Seine unschuldige Prinzessin

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

2


Dani, Planet Everis, unbekannter Aufenthaltsort

Da war er. Endlich hatte ich ihn gefunden. Ich war stundenlang gelaufen und mein Körper war nach dem sexy Traum im Ausnahmezustand. Ich war meinem angeborenen Jägerinstinkt gefolgt, dem wissenden Herzen einer markierten Partnerin, die nach der zweiten Hälfte ihrer Seele suchte. Das Herz sprang mir aus der Brust, als ich ihn erblickte. Ich sah die rostige Kette an der Wand, die sich unter ihm über den Boden schlängelte. Ich war Lichtjahre von der Erde entfernt und das hier war der perfekte Mann für mich. Aufseherin Egara und das Testprotokoll hatten recht gehabt. Ich wusste es. Ich war von meiner Wanderung ganz durchgeschwitzt, in der Höhle aber fing ich zu zittern an.

Dieses Höllenloch. Man hatte ihn hier zurückgelassen, um zu leiden. Um zu sterben.

Niemand hätte ihn je gefunden. Nur ich, nur seine markierte Partnerin konnte ihn dank unserer Verbindung aufspüren. Das Mal in meiner Handfläche flackerte auf und ich hisste. Ein Stöhnen entwich seiner geschundenen Gestalt und ich wusste, dass er es auch spürte. Er spürte meine Anwesenheit.

Ich trat an ihn heran und zog den riesigen Fallbolzen aus der rostigen Metallkäfigtür, die ihn gefangen hielt. Ich warf das lange Stück Schwermetall so weit weg wie möglich, öffnete die Tür und fiel vor ihm auf die Knie. Mein Knöchel brüllte protestierend, aber ich ignorierte ihn. Ich würde es überleben, Gage aber? Ich war nicht sicher, wie ernsthaft seine Verletzungen waren.

Er saß mit dem Rücken an den nackten Stein gelehnt auf dem Boden. Über seinem Kopf hingen von außerhalb des Käfigs schwere Ketten herab, sie waren völlig außer seiner Reichweite und die dunklen Glieder waren mit Handschellen an seinen Handgelenken fixiert. Er schlief. Oder er war bewusstlos. Ich war nicht sicher, denn sein Körper war schlaff und seine Hände lagen locker in seinem Schoß. Sein Gesicht, Gott, sein wunderschönes Gesicht war voller Prellungen, seine Lippen waren geschwollen. Blut tränkte sein Haar und lief an seiner Schläfe entlang. Ich streckte die Hand aus und berührte seine Schulter. Er war ausgekühlt, seine nackte Brust war blutverschmiert und voller Brandwunden, seine Haut war wie Eis. Sie hatten seine Hosen angelassen, aber seine Füße waren nackt und ebenfalls eiskalt. Außerhalb seiner Reichweite lag eine dicke Jacke auf dem Boden. Es war dieselbe Aufmachung, die die Jäger am Prüfstein trugen, allerdings stand sie nur so vor Dreck.

“Gage.” Er antwortete nicht, also schüttelte ich ihn. “Gage!”

Ich wusste, dass er lebte, die Markierung verriet es mir und seine Markierung musste auf mich reagiert haben.

“Dani?”

“Ich bin hier. Komm schon, wach auf.”

Ich spürte, wie er sich versteifte, vielleicht wurde ihm schließlich klar, dass das hier kein Traum war, dass ich wirklich vor ihm stand und ihn wachrüttelte.

“Dani?” sprach er erneut und diesmal wurden seine Augen klarer und weiter. Er stöhnte mit zusammengebissenen Zähnen. Seine dunkle Hose war mit Rissen übersät und an mehreren Stellen mit getrocknetem Blut verkrustet. Ich sah mir seinen Torso genauer an, seine kräftigen Muskeln, die mit Schnitten, Verbrennungen und Blut bedeckt waren. Er sah aus, als wäre er durch die Hölle gegangen, aber ich konnte nicht ausmachen, ob die Verletzungen nur oberflächlich waren oder ob er auch noch innere Blutungen hatte. Hatte er gebrochene Rippen? Nierenblutungen? Er war erledigt und ihn so übel zugerichtet zu sehen ließ jede Zelle meines Körpers vor Entsetzen aufschreien.

