Den Cyborgs ausgeliefert

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Schuldgefühle. Was für ein schwaches Wort für die Emotionen, die in mir brüllten, wenn ich an meinen Vater dachte. Ich hätte ihn niemals alleine lassen sollen. Ich wusste, dass er sie immer noch vermisste. Ich wusste, dass er mit seinen eigenen Dämonen kämpfte. Aber ich war achtzehn gewesen und begierig darauf, in die Welt hinaus zu ziehen und ein neues Leben zu beginnen. Ich war zweitausend Kilometer weit entfernt zur Uni gegangen und kam nur ein paar Mal im Jahr nach Hause. Ich war davongelaufen, und er war direkt vor meiner Nase in sich zusammengefallen. Großer Fehler. Sehr großer Fehler.

Nein. Ich würde vor dem hier nicht davonlaufen.

Aufseherin Egara seufzte, und ich war nicht erfreut über die Enttäuschung oder Resignation, die ich in ihren Augen sah. Als hätte ich mich falsch entschieden.

„In Ordnung. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass die Zuordnung erfolgt ist, aufgezeichnet und zu ihrer Akte hinzugefügt wurde. Wenn Sie es sich anders überlegen, haben Sie ein gesetzliches Recht, mich zu kontaktieren. Sollten Sie sich doch entscheiden, eine Braut zu werden, werden alle Anschuldigungen gegen Sie fallengelassen, Ihr Strafregister wird getilgt und Sie werden umgehend zu Ihren Gefährten geschickt.“

Während sie sprach, hob sie ein seltsames Gerät an die Seite meines Kopfes, und ich jaulte auf, als ein scharfer, beißender Schmerz meine Schläfe durchfuhr.

„Aua!“ Ich wand mich vor ihr, zerrte mit neuer Entschlossenheit an den Schnallen. „Was war das?“

„Es tut mir leid, Rachel, aber es war notwendig.“ Sie ging davon und legte das eigenartige zylindrische Gerät auf dem Tisch ab, bevor sie sich wieder mir zuwandte, ihr Daten Tablet fest in der Hand und eine grimmige Miene auf dem Gesicht. „Und es tut mir leid wegen der Kopfschmerzen, die Sie in den nächsten paar Stunden erleiden werden. Für gewöhnlich wären Sie im Transport unterwegs, während Ihr Gehirn sich an die NPU gewöhnt, aber diesen Luxus werden Sie nicht haben.“

„NPU? Was ist das?“ Ich wollte meine Hand an meine Schläfe heben und mir über die schmerzende Stelle reiben. Was zur Hölle hatte sie gerade getan? „Was haben Sie mit mir angestellt?“

Die Fesseln um meine Handgelenke lösten sich mit einem einfachen Fingerwisch der Aufseherin über ihr Tablet. Sie hob ihren Blick vom Tablet, um meinem Blick zu begegnen, und ich sah kein Mitgefühl darin, eher Mitleid. „Die NPU ist eine neuronale Prozessor-Einheit, die für den Transport vom Planeten notwendig ist. Die Neuro-Technologie verbindet sich mit dem Sprachzentrum Ihres Gehirns und ermöglicht es Ihnen, alle bekannten Sprachen der Koalitionsflotte zu verstehen und zu sprechen. Sie können ohne sie nicht als Braut abgefertigt werden.“

„Ich will keine Braut sein.“ Als ich aufstand, kam ein Wächter mit den nur zu vertrauten Handschellen heran, mit einer langen Kette zwischen den Handgelenken. Ich wusste, wohin er mich bringen würde: zurück ins Gefängnis, zurück in die Einzelhaft, wo die Wächter mich behandelten, als wäre ich unsichtbar, eine Ratte im Käfig, die Wasser und Futter brauchte und sonst nichts. Trotzdem war es besser als die Alternative. Ich wollte nicht mehr für sie sein als eine weitere Insassin, ein weiteres Maul zum Stopfen. Ich wollte ihnen nicht auffallen.

Aber ich war unschuldig. Bestimmt würden mein Anwalt und meine Freunde draußen der Wahrheit auf die Spur kommen. Ich musste daran glauben, dass der Richter, der meinen Fall behandelte, die Lügen der Anklage durchschauen konnte.

