Auf den Spuren der Nahtoderfahrungen

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Und am bewegendsten ist sicherlich die Schlussbemerkung:

„Erst viel später, das können Monate gewesen sein, wusste ich eines Tages plötzlich: Der erste Hereingekommene war mein verstorbener Bruder (verstorben 1933), Zwillingsbruder meiner Schwester; er hatte nur drei Tage gelebt (Urkunden sind noch vorhanden).“

In den geschätzten eineinhalb bis zwei Minuten, die das Nahtoderlebnis dauerte, war immer noch Raum für eine vierte Phase, das „große Finale“ sozusagen, das Günter wie folgt schildert:

„Ohne mein Wollen befand ich mich wieder in einer ,Tunnelröhre', sah diesmal nicht viele Lichter wie vorher, sondern vorrangig war ein sehr helles weißes Licht, auf das ich mich mit immer schneller werdender rasender Geschwindigkeit zubewegte. Das Licht war blendend hell, aber nicht unangenehm. Als ich dachte: ,Jetzt hast du es erreicht', kam ich plötzlich in einen Raum, der mich an einen Schulklassenraum mit kleiner Wandtafel erinnerte. Es war dort etwas nüchterner und weniger glanzvoll, aber ich fühlte mich noch sehr froh und glücklich. Ich kann mich nicht mehr erinnern, was auf der Wandtafel geschrieben stand. Ich spürte, hier lief alles auf eine Entscheidung hinaus. Eine Stimme sprach mich an, aber ich konnte dazu keinen Körper oder ein ,Geistwesen' erkennen. Mir wurde unter anderem erklärt, dass ich noch Aufgaben zu erledigen habe und benötigt werde. Ich wollte noch schnell die Bitte äußern, meinen Zustand noch etwas länger beibehalten zu dürfen. Die Stimme hatte mich aber längst durchschaut und kam mir zuvor mit der klaren Aussage, die ich sogar noch wörtlich weiß: ,Nein, es ist noch nicht so weit. Du gehst/ kommst wieder zurück.' Danach kam ich sofort wieder in den Körper zurück. Ich öffnete die Augen, konnte die Hallenbeleuchtung sehen, und der erste Gedanke, den ich hatte, war: ,Schade, dass es schon vorbei ist.' Ich bin dann sofort aufgestanden, als ob nichts gewesen wäre, hatte sogar ein angenehmes Gefühl (Kribbeln) im Kopf … Den Wiedereintritt in meinen Körper erlebte ich fast ruckartig, und das schöne, Körperlose, befreiende Gefühl war augenblicklich wieder verschwunden.“

Schließlich seien noch folgende Bemerkungen Günters angefügt:

„Auffällig ist, dass mein Interesse an den ,letzten Fragen' zugenommen hat. Die Angst vor dem Tod ist verschwunden. Ich weiß nicht, was und wie der Tod ist; es konnte ja auch noch niemand darüber berichten. Vielleicht gibt es gar keinen endgültigen Tod. (Das ist aber Spekulation/Hoffnung/Glaube.) Ich weiß aber, dass vorher, nach Beginn der augenscheinlichen ,Bewusstlosigkeit', bevor es endgültig so weit ist, sich noch einiges ereignen wird, und dieses Bewusstsein/Wissen hat bei mir Einfluss auf einige Anschauungen und Meinungen genommen …Es wird mir bewusster, dass es noch andere Normen und Maßstäbe als die von Zeitgeist und Ellenbogengesellschaft propagierten (z. B. Konsumkultur) gibt.“

Nicht alle Nahtoderfahrungen haben die Intensität und Tiefe wie diejenige von Günter Miersch. Man hat sich sogar um ein Maß für die Tiefe des ungewöhnlichen Grenzerlebens bemüht. Das wird immer mit Willkür behaftet sein. Allerdings kommt ihm insofern Bedeutung zu, als man annehmen kann, dass flüchtige Nahtoderlebnisse nicht in jedem Fall in die spirituelle Erlebnissphäre vordringen oder auch nur die Schwelle des hirnbiologisch Erklärbaren überschreiten.

Über diese hirnbiologischen Aspekte ist viel geschrieben worden, oft mit der Absicht, Nahtoderlebnisse überhaupt mit ihrer Hilfe zu erklären. Wir stellen zuerst einige Argumente zusammen, die sich schon im Rahmen des klassischmedizinischen Menschenbildes als fraglich erweisen. Ein Beispiel („Die Geschichte mit dem künstlichen Gebiss“) haben wir schon weiter oben kennengelernt. Wie wir später sehen werden, ist ihre Verwendung zur Erklärung tiefer Nahtoderfahrungen darüber hinaus deshalb nicht möglich, weil Neurobiologie in ihrer heutigen Form – ohne quantenphysikalische Grundlagen – ausreichender Aussagekraft entbehrt.

