Tristan und Isolde

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Was Blanscheflur ihm schmolle

Und ihm mit Grolle wolle.

Ihren Gruß, ihr Wort erwog er nun,

Ihr Seufzen, Segnen, all ihr Thun

Ward in Betracht genommen.

Schon hatt er Muth bekommen,

Ihr Seufzen, ihren süßen Segen,

Zu seinen Gunsten auszulegen.

Er glaubt' es wahrlich klar zu sehn,

Sie wären beide geschehn

Aus anders nichts als Minne.

Das entzündet' ihm die Sinne,

Daß sie hinwieder fuhren

Und nahmen Blanschefluren

Und entführten sie sogleich

In Riwalinens Herzensreich

Und krönten festlich sie darin

Ihm zu einer Königin.

Ja, Blanscheflur und Riwalin,

Der König, die süße Königin,

Theilten unter sich gar gleich

Ihrer Herzen zwiefach Königreich!

Das ihre fiel an Riwalin;

Der Blanscheflur ward seins verliehn,

Doch so daß Keines sich versah

Was mit dem andern Theil geschah.

So hatten diese Beiden sich

Zu gleicher Zeit einmüthiglich

Einander in den Sinn genommen.

Da war zu Herzen Herz gekommen:

Sie lag auch ihm im Herzen

Mit den gleichen Schmerzen,

Die sie um seinetwillen trug.

Weil er aber nicht genug

Gewissheit mocht erlangen,

Womit sie war befangen,

Ob mit Haß ob mit Minne,

So musten seine Sinne

Im Meer des Zweifels schwanken.

Ihm schwankten die Gedanken

Bald hinab und bald hinan.

Jetzt fürwahr wollt er hindann,

Dann wollt er plötzlich wieder her;

So hatt er sich zuletzt so sehr

Verstrickt in seinem Sinnen,

Er konnte nicht von hinnen.

Der gedankenvolle Riwalin,

Ein Beispiel ist an ihm verliehn,

Daß der minnende Muth

Gleich dem freien Vogel thut,

Der frei auf manchem Zweig sich wiegt

Und jetzt auf den geleimten fliegt.

Wenn er nun verspürt den Leim,

So flög er gerne wieder heim:

Da klebt er mit den Füßen schon;

Er regt die Schwingen, will davon

Und rührt an keinem Ort das Reis,

Wärs noch so linde, noch so leis,

Der ihm nicht neue Lähmung schafft.

So schlägt er dann aus aller Kraft

Her und hin und hin und her,

Bis er mit seiner Gegenwehr

Sich selbst zuletzt besiegt und fängt

Und fest geleimt am Zweige hängt.

Ganz in derselben Weise thut

Des Jünglings unbezwungner Muth:

So der in Liebessorgen kommt

Und Liebe Wunder an ihm frommt

Durch süßer Schmerzen Kunde,

So will der Schmerzlichwunde

Zu seiner Freiheit wieder:

Doch wieder zieht ihn nieder

Der süße Leim der Minne,

Er verfängt sich so darinne,

Daß er sich mit allem Fleiß

Nicht hin noch her zu helfen weiß.

So war es Riwalin ergangen,

Also hatte sich verfangen

In der Minne Leim sein Sinn

Zu seiner Herzenskönigin.

Ihn brachte die Verwirrung

In wunderliche Irrung,

Da er nicht wuste, ob ihr Muth

Ihm übel wolle oder gut:

Er erkannte weder dieß noch das,

Ihre Minne nicht, noch ihren Haß.

Nicht Trost noch Zweifel hielten Stand;

Er wollte fort, und war gebannt.

So zogen Trost und Zweifel ihn

Ohne Ende her und hin:

Trost sagt' ihm Minne, Zweifel Haß.

Dieser Zwist bewirkte das:

Er konnte mit Vertrauen,

Auf keins von beiden bauen,

Auf Haß noch auf Minne.

So schwebten seine Sinne

In einem unsichern Port.

Trost trieb ihn her und Zweifel fort:

Kein Verlaß war an den zwein,

Sie stimmten niemals überein.

Wenn Zweifel kam und er erfuhr,

Ihn haße seine Blanscheflur,

So wankt' er und beschloß zu gehn;

Sogleich kam Trost und ließ ihn sehn

Ihre Gunst und süßes Minneglück:

Das bracht ihn wieder ihr zurück.

So konnt er sich nicht rühren mehr,

Er wuste weder hin noch her.

Je stärker er entgegen rang,

Je fester ihn die Minne zwang.

