Diagnose Krebs

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Diagnose Krebs
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Sie war immer schon ein bisschen schneller als ich

Vorwort

Dies ist meine Geschichte, meine Gefühle und meine Erlebnisse während der Krankheit meiner Frau. Ich habe versucht Tagebuch zu führen und alle meine Gedanken während unseres gemeinsamen Kampfes gegen die Krankheit aufzuschreiben. Unsere gemeinsamen und jetzt meine Freunde mögen mir verzeihen, daß ich ihre E-Mails aufgezeichnet habe und auch manchmal Kritik an ihren Äußerungen geübt habe. Meine Kritik an den behandelnden Ärzten ist meine persönliche Erfahrung und das sind meine persönlichen Empfindungen. Ich habe alle Namen verändert und Ähnlichkeiten mit anderen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Oktober 2015

Hans Jörg Haller

Diagnose: Krebs

Gedanken, Empfindungen, Gefühle

Es ist Donnerstag der 3.Juli 2014. Der Schlag traf uns beide voll in den Solarplexus. Wie bei einem Boxer der stehend k.o. ist. Nur wir, meine Hexi und ich saßen in der Praxis eines Facharztes für Darm- und Magenspiegelungen (Gastroenterologe). Uns gegenüber der Arzt, mit dem Vornamen heißt er Spiros (wahrscheinlich griechische Wurzeln), welcher ein paar Tage zuvor bei meiner Frau eine Magenspiegelung durchgeführt hatte.

Der Arzt sitzt uns gegenüber, schaut auf seinen Bildschirm und sagt zu meiner Hexi: “Sie haben Magenkrebs, der Magen muß raus und ohne Magen können sie hundert werden!“ Kalt wie eine Hundeschnauze, völlig ohne Gefühl, einfach schrecklich, ich denke „so ein Arschloch“. Meine Frau sinkt an meine Schulter und ich nehme sie in den Arm. Dann fragen wir ob der ganze Magen oder nur ein Teil entfernt werden muß. Er sagt:“ Der ganze Magen muß raus, ich kann ihnen gleich einen Termin im Krankenhaus B. machen und ich habe nichts davon“!!! Von wegen!!! Wir lassen uns eine Einweisung für ein Krankenhaus geben und sagen wir werden das mit unserem Hausarzt besprechen. Als wir im Lift nach unten fahren nehme ich meine Hexi nochmals in den Arm und sie läßt ihren Tränen freien Lauf. Ich sage zu ihr: „Gemeinsam schaffen wir das, wir schaffen das!“ und halte sie fest. Wir gehen zum Auto und fahren zu unserem Hausarzt. Der ist erst einmal fassungslos als er die Diagnose liest und sagt: „Dorle, du?!!!“. Er erklärt uns dann, wie so eine Magenentfernung von sich geht, macht eine Skizze, wie aus dem Dünndarm ein Magenersatz gemacht wird und berät uns, welches Krankenhaus dafür in Frage kommt

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Im Anschluß fahren wir sofort in das Krankenhaus, erst in die Anmeldung. Da sitzt eine junge Frau, welche nach dem Blick auf die Einweisung zum Telefon greift und in den Hörer spricht: „Ich habe hier eine Patientin mit Diagnose Magenkarzinom, wo soll ich die hinschicken?“ Nach dem Anmelde Prozedere gehen wir in die Notaufnahme und nach einiger Zeit kommt ein junger, freundlicher Arzt. Er sieht sich erst den Befund an und reagiert sofort kompetent. Er erzählt uns, daß der geschäftsführende Oberarzt der chirugischen Abteilung ein Spezialist für solche Operationen ist und empfiehlt uns am kommenden Dienstag in seine chirurgische Sprechstunde zu kommen. „Sie können natürlich heute oder morgen versuchen mit ihm zu sprechen, aber er ist im O.P., und ich weiß nicht, wann er für sie Zeit findet. Außerdem ist es besser, wenn er keine O.P. vor oder hinter sich hat, so daß er sich voll auf ihren Fall konzentrieren kann“. Wir sind damit einverstanden, denn schließlich ist das ein ganz wichtiger Punkt. Der Arzt sagt weiter: „Ich blockiere sofort für sie einen O.P. Termin für kommenden Mittwoch, absagen kann man den immer noch“. Von der Weitsicht und Kompetenz des Arztes sind wir ganz angetan und ich mache einen kleinen Scherz: „Eigentlich schneide nur ich an meiner Frau herum“ und spiele damit auf ihre Dornwarze zwischen den Zehen an, welcher ich in mehreren Schritten mit einem Skalpell abgetragen habe. Genau mit dieser Dornwarze war Hexi bei diesem Arzt im Krankenhaus und er hat ihr Fußbäder und abtragen geraten. Wir lachen alle drei darüber und die Situation ist etwas entschärft. Ein langes Wochenende des Wartens liegt nun vor uns und wir fahren nach Hause.