4. Sind Nahtoderlebnisse neurobiologisch deutbar?

Eine der Theorien, mit denen die Lichterfahrung im Nahtoderlebnis erklärt werden soll, sieht so aus: Das sterbende Gehirn bringt infolge Sauerstoffmangels einen größer werdenden Lichteffekt hervor, der als Tunnel-Licht-Erlebnis empfunden wird. Eine andere führt an, dass in Extremsituationen wie Autounfall oder Koma Stresshormone im Gehirn ausgeschüttet werden, etwa Endorphine oder Enkephaline, die Glücksgefühle produzieren. Psychiatrisch wird angenommen, dass bei Bedrohung eine innere Flucht einsetzen kann, die zum Gefühl führt, man verlasse den Körper und betrete ein Glückvolles Land. Andere sprechen einfach von Halluzinationen. Als besonders gravierend gilt, dass man durch mechanische Reizung eines gewissen Bereiches im Schläfenlappen des Gehirns (gyrus angularis) außerkörperliche Erlebnisse auslösen kann oder durch Einnahme bestimmter Drogen wie Ketamin nahtodartige Lichtvisionen zu erzeugen vermag.

Nun lassen sich viele dieser Argumente einzeln in Frage stellen. So kann man beispielsweise bei Nahtoderfahrungen, die nicht in Todesnähe geschehen, nicht von Sauerstoffmangel im sterbenden Gehirn reden. Es ist auch hinreichend erwiesen, dass sich Nahtodvisionen grundlegend von Halluzinationen dadurch unterscheiden, dass sie wie reale Erlebnisse klar strukturiert sind, auch nach langer Zeit noch präzise in Erinnerung gerufen werden können und vor allem – bei ausreichender Tiefe – in einer Weise das weitere Leben nachhaltig beeinflussen, wie man das von Halluzinationen nicht kennt.

Hier möchte ich aber nicht weiter auf Einzelheiten eingehen, sondern den Kern des Problems in einem Vergleich zusammenzufassen versuchen: Wenn sich Menschen sexuell begegnen, dann werden im Gehirn ebenfalls Glückshormone wie Endorphine ausgeschüttet und es spielt sich neurobiologisch eine Reihe von Prozessen ab, die sich auch bei einem der beiden Menschen künstlich erzeugen lassen, ohne dass ein Partner existiert, etwa durch Pornografie oder direkten Hirneingriff. Die Einzelbefunde im Gehirn sagen also noch nichts aus über den Gesamtvorgang wie im Falle der sexuellen Begegnung. – Analog sagen einzelne Hirnphänomene, die im Nahtoderlebnis auftreten oder umgekehrt als Hirnreizung zu nahtodähnlichen Erlebnissen führen, noch nichts über das Ganze und dessen tiefer liegende Bedeutung. – Bildlich gesprochen tragen wir so etwas wie eine Schatzkammer in unserem Gehirn, von der man annehmen kann, sie wird erst im Tode endgültig geöffnet, im Nahtoderlebnis nur ansatzweise und vorübergehend.

Bei einer neurobiologischen Befassung mit dieser Schatzkammer ist eine fundamentale methodische Feststellung zu treffen: Gegenwärtige Hirnforschung beruht fast vollständig auf klassischer Physik und ist damit einem Weltbild verhaftet, das in der Physik seit hundert Jahren in Frage gestellt wird. Allein diese Tatsache nimmt der Neurobiologie schon die Legitimation, Gesamtaussagen über Geist, Bewusstsein, Seele usw. vorzunehmen. Sie vermag nur hirnphysiologische Korrelate, Teilaspekte zu beschreiben, auch wenn diese medizinisch und psychologisch von erheblicher Bedeutung sein können. Zwar wird auch die Quantenphysik, wenn sie einmal zum methodischen Rüstzeug der Neuroforschung gehören wird, nicht die letzten Geheimnisse aufdecken. Aber sie wird schon bei Fragen wie der Realität von Schwebeerlebnissen eine neue Sicht ermöglichen. Das soll uns noch genauer beschäftigen. Betrachten wir zunächst weitere Beispiele, um eine breite Grundlage für unsere Überlegungen zu gewinnen!