Je heftiger er sich entwand,

Je enger schlang die Minn ihr Band.

So trieb es Minne mit ihm lang,

Bis doch der Trost den Sieg errang,

Den Zweifel endlich ganz vertrieb

Und Riwalin gewiss verblieb,

Seine Blanscheflur die minne ihn.

Da war sein Herz und all sein Sinn

Allein auf sie gerichtet

Und aller Streit geschlichtet.

Da nun die süße Minne

Sein Herz und seine Sinne

Ganz unterthänig sich gemacht,

Da hätt er doch sich nicht gedacht,

Daß so viel Leid und Wehe

Aus Herzelieb entstehe.

Als er, was ihm mit Blanscheflur

Geschehen war und widerfuhr,

Von Anbeginn betrachtete,

Genau auf Alles achtete,

Ihre Schläfe, Stirne, Lockenhaar,

Ihren Mund, ihr Kinn, ihr Wangenpaar,

Den freudenreichen Ostertag,

Der lachend ihr im Auge lag,

Da kam die rechte Minne,

Die Befeurerin der Sinne,

Und facht' ihr Sehnsuchtsfeuer an,

Das Feuer, das ihm lodernd brann

Im Herzen, und zur Stunde

Ihm gab gewisse Kunde,

Was für ein schmerzlich Wehe

Aus Liebesleid entstehe.

Denn ihm begann ein neues Leben,

Das Leben war ihm neu gegeben:

Er verwandelte darin

Ganz seine Sitte, seinen Sinn,

Und ward zumal ein andrer Mann

Denn Alles was er jetzt begann

War ein so wunderlich Betragen,

Mit Blindheit schien er oft geschlagen;

Seine angebornen Sinne,

Die waren von der Minne

So verwildert und verstört,

Als hätten sie ihm nicht gehört.

So schwächten ihn die Schmerzen:

Lachen aus vollem Herzen

Wie sein Brauch gewesen war,

Das verlernt' er ganz und gar.

Schweigen und in Sorgen schweben

War hinfort sein bestes Leben;

Denn all sein Sinn, all seine Kraft

Lag in seines Kummers Haft.

Auch verschonte Liebesschmerz

Nicht der jungen Blanschflur liebend Herz:

Sie war auch mit demselben Schaden

Durch ihn, wie er durch sie, beladen.

Die gebieterische Minne

War auch in ihre Sinne

Allzu stürmisch gekommen,

Und hatt ihr mit Gewalt genommen

Schier alle Ruh und ebnes Maß.

Seit die Liebe sie besaß

War gegen sich und vor der Welt

Ihr Betragen ganz entstellt.

Die Freuden, die sie sonst geletzt,

Die Scherze, die sie sonst ergetzt,

Die däuchten sie nun widerlich.

Ihr ganzes Leben fügte sich

Nur allein nach dem Gebot

Ihrer bittersüßen Herzensnoth.

Doch wieviel ihr junger Muth

Von Sehnsucht litt und Liebesglut,

Sie wuste doch nicht was ihr war.

Denn jetzt zuerst ward sie gewahr,

Was für ein schmerzlich Wehe

Aus Herzeleid entstehe.

Oft sprach sie zu sich selber noch:

»O weh, mein Gott, wie leb ich doch!

Wie und was ist mir geschehn?

Hab ich doch manchen Mann gesehn,

Von dem mir nie ein Leid geschah;

Und seit ich diesen Mann ersah,

So wird mein Herz mir nimmermehr

So frei und fröhlich als vorher.

Dieß Sehn, das ich an ihm gethan,

Davon allein hab ich empfahn

Nahegehnden Leids genug.

Mein Herz, das niemals Schmerz ertrug,

Das ist davon versehret;

Es hat mir ganz verkehret

So die Seele wie den Leib.

Soll aber einem jeden Weib,

Die ihn höret oder sieht,

Von ihm geschehn wie mir geschieht,

Und ist das ihm angeboren,

So ist viel Schönheit hier verloren,

Es ist ein unheilvoller Mann.

Wenn er aber zaubern kann,

Und durch seine Zauberlist

Dieß Wunder mir geschehen ist

Und diese wunderliche Noth,

So wär er sehr viel beßer todt,

Und sollt ihn nie ein Weib mehr sehn.

Gott! Wie ist mir von ihm geschehn,

Und geschieht mir stündlich schlimmer!

Gewiss, ich sah doch nimmer

Ihn oder einen andern Mann

Mit feindlichen Augen an,

Und trug auch Niemanden Haß.