Er gehörte mir. Das konnte ich nicht zulassen. “Du bist erledigt.”

“Warum bist du hier?” konterte er und zog seine Knie an seine Brust. Wir starrten uns an. Tasteten uns ab. Er war groß. Sogar im Sitzen und mit angewinkelten Beinen. Sein dunkles Haar kräuselte sich leicht über seine Ohren, es war dick und ich wollte meine Finger darin vergraben und herausfinden, wie es sich anfühlte. Auf seinem markigen Kiefer machte sich ein Bart bemerkbar. Selbst im spärlichen Licht der Höhle konnte ich ausmachen, dass er ein bisschen röter war als das fast schwarze Haar auf seinem Kopf. Seine Lippe war nicht nur angeschwollen, sondern hatte einen blutigen Schnitt. Sein Gesicht war dünner als in meinen Träumen, als ob er tagelang kaum etwas gegessen hatte, seine Augen aber durchbohrten mich und hielten mich in seinem Bann. Die Augen eines Raubtiers. Sie waren ganz und gar auf mich fokussiert, betrachteten jedes Detail. Sein Blick verweilte auf meinem Knöchel, auf der Neigung meiner Hüften, als ich meinen Fuß entlastete. Es war, als ob er meine Gedanken lesen konnte, als ob er längst mit meinem Körper vertraut war.

Seine Augen waren fast schwarz und von durchdringender Intensität. Ich erkannte ihn wieder, nicht nur von unseren gemeinsamen Träumen her, sondern in meinem Herzen, in meiner DNA.

Er musterte mich ebenfalls und streckte seine Hand zu mir aus, dann aber ließ er sie wieder fallen.

“Bist du echt?” Seine Stimme war heiser, ausgetrocknet. “Oder ist das ein Traum?”

Ich legte meinen Rucksack ab, zog eine Trinkflasche heraus, nahm den Deckel ab und reichte sie ihm. “Ich bin echt. Trink.”

Er nahm die Flasche und schluckte begierig das Wasser runter. Wie lange war er in dieser Höhle? Hatte er tagelang nichts gegessen, nichts getrunken? Er trank und ich blickte mich um. Er war in einer einsamen Höhle zurückgelassen worden, der Raum bot vier oder fünf Männern nebeneinander Platz. Ich konnte mich mühelos im Eingang aufrichten und selbst mit ausgestreckten Armen würde ich nicht die Decke berühren. Dreck und tote Blätter bedeckten den kalten Steinboden wie ein verrottender Teppich. Wir waren etwa vier Meter vom Eingang entfernt und die dicken Steinmauern dämpften das Tageslicht. In der Ferne konnte ich leise Wasser tropfen hören. Die Ketten, die ihn festhielten, waren groß und schwer, aber auch angerostet und mit einer Patina des Alters bedeckt. Die Metallringe und Bolzen an den Wänden waren vor langer Zeit dort angebracht worden, als ob Gage nicht der Erste war, der hierher verschleppt worden war. Um gefoltert und schließlich dem Tode überlassen zu werden.

Ein Käfig mitten im Nirgendwo? Aus welchem Grund? “Was für ein Monster unterhält einen Ort wie diesen?” fragte ich laut.

“Mein Urgroßvater,” war seine Antwort und ich blickte zurück zu ihm. Er lächelte, allerdings ohne jede Freude. “Das ist meine Höhle, Dani. Wie ironisch, nicht?”

“Nein.” Ich schnappte mir die entsorgte Jacke und wickelte sie ihm um die Füße. “Definitiv nicht. Wir müssen dich hier rausholen.”

Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. “Ich muss dich noch einmal fragen, was machst du hier?”

Ich runzelte die Stirn. “Dich retten.”

Er schüttelte langsam den Kopf. “Das hättest du nicht tun sollen. Es ist zu riskant.”

“Du warst am Verrecken.”

Er blickte mir in die Augen. Die Ader an seiner Schläfe pochte. “Ich weiß.”

“Dann—”

Er hob die Hand, aber sie fiel in seinen Schoß zurück, als ob ihm die Kraft fehlte. Ich langte in meinen Rucksack und fand unter den Militärrationen vom Prüfstein eine Art Proteinriegel. Ich reichte ihm den Riegel. “Iss langsam.”

Er brach ein Stück ab, steckte es in den Mund und kaute langsam. Ich beobachtete die einfache Handlung, das Spiel seines Kehlkopfs, als er schluckte. Dann ergriff ich seine freie Hand und drehte sie nach oben.

Da war sie.

Die Markierung.

Zum ersten Mal legte ich meine Handfläche in seine. Markierung an Markierung.

Das alles-verschlingende Brennen in meinem Körper ließ mich nach Luft schnappen. Hitze und Verlangen flackerten in mir auf, aber jetzt war nicht der passende Zeitpunkt. Aber ich fühlte mich auch ganz. Als ob ein Teil von mir gefehlt hatte … für immer. Keine Ahnung, wie ich bis jetzt durchs Leben gekommen war. Vielleicht war mir einfach nicht bewusst gewesen, dass ein Teil von mir fehlte.

Aber jetzt … jetzt gab es kein Zurück mehr. Gage gehörte mir und selbst wenn er mich bis zur Erschöpfung anschreien würde, ich würde nicht mehr lockerlassen.

“Irgendjemand möchte mich umbringen.” Er schob sich ein weiteres Stück des Riegels in den Mund und kaute. “Ich werde nicht zulassen, dass sie dir ebenfalls nachstellen.”

“Ich komme gut alleine klar. Und was dich umbringen betrifft? Soweit wird es nicht kommen.”

Er rührte sein Handgelenk und die Kette rasselte laut. “Wie du siehst, werde ich nirgendwo hingehen. Ich habe tagelang nach einem Ausweg gesucht.”

Wieder durchstöberte ich meinen Rucksack. “Im Prüfstein habe ich ein paar Sachen gefunden, die sich als nützlich erweisen könnten. Ein Kommunikationsgerät.” Ich legte das kleine Gerät auf den Boden und er hob es sofort hoch.

“Gefunden?”

Ich warf ihm einen kurzen Blick zu und machte mich wieder an die Arbeit. Ich würde ihm nicht erklären, dass ich das Ding geklaut hatte. Ich hatte beabsichtigt, die Sachen nur auszuleihen und sie wieder zurückzugeben, sobald Gage und ich zusammen zurückgekehrt waren. Besser hinterher um Verzeihung beten als nach Erlaubnis fragen, besonders da ich wusste, dass diese Höhlenmänner mich niemals mitgenommen hätten. Und ohne mich hätten sie ihn niemals finden können. Nicht ohne die Markierung, die mich wie ein Peilsender zu ihm geführt hatte.

“Ein Kommunikationsgerät? Wie kommt es, dass sie dich nicht binnen einer Meile vom Prüfstein aufgespürt haben?” fragte er.

“Es ist nicht eingeschaltet. Ich habe die Batterie rausgenommen. Ich wollte verhindern, dass irgendjemand mir folgt. Meine Freundinnen haben ihre Männer in die Sache mit reingezogen und die hätten mich gesucht. Mich aufgehalten.”

 

“Wer sind diese Männer?”

“Jäger im Prüfstein.”

“Sie hätten dich stoppen sollen. Für dieses Versagen werde ich sie zur Rechenschaft ziehen.”

