Buch lesen: «Die eidgenössischen Kasernen in Thun»

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Siegfried MoeriGuntram Knauer

Die eidgenössischen Kasernen in Thun

Kanton Bern

Einleitung

Die erste militärische Zentralschule kommt nach Thun

Die Eidgenösssischen Übungslager in Thun

Thun braucht eine neue Kaserne, aber wo?

Mannschaftskaserne 1

Planungsgeschichte

Baugeschichte

Baubeschrieb

Würdigung

Offizierskaserne

Planungs- und Baugeschichte

Kurzbeschrieb

Würdigung

Dufourkaserne

Baugeschichte

Kurzbeschrieb

Würdigung

Anhang

Einleitung
Die erste militärische Zentralschule kommt nach Thun

Die europäischen Grossmächte Österreich, Preussen, Russland, Grossbritannien und Frankreich hatten 1815 auf dem Wiener Kongress vereinbart, die Schweiz als Pufferstaat zwischen Frankreich und Österreich, zu dem damals die Lombardei und Venetien gehörten, wieder erstehen zu lassen. Sie verpflichteten die in einem Staatenbund organisierte Eidgenossenschaft zur bewaffneten Neutralität. Das setzte eine eidgenössische Armee voraus, die einheitlich bewaffnet und ausgebildet wurde. 1817 erliess die Tagsatzung ein «Allgemeines Militärreglement (Schaffung einer Armee mit kantonalem Gepräge im Frieden, mit eidgenössischem Charakter im Krieg)». Das Reglement sah eine Militärschule für Stabs-, Genie- und Artillerieoffiziere und die Durchführung eidgenössischer Übungslager vor.


Die Federzeichnung von 1821 zeigt die unbebaute Landschaft ausserhalb der Stadt, durchquert von der soeben gebauten schnurgeraden Allmendstrasse, die am Horizont die Zollhausbrücke über den ehemaligen Kanderlauf erahnen lässt. Entlang dieser Ausfallstrasse entwickelten sich linker Hand der Waffenplatz, rechter Hand zur Aare hin die Rüstungsbetriebe.

Am 17. August 1818 beschloss die Tagsatzung, die erste militärische Zentralschule in Thun zu gründen, obwohl Zürich, Luzern und Lenzburg dafür kämpften, dass ihre Stadt als Standort gewählt würde.

Welche Gründe führten zu dieser Wahl?

War es die zentrale Lage?

Gemäss Tagsatzungsprotokoll vom 17. August 1818 befand sich «Thun ungefähr im Mittelpunkt der Artillerie liefernden Kantone». Von Thun aus ist es in allen Richtungen gleich weit zur Landesgrenze. Es liegt geografisch im «Kern der Schweiz».

War es das Gelände?

Vor ihrer Ableitung in den Thunersee überschwemmte die Kander immer wieder die Allmenden. Durch die periodischen Kiesablagerungen war eine wasserdurchlässige Schwemmebene entstanden, die sich für die militärische Ausbildung ausgezeichnet eignete. Auch bei misslichen Wetterbedingungen fanden Hufe festen Boden, Geschütze versanken nicht im Morast. Zelte für die grossen Übungslager konnten auf festem Boden errichtet werden.


Pro Juventute-Briefmarke von 1937, Entwurf: Karl Bickel (1886–1982). Als Vorlage diente das Porträt von K. F. Irminger. Guillaume-Henri Dufour war eine der herausragenden Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts. Als Instruktor an der Eidg. Militär-Schule war er mit Thun besonders verbunden. 1848 verlieh ihm die Burgerversammlung von Thun das Ehrenbürgerrecht. An der Eröffnung der Hauptkaserne 1868 hielt er eine kurze Ansprache.


1840 führte Dufour in Thun das freischwebende weisse Kreuz im roten Feld als gemeinsames Feldzeichen ein, das zur Schweizer Fahne wurde (aquarellierte Federzeichnung von Carl Stauffer, 1841).

Waren es die guten Verbindungen zwischen der Stadt und dem Übungsgelände?

Seit 1807 führte eine schnurgerade Ausfallstrasse vom Allmendtor zum Zollhaus an der ehemaligen Brücke über die Kander.

War es, weil sich Thun bereits früher als Truppenübungsplatz bewährt hatte?

Während der Helvetischen Republik (1798–1803) wurden in Thun, der Hauptstadt des damaligen Kantons Oberland, Truppen geschult. Im staatlichen Kornhaus im Bälliz wurden 1799 französische Truppen untergebracht.


Das Kornhaus, das für die Lagerung des Getreidezehnten des Amts Thun gebaut wurde, genügte als Truppenunterkunft den gestiegenen Anforderungen nicht mehr. Die Räume waren stickig und dunkel, die Latrinen kaum besser als auf dem Feld. Die Offiziere waren in Privatzimmern und im Gasthaus Freienhof einquartiert, was zu einem Mangel an Disziplin führte.


Auf dem 1814 entstandenen Thun-Panorama von Marquard Wocher erkennt man das langgestreckte Kornhaus, davor das Waisenhaus.

Am 1. August 1819 wurde die «Eidgenössische Central-Militärschule» in Thun feierlich eröffnet. Oberst Jost Göldlin von Tiefenau wurde der erste Direktor der Schule. Ihm zur Seite standen die Oberinstruktoren für Artillerie, Hauptmann Salomon Hirzel, und für Genie, Ingenieur-Stabshauptmann Guillaume-Henri Dufour.