Wie denn verschuldet hätt ich das,

Daß mir von Jemand Leid geschähe,

Auf den ich gerne freundlich sähe?

»Was schelt ich doch den guten Mann?

Unschuldig ist er wohl daran,

Was mir für Herzeleid geschah,

Und noch geschieht seit ich ihn sah,

Weiß Gott, es wird daran allein

Das eigne Herz mir schuldig sein.

Viel Andre kamen auch dahin:

Verschuldet Er es, daß mein Sinn

Vor den Andern allen

Auf Ihn allein verfallen?

Denn als so manches edle Weib

Seinen kaiserlichen Leib

Rühmte, und ich überall

Seinen Preis wie einen Ball

Hin und wieder hörte schlagen,

Und so viel zu seinem Lobe sagen,

Und selbst mit Augen an ihm fand

Was man ihm Lobes zugestand,

Und was er Preisliches besaß

 

In mein Herz zusammenlas,

Das bethörte mir den Sinn:

So fiel mein Herz ihm zum Gewinn.

In Wahrheit, das bestrickte mich;

Der Zauber wars, durch welchen ich

Mein selbst vergaß seit dieser Zeit.

Er selber that mir nichts zu Leid,

Der liebe Mann, um den ich klage,

Um den ich Grund zur Klage trage;

Mein junger, meisterloser Muth,

Der ist es, der mir Leides thut,

Der meinen Schaden will ist Der.

Er will und will nur allzu sehr

Was er nicht wollen sollte,

Wenn er bedenken wollte

Was Ehr und Zucht verlange;

Doch sieht er schon zu lange

Nichts als sein Begehren an

Nach diesem wonnevollen Mann,

Dem er in so kurzer Frist

So ganz anheimgefallen ist.

Und so mir Gott, ich wähne schier,

Erlaubt den Wahn die Ehre mir

Und muß ich mich von Magdthums wegen

Nicht schämen solchen Wahn zu hegen,

So dünkt mich, daß die Herzensklage,

Die ich um ihn im Herzen trage,

Nichts anders ist als Minne.

Ich werd es daran inne,

Daß mich verlangt nach seiner Nähe.

Wie es immer damit stehe,

So fühl ich, daß mein Herz beschleicht

Ein Ding, das Mannesliebe gleicht;

Denn was ich noch all meine Tage

Von verliebter Frauen Klage,

Von Minne je vernommen,

Das ist mir ins Herz gekommen.

Ja, der süße Herzensschmerz,

Der so manches edle Herz

Quält mit süßen Schmerzen,

Der liegt in meinem Herzen.«

Da nun die Höfsche, Gute,

Mit ungeteiltem Muthe

Ihr Herz erschloß zu dem Entschluß,

Wie ein jeder Minner muß,

Daß Riwalin ihr Geselle,

Ihres Herzens Freudenquelle,

Ihr Trost sein müße und ihr Leben,

Sie begann ihm Augentrost zu geben,

Sah ihn, wo sie ihn mochte sehn:

Ließ es die Schicklichkeit geschehn,

So suchte sie mit Blicken

Ihm süßen Trost zu schicken.

Sie ließ oft mit Verlangen

Die Augen an ihm hangen,

Und sah ihn lang und lieblich an.

Als das der minnende Mann,

Ihr Freund, begann zu merken,

Da begann ihn erst zu stärken

Die Minne, die so hold ihm war:

Sein Herz entbrannt ihm nun erst gar,

Und ersah er jetzt sein holdes Glück,

Blickt' er viel süßer noch zurück

Als er sonst sie angesehn,

Ließ es Zeit und Ort geschehn,

War sein Blick, sein Gruß ihr nah.

Als die schöne Magd nun sah,

Daß er sie minne wie sie ihn,

Ihre große Sorge schwand dahin.

Sie hatte stäts gedacht bisher,

Er trage nicht nach ihr Begehr;

Nun sah sie aber wohl, so gut

Und so getreu sei ihr sein Muth

Als je den Freund die Freundin fand;

Das war auch ihm von ihr bekannt.

Dieß schürte ihre Flammen:

Da begannen sie zusammen

Sich zu meinen und zu minnen

Mit Herzen und mit Sinnen;

Sie hatten Kunde wohl empfangen,

Wo Blick' an Freundesblicken hangen,

Das sei dem Minnefeuer

Eine nährende Steuer.