5. Dokumentation weiterer Nahtoderfahrungen

Wunderschön helles, warmes Licht

Folgenden Bericht von Frau Anna Brückner erhielt ich im Februar 2008; er sei unkommentiert wiedergegeben:

„Ich habe 1971 während der Geburt meines Sohnes ein Nahtoderlebnis gehabt. Ich konnte die ersten zehn Jahre mit niemandem darüber sprechen außer mit einer Hebamme kurz nach der Geburt, als alles vorüber war. später erzählte ich das Erlebnis meiner Mutter. Sie erklärte mir, dass ich etwas Wunderbares erlebt hätte, das nicht jedem Menschen beschert wäre.

Ich war damals zwanzig Jahre alt und nicht besonders gläubig oder besser gesagt keine große Kirchgängerin oder Beterin. Heute bin ich 56 Jahre alt, habe viel erlebt und habe mich oft gefragt, ob das alles einen Sinn hat. Bin immer nur gefordert worden, habe kaum Liebe oder Zärtlichkeit erfahren. Aber erst einmal zu meinem Erlebnis:

Die Geburt wollte nicht vorwärtsgehen, ich konnte einfach nicht mehr. plötzlich setzte mitten im größten Wehenschmerz die Atmung aus, und in diesem Moment waren alle Schmerzen weg, und ich erfuhr ein großes Gefühl von Freiheit, als könnte ich die ganze Welt umfassen. Ein wunderschön helles, warmes Licht umfing mich, und ich schwebte immer weiter von mir weg. Ich habe alles, was Ärzte, Hebammen und Schwestern gesagt oder getan haben, genau gehört und dachte: ,Was tun die mit mir? Sie sollten mich doch gehen lassen.' Ich hörte die Stimmen immer weiter entfernt wie durch eine Röhre. ,Zeit spielt keine Rolle mehr', hieß es, und jemanden hörte ich nach Sauerstoff schreien. Und in dem Moment, als ich beatmet wurde, musste ich in meinen Körper zurück. Ich wollte nicht zurück, es war so schön dort drüben. Ich hatte das Gefühl, in ein viel zu enges Gefäß eingesaugt zu werden. Das Geräusch empfand ich so, als ob ein verstopfter Abfluss das Wasser schnell wegzieht. Es war äußerst schmerzhaft, und sofort waren auch die Geburtswehen wieder da. Nach zwei schweren Wehen, mit letzter Kraft und mit Hilfe von Arzt und Hebamme wurde mein Sohn geboren. Als alles vorbei war und ich mit der Hebamme und dem Kind allein im Kreißsaal war, setzte sich die Hebamme an mein Bett, zwickte mich in die Wange und sagte zu mir: ,So, jetzt wird sich aber mal gefreut.' Ich muss wohl von ganz weither gekommen sein, denn das Erste, was ich sprach, war: ,Warum habt ihr mich nicht gehen lassen, warum habt ihr mich zurückgeholt?' Die Hebamme war sehr erschrocken; so etwas hatte sie noch nicht erlebt. Tage später sagte sie mir, mein Blick wäre während der letzten Geburtsphase ganz weit und fern gewesen, ganz sonderbar. Heute habe ich durch viele priesterliche Gespräche oder Bücher die Erkenntnis, dass ich zurückgeschickt wurde und in meinem Leben noch einiges bewegen, Menschen begleiten und führen muss oder darf und kann.

 

Ich habe vor acht Jahren angefangen, in die Altenpflege zu gehen, zwei Jahre Schule gemacht und den Hospizbegleiterschein erworben. Ich denke, ich bin auf dem richtigen Weg und habe auch vor dem Sterben keine Angst, höchstens vor Krankheit und Schmerzen.“

Zum zweiten Mal im Tunnel

Heinz W. schreibt 2007 von zwei Nahtoderlebnissen, die „28 Jahre auseinanderliegen und doch zusammengehören“. Im April 1945 wurde er als 17-Jähriger an der Ostfront durch Granatsplitter schwer verwundet, notdürftig versorgt und, nachdem seine Truppe durch die Rote Armee überrollt war, in eine Kaserne bei Iglau (CSSR) gebracht. Dort

