Liebe und Glück - nur ein Augenblick?

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Liebe und Glück - nur ein Augenblick?
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Heinrich F. Wallpach



Liebe und Glück - nur ein Augenblick?



Amüsante Alltagsgeschichten





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Inhaltsverzeichnis





Titel







Vorwort







1. Stock. Und tot.







Traumschiff







Tick-Tick - Tack-Tack.







Marikka und Hannes







Ordination Dr. Georg Castorn







Abitur







Evita und die 7 weißen Tiger







Samba Samba







Immer wieder nach Davos







RC 60 Budapest –Wien – München







Impressum neobooks







Vorwort








Liebe und Glück – nur ein Augenblick?







Die Phantasie des Mannes ist die beste Waffe der Frau – erklärte die weltberühmte Diva Sophia Loren in ihren Memoiren.



10 Alltags-Kurzgeschichten – Liebe und Glück nur ein Augenblick?



10 Geschichten, die heiter oder besinnlich die Denkweise, Emotionen, Höhen und Tiefen von erfolgsverwöhnten Frauen und Männern in unserer Gesellschaft widerspiegeln.



10 Geschichten erdacht, gefühlt, erlebt, gewollt für Menschen, die mitten im Leben stehen.



10 Geschichten im Ränkespiel der Liebe auf der Suche nach Glück.









Danksagung








Ich danke allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mir beim Entstehen des Buches geholfen haben. Tiefe Anerkennung gebührt dem Team der Kukulit Kreativ Plattform für Anregungen, Recherchen und Lektorentätigkeit.



Im Besonderen Eva Maria Artner, Thomas Deuschle, Marg Lanser, Catrin Wallpach, Christian Wallpach und Friedrich Wutz.






1. Stock. Und tot.




7.30 h. „Ich gehe jetzt. Bis Nachmittag.“ Siegfried Brenner.



Siegfried Brenner ist Oberrevident im Zollamt Hauptbahnhof.



7.30 h. „Hier noch die Jausenbrote und einen Apfel.“ Adele Brenner, Siegfrieds Ehefrau.



Adele Brenner ist Nur-Hausfrau, rund 15 Jahre jünger als ihr Ehemann und versorgt mustergültig Haushalt und Wohnung.



Die Brenners wohnen im 1. Stock des dreigeschossigen Miethauses Goethestraße 9. Das Haus hat rundherum einen Garten, der von den 7 Mietern kaum genutzt wird. Pavlo, der Hausmeister, pflegt ein Gemüsebeet, mäht den Rasen, stutzt die Sträucher, säubert Eingang und Stiegen. Er liebt die Hausmeisterei, repariert tropfende Wasserhähne oder schadhafte Elektroanschlüsse. Immer zur Stelle als guter Geist des Hauses. Er schafft Lebendigkeit in einer an sich spießigen, langweiligen Gegend am Stadtrand. Wo jeder Tag gleich wie alle 365 Tage des Jahres abläuft.



Siegfried mag Pavlo nicht, „zu aufdringlich“, „laut wie alle Migranten aus dem Kosovo“, „er läutet an der Klingel und spricht vom Garten hinauf mit den Mietern“, „du Kollege, gut Kumpel“ usw.



Adele findet Pavlo rührig, fleißig, also sympathisch.



16.00 h. Nach Dienstschluss sitzt Siegfried – wie jeden Tag – im Wohnzimmer, liest die „Allgemeine“ und freut sich auf die köstliche Kaffee- und Kuchenjause, die Adele in der Küche zubereitet.



Kgrin-kgrin, die Türglocke. Siegfried geht zur Türe. Niemand. Er öffnet das Fenster. Pavlo.



„Hätte ich mir denken können“, murmelt Siegfried. „Eine Frechheit, dieser Pavlo!“



„Was gibt’s denn schon wieder“, ärgert sich Siegfried.



„Chef, Herr Brenner, ein Fußball liegt im Garten, Kellerfenster hat Sprung. Muss ich Ihnen melden, Sie doch Vertrauensmann im Haus.“



„Bin ich ein Fußballer?“ Siegfried bricht das Gespräch ab.