Ich runzelte die Stirn und schürzte die Lippen. Eigentlich hätte er mir danken sollen, anstatt mir ans Bein zu pissen, aber ich würde es ihm nachsehen; für den Moment. Wahrscheinlich redete er im Delirium. Und da wir in einer Höhle waren … war es wohl nicht allzu abwegig, dass er sich wie ein Höhlenmann aufführte. “Nun, da bin ich. Mit einem Kommunikationsgerät. Und dem hier.”

“Scheiße! Eine Ionenpistole?” rief er und entriss sie mir sogleich, um die Sicherung an der Seite zu prüfen. “Du hättest dich selbst erschießen können.”

Ich schnaubte. “Deine Partnerin ist keine Vollidiotin. Ich weiß, wie man mit einer Waffe umgeht. Wie man schießt. Wie man sie trägt, ohne sich dabei zu erschießen. Falls du es noch nicht mitbekommen hast, ich habe dich aufgespürt. Ich bin kein Mädel aus der Stadt, Gage.” Er kniff die Augen zusammen, entgegnete aber nichts darauf. “Niemand sonst hat dich gefunden, oder?”

Er atmete aus, warf mir einen fast schon vorwurfsvollen Blick zu und erkannte schließlich, dass ich recht hatte. Ich war hier um seinen Arsch zu retten. Er nahm die Pistole und richtete sich langsam auf, dann zielte er auf die Deckenplatte über unseren Köpfen, an der die Kette direkt außerhalb der Gitterstäbe befestigt war.

“Geh hinter mich.”

Ich tat, wie er wollte, er aber streckte nur den Arm aus und schob mich noch weiter nach hinten.

Der Schuss hallte von den Höhlenwänden wider, gefolgt vom lauten Klirren, als die schwere Kette zu Boden fiel. Ich lugte um ihn herum und sah, dass sie nicht länger an die Höhlenwand gekettet war. “Noch einen.” Er zielte auf sein Handgelenk, etwa drei Kettenglieder von der Handschelle entfernt. “Ich wollte sie erstmal testen. Ich möchte mir nicht die Hand weg ballern.”

Er feuerte erneut und eine Kette fiel zu Boden wie eine tote Schlange. Die andere Kette hing weiter von seinem anderen Handgelenk und ich erkannte, dass er mit einer Art Seilzug angekettet worden war. Er nahm die Ionenpistole in seine andere Hand und feuerte ein drittes Mal. Ich seufzte erleichtert, als die Kette leblos gegen die Höhlenwand schlug. Zumindest stellte ich es mir so vor. Er trug immer noch Handschellen an den Handgelenken, aber er war frei. Ein Problem nach dem andern.

Gage wandte sich zu mir um und hob mein Kinn. “Lass uns verschwinden.”

Er zog seine Jacke über, um sich notdürftig zu wärmen. Dann ging er Richtung Ausgang und ich folgte ihm. Langsam. Ich überlegte laut. “Wir können nicht bis zum Prüfstein zurückmarschieren. Es ist zu weit. Wir haben nicht genügend Wasser und Essen. Ich kann zwar für uns beide Nahrung suchen und wenn es sein muss auch jagen, aber du bist schwach. Verletzt. Wir haben keine Zeit dafür.”

“Du bist auch verletzt.” Er blickte auf meinen geschwollenen Knöchel, als ob er ihn durch meinen Stiefel hindurchsehen konnte. Im Tageslicht konnte ich schließlich unter dem ganzen Blut seinen olivfarbenen Teint ausmachen, ich sah die Fülle seiner leicht dunkleren Lippen und das Schattenspiel über seiner sehr muskulösen Brust. Heiliger Bimbam. Er war heiß. Eins zu null für mich. Das tiefe Grollen seiner Stimme ließ mich erzittern, allerdings nicht vor Kälte. “Hast du einen ReGen-Stab mitgebracht?”

Ich runzelte die Stirn. Was? “Noch nie davon gehört.”

Er seufzte, dann schenkte er mir zum ersten Mal ein Lächeln. “Ist schon in Ordnung. Du hast ganze Arbeit geleistet. Danke.”