„… durchlebte ich die Hölle. Unsagbare Schmerzen wegen Tetanus, Wundstarrkrampf usw. Dazu grausame Behandlung durch das tschechische Wachpersonal. Wie oft und wie lange ich durch Betäubungsmittel oder Scheintod weg war, kann ich nicht genau. sagen. Scheintod kommt bei Wundstarrkrampf oft vor. Ich bekam das Meiste mit, konnte mich aber weder bewegen noch sonst irgendwie bemerkbar machen.“

Aber noch Anderes geschah:

„Irgendwann in dieser Zeit hatte ich ein Erlebnis, ich weiß, dass ,Traum' nicht der richtige Ausdruck ist. Ich befand mich in einem Tunnel. Wie ich dort hineingekommen bin, weiß ich nicht. Ich sprang rückwärts hoch (ähnlich den heutigen Hochspringern), drehte mich herum und schwebte. Ich kann nicht sagen, ob ich irgendwelche Bewegungen gemacht habe. Der Tunnel war wie von Dämmerung erhellt. Nach einer kurzen Strecke teilte sich der Tunnel. Der abzweigende Teil war ganz dunkel. Die Dunkelheit war mir nicht geheuer, und ich schwebte im helleren Teil weiter, zumal ich in weiter Ferne einen Lichtschein zu erkennen glaubte. Es ging aber plötzlich nicht mehr weiter, das Bild verblasste.“

Es folgte wieder Schreckliches:

„Am 19. 5. wurde bei einem Verbandswechsel festgestellt, dass das rechte Bein am Abfaulen war. Eine Operation hielt man für aussichtslos. Wie ich später erfuhr, hatte ich, wie man annahm, nur noch ein paar Stunden zu leben. Ich wurde in einem Raum zum Sterben abgelegt. Am nächsten Morgen, es war der 20. 5. 1945, konnte ich mich doch irgendwie bemerkbar machen, ich kam sofort in den OP, wo mein rechtes Bein oberhalb des Knies amputiert wurde. Von nun an ging es wieder aufwärts, ich hatte keine Schmerzen mehr, konnte mich wieder bewegen.

Den Tunnelflug habe ich nie vergessen. Es war einfach ein schönes Erlebnis. Begriffen habe ich dieses Erlebnis erst 28 Jahre später.“

Das war 1973, als Heinz W. an einer zunächst nicht erkannten „Blinddarm“-Entzündung litt, mit geplatztem Appendix operiert wurde und Zusätzlich mit Herzproblemen sowie Gallenbeschwerden infolge von Ärger am Arbeitsplatz zu kämpfen hatte:

„Mir ist buchstäblich die Galle übergelaufen. Weil der Magen keinen Gallensaft angefordert hatte, hat er einfach den Laden dicht gemacht. Jetzt konnte man geeignete Therapien einleiten, und es ging – wenn auch langsam – wieder aufwärts.

Während dieser Zeit hatte ich auch wieder ein wunderbares Erlebnis. Ich war zum zweiten Mal im Tunnel. Ich wusste sofort, es war der gleiche Tunnel wie vor 28 Jahren. Da ich mich ja schon auskannte, beachtete ich den anderen Tunnel, der immer noch dunkel war, nicht. Ich wusste ja noch, dass am Ende des Tunnels ein Lichtschein sein musste. Ich schwebte also dem Lichtschein entgegen, und er wurde immer größer und heller. Ich schwebte bis vor den Ausgang und wurde von einer unbeschreiblichen Helligkeit fast geblendet. Es ging aber plötzlich nicht mehr weiter, ich schwebte vor dem Ausgang auf der Stelle. Ich kann nicht sagen, ob ich vor dem Tunnel einen Garten oder einfach nur einen hellen Raum sah. Was ich aber sah, waren viele Menschen. Ich erkannte vor den anderen stehend meine Eltern, meinen Bruder Helmuth und meinen Schwager Martin Buchs, die beide gefallen sind. Alle anderen habe ich nicht erkannt. Ich weiß aber, sie waren alle freundlich und schienen mich empfangen zu wollen. Aber niemand sagte etwas oder versuchte mich zu berühren.

Ich habe bisher nur mit drei Personen darüber gesprochen. Beide Ereignisse sind so klar in meinem Gedächtnis erhalten geblieben, als wären sie gestern erst passiert. Oft habe ich mich gefragt: War das vielleicht das Licht des ewigen Lebens, von dem in vielen Religionen und Mythen die Rede ist? Ich denke, ja. Mit dem Tag unserer Geburt gehen wir auf dieses Licht zu. Wir haben mehr oder weniger Zeit, uns darauf vorzubereiten. Aber wir sollten es tun, dann würden wir unser Leben bewusster erleben. Oder?