„Wenn Sie keine Braut sein wollen, warum sind Sie dann der Empfehlung Ihres Anwalts nachgekommen, sich testen zu lassen?“ Ihre Frage traf einen Nerv, aber ich weigerte mich, zurückzuweichen. Ich weigerte mich, zu glauben, dass das Justizsystem mich so völlig im Stich lassen würde.

„Für alle Fälle.“

Ihr Nicken war knapp und präzise. „Ganz genau. Und nun haben Sie eine NPU, für alle Fälle.“

Sie warf mir meine eigenen Worte ins Gesicht, aber der Tonfall dahinter machte deutlich, dass sie glaubte, ich würde zurückkommen, eher früher als später. Und wenn das System mich im Stich ließ und ich verurteilt wurde, dann würde ich vielleicht tatsächlich zurückkommen. Dieser Traum. Mein Körper schmerzte immer noch vor Lust. Ich wollte diese großen Hände auf meinem Körper. Ich fühlte mich ganz bescheuert, als wäre ich ausgehungert nach Berührungen. Aber ich konnte nicht aufhören, daran zu denken, wie ihre Hände über meine Haut gefahren waren, ihre riesigen Schwänze mich weit gedehnt hatten. Die intensive Lust, als ich sie geritten hatte, bis ich den stärksten Orgasmus meines armseligen Lebens erlebt hatte.

Ein falscher Orgasmus, von irgendeiner dämlichen Computer-Manipulation meines Gehirns. Wenn ich den Vorgang richtig verstanden hatte, dann hatte ich die tatsächlichen Erinnerungen einer anderen Frau durchlebt. Hatte erlebt, was sie erlebte.

Die ganze Sache war mir unheimlich. Und ich wollte nicht von der Erde weg. Ich wollte mein verdammtes Leben zurück, und ich würde es bekommen.

Noch zwei Monate in Einzelhaft würde ich überstehen. Ich ließ nicht zu, dass ich daran zerbrechen würde. Aber eine nagende Stimme hatte begonnen, während meiner stillen Existenz im Gefängnis in meinem Kopf herum zu spuken. Selbst wenn ich die Anschuldigungen zurückweisen konnte und meine Berufung gewann, was würde aus mir werden? Selbst wenn es mir erlaubt werden würde, nach Hause zu gehen, würde ich jemals wirklich frei sein? Wenn die Anklage fallengelassen würde, wenn mein Name reingewaschen würde, dann würde es trotzdem immer Zweifler geben, die mich und alle Daten, die von mir kamen, als unzuverlässig ansehen würden. Kein Labor würde mich anfassen. Zumindest nicht in den USA. Ich würde umziehen müssen, ein neues Leben beginnen.

Und wenn ich nicht gewinnen würde, wenn das System versagte? Ich würde entweder jahrzehntelang in Ketten im Gefängnis sitzen, oder auf einen anderen Planeten geschickt werden, wo ich der Gnade nicht nur eines Aliens ausgeliefert war, sondern zwei.

Es sah so aus, als wäre ich auf die eine oder andere Weise bereits jetzt dazu bestimmt, eine lebenslange Strafe abzusitzen.

Kapitel 2


Maxim, Gouverneur von Basis 3, Kolonie-Planet von Prillon, Sektor 901

Das Stapfen von schweren Kampfstiefeln erfüllte den engen Flur. Meine Schritte waren eilig, ein wenig zu eilig, und doch konnte ich mich auf meinem Weg ins Kommunikationszentrum nicht bremsen. Aufseherin Egara, die auf der Erde das neue Interstellare Bräute-Abfertigungszentrum für die Kolonie leitete, wollte mich sprechen. Ich musste annehmen, dass sie Neuigkeiten bezüglich einer Zuordnung einer Gefährtin zu einem der seelenverdrossenen Soldaten unter meinem Kommando hatte. Neuigkeiten, die wir—dazu verdammt, unseren Lebensabend in der Kolonie zu verbringen—wirklich gut brauchen konnten.