Das Hofgelag war aufgehoben

Und all die Ritterschaft zerstoben,

Da hörte Mark die Märe:

Ein fremder König wäre,

Sein Feind, geritten in sein Land,

Mit so kraftvoller Hand,

Möge man nicht bald ihm wehren,

Werd er das ganze Reich verheeren,

So weit ers überreite.

Alsbald entbot zum Streite

König Mark ein mächtig Heer,

Zog wider ihn mit starker Wehr

Und focht bis er den Sieg gewann,

Und erschlug und fieng so manchen Mann,

Daß Der die Gunst des Himmels pries,

Den er ledig oder leben ließ.

Auch Riwalin, der werthe Held,

Ward von einem Sper gefällt;

In der Seite saß die Wunde.

Die Seinen trugen ihn zur Stunde

Als einen halbtodten Mann

Aus dem Kampfgewühl hindann

Gen Tintajöl mit großem Jammer,

Da lag er todsiech in der Kammer.

Alsbald erscholl die Märe,

Kanelengres der wäre

Todwund und in dem Streit erschlagen.

Da hob sich bald ein kläglich Klagen

So am Hofe wie im Land.

Wem sein Werth nur war bekannt,

Dem war sein Schade herzlich leid.

Sie klagten seine Mannheit,

Seinen schönen Leib und süße Jugend,

Seine hochgelobte Fürstentugend:

Sollten die sobald zergehn

Und ein so frühes Ende sehn.

Der König selber auch, Herr Mark,

Beklagte seinen Freund so stark,

Daß er um keinen andern Mann

So bittern Kummer je gewann.

Ihn weinte manches edle Weib,

Viel Jungfraun klagten seinen Leib;

Jedem, der ihn je gesehn,

War an seinem Leide Leid geschehn.

Doch so groß ihr Erbarmen

Auch war mit dem Armen,

So war es doch alleine

Seine Blanscheflur die reine,

Die höfische, die gute,

Die aus ganzem Muthe

Mit Augen und mit Herzen

Des Herzgeliebten Schmerzen

Weinte mit bitterm Jammer.

In einsamer Kammer,

Wo sie zu klagen Raum gewann,

Da fiel sie sich mit Händen an

Und schlug dahin sich tausendmal,

Wo der Sitz war ihrer Qual:

Der Stelle, wo das Herze lag,

Der gab die Schöne manchen Schlag.

So marterte das süße Weib

Den jungen schönen süßen Leib

In so jämmerlicher Noth:

Sie hätte jeden andern Tod,

Der nicht von Minne war gekommen,

Für ihr Leben gern genommen.

Sie wär auch wohl verdorben

Und in dem Leid erstorben,

Hätte sie nicht den Trost gehabt,

Sich nicht an Einem Wunsch gelabt

Wie es immer möcht ergehn,

So wollte sie ihn wiedersehn,

Und wenn sie ihn nur sähe,

Was ihr darnach geschähe,

Da wollte sie sich drein ergeben.

So fristete sie sich das Leben

Bis sie zu Sinnen wieder kam,

Und ernstlich in Berathung nahm

Wie sie zum Liebsten käme,

Daß sie den Schmerz bezähme.

Darüber kam ihr in den Sinn

Ihre gute Meisterin,

Die sie stäts und allewege

Hielt in treuer Lehr und Pflege

Und ihr immer gab Geleit.

Die zog sie eines Tags beiseit

(Sie waren Beide ganz allein),

Und klagt' ihr all die herbe Pein,

Wie sie allzeit thun und thaten,

Die sich um Liebesnoth berathen.

Ihre Augen überquollen,

Die heißen Thränen rollen

Sah man im vollen Drange

Über die lichte Wange.

Dabei die Hände gefalten,

Flehend empor gehalten:

»Ach meines Leides«, sprach die Maid;

»Ach«, sprach sie, » welch ein Herzeleid!

Ach, herzgeliebte Meisterin,

Nun sei die Treue mein Gewinn,

Die ohne Ende bei dir ist;

Und da du selbst so selig bist,

Daß nur Seligkeit und Heil

Von deinem Rath mir wird zu Theil,

So klag ich dir mein Herzeleid

Bei aller deiner Seligkeit:

Hilfst du mir nicht, so bin ich todt.« –

»Nun Fräulein, was ist eure Noth

Und euer klägliches Klagen?« –

»Ach, Traute, darf ich dir es sagen?« –

»Ja, liebes Fräulein, sagt mirs an.« –

»Mich tödtet dieser todte Mann,

Von Parmenie Riwalin;

Gar zu gerne sah ich ihn,

Wüst ich, wie ichs erwürbe,

Bevor er ganz erstürbe,

Denn leider kann er nicht gedeihn:

Willst du dazu mir Hülfe leihn,

So versag ich nie dir eine Gabe,

So lang ich bin und Leben habe.«

Da sprach bei sich die Meisterin:

Wenn ich ihr gefällig bin,

Welch großer Schaden ist es dann?