***



„Hallo Adele Schätzchen!“ Adele gibt den Telefonhörer vom rechten Ohr zum linken. „Wenn du mich Schätzchen nennst, willst du was oder bist in der Klemme.“



„Mein guter alter Opel lässt sich nicht starten. Die Werkstätte Thun hat schon geschossen. Es läuft nur mehr ein Tonband. Die haben erst wieder am Dienstag nach den Feiertagen geöffnet. Der ADAC sendet endlose Musikschleifen. Ich werde den ADAC kündigen. – Was soll ich tun? Ich stehe im Parkverbot.“



„Lass dich von der Polizei abschleppen“



„Soll dies ein blöder Witz sein?“



„Ich glaube, dein Schätzchen kann dir helfen.“



„Siegfried, gib mir die genaue Adresse. Ich schicke dir Pavlo, er hat Werkzeug, Abschleppseil und so weiter.“



„Nein, Pavlo, dieser widerliche Kerl. Nein, nein. – Schick ihn mir.“



Pavlo repariert das Auto an Ort und Stelle. „Chef, was sagst du? Verzeihung, was sagen Sie. Nur ein lockeres Kabel, und der Opel springt wieder wie ein Rehbock im Frühling.“



***



Adele kommt mit zwei großen Taschen vom Einkauf zurück. Beim Gartentor trifft sie auf Pavlo. „Pavlo, kennen Sie den Spruch: ein Unglück kommt selten allein?“



„Frau Brenner, ist Situation wie am Roulette-Tisch im Casino. Setze ich auf 21, fällt die Kugel auf 21, dann habe ich gewonnen. Ich setze gleich noch ein Mal auf 21, weil Kugel wird vielleicht wieder auf Zahl 21 fallen oder sogar ein drittes Mal. – Haben Sie im Roulette gespielt, Frau Brenner?“



„Sie verstehen mich nicht. Was Sie meinen ist eine Glückssträhne. Ich aber rede vom Unglück, das sich wiederholt.“



„Egal, Glück oder Unglück. Kann ich Ihnen helfen, Frau Brenner?“



„Letzte Woche war das Auto meines Mannes kaputt. Heute funktioniert mein Geschirrspüler nicht mehr! – Das bedeutet ein Unglück kommt selten allein.“



„Ich bin in 5 Minuten mit prima Werkzeug bei Ihnen und löse das Problem!“



„Wo ist der Absperrhahn für Wasser, Frau Brenner?“



„Absperrhahn? Ich glaube…“



Pavlo hat ihn schon gefunden. In der Toilette. Nun macht er sich an den Geschirrspüler.



Er schraubt, er klopft, er hämmert.



Das Abflussventil! Verkalkt und verstopft.



„Wie lange haben Sie schon kein Service durchgeführt, Frau Brenner?“



„Service, Service? Noch nie gemacht.“



„Das Ventil habe ich mit 10%-iger Phosphorsäure gereinigt. Alles perfekt. Den Geschirrspüler können Sie einschalten und ausprobieren.“



„Da bin ich aber froh, Pavlo, Sie sind ein Mann ...“



„… der alles kann“, unterbricht Pavlo.



„Pavlo, der Mann, der alles kann“, himmelt ihn Adele an.



„Haben Sie noch ein bisschen Zeit? Ich möchte Ihnen einen Kaffee und Gebäck anbieten?“



„Ich bin nicht so sehr für Süßes.“



„Ich hätte einen Graubündner Schinken, acht Wochen luftgetrocknet. Ein Stück Emmentaler, dazu ein Glas Bier oder Wein?“



Pavlo setzt sich genießerisch zu Tisch, verschränkt die Hände, so dass sie Knochen knacken. „Und Sie, Frau Brenner, essen nichts?“



„Ich hätte auch richtigen Appetit.“ Adele holt sich ein Gedeck und setzt sich neben Pavlo, so eng es geht. Diese Szene hatte sie öfters in ihren Wachträumen gesehen.



Die beiden essen, trinken, plaudern über alles, was sie aus den Zeitungen wissen oder im Fernsehen gesehen haben, scherzen, lachen und merken gar nicht, wie die Zeit davonläuft. Adele lebt auf und erlebt, was sie lange nicht genießen konnte.



„Pavlo, ich schenke mir ein Gläschen Likör ein, für dich gibt es einen Cognac. Prost! Ich bin die Adele, du bist der Pavlo. Prost!“



Pavlo, ein Mann in den Jahren um 35 wie Adele, darf eine Chance wie diese nicht ausschlagen. Sie taten es auf der Küchenbank. Auf dem Sofa. In den Ehebetten.



