Tantrische Ebenen und Pfade

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Die niederen Tantras

HANDLUNGSTANTRA

Buddha enthüllt die Stufen des Pfades des Handlungstantra in unterschiedlichen Schriften, vor allem in Allgemeines Geheimes Tantra, Ausgezeichnetes Gründungs­tantra, Das von Subahu erbetene Tantra und Tantra des Konzentrationskontinuums. Diese vier Schriften sind die Wurzeltantras des Handlungstantra. In Allgemeines Geheimes Tantra erläutert Buddha dreitausendachhundert Arten von Mandalas des Handlungstantra. In Ausgezeichnetes Gründungstantra erläutert er, wie über die zornvolle Gottheit Susiddhi meditiert wird. In Von Subahu erbetenes Tantra erläutert er, wie Annäherungsretreats im Handlungstantra durchgeführt und wie befriedende, vermehrende, kontrollierende und zornvolle Handlungen vollendet werden. Und im Tantra des Konzentrationskontinuums erläutert er die vier Arten von Konzentration des Handlungstantra. Zusätzlich zu diesen vier Wurzeltantras gibt es viele Zweigtantras und tantrische Kommentare.


Togdän Jampäl Gyatso

In Große Darlegung der Stufen des Geheimen Mantra stellt Je Tsongkhapa die Stufen des Pfades des Handlungstantra in vier Teilen vor: Ermächtigungen, Gelübde und Verpflichtungen, Annäherungsretreats sowie allgemeine und außergewöhnliche Erlangungen. Obwohl die Übungen des Handlungstantra sehr umfangreich sind, fasst Je Tsongkhapa sie in diese vier Teile zusammen und macht sie dadurch leicht verständlich. Da Je Tsongkhapas Darlegung so klar und praktisch ist, stützt sich mein Kommentar hauptsächlich auf seine Gliederung.

Das Handlungstantra wird nun in sechs Teilen erklärt:

1. Ermächtigungen erhalten, die Methode, mit der wir unser geistiges Kontinuum zur Reife bringen

2. Die Gelübde und Verpflichtungen einhalten

3. Ein Annäherungsretreat durchführen, die Methode, um Verwirklichungen zu erlangen

4. Wie die allgemeinen und außerwöhnlichen Erlangungen vollendet werden, nachdem wir Erfahrung in den vier Konzentrationen haben

5. Wie wir in Abhängigkeit vom Handlungstantra durch die Ebenen und Pfade fortschreiten

6. Die Familien der Gottheiten des Handlungstantra

ERMÄCHTIGUNGEN ERHALTEN, DIE METHODE, MIT DER WIR UNSER GEISTIGES KONTINUUM ZUR REIFE BRINGEN

Wir müssen eine Ermächtigung erhalten, um das Handlungs­tantra zu üben. Die Ermächtigungen des Handlungstantra sind viel einfacher als die Ermächtigungen des Höchsten Yoga Tantra und bestehen hauptsächlich aus einer Wasser-Ermächtigung und einer Kronen-Ermächtigung. In diesen Ermächtigungen gewährt der Vajrameister dem Körper und Geist der Schüler besondere Segnungen mit heiligem Wasser aus einer Vase und mit einer Krone, um ihre Samen der Stufen des Pfades des Handlungstantra reifen zu lassen.

DIE GELÜBDE UND VERPFLICHTUNGEN EINHALTEN

Da es im Handlungstantra keine Ermächtigung des spirituellen Meisters des Vajrayana gibt, ist keine Grundlage vorhanden, um tantrische Gelübde zu gewähren. Die Bodhisattva Gelübde werden aber gewährt. Auch gibt es in den Ermächtigungen einige Verpflichtungen, die sich jeweils in Abhängigkeit von der Familie der Gottheit unterscheiden.