Die Vorgeschichte:

Wir hatten für Mitte Mai ein Reise zu den Kindern und Enkelkindern nach Österreich geplant. Allerdings hatte Dorle Anfang Mai plötzlich Schmerzen im Unterleib. Sie selbst hat auf eine Blasenentzündung getippt, ist zum Urologen und hat sich untersuchen lassen. Ergebnis: Keine Blasenentzündung! Die Schmerzen kamen immer wieder, so ist sie zum Gynäkologen. Ergebnis: Keine Eierstockentzündung, keine Blasenentzündung. Der Gynäkologe sagt noch im Scherz: „Ich will sie ja nicht gleich zum Gastroenterologen schicken!“ Hätte er das doch gemacht!!! Allein die Schmerzen kamen immer wieder. Der Appetit hat auch etwas nachgelassen, „na ja man ist ja nicht mehr die Jüngste und im Alter isst man eben weniger“ sagt sie sich. Dann fuhren wir nach Österreich und hatten viel Spaß mit den Enkelkindern. Rauf auf die Festung Hohensalzburg, Besichtigung des Marionetten Museums und ein schönes Mittagessen auf der Terrasse über Salzburg. Die Enkelkindern und wir Beide wurden von schönstem Wetter verwöhnt und anschließend ging es in diverse Spielzeug Geschäfte um die Wünsche der Kinder zu befriedigen. Natürlich haben wir auch noch handgemachte Mozartkugeln für uns selbst gekauft und dann sind wir wieder ins Salzkammergut gefahren. Nach einem Abendessen spürte Hexi Völlegefühl und Schmerzen im Oberbauch. Sie hat sich etwas hingelegt und dann wurde es langsam besser. Nach einer Woche mit diversen Ausflügen und einer Bergwanderung zu einer Hütteneröffnung mit der ganzen Familie sind wir wieder nach Hamburg gefahren. Natürlich mit einer Ladung Wein aus der Südsteiermark.

Auch meinen Freund Sepp haben wir besucht. Er sah gut aus und wir waren ganz erstaunt, hatte er uns erst vor Weihnachten erzählt, daß er Prostata Krebs hat. Wir verlebten einen angenehmen Abend und es gab viel zu erzählen. Er sagte er nimmt TCM Medizin asiatische Heilpilze empfohlen von der Nachbarin, einer Heilerin. Außerdem bekommt er alle 3 Monate eine Hormonspritze in den Bauch. Die Kontrollen beim Urologen regten ihn immer sehr auf, weil dieser immer auf Chemotherapie drängte und Sepp sagt: „ Das will ich nicht!“

In Hamburg war erst mal Pfingsten und Hexi hatte immer wieder Magenschmerzen und Völlegefühl. Gleich am Dienstag nach Pfingsten ist sie nüchtern zum Hausarzt, Blutabnahme und Ultraschall. Ultraschall ergab nichts. Die Blutuntersuchung ergab dann ein paar Tage später einen etwas erhöhten Tumormarker, so der Hausarzt. Eine Überweisung zu einer Computertomographie und dann etliche Telefonate bis ich eine Praxis mit einem zeitnahen Termin gefunden hatte. Eine Woche Wartezeit, natürlich wieder ganz schlimm für meine ungeduldige Hexi und mich. All die Ärztefunktionäre und Gesundheitspolitiker haben keine Ahnung, wie man sich fühlt, wenn man immer wieder Schmerzen hat und ewig auf Untersuchungstermine warten muß. Diese Leute sollen auch einmal lange warten müssen, wenn sie Schmerzen habe und nicht wissen was los ist!!! Dann endlich am 18. Juni war es soweit! CT in der Innenstadt von Hamburg, erst mal sitzen im Warteraum und einen Liter Kontrastmittel trinken. Natürlich mußte man nüchtern kommen, nur Tee und etwas Weißbrot war erlaubt. Das ganze Prozedere zog sich über ca. 2 Stunden hin mit dem Ergebnis: Keine Entzündungen im Bauchraum zu sehen. Je eine kleine Zyste an der Leber und an der Niere, alles kein Grund zur Besorgnis. Meine Frage an den Arzt ob man mit dieser Untersuchung Heliocobakter im Magen feststellen könne wurde verneint. Das kann man nur bei einer Magenspiegelung. Zurück zum Hausarzt und er sagt der nächste Schritt ist eine Magenspiegelung. Termin wieder mit Schwierigkeiten, normal wäre ca. 4 Wochen Wartezeit, ich fange an etwas zu lügen und sage: „Unser Hausarzt hat bei einer Fortbildung mit Dr. B. gesprochen und der hat ihm zugesagt, daß Patienten aus seiner Praxis innerhalb einer Woche einen Termin bekommen!“ In diesem Gesundheitssystem muß man zu einer Notlüge greifen, denn sonst wird alles auf die lange Bank geschoben. Der Termin wurde dann auf den 27. Juni gelegt.