Am Abend schiebt Adele einen Zettel unter Pavols Tür durch. „Ich schäme mich. Mein Mann! - Pavlo, warst du auch glücklich? Bleibt unser Geheimnis. A.“



***



16.00 h. „Adele“, ruft Siegfried, als er vom Dienst heimkommt. Wo kann sie sein? Einkaufen? Tratsch mit einer Freundin? Beim Arzt?



Siegfried vergleicht seine Armbanduhr mit der Küchenuhr. 16,15 h. Mit einem Knall öffnet sich die Wohnungstür. Adele platzt ins Vorzimmer mit Tüten und Paketen vom Baumarkt. Hinter ihr folgt Pavlo mit Stangen und Stoffrollen.



„Entschuldige Siegfried die Verspätung, es war so viel Gedränge im Baumarkt. Aber jetzt haben wir die lang ersehnte Markise gefunden. Pavlo hat mir geholfen. Ohne ihn hätte ich das nicht geschafft!“



„Wir brauchen keine Markise. Pavlo, Kehrtwendung, der Kram kommt wieder zurück.“



Siegfried und Adele sitzen sich im Wohnzimmer gegenüber, ohne ein Wort zu reden. Sie blicken sich an, wenden sich aber sofort wieder ab. Es vergeht rund eine halbe Stunde.



Adele holt tief Luft: „Siegfried, wir wollten doch … „



Siegfried: „Wir wollten eine Markise. Aber ohne Pavlo. Ich will einfach nicht, dass dieser Kerl mit dir einkaufen geht. Ich möchte dich eindringlich ersuchen, keinen persönlichen Kontakt mit ihm mehr zu haben. Er ist Hausmeister, nicht dein Diener, Begleiter oder sonst was. Habe ich mich klar ausgedrückt?“

 



***



Ist es Liebe oder der Wunsch nach Freiheit? Adele und Pavlo treffen sich häufiger als bisher.



Ausgedehnte Spaziergänge entlang der Isarauen, Bootfahren am Wurmsee, Besuche in einer Weinschenke. Das Leben ist schön, es könnte nicht schöner sein.



***



Frühjahrsputz. Zwischen Ostern und Pfingsten ist es üblich, die Wohnungen auf Hochglanz zu bringen. Böden, Kästen, Gestelle werden geschrubbt, gewaschen, gereinigt.



„Pavlo, morgen habe ich den Jahresputz in unserer Wohnung. Wir können uns leider nicht verabreden.“



„Wer hilft dir die schweren Kästen zu verschieben, die Schubladen auszusortieren, den Fußboden zu schrubben?“



„Vielleicht Pavlo?“ Adele lächelt ihn einladend an. „Aber ganz vorsichtig, niemand soll uns beide zusammen sehen.“



Im Nu wird Adeles Wohnung zum Schmuckkästchen. Pavlo ist der Spezialist. Besonders der Boden soll wie neu aussehen. Zuerst lässt er ihn mit einer Lauge ein. Mit Essigwasser wischt er den hartnäckigsten Schmutz weg. Eine Paste wird über das Parkettholz geträufelt und verrieben.



„Pavlo“, meint Adele begeistert, „der Fußboden gibt der Wohnung eine ganz neue Note! Wunderbar.“



„Warte, der Höhepunkt ist das Bienenwachs aus Kosovo für Glanz und Duft.“



Pavlo verwandelt den Fußboden in eine glitzernde Eisarena. Es fehlen bloß die Stars.



***



Siegfried kommt wie immer etwas nach 16 Uhr nach Hause. Er liest die Allgemeine zu Kaffee und Kuchen. Adele sitzt ebenfalls im Wohnzimmer.



„Was sagst du zu meinem Frühjahrsputz?“



„Hab ich schon bemerkt. Riecht man. Zu viel Chemikalien schaden Böden und Möbel.“



„Habe alle Fenster offen!“



Schrill tönt die Türglocke zwei Mal. Und ein drittes Mal.



Siegfried springt auf und stößt einen Urlaut aus. „So eine Frechheit, Sturmläuten, wer ist denn da verrückt?“



In einem Satz schießt Siegfried aus dem Wohnzimmer. Beschleunigt das Tempo durch den Wohnungsflur, rast ins Zimmer, das zur Straße liegt, verliert das Gleichgewicht, will bremsen und gleitet wie ein Spitzeneisläufer vor dem Ziel über die Brüstung des geöffneten Fensters mit einem Salto hinab auf den Beton.



***



Nach der bescheidenen Beerdigung fahren Adele und Pavlo gemeinsam im Auto nach Hause.



