Ein Rucksack voll Mut

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Ein Rucksack voll Mut
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Gerda Althoff

Ein Rucksack voll Mut

Kurzgeschichten

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kolumbien

Abenteuer Indonesien

Jamaika Unplugged

Südseefeeling

Impressum neobooks

Kolumbien

Von Santa Marta zum Amazonas

Alle haben mich immer wieder gewarnt und jahrelang haben mich Kommentare wie: "Da sind überall Drogenhändler, die dich entführen und ermorden", oder: " Selbst von der Polizei wirst du erschossen, weil die alle korrupt sind und niemand hilft dir" und was mir den Rest gab: "Und dann noch als Frau!"

Jetzt bin ich erst recht fest entschlossen, es doch zu tun. Ich werde nach Kolumbien fliegen.

Das Ticket ist gebucht, der Rucksack gepackt und morgen werde ich fliegen. Zunächst einmal nach Caracas, weil die Flüge dort hin viel billiger sind, als nach Bogota. Außerdem befindet sich der Papst gerade dort und so eine Gelegenheit, ihn einmal live zu sehen, bietet sich nicht alle Tage.

Ich bin jetzt seit zwei Tagen in Caracas, aber den Papst habe ich nicht ansatzweise gesehen. Entweder ist alles abgesperrt, oder eine solche Menschenmenge vor mir, dass ich nur Köpfe sehe.

Jetzt am Abend, sitze ich im Nachtbus nach Maracaibo und vor mir liegen circa zehn Stunden Fahrt. Draußen ist es dunkel und nichts zu sehen, deshalb schließe ich die Augen und versuche zu schlafen, was mir aber nicht gelingen will. Völlig übermüdet steige ich aus dem Bus und gehe in das nächstliegende Hotel. Eine schlechte Wahl, denn es gibt noch nicht einmal fließend Wasser. Ich habe aber keine Lust weiter zu suchen, denn es ist nur für eine Nacht. Morgen fahre ich weiter die Küstenkordillere entlang, über die Grenze nach Kolumbien, bis nach Santa Marta.

Es ist sieben Uhr morgens und ich stehe am Terminal, von wo aus kleine Busse nach Maicao fahren, eine direkte Busverbindung nach Santa Marta gibt es nicht. Außer mir wartet noch Jemand auf den Bus und während wir warten, unterhalten wir uns. Es ist ein tschechoslowakischer Arzt und er will ebenso wie ich, nach Santa Marta. Er sagt mir, das er Angst habe und ob ich auch welche hätte. Er hat Angst? Warum geht er dann nach Kolumbien? - frage ich mich. Der Minibus kommt mit einer Stunde Verspätung, aber dann geht es auch sofort los. Auf dem letzten Stück Weg zur Grenze gibt es mehrere Militärkontrollen. Einmal müssen wir sogar unsere Rucksäcke ganz auspacken. Wie ich gelesen habe, soll dies ein berüchtigter Schmugglergrenzübergang sein. Meistens wird es wohl dabei um Kokain gehen, für dessen Anbau Kolumbien in der ganzen Welt bekannt ist.

An der Grenze müssen wir auch noch tausend Bolivar Ausreisegebühr bezahlen, die ich Gott sei Dank noch gerade bei mir habe. Es sind umgerechnet nur drei Euro, aber der Tscheche hat sein ganzes venezolanisches Geld ausgegeben und muss nun die Mitreisenden anbetteln, damit er ausreisen darf, denn eine andere Währung nehmen sie nicht an. Auf der anderen Seite der Grenze stehen mehrere Leute, die Geld tauschen wollen. Ich habe keine Ahnung, wie der Kurs gerade

ist, aber ich weiß genau, dass ich Pesos für den Bus und für das nächste Hotel brauche und deswegen tausche ich hier fünfzig Dollar um. Ich habe von zu Hause Dollar mitgenommen, weil man die generell überall auf der Welt eintauschen kann und bin damit bisher immer gut gefahren. Um zwölf Uhr mittags erreichen wir Maicao und werden sofort ermahnt, nicht zu vergessen, die Uhr umzustellen, denn hier ist es erst elf Uhr. Einen Bus nach Santa Marta gibt es auch von hier aus nicht, dafür muss man erst einmal nach Cienaga fahren und der fährt erst in einer Stunde. Trotzdem sehe ich den Tschechen, der eigentlich auch nach Santa Marta will, in einen Bus steigen. Was soll´s, denke ich mir, ich bin nicht sein Kindermädchen.