Sprechstunde im Krankenhaus

Dienstag morgens um 9 Uhr sitzen wir im Wartezimmer. Nach ca.

15 Minuten wird Hexi vom O.A. Dr.H. aufgerufen und wir gehen Beide mit ihm ins Sprechzimmer. Er hat sich natürlich schon die Diagnose von der Magenspiegelung angesehen und er fängt an, sich über das Leben von Hexi zu informieren. Die körperliche Fitness, die Interessen, die sportlichen Aktivitäten alles um sich von meiner Frau ein Bild zu machen. Er fragt sie, wo sie geboren ist und sagt dann: „Sie mit ihren starken ostpreußischen Genen, sie schaffen das. Meine Frau hat übrigens auch diese Wurzeln aus der kalten Heimat.“ Der Arzt ist sehr sympathisch, hat ein offenes, rundes Gesicht und ist nicht ganz schlank. Dann erklärt er genau, wie so eine Operation durchgeführt wird, nimmt ein Blatt Papier und zeichnet auf, wie der Dünndarm an die Speiseröhre angenäht wird. Der Magen und die Gallenblase werden entfernt und der Darm wird mit einer Schlinge über den Zwölffingerdarm angeschlossen. Aber so sagt er, zunächst müssen wir noch eine Endosonographie machen um alles genau zu wissen. Der Termin wird unkompliziert sofort im Hause gemacht und Dr. H. sagt uns: „ Am nächsten Tag gibt es eine Tumorkonferenz der Spezialisten aus den Krankenhäusern und Onkologien im Osten Hamburgs und dabei wird ihr Fall besprochen.“ Hexi sagt zu ihm: „Ich habe volles Vertrauen in sie, ich lege mich in ihre Hände und ich verspreche ich werde kämpfen!“ Er verspricht, uns am nächsten Tag Abends anzurufen und uns über die weitere Vorgangsweise zu informieren. Bevor wir gehen fragt meine Frau den Arzt: „Woher kommen sie“, denn nach seinem Aussehen und seinem Namen kann er kein Nordeuropäer sagt. Er antwortet: „ Ich komme aus Persien“. Auch der Arzt, welcher die Endosono macht, empfiehlt die Vorstellung bei der Tumorkonferenz. Eine tolle Sache, so ist man sicher, daß mehrere erfahrene Ärzte mit verschiedenen Meinungen, über diese Fall diskutieren.

 

Am nächsten Tag sitzen wir natürlich wie auf Kohlen am Nachmittag und warten auf den Anruf. Das Warten auf Ergebnisse ist immer das Schlimmste. Wie versprochen ruft Dr. H. gegen 18 Uhr an und sagt uns, daß vor einer O.P. Chemotherapie gemacht werden soll, damit der Krebs kleiner wird. Zuerst aber muß noch eine Bauchspiegelung im Krankenhaus gemacht werden und bei dieser Gelegenheit wird auch gleich ein Port für die Chemotherapie gesetzt. Außerdem hat sich bei der Endosono herausgestellt, daß etwas Wasser im Bauchraum ist. Das wird bei der Bauchspiegelung abgesaugt und es werden Gewebeproben zur genauen Untersuchung entnommen. Das heißt am nächsten Tag ins Krankenhaus, Freitag Bauchspiegelung im O.P. und eventuell Samstag wieder nach Hause. Donnerstag früh bringe ich meine Dorle ins Krankenhaus und sie bekommt ein schönes Zweibettzimmer. Allerdings ist das ärztliche Aufnahme Prozedere etwas sehr umständlich und der Arzt auch nicht richtig informiert, daß auch gleich ein Port gesetzt werden soll. Er sagt: „Der Port wird mit örtlicher Betäubung gesetzt!“ Was für ein Schwachsinn, wo die Bauchspiegelung unter Vollnarkose gemacht wird. Nach einigem hin und her geht das in Ordnung. So geschieht es und ich bin jeden Tag bei meiner Frau im Krankenhaus. Am Freitag Vormittag mache ich gleich einen Termin in der Onkologie für nächste Woche, Mittwoch. Nach der Bauchspiegelung kommt einer der Ärzte und erklärt sofort, was alles gemacht und untersucht wurde und die Gewebeproben im Labor ausgewertet werden. Ergebnisse Anfang nächster Woche. Samstag hole ich meine Hexi aus dem Krankenhaus nach Hause und wir verleben ein harmonisches Wochenende.