Dieser halbtodte Mann

Stirbt morgen oder heute noch:

So hab ich meinem Fräulein doch

Aus Noth geholfen und aus Leid;

Hernach vertraut sie jederzeit

Vor allen andern Frauen mir.

»Lieb Fräulein«, hub sie an zu ihr,

»Euer Kummer ist mir herzlich leid,

Und wenn ich eurer Traurigkeit

Mit meinem Leben steuern kann,

So thu ichs, zweifelt nicht daran.

Ich geh sogleich zu ihm hernieder;

Seh ihn und kehre eilends wieder.

Ich erspäh auch die Gelegenheit,

Da wo er liegt, und Ort und Zeit,

Und erkundge nach den Leuten mich.«

Da gieng sie hin und stellte sich

Als käme sie ihn zu beklagen,

Und sah die Zeit ab, ihm zu sagen,

Ihr Fräulein woll ihn gerne sehn,

Könn es anders geschehn

Mit Fug und in Ehren.

Sie kam mit diesen Mären

Zu ihrem Fräulein von dem Mann.

Sie nahm die Magd und legt' ihr an

Eines armen Bettelweibes Kleid.

Ihres Angesichtes Schönheit

Mit dichten Tüchern sie verband,

Und nahm ihr Fräulein bei der Hand

Und kam zu Riwalinen so.

Der hatte, des Besuches froh,

Die Seinen ausgetrieben

Und war allein geblieben.

Er sprach: »Es ist mein Wille:

Ich brauche Ruh und Stille.«

Zu den Leuten sprach die Meisterin,

Sie brächt ihm eine Ärztin,

Und erwarb, daß man sie zu ihm ließ.

Den Riegel vor die Thür sie stieß:

»Nun« sprach sie, »Fräulein, sehet ihn.«

Und sie, die Schöne, eilte hin,

Und als sie ihm ins Auge sah,

»O weh mir immer!« sprach sie da;

»Weh, daß ich jemals ward geboren!

Meine Hoffnung, wie ist die verloren!«

Da nickt' ihr Riwalin nur kaum:

Die Kräfte ließen ihm nicht Raum

Als einem todsiechen Mann.

Das sah sie aber wenig an

Und verdacht es nicht, nein, liebeblind

Saß zu ihm das schöne Kind

Und legte ihrem Riwalin

Die Wang an seine Wange hin.

Bis ihr da zu gleicher Zeit

Von Freud und auch von Herzeleid

Gar des Leibes Kraft entwich;

Ihr rosenfarbner Mund erblich,

Die lichten Lebensfarben

Erloschen und erstarben,

Die sie geziert bis diesen Tag.

Ihren klaren Augen ward der Tag

Trüb und finster wie die Nacht.

So lag sie in der Ohnmacht

Und ohne Sinne lange,

Ihre Wang an seine Wange

Sanft gelehnt, als wär sie todt.

Als sie darauf aus dieser Noth

Zu Kraft ein wenig wieder kam,

Ihr Lieb sie in die Arme nahm,

Legt' ihren Mund an seinen

Und küsst' in einer kleinen

Weil' ihn hunderttausendmal,

Bis sich aus ihrem Munde stahl

In ihn die Glut der Minne;

Denn Minne war darinne.

So gab ihr Mund ihm Freude kund

Und lieh ihm solche Kraft ihr Mund,

Daß er das kaiserliche Weib

An seinen halbtodten Leib

Nahe zwang und inniglich.

Nicht lange mehr verzog es sich

Bis da Beider Wunsch ergieng

Und das süße Weib empfieng

Von des Mannes Heimlichkeit.

Auch war er von der süßen Maid

Beinah, und von der Minne todt.

Half ihm Gott nicht aus der Noth,

So konnt er nimmermehr gedeihn;

So genas er, denn es sollte sein.

So kam, daß Riwalin genas

Und Blanscheflur die schöne saß

Von ihm beladen und entladen

Mit zwei verschiednen Herzensschaden:

Sie ließ groß Leid wohl bei dem Mann,

Doch trug sie größeres hindann.