Der Bus nach Cienaga ist ein "Fünf Sterne Super Luxus Bus" mit der Aufschrift "Brasilia Expres". In dem kann man auch längere Fahrten ganz gut aushalten, der Fahrer fährt allerdings wie der letzte Henker und muss mehrmals voll in die Bremse treten. Zu seiner Verteidigung muss ich sagen, dass die anderen Verkehrsteilnehmer auch nicht viel besser fahren.

Etwa eine Stunde, bevor wir in Cienaga ankommen, gibt es einen Stau. Wir stehen ziemlich vorne in der Schlange und um zu sehen, was los ist, steigt der Fahrer aus. Neugierig, wie ich bin, folge ich ihm, wie auch die meisten Anderen aus dem Bus. Ein großer Lastwagen steht quer über der Straße und die Zugmaschine liegt im Graben. Mehrere Männer stehen drum herum und diskutieren heftig, aber anscheinend ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Die Lösung des Problems nähert sich in Form eines weiteren Lastwagens. Er fährt ein Stück vor, hängt seinen Anhänger ab, und fährt dann rückwärts so nah wie möglich an den havarierten Lastzug heran. Mit dicken Ketten werden die beiden Lastwagen miteinander verbunden und begleitet von einem lauten Krachen und Beifall der Umstehenden, wird die Zugmaschine aus dem Graben gezogen. Bald darauf können wir weiter fahren. Ich schaue auf die riesigen Bananenplantagen, die am Fenster vorbeirauschen und bin kurz davor einzunicken, als der Bus plötzlich anhält und der Fahrer ruft: "Schnell, schnell, der Bus nach Santa Marta." Vor uns an der Kreuzung hat tatsächlich gerade ein Bus angehalten. Einige Leute in unserem Bus stehen hastig auf und drängen zur Tür. Auch ich ziehe meinen Rucksack und die Kameratasche unter dem Sitz hervor und schleppe mich damit zum Ausgang. Dort steht schon der Beifahrer des anderen Busses und nimmt mir meinen Rucksack aus der Hand. Die Anderen haben ihre Sachen im Gepäckraum des Busses und dieser Zeitvorteil verschafft mir einen freien Platz in dem fast voll besetzten Bus. In Santa Marta angekommen, teile ich mir mit einer älteren Dame ein Taxi in die Innenstadt. Sie gibt mir ihre Visitenkarte und meint, wenn ich irgendwelche Probleme hätte, sollte ich mich bei ihr melden. "Quando vas a Colombia, siempre cuida tu sombre", gibt sie mir noch mit auf den Weg, was übersetzt heißt: „Wenn du nach Kolumbien gehst, achte immer auf deinen Schatten."

Gleichzeitig empfiehlt sie mir auch das Hotel Espanol, das in unmittelbarer Nähe zur Strandpromenade liegt. Die Angestellten sind unheimlich freundlich und hilfsbereit.

H eute ist großer Waschtag angesagt, denn soeben habe ich die letzten sauberen Sachen angezogen. Noch vor dem Frühstück wasche ich alles durch und hoffe, dass es bis morgen trocken ist, doch bei der enormen Hitze ist dies schon am Mittag der Fall. Ich sammle die Sachen, die ich überall im Zimmer verteilt hatte, wieder ein und lege sie, mehr oder weniger ordentlich zusammengefaltet, auf einen Stuhl.