Ich erwiderte das Lächeln. “Jetzt, wo ich dich gefunden habe, können wir die Höhlenmänner um Hilfe bitten.”

“Höhlenmänner?”

“Die Männer meiner beiden Freundinnen von der Erde.” Ich nahm ihm das Kommunikationsgerät aus der Hand und griff in meinen Rucksack, um nach Werkzeugen zu suchen—einem Tranchiermesser aus der Küche und der Batterie—oder wie auch immer sie den schrägen Metallklumpen nannten, den ich sogleich in das Gerät einlegte, um es wieder in Betrieb zu nehmen.

“Deine Freundinnen sind mit Jägern verpartnert, die in Höhlen leben? Von solchen Jägern habe ich noch nie gehört. Nicht einmal in den alten Sagen.” Er schüttelte langsam den Kopf und biss erneut von seinem Energieriegel ab. “Ich glaube nicht, dass wir ein paar seltsame Höhlenbewohner um Hilfe bitten sollten. Irgendjemand will mich umbringen. Hättest du mich nicht gefunden, dann hätten sie es auch geschafft.”

“Wer?”

Er zuckte mit den Achseln. Gott, seine Schultern waren so verdammt breit. “Ich weiß es nicht.” Er blickte zum Himmel auf und schloss die Augen, atmete tief durch. Es war, als ob er nicht erwartet hätte je die Sonne wiederzusehen oder frische Luft auf seiner Haut zu spüren. “Wir können niemandem trauen.”

“Nicht einmal deinen Freunden?” fragte ich. “Deiner Familie? Hast du eine Familie?”

Er streckte die Hand aus und strich mit dem Finger über meine Wange. “Ich bin ein Mitglied der Sieben. Das ist eine hochrangige Position auf Everis. Ich bin auf dem gesamten Planeten bekannt. Meine Familie hat den Sitz seit Jahrtausenden inne, er wird von Generation zu Generation weitergereicht, aber ich bin der Letzte meiner Ahnenlinie. Ich habe viele Feinde, Danielle. Unzählige Leute könnten in diese Sache mit verstrickt sein. Und ich möchte nicht die Gefährtin meines Vaters oder meine Schwester mit hineinziehen. Es ist zu gefährlich. Was meine Freunde angeht? Ich habe keine Freunde, sondern nur Leute, die etwas von mir wollen.”

“Das ist schrecklich.”

“So war es schon immer.” Er schnaubte zustimmend, sagte aber nichts weiter. Mir gefiel nicht, dass er sich damit abgefunden hatte. Sein Leben hörte sich nicht gerade lustig an.

“Aber ich habe Freunde. Wir können Katie und Lexi anrufen. Sie kommen auch von der Erde. Sie sind erst seit Kurzem auf Everis, genau wie ich und ich verspreche dir, sie stecken auf keinen Fall in einem Mordkomplott gegen dich. Sie wissen nicht einmal, wer du bist. Als wir uns freiwillig gemeldet haben, hatten wir nicht die geringste Ahnung, mit wem wir auf Everis verpartnert werden würden. Du kannst ihnen vertrauen.”

“Ich kenne sie nicht.”

“Vertraust du mir?” sprach ich und blickte zu ihm auf.

Er richtete sich auf, als ob ich ihn beleidigt hätte. Dann plusterte er die Brust raus. “Du bist meine markierte Partnerin. Ich vertraue dir bedingungslos. Du bist die Einzige.”

Ich legte meine Hand an seinen Arm. Allerdings störte mich der kalte, steife Stoff, sodass ich meine Hand nach unten gleiten ließ, bis unsere Hände, unsere Markierungen sich berührten.

“Dann vertrau mir einfach. Katie und Lexi werden uns helfen. Ihre Männer—beide sind Elitejäger—werden uns helfen.”