„Ryston.“ Ich nickte mit ernsthaftem Gesicht meinem ernannten Sekundär zu, als er sich mir anschloss. Captain Ryston Rayall, mein Freund und Waffenbruder seit vielen Jahren. Er war von Kopf bis Fuß in die schwarzbraune Tarnmuster-Panzerung eines Prillon-Kriegers gehüllt, und ich war über seine Anwesenheit sowohl erleichtert als auch besorgt.

„Ich höre, es gibt Neues von der Erde.“ Sein Ausdruck war grimmig. Trotz der blassgoldenen Farbe seiner Haare und Augen war sein Blick düster. Nachdem er nach seiner Rettung von seiner Familie verstoßen worden war, war er ein Schatten seiner Selbst geworden. Unfreundlich. Verbittert. Wagemutig und unberechenbar. Schlechte Nachrichten würden weder sein Temperament noch seine derzeitige Laune verbessern.

„Ich bin schon unterwegs, Bruder. Geduld. Ich weiß noch nicht, was Aufseherin Egara zu vermelden hat.“ Ich klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. Er war mein engster Vertrauter, mein Freund und Verbündeter auf dieser Basis. Ich würde keinem anderen meine Gefährtin anvertrauen wollen, trotz seines Missmuts in letzter Zeit. Er war ein leidenschaftlicher Krieger, ehrenhaft bis in die Knochen. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass die sanfte Berührung einer Frau die Dunkelheit aus seinem Herzen verbannen und meinen Freund wieder zurück ins Leben führen würde.

„Sie wird dir wahrscheinlich vermelden, dass keiner von euch Stinkern eine Zuordnung bekommt und wir alle Narren sind, uns der Hoffnung hinzugeben.“ Sein Knurren war voller Schmerz, aber er konnte seine Hoffnung nicht vor mir verbergen. Wenn er keine Hoffnung hätte, wäre er nicht an meine Seite geeilt, um die Neuigkeiten von der Erde zu erfahren.

„Das würde mir unterstellen, dass ich nicht perfekt bin, Ryston. Wir beide wissen, dass dem nicht so ist.“

Rystons leises Auflachen war seine einzige Antwort, aber die Anspannung in meinen Schultern und meinem Nacken löste sich ein wenig. Es war gut, Ryston als Rückendeckung zu haben, wenn ich mich dem stellte, was auf mich zukam. Als Gouverneur von Basis 3 war es meine Pflicht, den anderen verseuchten Kriegern hier mit gutem Beispiel voranzugehen. Die Krieger auf der Kolonie waren allesamt gute Männer, die ihren Planeten brav gedient hatten, die Bedrohung der Hive bekämpft und in den Händen der Feinde gelitten hatten. Jeder in der Kolonie trug die Narben dieses Kampfes, denn wer von den Hive gefangen genommen wurde, den versuchten sie, zu einem von ihnen zu machen. Hive-Integrationseinheiten folterten Koalitionskämpfer, wandelten sie in frische Maschinen um, die von den Hive eingesetzt werden konnten. Neue, von den Hive gesteuerte Soldaten, wandelnde Waffen. Diejenigen von uns, die das Glück gehabt hatten, zu überleben und mit gesundem Verstand zu unseren Einheiten zurückzukehren, wurden danach allerdings zu einem Schicksal verdammt, das für manche schlimmer war als der Tod—Verbannung. Denn so fortschrittlich die Technologie der Koalition auch war, gab es immer noch Dinge, die nicht rückgängig gemacht werden konnten.

 

Mikroskopisch kleine kybernetische Implantate, lebendes Cyborg-Fleisch, optische Implantate, Stammhirn-Filament, verstärkte Muskelfasern, künstliche Intelligenz, die sich mit unserem Körper auf Zellebene verschmolzen hatte, mit unserer DNS selbst. Jahrhundertelang waren Koalitionskrieger, die aus den Händen der Hive-Integrationseinheiten befreit wurden, einfach hingerichtet worden. Aber vor etwa sechzig Jahren hatte der Vater von Primus Nial die Kolonie errichtet, wo verseuchte Krieger ihren Lebensabend sicher und weitab von möglicher Hive-Beeinflussung verbringen konnten. Weitab von denen, die unversehrt geblieben waren.