Die Chemotherapie:

Am Mittwoch gehen wir zur Onkologin Frau Dr. H. Sie ist sehr sympathisch, nimmt sich Zeit und geht auf alle Fragen ein. Meine Hexi fragt natürlich sofort nach Haarausfall, hatte sie gerade vor einem Jahr damit zu kämpfen und jetzt wieder schöne, dichte und längere Haare. Die Ärztin sagt: „Es muß nicht sein, aber die Haare werden auf jedenfalls durch die Chemotherapie dünner, aber ich gebe ihnen ein Rezept für eine Perücke“. Sie zeigt uns dann 2 Räume, wo die Therapie durchgeführt wird, bequeme Liegesessel, in beiden Räumen ungefähr 10 Therapieplätze. Dann erzählt sie uns, daß alle notwendigen Blutuntersuchungen im eigenen Labor an Ort und Stelle gemacht werden und daß die Medikamente für die Chemotherapie individuell auf jede Krebsart und für jeden Patienten eingestellt werden. Außerdem kann die Zusammenstellung immer wieder individuell, je nach Verträglichkeit verändert werden. Es wird immer nach jedem Durchgang mit den Schwestern besprochen. Die erste Chemotherapie soll meine Hexi am Montag, den 21.Juli bekommen und dann im Abstand von 2 Wochen 3 Weitere. Nach der Chemotherapie bleibt eine Pumpe mit weiteren Medikamenten 24 Stunden angeschlossen.

Nach der ersten Sitzung fühlt sich Dorle die ersten 48 Stunden relativ gut, dann allerdings setzen Müdigkeit, Übelkeit, kribbeln in den Fingern und Kälteempfindlichkeit im Mund ein. Das ganze Unbehagen dauert bis zum Sonntag oder Montag, also eine Woche. Am Mittwoch gab es für meine Hexi eine Ernährungsberatung, denn sie soll für die bevorstehende O.P. Gewicht zulegen. Sie bekommt hochkalorische Getränke verschrieben, doch die schmecken allesamt ganz scheußlich. Kalt geht wegen der Kälteempfindlichkeit im Mund nicht und warm schmecken sie nur nach Chemie. In der zweiten Woche fühlt sie sich relativ gut und geht sogar zum Friseur zum Haareschneiden und -färben.

Chemotherapie am 4. August. Zustand wie nach der ersten Sitzung, es beginnen die Haare auszufallen und wir starten am Donnerstag zu Perücken kaufen.Sehr schwierig, Frauen und ihre Haare (sind ja auch ein Schmuck). Nach einiger Zeit hat sie sich für eine entschieden, die ihr steht, wie ich meine. Sie wird die Perücke jedoch nie tragen, weil sie aussieht wie ein Topf wie sie sagt. Dann kommt am 14. August der Zeitpunkt, wo ich ihr die Haare mit meinem Bartschneider abschneide. Tage zuvor sind die Haare büschelweise ausgefallen und jedes mal hat meine Hexi Tränen vergossen. Nach gutem Zureden meinerseits hat sie sich dann entschlossen, kahle Platte zu machen. Im Badezimmer wurde eine alte Tischdecke ausgelegt und los ging es. Ich habe sie hinterher in den Arm genommen und ihr immer wieder gesagt welch schöne Kopfform sie hat und die Haare kommen nach der Chemotherapie ja wieder. Bei der Ernährungsberatung wurde Hexi auch eine Ernährung über den Port angeboten damit sie für die O.P. An Gewicht zulegt. Sie sagt ja dazu.

Dann kommt Freitag der 15.August. Erstmal wird das ganze Sammelsurium für die Zusatzernährung über den Port angeliefert. Wir sind geschockt, es sieht aus als würde bei uns Jemand einziehen. Ein großer Karton mit Medikamenten und Hilfsmitteln, ein Ständer für Infusion und eine Kühlbox mit der Ernährung. Dann ruft Schwester Hilke an, sie würde um 18h30 kommen und Dorle an die Ernährung anschließen. Als die Schwester dann hier ist, ist alles nur ein schlechter Scherz. Niemand von der Ernährungsberatung hat Dorle gesagt, daß sie dafür sorgen muß, daß eine Port-Nadel gesetzt ist. Also Kommando zurück, das Ganze wird nach der nächsten Chemotherapie gemacht.

