatte er damals lachend gesagt.

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