Sicherheit wurde hier stark überbewertet. Die Kolonie war eher ein Gefängnis als eine Gnade. Die Krieger waren dazu verdammt, ihr Leben ohne Hoffnung auf ein Zuhause oder eine Gefährtin zu verbringen und sich ständig abzumühen, ihr Leben mit Sinn oder Ehre zu füllen. Nur wenige Frauen kämpften in der Flotte. Noch weniger von ihnen wurden von den Hive gefangen. Aber auch für die Frauen, die gefangen wurden und überlebten, war die Kolonie die Endstation. Nur gab es so wenige von ihnen, dass ein Mann Monate oder Jahre verbringen konnte, ohne einen Frauenkörper unter die Augen zu bekommen. Wir wurden von unserem eigenen Volk gefürchtet, und von den anderen Planeten vergessen, für deren Schutz wir so viel geopfert hatten. Vergessen, bis auch die anderen Welten anfingen, ihre Krieger hierher zu schicken.

Inzwischen gab es unter den Kriegern, die auf die Kolonie verbannt worden waren, auch Atlanen und Trioniten, Everianer, Viken- und Prillon-Krieger, und neuerdings auch eine Handvoll Menschenkrieger von der Erde. Die Kolonie war in acht Basen unterteilt und wurde von acht Gouverneuren und einem Primus regiert. Gouverneure wurden, wie es für alle Prillon-Anführer üblich war, durch Kampf und Blut auserkoren. Es herrschten die Stärksten. Die Stärksten gingen als gutes Beispiel voran.

So wie ich das nun tun musste. Als Gouverneur der Basis 3 war es mein Gefährtinnen-Test, der von allen mit größter Aufmerksamkeit, aber auch mit Vorbehalten, mitverfolgt wurde. Wenn es keine Gefährtinnen für die Stärksten unter uns gab, dann gab es keine Hoffnung für die anderen.

Und so kam es, dass es nach der Ernennung von Prinz Nial zum Primus in der Kolonie vor neuem Leben, neuer Hoffnung nur so sprühte. Denn der neue Primus unserer Heimatwelt war selbst ein Verseuchter. Trotz seines Makels hatte er eine wunderschöne und hingebungsvolle Gefährtin gefunden, die sogar stark genug gewesen war, seine Besitznahme in der Kampfarena auf Prillon Prime anzunehmen, vor Millionen Zeugen. Wie alle anderen hatte ich mir per Live-Übertragung angesehen, wie Prinz Nial und sein Sekundär Ander ihren Körper auf dem blutigen Schlachtfeld wie in alten Zeiten in Besitz genommen hatten.

Mein Schwanz regte sich bei der Erinnerung daran. Denn Prinz Nial und seine Braut, Lady Jessica Deston, hatten die Kolonie erst kurz vor dieser letzten Schlacht besucht. Lady Deston war selbst eine Kriegerin und hatte sich äußerst kritisch über die Gesetze auf Prillon geäußert. Sie hatte geschworen, sich dafür einzusetzen, dass verseuchte Krieger Gefährtinnen bekommen konnten. Sie hatte uns einen neuen Namen gegeben—Veteranen—und gefordert, dass uns Ehre und Respekt zustünden. Sie hatte uns allen Mut gegeben. Und sie hatte ihre Versprechen gehalten, hatte ihren verseuchten Gefährten vor Millionen Zuschauern angenommen.

Aufseherin Egara von der Erde hatte die Kolonie nur wenige Tage darauf kontaktiert, um die Einführung der Testprotokolle des Interstellaren Bräute-Programms für unsere Krieger zu besprechen. Ich war der dritte Krieger gewesen, der getestet worden war. Ich konnte mich kaum daran erinnern, abgesehen davon, dass ich Verlust verspürt hatte und mein Schwanz so hart gewesen war, dass er sich in meiner Hand wie Eisen angefühlt hatte.

Wie die anderen Gouverneure und eine Handvoll hoch angesehener Krieger hier, hatte ich mich vor mehreren Wochen dem Testprogramm unterzogen. Obwohl ich nicht glauben konnte, dass irgendeine Frau einen versehrten Krieger wie mich als Gefährten akzeptieren würde, konnte ich mein Herz nicht davon abhalten, in meiner Brust zu rasen, als ich den Anruf erhielt, dem ich nun folgte.