Nächste Chemotherapie am 18. August, die Dritte. Zustand wie immer zusätzlich Akupunktur beim Heilpraktiker gegen Schmerzen und diesmal wird am 19. Abends die Port-Ernährung angeschlossen. 1220 k-cal sollen in 12 Stunden in den Körper fließen. Am nächsten Morgen kommt Schwester Hilke zum Abschließen. Die Nacht ist Horror-mäßig, immer wieder tigert Hexi mit dem Ständer auf Rollen zum Klo. An ein durchgehendes Schlafen ist nicht zu denken. Als die Schwester am nächsten Morgen kommt, lasse ich mir zeigen wie man alles abschließt, damit wir morgens in Ruhe aufstehen und frühstücken können. nach dem Zweiten mal mache ich es alleine.

Der nächste Rückschlag kommt bestimmt: Samstag 23. August nachts Durchfall, Sonntag wieder Durchfall, Port-Ernährung abgebrochen. Dann Montag früh in die Onkologie, die Ärztin verschreibt Kreon und der Stuhl wird untersucht, Ergebnis kein Virus. Dann wieder Besprechung mit einer Ernährungsberaterin diesmal eine Andere: „Ich hätte mit 800 k-cal angefangen“. Warum die erste Beraterin nicht. Diese Damen scheinen ja alle sehr gut ausgebildet zu sein, aber Theorie und Praxis sind zwei verschiedene paar Schuhe. Geht es nur ums Geld, verkaufen, verkaufen !!!??? Die Ernährung wird auf 935 k-cal heruntergefahren und das jede 2. Nacht. Endlich können wir dann jede 2. Nacht ruhig schlafen.

Die Port-Ernährung zeigt langsam Wirkung und Hexi nimmt etwas zu. Das Gewicht war nach dem Durchfall 55,0 kg. Dorle soll für die O.P. auf mindestens 60 kg kommen.

Die 4. Chemotherapie am 1. September, das gleiche Bild wie immer, 2 Tage gut, den Rest der Woche verbringt Dorle meistens im Bett. Wieder Akupunktur beim Heilpraktiker. Die Port-Ernährung jede 2. Nacht schlägt gut an und Dorle nimmt wieder etwas zu. Nachts wie immer das Problem mit dem Pinkeln aber mittlerweile gibt es einen Nachttopf neben dem Bett. Wie vor 50 Jahren, als wir noch aufs PC mit dem Herzen im Freien gehen mußten.

Nach der ersten Woche wieder zum Fitnesstraining und plötzlich kommt bei Hexi der Geschmack und der Appetit zurück. Sie kann jetzt fast normale Portionen essen und langt auch kräftig zu. Und das Gewicht steigt weiter, es steigt schon auf über 59 kg an, toll. Nach einer weiteren Besprechung mit der Onkologin werden Termine für eine neuerliche Endo-Sonographie des Magens und eine CT des Abdomens gemacht. Ergebnisse Endosono: Magenkarzinom nach wie vor Stadium T3, keine Wasseransammlung im Bauchraum. Bei CT: Keine Veränderung zur 1. CT, alles o.k. Man erklärt uns, daß man in Hohlräumen wie Magen und Darm mit der CT nichts und alles was kleiner ist als 1 cm nicht sehen kann, CT kann man vergessen!!!! Dann kommt warten auf die nächste Tumorkonferenz der Ärzte, Termin 24.9.

Hexi isst weiterhin mit Appetit und schöne Portionen, das Gewicht steigt. Termin zur Besprechung in der Onkologie mit Frau Dr. H. Tumormarker sind weiter zurückgegangen, O.P. wird demnächst sein, Termin kommt vom Operateur Dr. H. vom Krankenhaus. Am Montag hat meine Hexi Höchstgewicht: 61,7 kg. Es ist unser Hochzeitstag, wird sind 20 Jahre verheiratet. Meine Hexi bekommt das EDP Jungle von Kenzo. Morgens beim Frühstück kommt der Anruf aus dem Krankenhaus von Herrn Dr. H. morgen am 30. 9. um 10 Uhr einchecken im Krankenhaus. Der Tag ist für uns gelaufen!!!