Beim nächsten Mal werde ich den Tunnel verlassen, dann bin ich am Ziel.“

Unter Qualen im Gefangenenlager

Franz Lassacher aus Österreich erlebte als zwanzigjähriger Soldat das Kriegsende in Danzig mit, die Bombardierung der Stadt durch die Russen, furchtbare Massaker in den Straßen, dann Gefangenenlager mit schweren körperlichen Arbeiten bei minus 20 bis minus 30 Grad, schlechter Ernährung, Unterbringung ohne Betten und Decken, Misshandlungen, qualvollen Zuständen also. Er magerte auf 35 kg ab und wurde schwer krank. Den schrecklichen Tod eines großen Teils seiner Kameraden vor Augen, schwand auch langsam sein noch vorhandener Gottesglaube dahin:

„Falls ich hier sterben muss, ohne meine Heimat und meine Lieben zu Hause noch einmal zu sehen, geschieht an mir ein derartiges Unrecht, dass ich mit meinem tief verwurzelten Glauben breche. Dann betrachte ich den christlichen Glauben, der bald 2000 Jahre besteht, als den größten Betrug und die größte Lüge an der Menschheit. Das waren damals in diesen schweren Stunden meine Gedanken.“

Er erzählt jedoch weiter:

„Kurze Zeit darauf blieb mein Herz stehen. Ich war bei vollem Bewusstsein. In dem Moment trennten sich meine Seele und mein Geist vollkommen schmerzlos von meinem Körper.

Das war am 30. Jänner 1946 im Lazarett. Es war schon dunkel. Dieses Ereignis geschah an meinem 21. Geburtstag. In dieser Todesstunde hatte ich weder Schmerzen noch Angst. Nun wusste ich nicht, was kommen würde. Ich war ja nicht tot, sondern bei vollem Bewusstsein. Ich hatte ja nur meinen Körper verlassen. Plötzlich dachte ich wieder an den Glauben und hoffte, ein Schutzengel oder die Himmelsmutter würde kommen. Aber davon war nichts zu sehen. Ich merkte, dass sich mein Geist, mein eigenes Ich, weiterbewegte. Wie das vor sich ging, konnte ich nicht wahrnehmen. Es war nun alles anders. Ich hatte keinen Hunger, auch keine Kälte plagte mich mehr, und so kam ich in eine von Nebel bedeckte Gegend, die doch irgendeinen abgegrenzten Raum darstellte.

Das ist alles sehr schwer zu beschreiben, denn es war alles Neuland, das ich da zu sehen bekam. Als ich dann weiter in dieser Gegend schwebte, begegnete ich Menschen, die wahrscheinlich vor mir ihren Körper verlassen hatten und ebenso hierherkamen. Ich hatte den Eindruck, dass auch sie nicht wussten, wie es weitergehen würde.

Die Begegnung mit diesen Menschen war wunderbar. Sie hatten alle eine Art Schattenfigur. Man konnte jeden vom anderen unterscheiden. Auch ich musste so ausgesehen haben. Ich wurde von diesen Menschen so liebevoll, so aufrichtig und mit einer Herzhaftigkeit und Wahrhaftigkeit empfangen, die man sich auf Erden nicht vorstellen kann.

Die Verständigung erfolgte jetzt nicht mehr durch die Sprache, sondern durch die Gedanken. Ich stand oder schwebte, ich finde dafür keinen richtigen Ausdruck, vor diesen liebevollen Menschen. Ich wusste nicht, ob es Russen oder Gefangene waren. Als wir so vereint waren, erblickte ich in weiter Ferne ein Licht, das wie ein kleiner Stern aussah. Das Licht kam sehr rasch näher und blieb vor mir stehen. Ich war verwundert. In diesem Licht war eine sehr schöne männliche Gestalt zu erkennen. Ich konnte den Kopf, den Oberkörper, die Arme und die Brust bis zu den Hüften sehen. Die Füße waren vom Licht, das nicht blendete, verdeckt und nicht zu sehen.

Mein erster Gedanke war: Das ist jemand, der über uns Menschen steht. Es war mir sofort klar, dass es der ,allmächtige Vater' war, der uns Menschen geschaffen hatte.