Wenn auch nur ein Krieger der Kolonie erfolgreich zugeordnet worden war, dann bestand Hoffnung auf Zuordnungen für uns alle. Die vom Kampf gezeichneten Krieger, die für den Rest ihres Lebens verbannt worden waren, konnten ein wenig Hoffnung dringend gebrauchen.

Wir bogen um die Ecke, wo wir jeden Anwesenden auf der Kommunikations-Station in mit angehaltenem Atem warten sahen. Die Worte der Aufseherin konnten entweder die Rettung oder das Vererben für jeden Einzelnen auf diesem Planeten bedeuten.

Auf dem großen Bildschirm am Ende des Zimmers nahm das hübsche Gesicht von Aufseherin Egara den gesamten Platz ein. Aber unter ihren Augen lagen tiefe Furchen, und eine Düsternis in den grauen Tiefen, die ich zuvor noch nicht gesehen hatte. „Aufseherin Egara. Ich grüße Sie. Es ist uns eine Freude, Sie wieder zu sehen.“ Die Aufseherin hatte erst vor kurzem die Kolonie bereist, um die ersten Testrunden abzuschließen, und wir hatten sie hinter Schloss und Riegel halten müssen, praktisch als eine Gefangene. Ihre Anwesenheit machte die Männer ohne Gefährtinnen auf dem Planeten begierig darauf, sie in Besitz zu nehmen.

„Gouverneur Rone. Ich wünschte, ich könnte das Gleiche sagen.“ Sie schloss ihre Augen und holte tief Luft, als würde sie sich auf etwas gefasst machen, bevor sie sprach. „Maxim, Ich brauche Ihre Hilfe.“

Meine Hände waren schon zu Fäusten geballt, bevor ich meine Reaktion unter Kontrolle hatte. „Was immer es ist, meine Dame.“ Neben mir waren Rystons Schultern angespannt, und seine Hand lag auf dem Ionen-Blaster an seiner Seite. Der Raum war in Schweigen gehüllt. Eine Frau in Not—selbst viele Lichtjahre entfernt am anderen Ende des Universums—erweckte in jedem Mann im Zimmer so primitive und grundlegende Instinkte, dass wir zu Knurren begonnen hätten, wenn ihr das nicht Angst gemacht hätte.

Andererseits war sie zwei Prillon-Kriegern zugeordnet gewesen. Vielleicht würde unsere Aggression für sie eher tröstlich als erschreckend sein.

„Es geht nicht um mich.“ Ihre Augen schossen zwischen mir und Ryston hin und her. „Es geht um jemand anderen. Eine Braut. Eine Braut für die Kolonie.“

Diese Neuigkeiten brachten mein Herz zum Rasen. „Also hat eine Zuordnung stattgefunden?“

„Ja. Aber sie hat sich dem Transport verweigert.“ Aufseherin Egara erhob sich von ihrem Sitz vor dem Kommunikationsgerät und lief vor uns auf dem Bildschirm auf und ab. Hinter ihr erkannte ich die Einrichtung eines Abfertigungszentrums, die medizinischen Geräte, die sterile Zweckmäßigkeit der weißen Wände und des Untersuchungstisches.

Ryston trat vor, mit verzogenen Mundwinkeln. „Wie kann sie den Transport verweigern? Ich verstehe nicht.“

Aufseherin Egara verdrehte die Augen. „Die Gesetze auf der Erde ergeben nicht immer Sinn. Und sie wurden noch nicht daran angepasst, dass wir nun Teil der Interstellaren Koalition sind. Hier versteht man nicht, was auf dem Spiel steht...“ Ihre Stimme wurde leiser und sie verschränkte die Arme vor der Brust.