Die Operation:

Am 30.9. vor 70 Jahren wurde meine Hexi geboren, es ist ihr 70. Geburtstag. Alles hatte sie sich so schön für die Feier zu ihrem 70iger vorgestellt. Gemeinsam mit ihren längsten Freundinnen, ihrer Schwester, den 3 Neffen, davon Einer mit Freundin und mit mir im Nolde Museum Restaurant zu feiern. Alle Einladungen waren gedruckt, das Essen und die Getränke bereits geordert als Anfang Juli die erste Diagnose kam. Und eine Woche davor wollte sie sich noch in Rieste auf Gut Varendorf kosmetisch verwöhnen lassen. Leider nur ein Traum und was haben manche Träume so an sich: sie zerplatzen!!! Es sollte nicht sein!!!

Und dann der 30.9.: um ½ 10 Uhr waren wir da. Warten ist angesagt! Wir gehen in die Aufnahme und melden Hexi an. Station 3, kennen wir schon, nach der Bauchspiegelung war sie auch dort gelegen. Die Stationsschwester kommt und sagt es dauert noch, wir müssen erst andere Patienten entlassen, um freie Betten zu haben. Zuerst kommt die Aufnahme in die Station durch Schwester Wildtrud. Das geht eigentlich ganz flott. Anschließend soll noch die ärztliche Aufnahme durch den Stationsarzt sein, doch das dauert. Der Stationsarzt ist gleichzeitig Notarzt und immer auf dem Sprung. Er hat zwei wartende Patientinnen abgefertigt und als Hexi ihn fragt, wann er denn sie ärztlich aufnehme sagt er: „Jetzt muß ich erst einmal zu meinem Chef!“

Es wird 11 Uhr, es wird 12 Uhr, es wird 13 Uhr, um 14 Uhr reißt mir die Geduld (und ich bin ein geduldiger Mensch). Ich gehe zur Information, wo ist die Beschwerdestelle und komme zu einer Frau Jette. Sie hat Verständnis für mich, nachdem ich ihr den Sachverhalt erklärt habe. Am Vortag vor einer großen O.P. Und diese Warterei ist für die Patientin ein Horror, für die Psyche ganz schlecht. Zurück auf der Station kommt die Stationsschwester und sagt, sie hätte Herr Dr. H. angerufen und er kommt sofort. Er kam auch gleich darauf und hat uns erklärt, daß in dem Zimmer ein Patient mit Keimen lag und der Abtransport hätte nicht geklappt und nun müßte das Zimmer erst keimfrei gemacht werden. Dann kam Frau Dr. St. aus dem O.P. Und hat nun die ärztliche Aufnahme gemacht. Die ganzen Erklärungen über die Risiken der Operation, ein Horror, da kann man überlegen, ob man das Ganze überhaupt durchsteht. Sie erklärt daß man sich damit einverstanden erklärt, daß wenn notwendig, auch andere Organe wie der Magen z.B. die Milz entfernt werden darf. Dann gab noch eine Aufklärung durch eine Narkoseärztin, wieder der reinste Horror. Sie erklärt, daß um die Dosierung der Narkosemittel möglichst gering zu halten ein Rückenmarks-Katheder in den Spinal-Kanal zur Schmerzbekämpfung gelegt wird. Und ein Risiko dabei könnte sein, daß man querschnittgelähmt bleibt. Diese Ärztin ist wohl selbst sehr betroffen, als sie das erklärt. Ihr Gesichtsausdruck spricht Bände. Zu guter Letzt bekam meine Hexi ihr Bett um 17Uuhr 15. Um 18 Uhr gehe ich nach Hause und schlafe unruhig. Nachts habe ich diverse Alpträume aus vergangenen Zeiten, teilweise haarsträubend, Erinnerungen vermischt mit Horrorszenarien die ich so nie wirklich erlebt habe. Wahrscheinlich arbeitet mein Hirn nachts besonders in der Vergangenheit und vermischt tatsächlich Erlebtes mit irgendwelchen Einbildungen und Fiktionen.

Herr Dr. H. hat versprochen mich nach der O.P. anzurufen was er auch macht. Ich muß schon sagen der Mann hält was er verspricht. Er sagt mir, daß die Operation nach Plan verlaufen ist und daß er sehr viel herausnehmen mußte, was immer das auch heißt. Auch die Onkologin Frau Dr. H. ist über den Verlauf bestens informiert. Nachmittags um 15 Uhr rufe ich auf der Intensivstation an, und sie sagen ich kann Dorle besuchen. Ich gehe sofort los, in ca. 20 Minuten bin ich bei ihr. Sie ist wach und natürlich blass, aber wir unterhalten uns ein wenig. Gestört werden wir von einem Röntgenteam, welches ihre Lunge mit einem mobilen Gerät röntgt. Zu Hause setze ich mich an den Computer und schreibe E-Mails an die Freunde und berichte vom Verlauf. Auch telefoniert habe ich, vor allem mit Linde, Sanne und Unna sowie Annegret und Eunice. Ich bin froh, daß soweit alles gut gegangen ist und ich meine Hexi morgen wieder besuchen kann.