EIN ANNÄHERUNGSRETREAT DURCHFÜHREN, DIE METHODE, UM VERWIRKLICHUNGEN ZU ERLANGEN

Ein Annäherungsretreat ist eine Methode, unserem Yidam oder unserer persönlichen Gottheit näher zu kommen, zum einen, indem wir unseren Geist einer äußeren, vor uns visualisierten Gottheit annähern, und zum anderen, indem wir selbst durch Schulung in Selbsterzeugung so werden wie diese Gottheit. Das endgültige Ergebnis des Annäherungsretreats ist, dass wir selbst eine Gottheit werden. Eine Gottheit oder ein Yidam ist ein tantrisches erleuchtetes Wesen. Es gibt vier Arten von Gottheiten: Gottheiten des Handlungstantra wie Muni Trisamaya Guhyaraja, Avalokiteshvara, Weiße Tara, Grüne Tara und Amitayus; Gottheiten des Ausführungstantra wie die einhundertsiebzehn Gottheiten des Mandalas von Buddha Munivairochana; Gottheiten des Yoga Tantra wie Sarvavid und die anderen sechsundneunzig Gottheiten; und Gottheiten des Höchsten Yoga Tantra wie die zweiundsechzig Gottheiten des Heruka Mandalas und die siebenunddreißig Gottheiten des Vajrayogini Körpermandalas sowie die zweiunddreißig Gottheiten des Guhyasamaja Mandalas.

Um die Erlangungen unserer persönlichen Gottheit zu empfangen, müssen wir die folgenden vier Konzentrationen üben:

1. Konzentration der viergliedrigen Rezitation

2. Konzentration des Verweilens im Feuer

3. Konzentration des Verweilens im Klang

4. Konzentration des Gewährens der Befreiung am Ende des Klangs

KONZENTRATION DER VIERGLIEDRIGEN REZITATION

Diese hat vier Teile:

1. Die Selbstgrundlage vollenden

2. Die andere Grundlage vollenden

3. Die Geistgrundlage vollenden

4. Die Klanggrundlage vollenden

DIE SELBSTGRUNDLAGE VOLLENDEN

«Selbstgrundlage» bedeutet im Handlungstantra Meditation über die Selbsterzeugung. In Das von Subahu erbetene Tantra und Tantra des Konzentrationskontinuums erklärt Buddha, wie wir die Selbsterzeugung üben, indem wir der Reihe nach über sechs Gottheiten meditieren: die Gottheit der Leerheit, die Gottheit des Klangs, die Gottheit der Buchstaben, die Gottheit der Form, die Gottheit der Mudra und die Gottheit der Zeichen. So wie wir im Höchsten Yoga Tantra vor der eigentlichen Meditation der Selbsterzeugung über das Bringen der drei Körper in den Pfad meditieren, so meditieren wir im Handlungstantra vor der eigentlichen Meditation über Selbsterzeugung über diese sechs Gottheiten. Diese sechs Gottheiten werden nun hinsichtlich unserer Selbsterzeugung als Gottheit Avalokiteshvara erläutert.

DIE GOTTHEIT DER LEERHEIT

Nach der Zufluchtnahme, dem Erzeugen von Bodhichitta und so weiter beginnen wir damit, uns daran zu erinnern, dass wir leer von inhärenter Existenz sind und dass Avalokiteshvara ebenfalls leer ist. Wir denken:

Ich bin weder mein Körper noch mein Geist, doch außer meinem Körper und Geist gibt es kein Ich. Also bin ich leer von inhärenter Existenz.

Indem wir über solche Begründungen nachdenken, versuchen wir die Erscheinung unseres normalen Ich zu überwinden und nur noch Leerheit wahrzunehmen. Wir wenden dieselbe Überlegung auf Avalokiteshvara an und schließen daraus, dass auch Avalokiteshvara leer von inhärenter Existenz ist. Da alle Leerheiten die gleiche Natur haben, sind unsere Leerheit und die Leerheit von Avalokiteshvara nicht verschieden. Deshalb sind wir auf einer endgültigen Ebene gleich und ununterscheidbar.

