Großmutter

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„Kleines Mädel angelangt. Mutter und Kind befinden sich wohl.“

Frau Esther hielt das Telegramm auch dann noch in ihrer schmalen, elegant behandschuhten Hand, als sie bereits im Coupd Platz genommen hatte. In diesen zwei Stunden war ihr das wichtige Blatt Papier nicht ein einziges Mal aus den Augen gekommen. Sowohl während ihres eiligen Diners wie bei der Beaufsichtigung der Jungfer, welche das Reisegepäck herrichtete, hatte sie sich in die Lektüre dieser bündigen Mitteilung vertieft, welche für sie selbst, ob sie es nun ahnte oder nicht, einen durchaus nicht mit zwei Worten zu erschöpfenden Sinn enthielt.

Das Ereignis war so überraschend gekommen, sie hätte es vielleicht voraussehen sollen. Aber sobald Nelly verheiratet war, hatte sich für Frau Esther die Verbindung mit ihrer Tochter sehr, vielleicht zu sehr gelockert. Sie hatte es nie begriffen, wie Nelly sich in diesen vergessenen Provinzwinkel hatte vergraben können. Des Mannes wegen? Nun ja. Frau Esther war wohl nicht dazu veranlagt, diesen Beweggrund nachzuempfinden.

Dennoch brauchte sie sich keinen Mangel an Familiensinn vorzuwerfen. Sogleich beim Erhalt der Depesche hatte es für sie festgestanden, daß sie reisen müsse. Ohne einen Augenblick Überlegung war sie dem Bewußtsein, daß man ihre Anwesenheit brauche, gefolgt.

Als sich nun, wie sie im Coupé zur Ruhe gekommen war, Erwägungen hören ließen, mußte sie an Herrn von Menkisch denken. Er hatte sich für heute abend angemeldet; was er nun wohl sagen würde. Um so besser.es wurde beunruhigend, wie häufig er sich in letzter Zeit einstellte. So konnte sich nun das System des zeitweiligen Abstoßens bewähren, durch welches eine um so stärkere künftige Anziehung gesichert wurde.

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