Die Soldaten waren im staatlichen ehemaligen Kornhaus im Bälliz untergebracht. Der Strättligturm im Gwatt diente als Pulvermagazin. Die Stadt Thun richtete im Salzmagazin neben dem Gasthaus Freienhof einen Theoriesaal ein und stellte die Waisenhausscheune und den Werkhof an der Aarestrasse zur Verfügung. Das Vereinigte Familiengut der Burger vermietete die Allmend und gestattete die Errichtung eines Polygons.

Die Ausbildung erfolgte in Französisch, zu jener Zeit die lingua franca in Europa. Auf dem Wiener Kongress sprachen alle Teilnehmenden Französisch. Die ersten Offiziere der neu gebildeten Schweizer Armee waren vorher meist in französischen Diensten, wie auch Dufour, der Offizier unter Napoleon I. war. 1833 erteilte die Tagsatzung der Militäraufsichtsbehörde auf Wunsch der Gesandtschaft von Schaffhausen den Auftrag, nicht mehr ausschliesslich französisch zu unterrichten.

Die Eidgenösssischen Übungslager in Thun


Louis Napoléon in der Uniform eines Berner Hauptmanns, gemalt von F. F. B. Genaille: Charles Louis Napoléon Bonaparte (1808–1873) war ein Neffe von Napoleon I. Er wuchs auf Schloss Arenenberg im Kanton Thurgau auf. Als Kaiser Napoleon III. vermittelte er auf Wunsch von General Dufour im Neuenburger Handel 1856/57. Er überzeugte den preussischen König Friedrich Wilhelm IV., als Landesherr von Neuenburg abzudanken. Seit dessen Tod gehört Neuenburg vollumfänglich zur Eidgenossenschaft.

Die Übungslager fanden in der Regel alle zwei Jahre während der Monate August und September statt. Bis zur neuen bundesstaatlichen Verfassung von 1848 wurden vierzehn eidgenössische Übungslager durchgeführt, davon sechs in Thun (1819, 1826, 1834, 1842, 1844 und 1846). Auf den Allmenden von Schoren und Allmendingen (beide Gemeinde Strättligen), Thierachern, Thun und Uetendorf wurden Artillerie- und Geniekader ausgebildet, ab 1828 auch Generalstabsoffiziere und Kader der Infanterie. Prominentester Teilnehmer war Prince Louis Napoléon. Er nahm an mehreren Ausbildungsgängen teil, so 1834 im Rang eines bernischen Artillerie-Hauptmanns.

Die Tagsatzung beschloss, 1842 ein grosses drei Wochen dauerndes eidgenössisches Übungslager in Thun durchzuführen. Der grössere Teil der Thuner Allmend, 15,5 Jucharten (= rund 18 Hektare), war 1841 vom Vereinigten Familiengut der Burger um 150’000 Franken (heutiger Geldwert rund 15 Millionen Franken) erworben worden. Die Zelte des Lagers bildeten eine «regelmässige, dem Auge wohlgefällige Linie von 3032 Fuss Länge mit einer Tiefe von 600 Fuss». Der Bezug des Lagers war genau reglementiert: «Wenn die Truppen gegen den Lagerplatz anrücken, wird in Kolonnen marschiert, mit fliegender Fahne und klingendem Spiel». Die Truppen bildeten eine Division (4300 Mann). Sie bestand aus Einheiten der Sappeure, Pontonniere, der Artillerie, Kavallerie, aus Scharfschützen und der Infanterie.


Links im Bild befindet sich der Empfangspavillon für die Tagsatzung. Die kleinen Zelte enthalten Waffen und Munition (kolorierte Aquatinta von Jean Bryner).


Eidg. Übungslager 15. August bis 5. September 1842.

Die Zahlen unter den Fünferreihen der Zelte (d) weisen auf die einzelnen Kompanien hin. Im Süden des Lagers liegen die Zelte der Offiziere (f, g, h, i), Zelt A ist für Oberst Rilliet Constant, den Kommandanten des Übungslagers. Die Verpflegung ist getrennt (p für Offiziere, s für Soldaten). Südlich der Baum- und Buschreihe befinden sich die Latrinen (u). Der Massstab ist in Fuss angegeben (1 Fuss = 30,48 cm).


Parade der Truppe. Die Manöver waren eine grosse Publikumsattraktion (Aquarell von Johann Amstutz).

Der Leiter des Übungslagers, der Genfer Oberst Rilliet de Constant (1794–1856), bemängelte in seinem Bericht an den eidgenössischen Kriegsrat die Kosten von 43’000 Franken (heutiger Geldwert rund 4,5 Millionen Franken) für die temporären Einrichtungen, eine «vollkommen unfruchtbare Ausgabe, es ist gänzlich verlorenes Geld». Er forderte den Bau einer Kaserne auf der Allmend mit Theoriesälen, Büros für das Kommando und die Verwaltung, einem Spital, Stallungen für die Pferde, einer Reithalle, einem Stroh- und Fouragemagazin und einem Militärgefängnis.



Gedenkmünze zum Eidg. Lager in Thun 1842.

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