Ich fühlte mich derart geborgen und in Sicherheit, dass mir Stalin mit seiner Wehrmacht und seinen Waffen, sollte er sie gegen mich einsetzen, nichts antun konnte, denn ich war im Schutze des allmächtigen Gottes. Davon war ich in dieser Stunde voll überzeugt.“

In dieser Gottesvision verharrend, dachte Franz über sein Leben nach, über Gottes Schöpfung, Krieg, Gerechtigkeit, Tod und was danach ist. Seine Vision wandelte sich in eine „trinitarische“, aus drei Lichtgestalten bestehende, ehe sie endete. „Wie ich in meinen Körper zurückkam, wusste ich nicht.“ Neue Hoffnung und neuer Glaube keimten auf.

Heute ist Franz Lassacher ein zufriedener, glücklicher Mensch mit Familie und bekennt sich ausdrücklich zum christlichen Glauben.

„Zur Niederschrift meines Erlebnisses hatte ich mich nur deshalb entschlossen, da mir Gott zu verstehen gab, meine Begebenheit mit ihm meinen Mitmenschen weiterzugeben. Ich bin es dem Schöpfer auch deswegen schuldig, da er mir meinen innigsten Wunsch, die Heimat wiederzusehen, erfüllte.“

Die können mich noch nicht gebrauchen

Wie unterschiedlich bei gleichen Grunderlebnissen die Gefühle und Erwartungen sein können, zeigt der folgende Bericht, der auch nicht Liebevolles enthält. Hannelore G. aus der Nähe von Bremen schreibt über das, was sie eines Tages im Jahr 2001 erlebte:

„Ich hatte mit sechzig Jahren einen Unfall, fuhr mit einem Mofa auf einer stark befahrenen Straße. Mitten in einem kleinen Dorf ist es passiert. Ein LKW nahm mich ,auf die Hörner', ich habe absolut nichts gespürt. Wie lange das dauerte, bis der Rettungswagen kam, keine Ahnung. Der LKW-Fahrer ließ mich liegen und haute ab [Zeugenaussage].

Erst jetzt, nach Jahren, muss ich immer an das Erlebnis denken. Nicht nur an die mit der Schere aufgeschnittenen Kleider, sondern: Es war alles so gelb wie hier das Papier [der verwendete Briefbogen]. Ein Raum, aber irgendwie weder aus Holz noch aus Stein, wie gelber Nebel, aber doch ganz klar. Ein Geistwesen führte mich in den Raum und bat mich (freundlich) zu warten. Dann war ich alleine. Aus Langeweile sprang ich rum, wie Trampolin. Das Geistwesen kam wieder. ,So, nun komm bitte mit.' Wir warteten an einer Öffnung, einer Art Türe, diese ging auf, aber nur einen Spalt, dahinter ein anderes Geistwesen, das mit meinem sprach, ich verstand nichts. Als es länger dauerte, hörte ich hinter der Türe: ,Nein, die können wir noch nicht gebrauchen, die muss zurück.'

Ich hörte es ganz deutlich, und die Worte waren nicht gerade liebevoll, eher gestresst. Mein Geistwesen bedauerte das mir gegenüber und meinte, leider müsse ich halt wieder zurück. Danach wachte ich im Rettungswagen auf, und fragen Sie nicht, wie! Die Rippen waren längs der Wirbelsäule wie abrasiert, der ganze linke Brustkorb kaputt. ,Tot' war ich natürlich nicht.“

In einem späteren Brief fügt Frau G. hinzu:

„Außer Schmerzen Enttäuschung, große Enttäuschung, ich hätte den gelben Traum gern weitergeträumt. Keine Angst mehr vor dem Tod, denn es gibt ihn gar nicht … Ich glaube, wenn man durch die runde gelbe Tür darf, dort geht der Kampf weiter. Nur: Man hat wohl keine Schmerzen mehr. Ich glaube felsenfest, nach dem ,Tod' geht es nahtlos weiter – aber ein Paradies erwarte ich nicht. Die zurückweisung ,… muss zurück' war alles andere als liebevoll, sie war barsch und unnachgiebig. Am Allerletzten glaube ich an ,Gott' (wenn ja, dann vielleicht als Gesetz, unkörperlich) und was uns die Kirchen lehren … Ich glaube, wir müssen ,dort' weiter an uns arbeiten, was wir hier nicht geschafft haben, ich glaube, wir haben die Aufgabe zu wachsen …“

Die Sehnsucht ist groß

Wie schon bemerkt, brauchen Nahtoderlebnisse nicht in Todesnähe zu geschehen. Der folgende Beitrag von Vera Kühböck aus Österreich dürfte ein Beispiel hierfür sein; trotz Herzproblemen findet sich kein Anhaltspunkt für körperliche Gefahr.