“Ich weiß nicht. Das hört sich verdächtig an, irgendwie unwürdig, wenn sie in Höhlen leben. Wie können sie sich dort angemessen um ihre Frauen kümmern?”

Ich musste lachen, denn die irdische Anspielung auf ihre Höhlenmännermentalität wurde von Aufseherin Egaras sonst so einwandfreier NPU offenbar nicht richtig übersetzt. “Sie leben nicht wirklich in Höhlen. Auf der Erde nennen wir so einen Typen, der viel zu überbehütend, dominant und rechthaberisch ist.”

“Wer ist ‘wir’?”

“Die Frauen.”

Das entlockte ihm ein Grinsen und ich wusste, dass ich dieses Lachen in seinen Augen in Zukunft sehr viel öfters sehen wollte. “Dann müssen sie zwei vorzügliche Männer sein, denn genau so werde ich dich auch behandeln. Überbehütend, rechthaberisch und definitiv dominant.”

Ich vollführte einen koketten Augenaufschlag und auf meinem Gesicht machte sich das erste echte Lächeln seit einer gefühlten Ewigkeit breit. “Weißt du, was aus den Höhlenmännern auf der Erde geworden ist?”

Er zog mich an sich heran und presste unsere Körper in einer warmen Umarmung zusammen, die so viel mehr war als ein Kennenlernen. Es war eine Heimkehr. Als er den Kopf neigte und seine Lippen genau über meinem Ohr im wilden, zerzausten Durcheinander meiner Haare verweilten, konnte ich sein Lächeln spüren. “Sie haben ihre Partnerinnen beschützt und sie immer nackig gehalten, damit kein einziger Tag verging, ohne dass ihre hübschen kleinen Erdenfrauen in den Händen ihrer Gebieter das wildeste, sinnliche Vergnügen erfahren haben?”

“Nein.” Heilige Scheiße, war meine Muschi etwa feucht? Sehnsüchtig? Jetzt? In einem Höllenloch von einer Höhle mit meinem schwer verletzten, blutigen Partner und wir beide in den Schmutz und Schweiß mehrerer Tage gehüllt? Widerlich.

Er stöhnte und zog mich noch näher, bis ich die große, harte Länge seines Schwanzes fühlen konnte. “Genau das wird mit dir passieren, Danielle, sobald wir diesem Ort entkommen sind und du wieder gesund bist. Ich werde dich in der heiligen Reihenfolge der Drei erobern und deinem Körper jedes einzelne seiner Geheimnisse entlocken. Du wirst mich um Erlösung anflehen und vor Lust nur so schreien. Ich werde jeden Zentimeter von dir küssen. Dich erobern. Dich zu meiner Frau machen.”

Was für ein Schmus. “Sobald ich wieder gesund bin? Du bist so gut wie hinüber. Ich bin in Ordnung.”

“Nein. Bist du nicht. Und sobald wir einen ReGen-Stab haben, wirst du damit behandelt werden.”

“Was ist mit dir?” Ich drückte mich weg und blickte in seine dunklen Augen.

“Meine Wunden sind nichts im Vergleich zu deinen. Du wirst zuerst behandelt.”

War das sein Ernst? Er konnte sich kaum auf den Beinen halten. Er blutete aus so vielen Wunden, dass ich sie gar nicht zählen konnte. Er war völlig ausgekühlt und am Verhungern. Und er sorgte sich um meinen bescheuerten Knöchel? “Meine Knöchelverletzung ist mir vor Monaten auf der Erde passiert. Das ist nichts. Er ist nur vom vielen Laufen entzündet.”

“Du wirst zuerst behandelt. Keine Widerworte, Danielle. Wenn du dich weigerst, dann werde ich dir für deinen Ungehorsam den Arsch versohlen, genau wie du es jetzt verdienst, weil du mir getrotzt hast und dennoch hier aufgetaucht bist.”

“Ich habe dir das Leben gerettet.”

In einem Augenblick wandelte sich sein sinnlicher Blick in harte Kälte. “Und hast dein eigenes dabei riskiert.”