Stehen zwei Gläser auf einem Tisch, ist die Natur des Raumes innerhalb der zwei Gläser nicht verschieden. Deshalb können wir, wenn die Gläser zerbrochen sind, den Raum des einen Glases nicht vom Raum des anderen unterscheiden. Aus endgültiger Sicht sind wir und Avalokiteshvara wie der Raum der beiden Gläser. Zu Beginn unserer Meditation über Leerheit haben wir das Gefühl, unsere endgültige Natur und die endgültige Natur von Avalokiteshvara seien verschieden. Gelingt es uns aber, die konventionellen Erscheinungen von uns selbst und Avalokiteshvara zu überwinden, so ist dies wie das Zerbrechen der Gläser. Wir entdecken, dass unsere endgültige Natur und die endgültige Natur von Avalokiteshvara genau gleich sind, das bloße Fehlen inhärenter Existenz. Wir meditieren über die Ununterscheidbarkeit der Leerheit von uns selbst und der Leerheit von Avalokiteshvara, und denken:

Ich und Avalokiteshvara sind jetzt gleich geworden wie Wasser, das in Wasser gegossen wird.

Indem wir diese ununterscheidbare Abwesenheit von inhä­renter Existenz feststellen, erkennen wir sie als Wahrheitskörper und entwickeln den göttlichen Stolz, dieser Wahrheitskörper zu sein. Alles, was uns erscheint, ist Leerheit. Diese Leerheit, die die Untrennbarkeit unserer endgültigen Natur und der endgültigen Natur Avalokiteshvaras ist, ist jetzt die Grundlage für die Zuschreibung unseres Ich.

Vielleicht denken wir, dass wir unser Körper oder unser Geist sind, doch unser Körper und Geist sind die Grundlage für die Zuschreibung unseres Ich, nicht das Ich selbst. Deshalb denken wir jedes Mal «Ich», wenn uns unser Körper oder unser Geist erscheint. In ähnlicher Weise wird die Leerheit selbst die Grundlage für die Zuschreibung unseres Ich, wenn wir über die Gottheit der Leerheit meditieren. Während wir Leerheit beobachten, entwickeln wir den Gedanken «Ich». Es ist wichtig zu verstehen, dass wir keinen physischen Körper brauchen, um ein Ich-Gefühl zu entwickeln. Götter des formlosen Bereichs haben zum Beispiel keinen physischen Körper, aber sie haben ein Ich-Gefühl.


Baso Chökyi Gyaltsän

Während die Zuschreibung eines Ich auf einen gewöhnlichen Körper oder Geist dazu führt, dass wir die Unwissenheit des Festhaltens am Selbst entwickeln und dadurch in Samsara bleiben, führt die Zuschreibung des Ich auf Leerheit dazu, dass wir aus Samsara befreit werden. Es ist sehr wichtig für Praktizierende des Geheimen Mantra zu lernen, den Gedanken «Ich» zu entwickeln, indem sie Leerheit als Grundlage der Zuschreibung nehmen. Wir sollten uns nach Möglichkeit die eigentliche Leerheit vergegenwärtigen, die bloße Abwesenheit von inhärenter Existenz, und den Gedanken „Ich“ entwickeln, während wir diese Leerheit betrachten. Verstehen wir Leerheit nicht, sollten wir uns einfach eine Leere vorstellen und, indem wir diese betrachten, «Ich» denken. Soll unsere Meditation jedoch als ein eigentliches Gegenmittel gegen das Festhalten am Selbst dienen, dann müssen wir das Fehlen inhärenter Existenz erkennen und Ich darauf zuschreiben. Ein Ich, das auf die Leerheit oder endgültige Natur von uns selbst und unserem Yidam zugeschrieben wird, ist die Gottheit der Leerheit oder die endgültige Gottheit.