Der Reiseführer taugt mal wieder nichts. Der lange Weg, der angeblich zum Bahnhof führt, ist eine Finte und ich lande irgendwo im Nichts. Dafür gelingt es mir, eine Touri-Info zu finden, wo ich brauchbare Informationen erhalte. Ebenso der Hinweis, bei der Banco de la Republica Geld tauschen zu können, ist eine Lüge, dafür bekomme ich aber dort Auskunft, wo ich denn nun Geld tauschen kann. Das gestaltet sich aber zu einer langwierigen Angelegenheit. Zunächst ist der Schalterbeamte der Meinung, dass mein Passbild mir ganz und gar nicht ähnlich sieht. Schließlich können wir uns darauf einigen, dass nur die Frisur eine andere ist. Danach muss ein Antrag in dreifacher Ausführung auf Geldwechsel gestellt werden, jetzt noch eine halbe Stunde in der Schlange stehen, dann bekomme ich endlich mein Geld. Der Kurs ist dabei nur unwesentlich höher, als bei dem Schwarztausch an der Grenze. Nachdem ich alles Wichtige erledigt habe, gehe ich hinunter zur Strandpromenade, wo gerade ein Hütchenspieler Trio damit beschäftigt ist, leichtgläubige Kolumbianer auszunehmen. Ich kann genau die Leute erkennen, die zusammen arbeiten. Einer, der das Spiel macht, einer, der zum Schein spielt und dabei hohe Summen "gewinnt" und einer, der Schmiere steht und früh genug warnen kann, falls die Polizei auftaucht. In Europa ist dieser Betrug längst bekannt und es gibt kaum noch Menschen, die darauf hereinfallen, aber in Kolumbien scheint es noch weitgehend unbekannt, denn viele geben ihr letztes Geld her, in dem Glauben, irgendetwas gewinnen zu können, was ja bekannter Weise nie der Fall ist. Die Leute tun mir leid, aber ich sage nichts, denn ich fürchte die Rache der Betrüger und mein Leben oder meine Gesundheit möchte ich dafür nicht riskieren.

Es ist sieben Uhr morgens. Mit einem Taxi bin ich zum Busterminal gefahren, denn zum Laufen ist es definitiv zu weit. Dort steht schon ein "lebendiger" Wegweiser: "Cartagena?"

"Si", antworte ich und augenblicklich setzt er sich in Bewegung, Richtung Ticketschalter. Ich folge ihm. In der Halle gibt es mindestens zwanzig verschiedene Schalter und um den Reisenden unnötiges Herumlaufen und Gesuche zu ersparen, haben die Busgesellschaften diese Burschen eingestellt, um die Fahrgäste sofort zum richtigen Schalter zu bringen. Ich kaufe das Ticket und sofort steht ein weiterer "lebendiger" Wegweiser bereit, um mich zum richtigen Bus zu bringen. Mir gefällt dieser Service und ich steige gut gelaunt ein. Als ich im Bus sitze und das Wechselgeld noch einmal nachzähle, fällt mir auf, dass ich tausend Pesos zu wenig zurückbekommen habe. Ich will wieder aussteigen um das zu reklamieren, aber der Fahrer sagt, dass er jetzt losfährt und ich sitzen bleiben soll. Ich erkläre ihm, warum ich noch mal zurück will und dann geht er mit mir zusammen zum Schalter und ich bekomme die fehlenden Pesos, gefolgt von der Versicherung, dass es ein Versehen war und keine Absicht. Na ja!

 

Danach fahren wir auch sofort los. Es geht immer an der Küste entlang und zum Landesinneren hin tauchen des Öfteren Mangrovensümpfe auf, wobei die Mangroven alle abgestorben sind und gut als Kulisse für einen Gruselfilm taugen könnten. Hin und wieder fahren wir durch ein kleines Dorf, wo wir dann halten, um Leute ein oder aussteigen zulassen.

Um viertel nach elf erreichen wir Cartagena. Der Busbahnhof liegt weit außerhalb der Stadt und sofort werde ich von Taxifahrern umringt. Rechtzeitig bemerke ich, dass auch ein Bus, der direkt vor meiner Nase steht, ins Zentrum fährt und das ist natürlich viel billiger. Ich habe noch keine Ahnung, wo ich heute schlafen werde und gehe erst einmal eine Straße mit dem hübschen Namen Half Moon Street entlang. Das kleine Hotel Castillo, in dem ich einchecke, hält nicht unbedingt das, was der Name verspricht. Es gleicht mehr einem Verlies und weist einige Besonderheiten auf. Sitzt man auf der Toilette, bekommt man Wassertropfen von der ständig tropfenden Dusche auf den Kopf, also muss man ein wenig nach links rücken, um trocken zu bleiben. Ein Waschbecken gibt es auch nicht. Zum Händewaschen dreht man den Hahn der Dusche auf, der knapp einen Meter dahinter liegt - aber nicht zu fest - dann springt man schnell zurück und schon kann man sich die Hände waschen. Den Hahn wieder zuzudrehen ist dann nicht so einfach und erfordert Geschick und Schnelligkeit. Wäsche waschen kann man nur bei gleichzeitigem Duschen. Die Besitzer sind auch nicht gerade freundlich und reichlich wortkarg. Sie sitzen den ganzen Tag vor dem Fernseher oder spielen Karten.