“Du könntest mir wenigstens dankbar sein.”

“Ich bin dankbar, weil du mich durch ein Wunder der Götter gefunden und dabei überlebt hast. So etwas Leichtsinniges wirst du nie wieder tun.”

“Scheiße. Und ich dachte Vron und Bryn wären schon schlimm.”

“Kommandant Vron? Von den Elitejägern?” Erneut änderte sich sein Tonfall, und zwar von nervtötend arrogant und herrisch zu neugierig. Beim Versuch mit seinen Stimmungsumschwüngen mitzuhalten kam ich mir vor wie eine alberne Katze, die einem Laserpointer hinterherjagte. Hierher springen. Nein, dorthin. Nein …

“Ja. Vron und Bryn sind Elitejäger. Sie sind mit Katie und Lexi verpartnert, meinen beiden Freundinnen. Das habe ich dir bereits erzählt. Wir sollten sie anrufen. Ich vertraue ihnen.” Sein Gesicht entspannte sich sogleich, allerdings konnte ich weiterhin die Anspannung in seinem Körper spüren, als er unaufhörlich unsere Umgebung absuchte und lauschte. Er war auf der Hut. Genau wie ich. Und ich war nicht halb tot. Wir waren tatsächlich mutterseelenallein hier draußen. “Kennst du sie?”

“Ich habe in den Ratssitzungen von Vron gehört. Und Bryn wurde vor nicht allzu langer Zeit auf eine äußerst vertrauliche Mission geschickt.”

“Oh ja, nach Rogue 5. Das hat sich als echter Schlamassel herausgestellt.” Ich runzelte die Stirn, meine Skepsis aber war nichts im Vergleich zu seiner Reaktion.

“Das sind streng geheime Informationen, Danielle. Eine äußert heikle politische Angelegenheit. Wie kann es sein, dass du darüber Bescheid weißt?”

Ich verdrehte die Augen. “Katie ist mit Bryn zusammen. Und sie meine beste Freundin. Fast wäre sie von diesem Styx gebissen worden. Und da wäre nichts Gutes bei rausgekommen.”

“Unsere Operationen auf Rogue 5 sind äußerst sicher. Er hat gegen das Protokoll verstoßen und seine Partnerin dorthin mitgenommen? Bryn wird sich dafür verantworten müssen.”

“Und ich dachte, Vron wäre übergeschnappt,” murmelte ich. War das sein Ernst? Er war halb tot und regte sich über irgendeinen Protokollverstoß auf?

“Hast du nicht gesagt Vron wäre ein Höhlenmann?”

“Na ja, er ist ein Typ, der sich gerne an die Regeln hält, was ihn total übergeschnappt macht … und zum Höhlenmann.” Ich trat einen Schritt zurück, aber mein Knöchel knickte um. Ich riss die Arme beiseite, damit ich nicht das Gleichgewicht verlor, aber Gage war schneller. Ehe ich mich versehen hatte, hielt er mich auch schon wie ein Kind auf dem Arm. “Lass mich runter.”

 

“Du bist verletzt. Du wirst erst wieder laufen, wenn du wieder gesund bist.”

“Das ist lächerlich. Lass mich runter. Ich bin meilenweit hierhergelaufen, eure Majestät. Ich komme alleine klar.”

“Nein. Ich bin keine Majestät. Ich bin ein Prinz. Ein Nachkomme der ursprünglichen Sieben.”

Ich seufzte und akzeptierte das Unvermeidliche; also lehnte ich den Kopf an seine Schulter und wärmte mich so gut wie möglich. “Wie du wünschst, Höhlenmann.”

“Zartarsch.”

Darauf musste ich blinzeln. “Was hast du eben gesagt?”