 

DIE GOTTHEIT DES KLANGS

Nachdem wir eine Weile über die Gottheit der Leerheit meditiert haben, stellen wir uns vor, dass aus dem Zustand der Leerheit der Klang von Avalokiteshvaras Mantra OM MANI PÄME HUM entsteht, so wie das Grollen eines fernen Donners in einem leeren Himmel. Wir visualisieren die Buchstaben nicht in geschriebener Form, sondern hören einfach mit unserem Geist den Klang des Mantra. Der Klang kommt nicht aus einer bestimmten Richtung, sondern durchdringt den ganzen Raum. Wir erkennen den Klang des Mantra als unseren Geist, der im Aspekt des Klangs erscheint, und schreiben darauf Ich zu. Dieses Ich, das dem Klang des Mantra zugeschrieben wird, ist die Gottheit des Klangs. Nach dem System der Madhyamika-Prasangikas widersprechen sich das zugeschriebene Objekt und die Grundlage der Zuschreibung, was bedeutet, dass die Grundlage der Zuschreibung des Ich zwangsläufig nicht das Ich ist. So wie gegenwärtig unsere fünf verunreinigten Anhäufungen die Grundlage der Zuschreibung für unser Ich sind, nicht jedoch unser Ich selbst, so ist der Klang des Mantra die Grundlage für die Zuschreibung der Gottheit des Klangs, aber nicht diese Gottheit.

DIE GOTTHEIT DER BUCHSTABEN

Nachdem wir eine Weile über unseren Geist im Aspekt des Klangs des Mantra meditiert haben, stellen wir uns vor, dass sich unser Geist in ein weißes, durchscheinendes Mondmandala umwandelt. Der Klang des Mantra ­sammelt sich oberhalb des Mondes und nimmt die physische Form der Buchstaben OM MANI PÄME HUM an, die im Uhrzeigersinn am Rande des Mondmandalas stehen. Wir denken, dass diese Buchstaben und das Mondmandala in ihrer Essenz unser eigener Geist sind, und auf dieser Grundlage entwickeln wir den Gedanken «Ich». Dieses Ich, das auf die Buchstaben des Mantra zugeschrieben wird, ist die Gottheit der Buchstaben.

DIE GOTTHEIT DER FORM

Nachdem wir eine Weile über die Gottheit der Buchstaben meditiert haben, stellen wir uns vor, dass die Buchstaben des Mondmandalas Licht in alle zehn Richtungen ausstrahlen. An der Spitze eines jeden Lichtstrahls ist Avalokiteshvara. Diese Strahlen erreichen den Scheitel jedes einzelnen Lebewesens, segnen sie und reinigen all ihr negatives Karma von Körper, Rede und Geist. Die sechs Bereiche von Samsara werden gereinigt und in das Reine Land von Avalokiteshvara umgewandelt und alle Lebewesen werden zu Avalokiteshvara. Dann schmelzen die gereinigte Umgebung und die gereinigten Wesen zu weißem Licht und lösen sich in den Mantrakranz und das Mondmandala auf, die sich dann in den Körper Avalokiteshvaras umwandeln. Wir können Avalokiteshvara mit einem Gesicht und zwei Armen, einem Gesicht und vier Armen oder mit elf Gesichtern und tausend Armen visualisieren. Indem wir die körperliche Form Avalokiteshvaras betrachten, entwickeln wir den Gedanken «Ich». Dieses Ich, das auf die körperliche Form Avalokiteshvaras zugeschrieben wird, ist die Gottheit der Form.

DIE GOTTHEIT DER MUDRA

Nachdem wir uns als Avalokiteshvara erzeugt haben, müssen wir nun die fünf Hauptstellen von Avalokiteshvaras Körper mit einer besonderen Mudra segnen. Dazu bringen wir unsere Hand­flächen in der Mudra der Verbeugung zusammen, doch sind die Fingerspitzen wie die Blüten­blätter eines sich öffnenden Lotos etwas voneinander getrennt, unsere Daumen krümmen wir nach innen, wie um ein kostbares Juwel darzustellen, das innerhalb der Lotosblüte verborgen ist. Dies ist die «Verpflichtungs­mudra der Lotos Familie». Während wir das Mantra OM PÄME UBHAWAYE SÖHA rezitieren, berühren wir mit unseren Händen, die wir in dieser Mudra halten, unser Herz, den Punkt zwischen unseren Augenbrauen, unseren Hals, unsere rechte Schulter und unsere linke Schulter. Wenn wir unser Herz berühren, visualisieren wir Akshobya. Wenn wir den Punkt zwischen unseren Augenbrauen berühren, visualisieren wir Vairochana. Wenn wir unseren Hals berühren, visualisieren wir Amitabha. Wenn wir die rechte Schulter berühren, visualisieren wir Ratnasambhava und berühren wir unsere linke Schulter, visualisieren wir Amogasiddhi. Obwohl die Gottheiten auf unserem Körper gekennzeichnet sind, ist dies kein Körpermandala, denn die substanzielle Ursache der fünf Gottheiten ist unser Geist, nicht die Teile unseres Körpers. Diese Gottheiten sind die Gottheiten der Mudra. Wir sind davon überzeugt, dass diese fünf Gottheiten in ihrer Essenz unser eigener Geist sind und meditieren darüber.