Die Altstadt von Cartagena ist absolut sehenswert und seit 1984 Weltkulturerbe. Überall stehen Reste von alten Stadtmauern und Burgen. Die Häuser sind alle restauriert und bunt angestrichen und das ganze Viertel sieht aus, wie aus einem Bilderbuch ausgeschnitten. Hier gibt es, im Gegensatz zum Rest der Stadt, viele Touristen.

Morgen will ich weiter in Richtung Süden. Wohin genau, weiß ich noch nicht und fahre mit dem lokalen Bus zum Terminal. Hier erfahre ich, dass ich zwei Optionen habe. Einmal nach Medellin, was zehn Stunden Busfahrt bedeutet, oder nach Cali, wohin es sogar siebzehn Stunden sind. Ich kann mich nicht entscheiden und suche das Büro der kolumbianischen Fluggesellschaft Avianca auf. Ein Flug nach Cali kostet fünfundsiebzig Dollar, was bezahlbar ist und ich entscheide mich spontan dafür. Leider werden hier keine Reiseschecks angenommen, aber ich habe gestern in der Altstadt mehrere Wechselstuben gesehen, also los. Bei der ersten habe ich Pech, sie akzeptieren auch keine Schecks, aber bei der zweiten bekomme ich sie umgetauscht, wenn auch zu einem miesen Kurs. Kaum stehe ich wieder auf der Straße, werde ich laufend angesprochen, ob ich nicht Geld wechseln will und das zu einem wesentlich besseren Kurs als ich ihn bekommen habe.

Der Flieger geht erst um viertel nach drei und so habe ich noch Zeit für einen Stadtbummel am nächsten Morgen. Ich leiste mir ein Taxi und da ich absolut keine Lust habe, mich mit dem Fahrer um den Preis zu streiten, zahle ich den Touri-Zuschlag. Trotzdem ist es noch weit billiger als in Deutschland.

Wir starten pünktlich, aber als wir in der Luft sind und unser Flugzeug von Turbulenzen durchgeschüttelt wird, fällt mir wieder ein, dass vor einigen Wochen genau auf dieser Strecke ein Flugzeug der gleichen Gesellschaft, beim Landeanflug auf Cali abgestürzt ist. Mir wird ziemlich flau im Magen, ich habe ein Gefühl, wie auf dem Weg zur Hinrichtung. Wir aber landen sicher und vor dem Flughafen, der circa zwanzig Kilometer außerhalb der Stadt liegt, stehen schon Collectivos, auf Deutsch Sammeltaxis, bereit, um die Fluggäste ins Zentrum zu bringen. Von dort muss ich allerdings ein Taxi nehmen, um zu dem Hotel zu kommen, das ich mir vorher im Reiseführer ausgesucht habe. Der Taxifahrer versteht Calle dreizehn statt Calle vierzehn und muss wieder ein Stück zurückfahren, was aber nichts daran ändert, dass es dieses Hotel hier gar nicht gibt. Es ist eine düstere Gegend und der Taxifahrer macht eindeutige Gebärden, als ich aussteige und ruft mir noch hinterher:" Cuidado, hay muchas ratas aqui."

Auf Deutsch:" Vorsicht, es gibt viele "Ratten" hier."

Ich erinnere mich an die Worte der alten Dame in Santa Marta und halte die Augen offen, während ich die Straße hinunter gehe und nach einem Hotel Ausschau halte. Es wird bald dunkel werden und bis dahin sollte ich sicher in einem Hotelzimmer sitzen. Ich brauche aber nicht lange zu suchen und stehe schon bald vor einem Hotel mit dem Namen Monaco. Es sieht von außen ganz ordentlich aus und ich gehe die kleine Treppe hinauf, zur Rezeption. Hinter einer dicken Eisentür sitzt eine ältere Dame, die mich erstaunt ansieht, als ich nach einem Zimmer frage, mir dann aber doch einen Schlüssel gibt.