Sie ließ sehnliche Herzensnoth

Und trug mit sich hinweg den Tod.

Die Noth ließ sie mit Minnen dort;

Den Tod im Kinde trug sie fort.

Und gleichwohl, wie ihr auch geschah,

In welcher Weise sie sich sah

Von ihm entladen und beladen

So mit Frommen als mit Schaden,

Ihr Herz sah doch nichts andres an

Als die süße Lieb und lieben Mann.

 

Ihr war das bittre Todeslooß,

Das Kind nicht kund in ihrem Schooß;

Doch Mann und Minne war es wohl.

Sie that wie der Lebendge soll

Und gern der Minnende thut:

Ihr Herz lag, all ihr Wunsch, ihr Muth

An Riwalin alleine.

Hinwieder lag der seine

An ihr und ihrer Minne.

So trugen sie im Sinne

Eine Liebe nur, und Ein Begehr.

So war er sie und sie war er,

Er war für sie und sie für ihn,

Hier Blanscheflur, da Riwalin,

Hier Riwalin, da Blanscheflur,

In Beiden Eine Liebe nur.

Ihr Leben war Ein Leben so,

Sie waren miteinander froh

Und erhöhten ihr Gemüthe

Durch Liebe sich und Güte.

Und konnten sie beisammen sein,

Diese Beiden ganz allein,

So war ihr Glück vollkommen,

Ihnen alles Leid benommen:

Sie hätten nimmermehr ihr Leben

Um alle Reiche hingegeben.

Doch währte das nicht lange:

Kaum war ihr Glück im Gange,

Daß sie am Besten lebten,

In den höchsten Freuden schwebten,

Da empfieng die Kunde Riwalin,

Morgan, sein Feind, woll überziehn

Mit einem starken Heer sein Land.

Auf diese Kunde gleich zur Hand

Ward ihm ein Schiff bereit gemacht,

All sein Geräth darauf gebracht,

Und Alles, Ross und Speise,

Beschafft für seine Reise.

Die minnigliche Blanscheflur,

Als sie die leide Mär erfuhr

Um den herzgeliebten Mann,

Da hub erst recht ihr Kummer an,

So weh geschah der Armen da,

Daß sie nicht hörte mehr noch sah.

Gleich einem todten Weibe

War sie an ihrem Leibe;

Aus ihrem Munde gieng hinfort

Nur noch »O weh!« dieß arme Wort.

Das eine sprach sie noch allein:

»O weh dem Schmerz, o weh der Pein!

O weh nun, Minne, weh nun, Mann!

Ihr zwei, wie fielet ihr mich an

Mit so viel Kummer, so viel Leid.

Minne, du Unseligkeit!

Da an dir so kurze Freude ist

Und du so gar unstäte bist,

Was minnt doch all die Welt an dir!

Ich seh doch wohl, du lohnest ihr

Wie der Ungetreue thut!

Es ist dein Ende nicht so gut

Als du der Welt verheißest,

Die du verlockst und reißest

Nach kurzer Freud in lange Pein.

Dein verlockender Schein,

Die in so falscher Süße schwebt,

Trügt Alles was auf Erden lebt.

Zu wohl an dir erfuhr ich dieß:

Was all mein Glück zu sein verhieß,

Läßt mich nun nichts erlangen

Als Qual und tödtlich Bangen!

Mein Trost fährt hin und läßt mich hier!«

Da so der Jammer sprach aus ihr,

Trat ihr Geselle Riwalin

Mit betrübtem Herzen vor sie hin

Sich den Urlaub zu erbitten.

»Gebietet mir«, sprach er mit Sitten,

»Ich soll und muß zu Lande fahren;

Euch Schöne möge Gott bewahren.

Lebt immer glücklich und gesund.«

Da erblich ihr andernmals der Mund

Und aber fiel sie von der Noth

Vor ihm in Ohnmacht und für todt

In den Schooß der Meisterin.

Ihr Leidgenoße Riwalin,

Da der das große Leid ersah,

Das seinem Herzelieb geschah,

Er entzog sich nicht der Freundespflicht:

Ihres Herzeleides ganz Gewicht

Trug er mit ihr minniglich,

Daß auch ihm die Farb erblich

Und alle Kräfte schwanden.

So in des Jammers Banden

Saß er trauernd zu ihr nieder

Schier verzagend, bis sie wieder

Doch so weit zu Kräften kam,

Daß er sie bei Händen nahm

Und hielt das freudenlose Weib

Zärtlich gefügt an seinen Leib

Und küsst' ihr oft und lange

Augen, Mund und Wange,

Und herzte sie und hielt sie lieb

Bis er die Ohnmacht vertrieb

Und sie allmählich genas

Und ohne Hülfe aufrecht saß.