 

Morgens ruft Dorle mich aus der Intensiv an, daß sie angeblich nicht in das Zimmer 10 kommt. Ich rufe auf der Station 3 an und frage wann sie verlegt wird und in welches Zimmer. Man sagt mir geplant ist das Zimmer 10 aber es müssen erst Patienten entlassen werden und das dauert. Es dauert weil erst die Ergebnisse der Blutuntersuchung aus dem Labor da sein müssen und der Entlassungsbrief vom Stationsarzt geschrieben werden muß. Das ist eine sehr träge Organisation. Gegen 12 Uhr stehe vor der Intensivstation und will zu meiner Frau. Über Sprechanlage sagt man mir ich solle im Vorraum warten. Ich warte geduldig eine halbe Stunde, dann kommt eine Schwester und sagt mir jetzt wird Dorle in ihr Zimmer verlegt. Wieder dauert es eine halbe Stunde bis das endlich passiert. Ich verstehe ja, daß das Personal knapp ist, aber können diese Leute sich nicht in Angehörige und Patienten versetzen, Geduld, Geduld und wieder Geduld ist angesagt!!!

Endlich liegt Dorle auf ihrem Zimmer, ganz bleich und an Schläuchen mit diversen Tropfs. Wir können uns ein wenig unterhalten, aber die Augen fallen ihr immer wieder zu. Ich beschließe nach Hause zu gehen und später wieder zu kommen. Zu Hause gönne ich mir einen doppelten Espresso und entspanne etwas. Abends besuche ich sie wieder und wir können ein paar Worte miteinander wechseln.

Als ich am nächsten Tag gegen 11 Uhr zu ihr komme hat sie die Augen auf. Sie hängt noch immer an diversen Tropfs und ist schwach und nicht mobil. Glücklicherweise ist ihre Zimmerkollegin und Mitpatientin flexibel und sehr umsichtig. Sie betreut meine Hexi fast so gut wie eine Krankenschwester. Sie bekommt auch gleich den Namen Schwester Renate von Dorle verpasst. Ich bleibe ungefähr 2 Stunden und gehe dann nach Hause um etwas zu essen. Mein normales Leben geht ja weiter, ich jogge und gehe zum Fitnesstraining. Die Leute im Fitnessstudio sind sehr besorgt und sprechen mir viel Mut zu. Auch viele Besserungswünsche für Dorle geben sie mir mit auf den Weg. Am Abend gehe ich wieder ins Krankenhaus und bleibe ca. 1,5 Stunden.

Tag 2 nach der Operation komme ich gegen Mittag. Dorle bekommt eine Suppe und ich traue meine Augen kaum Schokolade-Pudding und Fruchtjoghurt. Das darf sie doch nicht essen. Wir haben uns natürlich vor der Operation informiert und ein Buch von einem Diät-Berater aus einer Krebsnachsorge – Klinik besorgt. Das kann nicht sein, zudem so kurz nach der Operation. Ich nehme die beiden Becher zur Seite und mache mich auf den Weg zu Frau Jette die Beschwerdetante. Übrigens ist meine 1. Beschwerde bis zum Leiter der Chirurgie Prof. T. St. gekommen laut Auskunft seiner Sekretärin, die ich gefragt habe, ohne meinen Namen zu nennen. Leider hat Frau Jette diese Woche Urlaub und so bin ich gezwungen in der Anmeldung nach der zuständigen Diätassistentin zu fragen. Die Dame in der Anmeldung war sehr zuvorkommend und hat versucht diese Diätassistentin telefonisch zu überreden mit mir zu sprechen. Diese Tussi hat sich schlichtweg geweigert, mit mir zu sprechen.

Als ich aus der Anmeldung herauskomme sehe ich Herrn U., den Direktor des Krankenhauses an einer Vitrine stehen. Den greife ich mir und schildere ihm meine Bedenken bezüglich der Ernährung so kurz nach der Operation. Der Mann ist ja bekannt wie ein bunter Hund , weil er immer in den Käseblättern abgebildet ist, Pech gehabt. Er telefonierte sofort mit dem Küchenchef, natürlich nicht in meiner Gegenwart und geht mit mir zur Station 3. Dort scheucht er die Schwestern durcheinander, obwohl die ja gar nichts damit zu tun haben und es auch nicht ihre Schuld ist wenn von der Küche falsches Essen kommt. Das war auch bei der Zimmerkollegin der Fall, die bekam Körner-Brot statt Feinbrot. Er versichert mir mehrmals, daß meine Frau in diesem Krankenhaus bestens betreut wird. Ich verlasse dieses gastliche Haus und gehe nach Haus um etwas zwischen die Kiemen zu bekommen.