"Es ist im ersten Stock und kostet sechstausend Pesos Senora", sagt sie dann, was außerordentlich billig ist. Als ich die Zimmertür öffne, bin ich total überrascht. Für den Preis habe ich einen mehr oder weniger schmutzigen Raum erwartet, aber da habe ich mich schwer getäuscht. Das Zimmer ist sauber, hat ein großes, bequemes Bett, einen Fernseher und eine Musikanlage, die beide vom Bett aus bedienbar sind, einen Stuhl mit einem Kamm und zwei Bonbons darauf, einen großen Spiegel gegenüber dem Bett und ein schwarz gekacheltes Bad. Ich denke mir nichts dabei, muss aber noch mal raus und einen Supermarkt suchen, um mir etwas zu essen und zu trinken zu kaufen. Der Einfachheit halber frage ich die Dame an der Rezeption. Die schüttelt bedenklich mit dem Kopf und meint, dass es sehr gefährlich ist, so kurz vor dem Dunkelwerden noch auf die Straße zu gehen und dass ich aufpassen und mich auf keinen Fall verlaufen soll. Es wird Zeit, das CO-Gas einzupacken und während ich die drei Straßen zum Supermarkt laufe, habe ich ständig die Hand auf dem Auslöser des Tränengases, aber alles geht gut. Wieder zurück im Hotel, bin ich immer noch ahnungslos. Nun bei Manchen fällt der Groschen etwas später - bei mir fällt er sehr, sehr spät, genauer gesagt erst, als ständig die Türen der anderen Zimmer auf und zu gemacht werden, ein Kommen und Gehen, wie man so schön sagt. Ich schaue aus dem Fenster, um zu sehen, was da los ist und erst als ich die gewissen Damen vor dem Hotel hin und her spazieren sehe und ab und zu eine mit einem Herrn im Hotel verschwindet, begreife ich, wo ich bin. Meine Freunde und Bekannte zu Hause werden sich schütteln vor Lachen, wenn ich ihnen das erzähle. Ich schließe die Tür ab und stelle noch die Stuhllehne unter die Klinke, die zufällig genau darunter passt. So fühle ich mich absolut sicher.

Bevor ich am nächsten Tag weiter Richtung Süden fahre, sehe ich mir die Stadt an. Nichts deutet darauf hin, dass ich mich in einem berüchtigten Drogenzentrum befinde. Anscheinend bin ich der einzige Tourist hier, aber Niemand nimmt Notiz von mir. Gegen Mittag fährt ein Bus nach Popayan, in dem ich jetzt sitze.


Je weiter wir nach Süden kommen, umso reizvoller wird die Landschaft. Bergig, mit flachen, blühenden Pflanzen bewachsen.

Für die einhundertfünfzig Kilometer lange Strecke brauchen wir etwas mehr als vier Stunden, denn die Straßen werden immer schlechter und schließlich sind es nur noch Schotterwege. In Popayan sind die Straßen wieder asphaltiert, der kleine Ort sieht richtig proper und gemütlich aus und gefällt mir auf den ersten Blick. Direkt neben dem Busbahnhof befindet sich ein kleines Hotel mit dem viel versprechenden Namen Puerta del Sol, die Tür zur Sonne. Es hat gehobenen Standard und ist eigentlich viel zu teuer für mich. Die Besitzerin erkennt mein Problem und senkt den Preis spontan um dreißig Prozent. Viele Gäste wird sie hier nicht haben, denn dieser Ort ist so abgelegen, dass er wahrscheinlich der Anfang vom Ende der Welt ist. Bei dem Preisnachlass gönne ich mir den Luxus. Das Zimmer ist erste Klasse, so fein habe ich selten geschlafen. Auf einer kleinen Anrichte steht eine Auswahl an Getränken, Süßigkeiten, Chips, Zahnpasta, Alka Selza, einfach alles, was man irgendwie brauchen könnte. Vor dem Genießen kommt natürlich wieder mal die Wäsche. In den letzten Tagen bin ich aus dem Schwitzen nicht mehr heraus gekommen, aber hier sind es kühle zwanzig Grad, für die Einheimischen ein Grund, ihre dicken Jacken anzuziehen. Im Ort ist gerade Kirmes, ein Grund mehr, noch einen Tag länger zu bleiben. Gerade gehe ich an einem Friseurladen vorbei und denke mir, dass ein Haarschnitt nicht schaden könne. Als ich wieder heraus komme, sind die Haare zwar kürzer, aber nicht unbedingt gleich lang. Ich habe keine Ahnung vom Haare schneiden, aber das hätte ich mit Sicherheit besser hinbekommen. Es fängt an zu regnen, und ich mache mich auf den Heimweg, denn meine Wäsche hängt noch draußen. Schon von weitem sehe ich, dass sie nicht mehr da ist und während ich noch befürchte, dass sie geklaut worden ist, kommt mir meine Wirtin entgegen und sagt, dass sie jetzt auf dem Dachboden hängt. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll bei so viel Freundlichkeit. Überhaupt sind mir in Kolumbien bisher fast durchweg freundliche Leute begegnet, wobei Ausnahmen die Regel bestätigen. Den Rest des Tages verbringe ich im Zimmer und sehe fern, wobei mir auffällt, dass es im Grunde die gleichen Sendungen sind, wie in Deutschland. Video Loco, Full House und Ähnliches.

