Buch lesen: «Elias wehrt sich»
Elias wehrt sich
Helena Beuchert
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Erste Auflage 2021
© net-Verlag, 09125 Chemnitz
© Coverbild und Illustrationen: Heike Georgi
Covergestaltung, Lektorat
und Layout: net-Verlag
ISBN 978-3-95720-305-2
eISBN 978-3-95720-306-9
Inhaltsverzeichnis
Ein geheimnisvoller Pausenhof
Jeder Anfang ist schwer
Du bist ein Mädchen
Ideen suchen
Eine Mutprobe
Ein Weg zeigt sich
Du blöder Streber
Quatschmacher
Helfen macht Spaß
Du Loser
Die anderen Drittklässler
Unsere Prinzessin
Schnupperkarten
Die Ideen purzeln
Eine Strategie entwickelt sich
Beste Freunde
Angsthase
Löwinnen
Ein neuer Loser
Geschafft
Über die Autorin
Über die Illustratorin
Buchempfehlungen
Ein geheimnisvoller Pausenhof
Elias ist ein Finder. Als er noch in der Stadtmitte wohnte, entdeckte er auf dem Weg zur Schule viele Schätze. Die Münzen durfte er behalten. Doch wichtige Dinge brachte Mama mit ihm zum Fundbüro.
In den Ferien sind seine Eltern mit ihm und seiner kleinen Schwester nach Auenfeld gezogen. Er kennt hier noch niemanden. Die Familie wohnt nun in einem Reihenhaus am Stadtrand.
»Endlich hat jeder von euch ein eigenes Zimmer!«, meinte Mama.
Dabei mochte Elias die alte Wohnung. Er konnte doch zuschließen, wenn er mit den Lego-Männchen »Kämpfen« spielte. Wenn Hannah draußen quengelte und an die Tür klopfte, machte er einfach Musik an.
In die dritte Klasse der Grundschule kann Elias jetzt zu Fuß gehen. Er muss nur eine Hauptstraße überqueren. Sein Vater ist mit ihm den Weg schon einmal abgegangen. Er arbeitet als Krankenpfleger in der städtischen Klinik und hat auch Wochenenddienst.
Elias trägt die Haare lang wie sein Papa. Papas Haare sind rot und Hannahs auch. Seine sind hellblond und lockig – wie Mamas.
Am Sonntagnachmittag schickt ihn Mama allein zur Schule: »Schau dich doch mal um, damit du dich morgen auskennst!«
»Was soll ich denn dort sehen?«, mault Elias vor sich hin. »Alle Schulen sehen gleich aus!«
Langsam schlurft er an den Reihenhäusern entlang. Einige haben rundherum hohe Gartenmauern. An den Fenstern der Schule kleben noch die gebastelten Sommer-Schmetterlinge. Eine breite Treppe führt zur gläsernen Eingangstür: »SCHILLERSCHULE«. An manchen Buchstaben hat jemand herumgekratzt.
Der Pausenhof ist anders als der mit bunten Latten eingezäunte Platz der alten Schule. Hier könnten leicht zwei Mannschaften Fußball spielen. Tore stehen auch herum.
Elias rennt drei Mal um den Schulhof. Der Boden federt beim Laufen. Dann hängt er sich an ein Klettergerüst und verschnauft. Überall grün, nur grün: Bäume, Büsche, Gartenbeete und fettes Gras.
Er kriecht unter eine Gruppe Sträucher, die eng beieinanderstehen. Vergammelte Seilreste und Schnüre liegen herum. Ob das für die Kinder ein Gefängnis ist beim Mädchenfangen? Das haben sie in der Stadtschule oft gespielt.
Er legt sich auf den Rücken und blinzelt in die Sonne. Wie still es hier ist. Nur ein paar dicke Hummeln fliegen brummend umher. So ein gutes Versteck.
Auch die Buschreihe rund um den Schulhof ist durchbrochen von Schlupflöchern.
Hier komme ich nächstes Wochenende mal mit Hannah her, denkt er. Ich krieche in die Geheimgänge, fauche wie ein Tiger und mache ihr Angst. Zum Schluss tröste ich sie natürlich, sonst petzt sie wieder.
Elias schlüpft hinter die Büsche und krabbelt am Maschendrahtzaun entlang. Das ist aber eng! Die dürren Blätter rascheln unter seinen Händen und bröseln auseinander. Sein Knie stößt auf etwas Hartes. Er kratzt den Blätterhaufen weg. Ein rotes Taschenmesser blitzt auf. So ein großes, schweres, wie es Papa immer beim Wandern dabeihat. Es sieht nagelneu aus.
Elias Herz klopft wild. Hat er ein Geheimversteck entdeckt?
Ohne zu überlegen wühlt er weiter und stößt auf ein Klappmesser. Das gleiche hat er mal in einem Schaufenster gesehen.
»Damit darf man nicht spaßen. Das kann schlimm ausgehen!«, hatte ihm sein Vater damals warnend zugeflüstert.
Jetzt wird es Elias unheimlich. Er scharrt altes Laub über beide Messer und kriecht rückwärts heraus. Seine Hände schwitzen und zittern. Nichts wie heim, dröhnt es in seinem Kopf. Hoffentlich ist Papa schon da.