„Pavlo, du bist jetzt nicht mehr Hausmeister für mich, auch nicht Diener oder Begleiter. Jetzt bist du mein Mann!“



Pavlo wirft Adele einen Blick zu und achtet nicht auf den Verkehr.



„Pavlo, gib acht! Eine Stopptafel!“



„Adele, jetzt gibt es keine Stopptafeln mehr für dich und mich!“





Traumschiff



Yvonne und ihre Mädels. Sie kennen sich zufällig, von der Schule, von gemeinsamer Arbeit, von Urlauben oder anderen Kontakten. Der Mensch ist ein „Rudeltier“. Yvonne gelingt es, ihren „5 Musketieren“ monatlich ein Treffen zu verordnen. Was gar nicht so leicht ist. Denn alle sind bereits über die Jugendfreiheiten hinweg in Ehen oder festen Bindungen gelandet. Und da hört die Selbstbestimmung auf, man fügt sich eher dem Partner als mit Yvonne einen lustigen Abend zu verbringen.



Yvonne freut sich auf den heutigen „Mädchenabend“ und auf die Neuigkeiten ihrer Freundinnen. Auch sie hat eine Menge zu berichten, da sie die Affäre mit ihrem Lover beendet hat und als Single auftreten kann.



Yvonne verlässt das Büro, nach 100 Meter stürzt sich ein Juli Regenschauer wie ein doppelter Niagarafall auf sie. Sie flüchtet in ein Haustor, bis auf die Haut nass. Taxi! Das blöde Handy hat keinen Empfang, oder der Akku ist leer. Wo ist ein Café? Ein Geschäft? Die Leute sind verschwunden, die Autos versunken. Die Straße gehört dem Gewitter und dem peitschenden Wind. Warten sinnlos. Der Regen hört nicht auf. Macht der Natur. Yvonne machtlos. Die Freundinnen sitzen im Café La Beer, schlürfen Cocktails, kichern und fragen sich, wo ist Yvonne, die blöde Kuh. Sie könnte doch wenigstens anrufen.



Pitschpatschnass und zitternd vor Kälte erwartet Yvonne das Ende der Zeit. Sterben wäre fast schöner als der Kampf mit den Wasserfontänen.



Hupe. Hupe! Yvonne regiert nicht. „Hallo Sie, Badenixe, ich kenne Sie, Sie arbeiten bei der Wundermann GmbH. Steigen Sie ein! Wohin soll Sie mein Limousinen-Service bringen? Sie sehen schrecklich aus, wie in einem Science-Fiction Film. Wie lange haben Sie schon bei diesem Wetter gebadet?“



Yvonne wollte diesen Tag in ihrem Leben ausradieren. Heißes Bad, ein Bourbon oder zwei und ein langer, langer Schlaf sind ihre Therapie. Es werden vier Bourbon und 10 Stunden.



Am nächsten Morgen. Die Welt sieht wieder neu und anders aus. Yvonne liest die Visitenkarte ihres Retters. Dr. Alfred Drossbach, Wirtschaftsanwalt. – Na, vielleicht kann man einen Anwalt für irgendetwas brauchen, denkt Yvonne und wirft die Karte in eine Schachtel, wo sie Unbestimmtes oder Unvorhersehbares aufbewahrt.



***



Es herbstelt. Die ersten kühlen Tage. Motivation für Yvonne: Prallvolle Shopping Malls mit Herbst- und Winterkollektionen.



Eine Stunde steht Yvonne in der Hosenabteilung. Die Verkäuferin zeigt ihr 20 Hosen, von denen sie fünf anprobiert. Nicht einmal. Mehrmals. Schick, neu Farbstellungen, da sollte man zugreifen, meint die beratende Verkäuferin. Yvonne sieht die Verkäuferin musternd an: Die ist ja über 40, was weiß diese Dame von Mode und von meinem Geschmacksempfinden. -Eigentlich brauche ich keine Hosen. Jetzt nicht mehr! Und die besten Jeans hängen bereits in meinem Kleiderschrank, ohne sie jemals getragen zu haben.



Schuhabteilung. Da findet Yvonne natürlich auch keine Schuhe. Aber sie macht eine Entdeckung. Schau, schau drüben bei den bunten Schals, ist doch mein Retter, der mich bei dem schrecklichen Gewitter nach Hause gebracht hat. Der Wirtschaftsanwalt. Mit ihm eine Frau, einen halben Kopf größer als er. Mit so was geht er shoppen? Das muss man abstellen. Am besten gleich morgen.