DIE GOTTHEIT DER ZEICHEN

Hier bezieht sich «Zeichen» auf die außergewöhnlichen Zeichen oder Eigenschaften des Körpers von Avalokiteshvara. Um über die Gottheit der Zeichen zu meditieren, untersuchen wir den Körper von Avalokiteshvara von Kopf bis Fuß, um die Klarheit ­unserer Visualisierung zu verbessern. Dies verbessert sowohl unsere klare Erscheinung als auch den göttlichen Stolz, Avalokiteshvara zu sein. Ein Ich, das nach der analytischen Meditation über die außergewöhnlichen Zeichen Avalokiteshvaras auf seinen Körper zugeschrieben wird, ist die Gottheit der Zeichen.

Das Ziel der Meditation über die Gottheit der Leerheit ist, den Geist der Gottheit zu erlangen. Das Ziel der Meditation über die Gottheit des Klangs und die Gott­heit der Buchstaben ist, die Rede der Gottheit zu erlangen. Und das Ziel der Meditation über die Gottheit der Form, die Gottheit der Mudra und die Gottheit der Zeichen ist, den Gottheitskörper zu erlangen. Über die Yogas der sechs Gottheiten in dieser Reihenfolge zu meditieren hilft uns, gewöhnliche Erscheinungen und Vorstellungen zu überwinden und die klare Erscheinung und den starken göttlichen Stolz zu entwickeln, die Gottheit zu sein. Üben wir jedoch die Meditationen über diese Gottheiten nicht in der richtigen Reihenfolge, sondern versuchen uns gleich als tantrische Gottheit zu erzeugen, dann wird es fast unmöglich sein, gewöhnliche Erscheinungen und Vorstellungen zu überwinden.

Um uns statt als Avalokiteshvara als eine andere Gottheit des Handlungstantra zu erzeugen, meditieren wir über die gleiche Reihenfolge der sechs Gottheiten, allerdings mit einigen kleinen Abänderungen. Haben wir zum Beispiel den Wunsch, uns als Manjushri zu erzeugen, stellen wir uns in der Meditation über die Gottheit des Klangs vor, dass der ganze Raum statt mit OM MANI PÄME HUM mit Manjushris Mantra OM AH RA PA TSA NA DHI gefüllt ist. Und wenn wir über die Gottheit der Form und die Gottheit der Zeichen meditieren, visualisieren wir uns selbst als Manjushri mit einem orangefarbigen Körper, einem Gesicht und zwei Armen, die ein Schwert und eine Schrift halten. Die Art und Weise, über die Gottheit der Mudra zu meditieren, ist ebenfalls anders. Anstatt die fünf Stellen unseres Körpers mit der Verpflichtungsmudra der Lotos Familie zu berühren, visualisieren wir in unserem Scheitel den Buchstaben OM, in unserem Hals den Buchstaben AH und in unserem Herzen den Buchstaben HUM und erkennen, dass diese Buchstaben jeweils die Natur von Vairochana, Amitabha und Akshobya sind. Dann laden wir die Weisheitswesen ein in uns einzutreten, während wir DZA HUM BAM HO rezitieren, und führen die entsprechenden Handmudras so aus, wie sie im Buch Führer ins Dakiniland erläutert werden.