Als ich am Abend wiederkomme wird mir berichtet, daß diese Diätassistentin dann aufgetaucht ist, sehr aufgebracht war und versucht hat, das Ganze herunterzuspielen indem sie sagte Dorle solle halt alles probieren, sie könne alles essen. Was für ein Schwachsinn so kurz nach einer Entfernung des Magens. Wahrscheinlich hat sie eine auf den Deckel gekriegt, so hoffe ich. Natürlich gab es dann auch keinen Schokolade Pudding mehr auf dem Tablett. Schon mal ein Fortschritt.

Bei den Schwestern mache ich mit den Worten: „Ich will ja nicht nur meckern, ich möchte mich auch für die gute Pflege meiner Frau bedanken“ gutes Wetter mit einer Tüte Original Salzburger Mozartkugeln jeweils für die Morgen- und Nachmittagsschicht. Die Stationsschwester war ganz super und schlagfertig als ich ihr die Tüte gab: „Waren sie heute schon bei ihrer Frau - nein- na, dann gehen sie erst einmal zu ihr, denn sonst könnte es sein, daß sie die Mozartkugeln wieder zurückhaben wollen“! Somit hat meine Hexi nicht unter irgendwelchen Querelen vom Pflegepersonal zu leiden. Unsere Freunde und Verwandten werde über den Fortschritt per E-Mail oder Telefon informiert. Zu Hause angekommen. muß ich erst mal etwas entspannen.

Tag 3 beginnt für mich mit einer kleinen Runde joggen. Anschließend ins Krankenhaus, sehen wie es meiner Hexi geht. Sieht etwas besser aus und hat etwas Farbe im Gesicht. Allerdings klagt sie über Schmerzen links an der Hüfte. Der Narkosearzt und Schmerzspezialist kommt und untersucht sie. Es könnte eine Muskuläre Verspannung sein, Nachwirkungen der O.P. Der Schmerztropf über die Wirbelsäule funktioniert nicht immer, wenn sie sich zum Essen aufsetzt, beginnt das Gerät zu piepen und in der Anzeige steht „Katheder verstopft“. Zu essen kriegt sie immer noch Süppchen und die hängen ihr schon zum Hals heraus. Ihre Zimmerkollegin (von ihr Schwester Renate genannt) betreut sie nach wie vor ganz super, bringt ihr alles, was sie braucht. Nach dem Essen ist sie müde und schläft mal eine kleine Runde. Ich marschiere nach Hause, esse eine Kleinigkeit und gehe etwas einkaufen. Gegen Abend besuche ich sie wieder und sehe, daß sie ziemlich erschöpft ist. Ich bleibe ca. eine Stunde bei ihr, dann gehe ich nach Hause.

Am 4. Tag überrascht sie mich: Sie steht vor dem Spiegel, ist etwas geschminkt und bindet sich gerade ihr Kopftuch. Ich freue mich mit ihr und wir drehen im Zimmer 4 Runden mit den ganzen Beuteln und Infusionen im Schlepptau. Bei einer neuerlichen Untersuchung hat sich herausgestellt, daß sie eine beginnende Lungenentzündung hat. Deshalb soll sie sich mehr bewegen, inhalieren und kriegt Antibiotika über eine zusätzlichen Tropf. Die ganzen Anschlüsse hängen an ihrem Hals und vor der Brust wie eine etwas verunglückte Halskette. Auch der Rückenkatheder ist noch da. Die Ärzte sagen immer zu ihr: „Sie müssen keine Schmerzen haben“, die Schwester sind anderer Meinung. Sie sagen: „Mit den Schmerzmitteln kann man nur die Spitzen bekämpfen, der Körper gewöhnt sich daran und deshalb muß man die Mittel zurückfahren“ . Fällt mir gerade ein daß ein Lieblingsspruch meiner Hexi „runterfahren“ ist, allerdings in einem anderen Zusammenhang ( Essen und Alkohol). Am Abend kommt überraschend Betti zu Besuch. Hexi ist erst überrascht weil noch keinen Besuch haben wollte, aber dann freut sie sich doch sehr.

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