Ich wandte den Blick vom Bildschirm ab und blickte auf den Menschenkrieger, der an der Flugkontrolle-Station saß. Er war hochintelligent und wurde hier in der Kolonie von allen geschätzt. Er war der einzige Mensch im Raum, der diesen Wahnsinn vielleicht erklären konnte. „Trevor?“

Trevor blickte vom besorgten Gesicht der Aufseherin zu Rystons wütendem Gesicht, und dann zu mir. Ich hatte keine Ahnung, was er dort sah. „Sie hat recht. Die Erdengesetze sind verdammt verrückt, eher politisch motiviert als von Gerechtigkeit, fürchte ich.“ Er blickte auf den Schirm. „Wem ist sie in die Quere gekommen? Dem FBI?“

Die Aufseherin schüttelte den Kopf. „Nein. GloboPharma und der Arzneimittel-Aufsicht.“

„Verdammte Scheiße.“ Trevor stieß einen leisen Pfiff aus, und mein Blut kochte. Trevor erwiderte meinen Blick, ohne zu zucken. „Sie sitzt in der Tinte.“

Ich wusste nicht, was Tinte bedeutete, aber es klang nicht positiv.

„Das war auch meine Schlussfolgerung.“ Aufseherin Egaras Uniform war dunkelgrau und lag eng an ihren Rundungen an. Die Aufnäher an ihrer Brust zeichneten sie als offizielle Aufseherin des Bräute-Programms aus. Sie trug einen der am meisten respektierten und angesehenen Titel in der gesamten Koalitionsflotte. Die Krieger, die darum kämpften, das Universum gegen die Hive zu verteidigen, hielten sich an der Aussicht auf eine perfekt passende Braut fest. Viele dunkle, kalte Nächte auf dem Schlachtfeld hatte ich damit verbracht, von einer solchen Zuordnung zu träumen. Als die Hive unsere Einheit gefangen nahmen, als Rystons Schreie wie ein Echo meiner eigenen Schreie hallten, als die tapferen Krieger um uns herum starben oder von der verdrehten Realität des Hive verschluckt wurden, da träumte ich von einer Gefährtin. Träumte von weicher Haut und einer heißen, feuchten Pussy. Von ihren Lustschreien, wenn ich sie füllte, während Ryston mit ihrem Körper spielte. Hoffnung hielt mich am Leben in jenen tristen Tagen. Hoffnung auf eine zugewiesene Gefährtin.

Und doch hatte diese Menschenbraut ihren zugeteilten Platz im Universum verweigert. Hatte ihre Bedeutung für die Herzen und den Verstand der Krieger abgetan, die am meisten gelitten hatten. Hatte sie ihren zugewiesenen Gefährten abgelehnt?

Kalter Zorn bebte durch meinen Körper und pochte durch meine Adern wie träges Eis auf einem Fluss im Winter. Diese Menschenfrau hatte keine Ahnung, was sie anrichtete. Es schien, als würde sie einen Kampf gegen einen Feind führen, von dem sie wusste, dass sie ihn nicht gewinnen konnte. Ich zweifelte nicht an ihrem Mut, nur an ihrer Intelligenz. Sie würde sich eher aufopfern, als ihren zugewiesenen Gefährten anzuerkennen? Die allererste Braut, die einem Kolonie-Krieger zugeordnet worden war, und sie verweigerte sich ihm?

Noch eine Ablehnung würde die Krieger hier mehr verletzten, als überhaupt keine Zuordnung bekommen zu haben. Und das war absolut inakzeptabel. „Sagen Sie uns, wie wir helfen können, Aufseherin. Eine Ablehnung wird den gesamten Planeten demoralisieren.“

„Ich weiß. Aber sie hat ihre Hoffnung auf das Justizsystem hier gesetzt, auf eine Neuverhandlung. Sie sagt, dass sie das Verbrechen nicht begangen hat und weigert sich, sich den Transport aufzwingen zu lassen.“

Also wollte sie überhaupt keine Braut sein. „Glauben Sie an ihre Unschuld?“

„Ja. Das tue ich. Und ihre Entschlossenheit, für Gerechtigkeit zu kämpfen, ist bewundernswert, aber es spielt keine Rolle.“ Aufseherin Egara kam wieder zum Schirm zurück, ihr Gesicht erschien erneut groß auf der Anzeige, die vom Boden zur Decke reichte. Ihre Projektion war fast so groß wie mein eigener Körper. „Ich kann nicht glauben, dass ich das sage, aber Sie müssen zur Erde kommen. Sie werden ihr helfen müssen, aus dem Gefängnis auszubrechen.“

„Wie stellen wir das an? Werden die menschlichen Behörden kooperieren?“, fragte Ryston. Natürlich fragte er das, und er sagte wir. Er wusste, dass ich zur Erde gehen würde, und ich zog niemals alleine in den Kampf.