Als Blanscheflur nun zu sich kam

Und wahr vor sich des Freundes nahm,

Da sah sie ihn mit Jammer an:

»Ach«, sprach sie, » seliger Mann,

Wie ist mir Leid an euch geschehn!

Herr! daß ich euch hab ersehn,

Wie bracht es mich in Schmerz und Klage,

Die ich in meinem Herzen trage

Um eurethalb, durch eure Schuld!

Durft ich es mit eurer Huld

Sagen, Freund, so möchtet ihr

Freundlicher wohl thun an mir.

Herr und Freund, wie mancherlei

Die Schmerzen sei'n, doch sind es drei,

Die tödtlich und unwendbar sind.

Das Eine ist, ich trag ein Kind,

Und nimmermehr genes ich sein,

Mir wolle Gott denn Beistand leihn.

Des andern Leides ist noch mehr:

Mein Bruder und mein Herr, wenn der

An mir ersieht dieß Ungemach

Und seines eignen Namens Schmach,

So wird er mich verderben

Und schmählich laßen sterben.

Am schwersten ist die dritte Noth

Und gar viel bittrer als der Tod.

Ich weiß wohl, könnt es sich begeben,

Daß mich mein Bruder ließe leben

Und nicht darum ersterbte,

Daß er mich doch enterbte

Und nähme Gut und Ehre:

Wohin ich dann mich kehre,

So muß ich arm und unwerth sein.

Dazu muß ich mein Kindelein,

Das den Vater doch am Leben hat,

Erziehen ohne Vaters Rath.

Das Alles wollt ich minder klagen,

Dürft ich die Schmach allein nur tragen,

Daß nicht mein Bruder brauchte,

Mein Geschlecht auch, das erlauchte,

Mit mir zu leiden, und sie mein

Und der Schande ledig dürften sein.

Wenn aber Allen, die nun sind,

Ruchbar wird, ich hab ein Kind

Kebslich erworben, und der Schall

Durch England geht und Cornewal,

Das ist dem wie jenem Lande

Eine öffentliche Schande.

Und wehe mir, wenn das geschieht,

Wo man mich mit den Augen sieht,

Daß der Länder zwei von wegen mein

Beschimpft, bescholten sollten sein;

So wär viel beßer mir der Tod.

Seht«, sprach sie, »Herr, das ist die Noth,

Das ist die stäte Herzensklage,

In der ich alle meine Tage

Ersterbe mit lebendgem Leib.

Herr, helft ihr nicht dem armen Weib

Und fügt es nicht der Himmel so,

Ich werde nimmer wieder froh.«

»Traute Frau«, sprach er zu ihr,

»Da ihr viel Leides habt von mir,

Will ichs euch büßen, wo ich kann,

Und Sorge tragen, daß fortan

Euch Schande nicht und Wehe

Durch meine Schuld entstehe.

Was in Zukunft auch geschehen mag,

Ich hab an euch so lieben Tag

Erlebt, daß es unbillig wär,

Wenn ihr irgendwie Beschwer

Mit meinem Willen solltet tragen.

Frau, ich will euch gänzlich sagen

Mein Herz und allen meinen Muth.

Es gescheh euch übel oder gut,

Lieb oder Leid, des habt Bericht,

Davon geschieden werd ich nicht,

Da will ich immer sein dabei,

Wie kümmerlich es anders sei.

Ich biet euch zweier Dinge Kür,

Die leget euerm Herzen für:

Ich reise oder bleibe hier;

Nun wählet und gebietet mir.

Wollt ihr, daß ich hier bestehe

Und erwarte, wie es euch ergehe,

Das sei. Geruhet ihr jedoch

Mit mir heimzufahren heute noch,

Ich selbst und was ich je gewann,

Das ist euch Alles unterthan.

Ihr erbotet Liebes mir so viel,

Daß ich es euch gedenken will

Mit Leben und mit Gute.

Wie euch nun sei zu Muthe,

Herrin, des bescheidet mich:

Was ihr wollt, das will auch ich.«

»Herr, ich dank euch«, sprach sie froh,

»Ihr sprecht und bietet mir es so,

Daß Gott euch lohnen müße

Und daß ich eure Füße

Immer gern umfaßen soll.

Freund und Herr, ihr wißet wohl,

Meines Bleibens kann hier unlang sein.