„Büro Dr. Drossbach. Was kann ich für Sie tun?“



„Bitte Dr. Drossbach privat!“



***



Treffen in einem teuren Restaurant.



Vorstellung im Nationaltheater.



Plauderabend in der Champagner-Bar.



Zwei Wellness-Weekends in Fünf-Sternehotels.



Yvonne steht vor dem Standesbeamten. Alfred Drossbach zieht ihr den Ring über den Ringfinger. Yvonne ist nun Frau Drossbach.



Die Warnungen der „Mädels-Mädchenrunde“ waren zwecklos. Es ist jedes Mal so. Yvonnes Blitzentscheidungen enden stets in einem Fiasko.



Kaum ein Jahr hält die Ehe. Aus dem Traum wird ein Albtraum. Das Karten-Haus bricht zusammen. – Nicht sofort. Alfred überrascht mit einer Idee. Eine Traumschiff-Karibikreise soll die Beziehung retten. Palmenstrände, elf Inseln, kristallklares Wasser, ein Taucherparadies, exotische Natur, ein schwimmendes Luxushotel, Bordunterhaltungsprogramm, internationale Künstler, Mitternachtsüberraschungen.



Flug nach Miami. Ausgangspunkt der Kreuzfahrt. 11 Stunden Flugzeit. Für Yvonne ein Horror. Alfred hat wenigstens Business-Class gebucht. So kann Yvonne eine bessere Flasche Rotwein bestellen, um das sterile Essen hinunter zu spülen. Sie attestiert dem Getränk eine positive Note und nickt nach der halben Flasche ein.



„Meine Damen und Herren“, tönt es aus den Lautsprechern, „wir durchfliegen eine harmlose Turbulenz, schnallen Sie sich bitte an und stellen Sie die Rückenlehne senkrecht, danke.“



Yvonne schreckt auf. „Sind wir schon im Landeanflug?“ „Nein, meine Liebe, du kannst noch rund vier Stunden weiterträumen“.



Miami. Vom Airport zum Hafen der großen Kreuzfahrtschiffe muss das Ehepaar Drossbach eine einstündige Fahrt unternehmen. In einem Taxi, das sicher 800 000 km gefahren ist und sich in einem jämmerlichen Zustand befindet. Alt. klapprig, hässlich, ohne Federung für die schlechten Straßen.



„Alfred, wo hast du ein Thomapyrin? Mein Kopf brummt und bei jeder Bodenwelle glaube ich, ich muss kotzen“.



Die Eincheckzeremonie dauert ewig. „Kein Wunder“, stellt Yvonne fest, „die Passagiere scheinen zum Großteil aus den Pensionistenclubs zu kommen und finden sich nicht zurecht. Wenn die freundlichen Stewards nicht eingreifen, warten wir noch morgen.“



In der Seefahrt gibt es keine festen Fahrpläne. Es heißt immer „due to arrive“, das bedeutet, wann das Schiff ankommt, ist es da.



Käpt’ns Dinner. Ein Highlight jeder Seereise. Festlich geschmückter Speisesaal. Live Musik.



Eine hübsche und talentierte Sängerin. Vorzügliches Essen. Der Abend lebt. Yvonne und Alfred sitzen in der Nähe des Kapitäns und seiner Offiziere.



„Die Knaben am Kapitäntisch sind auch nicht die jüngsten“, nörgelt Yvonne. Alfred lächelt, „sie passen zu den Gästen, die eine erfahrene und gesetzte Crew erwarten.“



Dieser Alfred, denkt Yvonne, ist der größte Fehlgriff meines Lebens. Wie hab ich das nur ein Jahr ausgehalten?



Alfred schlürft ein Dutzend Austern, laut und unappetitlich. Auch das noch. Yvonne dreht sich bewusst von Alfred ab in eine andere Richtung. Es nähert sich ein Paar um die 30. Sie ein Typ Model. Er ein Mann. Nein, ein Mann wie Adonis, ein Halbgott, mit der Ausstrahlung eines Jaguars, wild und aggressiv. Auf ihn habe ich gewartet.



Das Paar geht an Yvonnes Tisch vorbei. Hat Adonis mich nicht beachtet, fragt sich Yvonne, warum nicht gelächelt. So ein Mann lächelt keine Frauen an, er nimmt sie mit einem Schlag.