„Nein. Das werden sie nicht, aber es spielt keine Rolle. Wir müssen sie dort rausholen. Ich habe heute einen Anruf von ihrem Anwalt erhalten. Er ist ein anständiger Kerl, aber sie hört auch auf ihn nicht. Sie war in der Einzelhaft sicher aufgehoben. Bis jetzt zumindest. Der Richter hat den Antrag des Anwaltes abgelehnt, sie vom Umgang mit den anderen Insassen fernzuhalten.“

„Umgang mit anderen Insassen?“, fluchte Trevor. „Wenn sie wirklich unschuldig ist, dann werden die sie bei lebendigem Leib auffressen.“

Die Aufseherin sah nicht erfreut aus. „Noch schlimmer. Sie ist eine Whistleblowerin und sie hat Beweise, die einige Leute in Washington zu Fall bringen könnten. Wenn wir sie nicht in den nächsten drei Tagen da rausholen, bevor sie zu den anderen verlegt wird, dann ist sicher, dass da drinnen jemand auf sie warten wird, der eingeschleust wurde, um sie umzubringen.“

Ich blickte zu Trevor, mit der Bitte um Erklärung. Während die NPU in meinem Kopf es mir ermöglichte, die Sprache der Aufseherin perfekt zu verstehen, konnte ich ihre umgangssprachlichen Begriffe nicht entschlüsseln.

 

Er schien meine Verwirrung zu verstehen. „Auf der Erde werden manche Gefangene zu ihrer eigenen Sicherheit bis zur Verhandlung isoliert gehalten. Ein Gefängnis ist wie eine eigenständige Gemeinschaft hinter dicken Wänden und Stacheldraht. Es ist ein gefährlicher Ort. Ein anderer Krimineller, also jemand, der mit eingesperrt ist, kann von außen beauftragt oder dafür bezahlt werden, einem Mitgefangenen etwas anzutun. Ihn zu töten.“

Mein Kiefer spannte sich an, und ich konnte sehen, wie Ryston erstarrte.

„Wenn jemand bereits eine lebenslange Strafe absitzt, wird es sein Urteil nicht ändern, wenn er einen weiteren Mord begeht. Aber Geld und Beziehungen nach draußen zu haben, kann das Leben im Gefängnis angenehmer gestalten.“

So war es auch für die Krieger hier. Manche, wie ich, hatten das Glück, mit ihren Familien auf Prillon in Kontakt zu bleiben. Meine Mutter schickte per Transport Vorräte und Leckereien, auch Botschaften und Bilder von meiner Familie. Aber andere empfingen nichts als Schweigen, keine Unterstützung, keine Kommunikation. Es war, als existierten sie nicht. Eine lebenslange Strafe abzusitzen, war etwas, das jeder Krieger in der Kolonie nachvollziehen konnte.

Trevor rutschte auf seinem Sitz herum. „Wenn sie erst mal zu den anderen Insassen kommt, wird sie schutzlos sein. Sie wird unter Mörderinnen und abgebrühten Verbrecherinnen leben. Jeder, der sie tot sehen will, wird an sie rankommen. Sie wird nicht länger als ein paar Tage überleben.“

Seine Erklärung half, und ich brauchte keine weiteren Details. Ein Blick zu Ryston, und er nickte zustimmend. Wir würden losziehen, und zwar sofort. „Wir kommen direkt in Ihren Transporterraum, Aufseherin. Bitte initiieren Sie die Transportcodes für uns.“

„Das werde ich. Ich danke Ihnen.“

Sie streckte die Hand aus, um unsere Kommunikation zu beenden, aber ich hielt meine Hand hoch und stoppte sie. Ein Detail gab es noch, das ich gerne wissen wollte.

„Aufseherin Egara, wenn ich fragen darf: wessen Gefährtin ist sie?“

Das Lächeln der Aufseherin war voller Mitleid.

„Es tut mir so leid, Maxim. Sie ist Ihre.“