Elias rennt nach Hause und sieht, wie Papa gerade in die Garage fährt. Er fällt ihm beim Aussteigen voll in die Arme. »Da sind Messer vergraben«, schluchzt er, »gefährliche Messer!«
»Wo?«
Elias zieht Papa hinter sich her zurück zum Schulhof, gräbt hastig die Messer hinter der Hecke wieder aus und streckt sie heraus.
»Die bringe ich morgen ins Fundbüro, damit ist der Fall erledigt.« Wie beruhigend Papas Stimme klingt.
Hoffentlich werden sie nicht beobachtet. Elias schaut sich um. Niemand zu sehen.
Jeder Anfang ist schwer
Heute ist Elias’ erster Schultag. Er packt die Büchertasche zweimal aus und wieder ein.
»Du schaffst das, Großer!«, ermuntert ihn Papa.
Von wegen »Großer« – ganz klein fühlt sich Elias.
Mama drückt seinen Kopf an ihren Bauch, wuschelt ihm durch die Haare und bindet sie dann mit einem Gummi zusammen. Das mag er gern.
»Los jetzt! Ich will nicht zu spät kommen!«
Heute nimmt ihn Papa ausnahmsweise im Auto mit. Er begrüßt die Direktorin, die ihnen an der Treppe entgegenkommt, und stellt Elias vor.
Sie legt ihm den Arm auf die Schultern und führt ihn ins Schulgebäude.
Ist das dunkel hier! Elias schüttelt den Kopf.
Die Direktorin lässt den Arm sinken.
Im Flur steht seine neue Klassenlehrerin, Frau Lange, und empfängt ihn: »Du bekommst einen Platz ganz hinten, da hast du einen guten Überblick«, lacht sie Elias an und führt ihn ins Klassenzimmer.
Jetzt sitzt er neben Robin. Der ist mindestens so zappelig wie er und macht ständig Faxen zu einem Jungen ganz vorne.
»Max, pass jetzt bitte auf!«, sagt Frau Lange gerade zu diesem.
Max zuckt übertrieben zusammen und schlägt die Hände vors Gesicht.
Alle Kinder lachen.
Die Mädchen auf der linken Seite betrachten ihn genau. Oder schauen sie zu Robin?
Frau Lange macht lustige Spiele mit ihnen. Sie will alle Kinder kennenlernen, denn sie wird jetzt zwei Jahre lang ihre Klassenlehrerin sein.
Zuerst muss jeder ein großes Namensschild malen. Dann sagt sie: »Lasst uns bitte euren Straßennamen erraten – ohne Worte!«
Als Elias dran ist, greift er in die Luft zu einem Gegenstand und zieht dann die Hand mit einem lauten »Autsch!« zurück.
Einige Kinder lachen und rufen: »Rosenstraße!«
Auch andere Kinder wohnen in der Siedlung mit Blumennamen, aber sie beachten ihn nicht.
In der Pause steht Elias lange allein im Hof. Die Jungen umringen Max und erzählen vom Fußballspielen.
Katarina, ein Mädchen mit dunklen Haaren, das in der Reihe drüben am Fenster sitzt, winkt ihm auffordernd zu.
Langsam geht er zu der Mädchengruppe und schwingt mit ihr das Hüpf-Seil.
Fatima springt sehr lange und konzentriert. Ihre langen Haare fliegen hoch wie ein Schleier. Das sieht schön aus. Doch lieber wäre er bei der Jungenclique.
Nach der Pause legt Robin sein Lineal wie eine Grenze zu Elias hin und macht die Ellenbogen breit. Elias hat kaum Platz, um richtig zu schreiben. Er verschiebt das Lineal in die Mitte, aber Robin baut noch Bücher zwischen ihnen auf und engt Elias weiter ein.
Max dreht sich auffällig zu ihnen um, grinst breit und zeigt Robin den Siegerdaumen.
Elias sucht mit den Augen nach Frau Lange. Doch die steht gerade bei Korbinian und redet auf ihn ein. Der sitzt allein in einer Bank hinten am Fenster und schaut traurig vor sich hin.
Dann sollen die Kinder erzählen, was sie gerne in ihrer freien Zeit spielen.
Nur Mädchen melden sich. Elias kann gar nicht zuhören. In seinem Kopf denkt es immerzu: Warum ist Robin so gemein zu mir?
Als die Schulglocke läutet, packt er seine Sachen zusammen und rennt aufs Klo. Das hat er in der Stadtschule schon gemacht, wenn er nicht mit den anderen Kindern nach Hause gehen wollte. Als das Lärmen aufhört, schleicht er vorsichtig ins Freie.
Katarina und Fatima laufen mit einer schwarz gekleideten Mutter über den Pausenhof. Jedes der Mädchen trägt ein kleines Kind auf dem Arm, als wäre es selbst schon eine Mutter.
»Tschüss, Elias!«, ruft Katarina und winkt ihm.
Er lächelt ein wenig.
Auf dem Heimweg sucht Elias wieder aufmerksam den Gehsteig ab. Seine Augen sind richtige Finder-Augen. Schon zwei Kisten voller »Hosentaschen-Schätze« hat er in seinem Zimmer.
Heute entdeckt er nur einen silbrigen Schraubenschlüssel.
Elias’ Mama steht an der Gartentür und winkt ihm zu. »Wollen wir zusammen Pfannkuchen backen?« Mama will Elias an ihren Bauch ziehen, doch er windet sich unter ihrem Arm durch. »Nein, keinen Hunger«, nuschelt er und rennt auf sein Zimmer.
Der kostenlose Auszug ist beendet.