DIE ANDERE GRUNDLAGE VOLLENDEN

«Andere Grundlage» bezieht sich auf die Gottheit, die vor uns erzeugt wird. Ist unsere Praxis Avalokiteshvara, visualisieren wir Avalokiteshvara und sein Gefolge vor uns. Sie sind die Verpflichtungswesen. Wir laden die eigentlichen Gottheiten, die Weisheitswesen, ein, sich in die Verpflichtungswesen aufzulösen. Dann folgen Verbeugungen, Darbringungen, Bekenntnis, Bitten um Erlangungen und Tormadarbringungen. Haben wir Zeit, dann können wir im Herzen der vor uns erzeugten Gottheit einen Mantrakranz visualisieren und das Mantra rezitieren. Diese Übungen werden «die Vollendung der anderen Grundlage» genannt.

DIE GEISTGRUNDLAGE VOLLENDEN

Um die Geistgrundlage zu vollenden, meditieren wir zuerst über die Gottheit der Zeichen und visualisieren dann unseren Geist im Aspekt einer winzigen weißen Mondscheibe, die horizontal in unserem Herzen liegt. Dieser Mond wird die «Geistgrundlage » genannt, weil er ein Aspekt unseres Ursprungsgeistes ist. Mit der starken Überzeugung, dass der Mond unser Geist ist, versuchen wir ihn so klar wie möglich wahrzunehmen. Dann sammeln wir unsere inneren Winde nach innen und lösen sie in den Mond auf. Es gibt neun «Tore», durch die die Winde in unseren Körper eintreten oder ihn verlassen: die Nasenlöcher, der Mund, der Scheitel des Kopfes, der Punkt zwischen den Augenbrauen, die zwei Augen, die zwei Ohren, der Nabel, das Geschlechtsorgan und der After. Über diese neun Tore hinaus können die Winde auch durch jede Pore in der Haut in den Körper eintreten. Ein Grund, warum uns geraten wird uns des Öfteren zu waschen, ist, dass sonst unsere Poren verstopfen und unsere Gesundheit dadurch Schaden nehmen könnte.

So wie eine Schildkröte Kopf und Glieder in ihren Körper zurückzieht und regungslos verweilt, sogar wenn sie gestört wird, so stellen wir uns vor, dass sich unsere inneren Winde durch die neun Tore und die Poren der Haut in unseren Körper zurückziehen und sich in die Mondscheibe in unserem Herzen auflösen. Während wir unseren Atem anhalten, verweilen wir für kurze Zeit einsgerichtet darauf. Mit einem Teil unseres Geistes erinnern wir uns daran, dass sich unsere Winde in den Mond aufgelöst haben, und mit einem anderen Teil meditieren wir über die außergewöhnlichen Zeichen der Gottheit, damit wir sowohl die klare Erscheinung als auch den göttlichen Stolz verbessern können. Haben wir ein relativ klares geistiges Bild des Körpers der Gottheit, meditieren wir einsgerichtet darüber. Dies ist die eigentliche Meditation über Selbsterzeugung.

Da grobe begriffliche Gedanken, die äußere Objekte beobachten, nur funktionieren können, wenn die Winde nach außen fließen, verringern wir ablenkende Vorstellungen und entwickeln ganz natürlich eine stabile Konzentration, indem wir die Winde in unserem Herzen sammeln. Ohne durch gewöhnliche Erscheinungen und Vorstellungen gestört zu sein, fällt es uns viel leichter, uns auf den Gottheitskörper zu konzentrieren, diesen klar wahrzunehmen und stabilen göttlichen Stolz zu entwickeln.

Im Allgemeinen erachten Dharma Praktizierende die Erlangung des ruhigen Verweilens als wichtig und für Übende des Handlungstantra ist diese Erlangung von besonderer Bedeutung. Die oben beschriebene Meditation über den Atem ähnelt der Vasenatmung, wie sie im Höchsten Yoga Tantra erklärt wird, sie dient jedoch einem anderen Zweck. Das Hauptziel der Vasenatmung ist, die Winde in den Zentralkanal zu bringen, während es das Hauptziel der Meditation über die Geistgrundlage ist, die Erlangung des ruhigen Verweilens zu erleichtern.