„Was meinst du, Yvonne, wollen wir nicht in unsere Kabine, wohin ich eine Flasche Pommery geordert habe?“ Alfred steht auf. „Kommst du?“ Yvonne ganz benommen: „Ich bleibe noch ein wenig.“ Yvonne schaut Alfred kopfschüttelnd an und fühlt, wie er meilenweit weg ist von „ihrem Adonis-Jaguar“, dem Sinnbild für Leben und Zukunft.



Yvonne kann in dieser Nacht nicht schlafen. In ihrer Phantasie öffnet sich die Bühne ihrer Wünsche und Begierden. Adonis und sie sind in einem Himmelbett, sie lieben sich, sie erstürmen sich, sie kratzen sich, sie beißen sich. Yvonne erlebt alle Wünsche in einer Art „Vorwegnahme“ der Realität, die sie in den nächsten Tagen disponieren möchte.



Früh am Morgen schlüpft Yvonne in ihren engen, schwarzen Badeanzug, der nur die körperlichen Vorteile zeigt, die Nachteile aber vertuscht. „Ich gehe schwimmen“, und sie verlässt die Kabine.



Rund um den Pool sind wenige Liegestühle besetzt. Welche Seite wird Adonis wählen? Ob er überhaupt zum Schwimmen kommt? Er muss! Und er kommt. Doch er lässt sich gegenüber von Yvonne nieder und hat wieder die „Model-Badenixe“ mit.



Er tritt ans Becken, holt Schwung und Luft. Yvonnes Schläfen pochen. Sie sieht ihren Jaguar nackt, muskulöse Brust, durchtrainierter Bauch, kräftige Oberschenkel. Plupps! Er köpft ins Wasser. Sofort hechtet Yvonne in den Pool, direkt in seine Bahn, um eine Kollision der Körper zu erzielen. Ob zufällig oder absichtlich, Adonis kann geschickt ausweichen. Yvonne taucht auf und stellt den Fehlschlag fest. Macht nichts, das Spiel hat begonnen, das wird Adonis nicht übersehen.



„Störe ich?“ Fragt Alfred. Yvonne dreht sich um und hätte ihm gerne ins Gesicht geschleudert: „Ja, du störst mich, seit ich dumme Gans JA vor dem Standesbeamten gesagt habe, lass mich für immer in Ruhe!“



„Schon gefrühstückt?“ „Im Badeanzug?“ Die Aversion wächst. Was wird er fragen, wenn ich ihn vor vollendete Tatsachen stelle?



Nach zwei Croissants und einer Tasse Kaffee ist Yvonne wieder auf dem Weg zum Pool. Nanu, inzwischen sind die meisten Liegestühle besetzt.



Wink des Schicksals? Auf zur Jagd. Sie lässt sich neben dem Liegestuhl von Adonis nieder, der mit seinem rotblauen Badetuch belegt ist. Aber wo ist Adonis? Adonis ist jedenfalls da. Und ohne seine Nixe. Yvonne kreuzt lasziv mehrmals die Beine, von links nach rechts, von rechts nach links und beginnt mit der Zeremonie des Eincremens. Tollpatschiger als Yvonne sprüht und schmiert niemand, das muss doch auffallen.



Adonis bietet seine Hilfe an. Endlich. Er ist am Haken. Seine Rückenbehandlung empfindet Yvonne als erotisches Vorspiel.



Yvonne hat sich vorbereitet. Nach einem gepflegten small-talk zieht sie eine kleine Show ab, die Mitleid erregen und ihre Sehnsucht nach Glück und Liebe darlegen soll. Das müsste doch Emotionen in jedem Mann wachrufen! Es läuft gut, bis ein Animateur mit einer Namensliste in der Hand Adonis, der in Wirklichkeit Jean-Jacques heißt, ihn zu einem Volleyball Match einlädt.



Sorry. Beiden, Yvonne und Jean-Jacques ist das nicht recht.

 



„Möchten Sie nicht das Match ansehen? Kennen Sie das Spiel und die Regeln?“ Fragt Jean-Jacques. „Und ob“, ereifert sich Yvonne. Natürlich hat sie keine Ahnung. Macht nichts. Sie sitzt am Rand des Spielplatzes und will nur miterleben, wie ihr Jaguar der schnellste aller Spieler ist, wie er höher springt, wie seine Bälle unerreichbar sind. Warum die wenigen Zuseher applaudieren, kann sie nicht ermessen, schreibt es aber Jean-Jacques zu.



Yvonne rechnet, dass ihre Konversation nach Spiel Ende weiterge

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