Die Angst um mein Kindelein,

Die mag ich leider nicht verhehlen:

Wüst ich mich hinweg zu stehlen,

Das wäre mir der beste Rath,

Da es sich so gewendet hat.

Gebieter, dazu rathet ihr.« –

»Nun Herrin«, sprach er, »folget mir.

Wenn ich zu Schiffe geh die Nacht,

So fügt es also, daß ihr sacht

Und unbemerkt dahin mögt kommen;

Wenn ich Urlaub genommen,

Daß ich euch dann da finde

Bei meinem Ingesinde.

So fügt es, denn so muß es sein.«

Hiemit gieng Riwalin hinein

Zu Mark und sagt' ihm Märe

Was ihm entboten wäre

Von seinem Volk und seinem Land.

Urlaub nahm er zuhand

Von ihm und seinem ganzen Bann.

Die klagten um den werthen Mann,

Daß er nie größre Klage sah

Als die da um ihn geschah.

Viel Segen ward ihm mitgegeben,

Daß ihm Gott doch Ehr und Leben

Beschirme heut und immerdar.

Als nun die Nacht gesunken war

Und er zu seinem Schiffe kam

Und sein Geräth all an sich nahm,

Da fand er seine Herrin dort,

Die schöne Blanscheflur am Ort.

Da fuhr er an das Schiff heran

Und mit dem Schiff alsbald hindann.

Als Riwalin zu Lande kam

Und die große Noth vernahm,

Die Morgan über ihn gebracht

Durch seines Heeres Übermacht,

Alsbald nach seinem Marschall sandte

Riwalin, des Treu er kannte,

An dem sein gröster Trost noch lag,

Der aller seiner Ehren pflag

In seinem Volk und in dem Land:

Das war Rual li foitenant,

Der Ehr und Treue fester Haft,

An Treue niemals wankelhaft;

Der sagt' ihm Alles aus dem Grund,

Wie er es wust und wohl verstund,

Wie bittre Noth erstanden

Dem Volk wär und den Landen;

Doch sprach er: »Da ihr noch beizeit

Zum Trost uns All gekommen seid,

Und Gott euch heimgesendet hat,

So wird des wohl noch Alles Rath,

Wir mögen noch gar wohl gedeihn:

Wir wollen hohes Muthes sein

Und Angst und Sorge fahre hin.«

Inzwischen sagt' ihm Riwalin

Was all ihm Liebes widerfuhr

Mit seiner schönen Blanscheflur:

Des freute sich der treue Mann.

»Ich seh wohl«, sprach er, »Herr, hieran,

Eure Ehre wächst in aller Weis,

Eure Würdigkeit und euer Preis,

Eure Freud und eure Wonne,

Die steigen wie die Sonne.

Ihr könntet auf der Erden

Von keinem Weibe werden

So hohes Namens als mit ihr.

Drum, lieber Herre, folget mir:

Hat sie wohl an euch gethan,

Laßt sie dafür auch Lohn empfahn.

Wenn wir unser Ding beenden

Und diese Noth all von uns wenden,

Die uns so schwer liegt auf dem Rücken,

So richtet, Herr, von freien Stücken

Eine schöne Hochzeit an.

Vor Verwandten und dem ganzen Bann

Empfangt sie öffentlich zur Ehe.

Und noch zuvor, eh das geschehe,

Nehmt in der Kirche sie zur Frauen,

Daß es Lain und Pfaffen schauen,

Wo es Christenbrauch begehrt:

Damit wird euer Heil gemehrt,

Daß euch in allen Dingen

Desto beßer muß gelingen;

Es schafft euch Ehr und Glück ins Haus.«

Nun, das geschah, er führt' es aus

Nach des Freundes Rath vollkommen;

Und als er sie zur Eh genommen,

Befahl er sie der treuen Hand

Des getreuen Foitenant.

Der führte sie gen Kanoel

Auf dasselbe Castel,

Nach dem sein Herr war zubenannt

Kanelengres, wie ich es fand

Im Buch: Kanel nach Kanoel.

Auf demselben Castel

Hatt er auch sein liebes Weib,

Ein Weib, die sich mit Seel und Leib

In weiblichen Treuen

Befliß, die Welt zu freuen.

Der befahl er seine Herrin dort

Und schuf ihr solch Gemach sofort,

Sie mochte da verweilen gern.

Als Rual heim kam zu dem Herrn,

Da beriethen diese Beiden sich,

Wie sie möchten ritterlich