 

„Es war zirka im Jahre 1982, ich war 26 J. Ich lebte in Wien in einer kleinen Wohnung, Küche, Kabinett, WC am Gang. Es war ein Freitag, denn immer am Freitag war ich total erschöpft von der Arbeitswoche und kam meistens so gegen 14.00 Uhr nach Hause. Meist legte ich mich sofort auf meine Couch und schlief ein. Damals hatte ich öfter Herzprobleme, war oft erschöpft und sehr müde. Ich hatte eine Beziehung mit einem zehn Jahre älteren Mann und war nicht glücklich.

Ich lag auf dem Rücken, mein Bett war weich, aus Schaumstoff, wenn man es ausklappte, war es eine Doppelliege. Plötzlich nahm ich wahr, dass sich jemand sanft auf mein Bett setzte, es sank ein klein wenig ein. Dieser Jemand saß ruhig am Bettrand mit dem Rücken zu mir. Ich sah eine Wunderschöne übergroße Wesenheit, mit goldblonden, gewellten Haaren, ein wenig über die Schultern reichend. Gekleidet war dieses Wesen mit einem weißen Kleid, besser, aus weißem, fließendem Stoff. Das Gesicht konnte ich nicht erkennen.

Eine unendliche Liebe zu diesem Wesen erfasste mich, und ich stieg ca. in Höhe meines Brustkorbes, ich denke es war die Herzgegend, aus meinem Körper heraus. Gleichzeitig erhob sich dieses übergroße geliebte Wesen, und ich griff mit beiden Händen an seine rechte Hand und schwebte mit ihm Richtung meiner Zimmertüre. Dabei fiel mir auf, dass das Kleid vollkommen bis hinunter reichte, die Füße konnte ich jedoch nicht sehen, in der Taille war es gegürtet, und die Ärmel waren ganz weit und fließend. So ähnlich wie bei Merlin, dem Zauberer.

Eine unendliche Liebe strömte von diesem Wesen aus, ich war vollkommen in Liebe gebadet. Ein kurzer Blick fiel auf meinen Körper, der reglos am Bett lag, es interessierte mich überhaupt nicht weiter. Ich wollte nur mehr bei diesem Wesen bleiben, egal, wohin es auch gehen würde. Jedoch, zu meiner großen Enttäuschung schwebten wir nicht durch die Türe, es wurde nicht hell, es war äußerst dunkel, und ich nahm eine Stimme in meinem Kopf wahr, die sagte: ,Deine Zeit ist noch nicht reif.' Ich wollte mich wehren, plötzlich war ich wieder in meinem Körper. Mein Herz raste bis zum Hals. Ich war bitterlich enttäuscht, wieder zurück zu müssen. Dieses Erlebnis ließ mich lange Zeit nicht aus. Ich sehnte mich und sehne mich noch heute nach dieser unendlichen Liebe.

Ich lebe nicht gerne, ich möchte so gerne zurück. Ich lese Unmengen von Büchern, die mir helfen, diese grausame, verachtenswerte Menschheit zu ertragen. Da aber Gott alle Wesen liebt und jedes seiner Schäfchen zurückhaben möchte, darf ich mir kein Urteil über meine Mitmenschen bilden.

Ich hatte auch noch andere Erlebnisse ähnlicher Art, aber so große Liebe empfand ich nie wieder. Die Sehnsucht nach meiner geistigen Heimat ist sehr groß, sodass ich in diesem Leben nicht richtig leben und lieben kann. Schon als Kind hatte ich das Gefühl, nicht hierher zu gehören, mein Blick ging immer Richtung Himmel.“

Das Licht war ein Gefühl

Auch das folgende Erlebnis geschah nicht in Todesnähe. Elisabeth R. aus Thüringen, zur Zeit des Berichtes 55 Jahre alt, 36 Jahre verheiratet, zwei Kinder, übersetzerin und Sprachlehrerin (Tschechisch und Russisch), schreibt darüber:

„Es war kein Traum, denn Träume sind anders. Ich war auch nicht krank, es war ein ganz normaler Tag, und ich ging, wie immer, gegen 22.30 Uhr zu Bett. Irgendwann nachts ,spürte' ich, als ob mich jemand herauszieht, es war sonderbar, ich wollte das nicht – aber dann ergab ich mich sozusagen, es war dunkel, ich weiß nicht, ob es ein Tunnel war, irgendwie glitschig, unangenehm, aber ich konnte ja nichts tun. Ich wusste, dass ,ich' es bin, aber ich sah mich nicht; seltsame Wesen schwebten neben und über mir, sie führten mich und ,ich' kam in ein unbeschreiblich helles Licht (es blendete nicht). Ich dachte überhaupt nicht an das irdische Leben, das Licht war ein Gefühl wie Geborgensein, wie unendliche Liebe, ich hörte wunderbare Klänge und roch wunderschöne Düfte. Dieses Licht war so unendlich schön, und das Gefühl (aber nicht so ein Gefühl, wie wir Menschen fühlen) so, dass ich eigentlich keine passenden Worte dafür finden kann. Ich oder meine Seele (?) ging weiter und kam zu einem Tal, darüber war Dunst, man sah nicht hinunter, es war irgendwie trübe (kein Licht mehr). Auf der anderen Seite sah ich drei Wesenheiten (ohne Gesichter). Ohne zu sprechen, wusste ich, dass die eine Wesenheit meine Großmutter war, die andere größere Wesenheit meine verstorbene Bekannte, die dritte weiß ich nicht, denn sie sagten (ohne Worte, nur gedanklich), ich solle zurückgehen. Mit einem Ruck, der ziemlich unangenehm war, wusste ich, dass ich wieder in meinem Körper im Bett war. Ich wollte aber wieder zurück und stieß mich mit den Beinen im Bett ab, schloss die Augen und sagte mir, ich will wieder dorthin, aber es ging nicht mehr, und ich war ziemlich verwirrt, erzählte es meinem Mann und meiner Mutter. Alle denken, es war nur ein Traum, aber ich weiß, dass Träume anders sind. Ich denke täglich daran und habe keine Angst vor dem Tod.“

Gerade die letzte Bemerkung unterstreicht noch einmal die Andersartigkeit gegenüber einem Traum: Dass man durch einen solchen die Angst vor dem Tod verliert, ist nicht zu erwarten.

Frau R. fügt noch hinzu, dass sie schon als Kind viele „Visionen“ hatte, ihr aber niemand glaubte. Noch eine weitere Sensibilität kommt hinzu:

„Im Traum spreche ich Sprachen, die ich nicht gelernt habe, und ich weiß, dass es etwas gibt, was wir Menschen mit unserem Verstand nicht begreifen.“

Doch, du kannst!

Hanny M. aus der Schweiz hatte bereits 1968 ein intensives Nahtoderlebnis. Es ist ein glücklicher Umstand, dass sie damals ihr Erleben aufgezeichnet hat, in einer Zeit, als die breite Diskussion über derartige Extremerfahrungen, wie sie Moody und andere in den Siebzigerjahren in Gang gesetzt haben, noch nicht angestoßen war. Wir geben es unverändert und ungekürzt wieder:

„Angesichts der Geburt meines jüngsten Kindes hatte ich ein eindrückliches Erlebnis, das ich hier aufschreiben möchte.

Die Schwangerschaft verlief nicht unproblematisch und war eigentlich für meinen physischen Zustand eine Herausforderung. Es war das fünfte Kind, und meine Nieren sind nicht sehr belastbar. Also hielt ich die neun mühsamen Monate durch mit dem festen Entschluss, dass es das letzte Mal sei, da ich gleich nach der Geburt unterbunden würde. Nur dieser Gedanke ließ mich durchhalten, obwohl ich mich auf das Kind freute. Doch mit jedem Tag wurde die Belastung größer, und ich erwartete fast nur noch apathisch die Geburt und damit die Besserung. In diesem Zustand der totalen Erschöpfung kam ich ins Spital, wo auch die Geburt sehr schnell ging und man mich zur Operation vorbereitete.

Der Arzt beschloss Lokalanästhesie mit Schnitt direkt unter dem Nabel. Ich war bei vollem Bewusstsein, als der Arzt den Schnitt ausführte, der mich absolut nicht schmerzte, und ich ihn scherzend fragte, ob er jetzt mein Hemd zerschnitten hätte. Ihm war nicht nach Scherzen zumute, und er fachsimpelte mit den Assistenten und der Anästhesistin. Nach kurzer Zeit fühlte ich mich nicht mehr wohl. Ich fühlte zwar keine Schmerzen am Leib, aber ein unangenehmes, unbekanntes Gefühl wurde immer stärker und unerträglicher. Es wurde scheußlich unangenehm, aber ich weiß nicht, was es war, ich glaubte nur, das nicht länger auszuhalten.

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