“Du hältst dich nicht an die Regeln. Daher musst du ein Zartarsch sein.” Seine Hand glitt an meinem Rücken entlang und startete mit einer Massage, die mich schnell alles andere vergessen ließ. Gott, sollte ich je meine Kleider loswerden, dann würde ich in Schwierigkeiten stecken. Ich würde tun, was immer er wollte, wo immer er wollte, wann immer er wollte. “Er ist definitiv zart.”

“Zartarsch ist aber kein Wort.”

“Jetzt schon.” Er massierte mich weiter und ich versuchte nicht einmal mein zufriedenes Seufzen zurückzuhalten. Er war in Sicherheit und nicht länger dem Tode geweiht—zumindest jetzt nicht—und mein Knöchel tat weh wie Sau. Was mich aber wirklich erschlaffen ließ, war das Gefühl der Erleichterung. Ich hatte ihn gefunden. Wir waren zusammen. Alles andere würde sich schon ergeben. Das musste es einfach.

“Bitte, ruf Vron auf dem Komm-Gerät an und hol uns hier raus.”

“Wie weit sind diese Jäger von uns entfernt?”

Ich zuckte mit den Achseln. “Ich weiß nicht. Sie sind am Prüfstein. Aber da sie ihre Partnerinnen gefunden haben, waren sie so ziemlich mit den ‘drei Jungfräulichkeiten’ beschäftigt. Damit sind sie jetzt zwar fertig, aber möglicherweise sind sie nicht … sofort verfügbar.” Ich spürte, wie meine Wangen zu glühen anfingen, als ich Gage das Offensichtliche verdeutlichen wollte. Er musste etwas in meiner Stimme herausgehört haben, denn er starrte wie gebannt auf mein Gesicht und da war Hunger in seinen Augen. Faszination.

Besitzergreifende Besessenheit.

Ich kannte diesen Blick, nämlich von den Gesichtern der anderen Jäger, nachdem sie ihre Partnerinnen gefunden hatten. Und obwohl ich mir wie ein einfältiges, romantisches, liebeskrankes Dummerchen vorkam, ließ der Ausdruck auf Gages Gesicht mein Herz höherschlagen und meinen Verstand vor lauter Sehnsucht aussetzen. Genau so sollte er mich anblicken, wenn er tatsächlich zur Sache kommen würde.

Er wägte meine Worte ab. Ich ließ ihm seine Zeit. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Irgendjemand wollte ihn umbringen. Aufgrund seines Jobs kamen viele Leute infrage. Zu viele. Er wollte sich nicht noch einmal in so einer Höhle wiederfinden.

“Na schön. Wir rufen deine Freundinnen an. Damit sie uns helfen, sobald sie sich von ihren Partnern losreißen können.”

Es würde kein sich-losreißen geben. Lexi und allem voran Katie waren keine passiven Stubenhocker, aber das würde ich ihm nicht extra sagen. Er würde es selbst herausfinden, sobald sie hier aufkreuzten. Vorausgesetzt, sie würden kommen.

Sie mussten kommen.

Ich betätigte das Komm-Gerät und Katie ging ran. Ich war kaum überrascht, als Bryn binnen Sekunden das Gespräch übernahm und meinen Aufenthaltsort wissen wollte. Ich erzählte ihnen nichts von Gage. Als Bryn mir versicherte, dass sie unterwegs waren, legte ich auf. “Ich glaube, es ist sicherer deinen Namen nicht übers Kommunikationsgerät preiszugeben.”

Er nickte und seine Augen erwärmten sich sichtlich, als er mich betrachtete. “Du bist eine interessante Frau, Danielle. Ich vertraue deinen Freunden, aber für den Moment werden wir niemand anderes alarmieren.” Sein Blick streifte über den Horizont und zum ersten Mal erkannte ich den Jäger in ihm. Er war hart. Kalt. Gnadenlos. “In ein paar Tagen ist die Nachfolgezeremonie. Bis dahin müssen wir vorsichtig bleiben.”

“Und danach?”

“Danach werde ich den Planeten von loyalen Jägern durchpflügen lassen, und zwar bis der Verräter geschnappt wurde.”