Am nächsten Tag ist Rosenmontag, aber hier merkt man nichts davon. Ich gehe noch einmal in die Stadt und wundere mich über die vielen Polizisten, die da rumlaufen und alle tragen ein Schutzschild vor sich her. Später erfahre ich aus dem Fernsehen, dass die Taxifahrer demonstriert haben, gegen was genau, habe ich nicht verstanden. Den Rest des Tages muss ich in meinem Zimmer verbringen, denn es regnet und später gesellt sich noch ein ordentliches Gewitter dazu.

Ein bisschen wehmütig nehme ich Abschied vom Luxus. Ich hatte meinen Wecker eine Stunde zu spät gestellt und muss mich jetzt beeilen, um den Bus nach San Augustin nicht zu verpassen. Der Bus ist aber auch nicht pünktlich und so war die ganze Hetzerei umsonst. Als er dann endlich kommt, steigen nur wenige Leute ein. Der ganze Bus ist aus Holz gebaut und Fenster gibt es auch keine. Langweilig wird es auf der Fahrt nicht, ständig steigen Leute ein oder aus. Die Straße wird immer schlechter, je höher wir ins Gebirge fahren und letztendlich ist es nur noch eine schlammige Piste, an dessen eine Seite der Berg ist und auf der anderen geht es mindestens fünfzig Meter steil hinunter. Immer wieder sieht man Erdrutsche und mein Adrenalinspiegel befindet sich auf einem ziemlich hohen Level. Nach fünf Stunden machen wir die erste Pause und als ich dem Fahrer sage, dass dies ein schlechter Weg ist, meint er, dass die Straße heute sehr gut sei und normalerweise viel schlimmer. Was dann ein schlimmer Weg ist, erfahre ich eine halbe Stunde später. Der schwere Bus rutscht mit seinen glatten Reifen durch den Matsch hin und her und landet dabei fast in der Böschung, die etwas tiefer liegt. Er neigt sich gefährlich zur Seite, aber Dank unseres genialen Fahrers, schlingerten wir wieder sicher zur Mitte. Die Schönheit der Landschaft in Ruhe zu betrachten und zu genießen, fällt mir schwer, dazu bin ich zu angespannt. Es ist empfindlich kalt geworden und ich ziehe mir meinen Pullover über, den ich immer im Handgepäck habe.

Nach sieben Stunden Horrorfahrt kommen wir in San Augustin an. Direkt gegenüber der Haltestelle befindet sich das Hotel Colonial. Die Zimmer sind okay, aber das Bett ist hart wie im Knast, oder jedenfalls so, wie ich es mir im Knast vorstelle.

I ch versuche, Geld zu tauschen, aber ohne Erfolg. Keiner will Reisechecks oder Dollar umtauschen und die einzige Bank im Ort streikt. Ich muss also meine Pesos, die ich noch habe, gut einteilen, aber das Zimmer ist günstig, ebenso wie das Essen. Immerhin gelingt es mir im Touri-Büro eine Postkarte zu kaufen und sie loszuschicken - Beim Friseur! Oh du lieber Augustin! Im Innenhof des Hotels gibt es Papageien und einen kleinen Kapuzineraffen, der jedem sofort die Zunge herausstreckt. Ich habe für den morgigen Tag eine Tour gebucht und versucht, ein Ticket zu bekommen, das mich weiter nach Süden bringt. Mein Ziel ist nämlich der Amazonas. Ich erfahre, dass es so gut wie unmöglich ist, denn Leticia, der südlichste Ort Kolumbiens und am Amazonas gelegen, ist von dichtem Urwald umgeben und es führt keine Straße dorthin. Man muss also nach Bogota und ein Flugzeug dorthin nehmen. Dumm gelaufen, denke ich, aber was nützt es, dann muss ich eben nach Bogota. Der Morgen ist wunderschön, die Sonne strahlt und ich warte zusammen mit zwei anderen Deutschen auf den Guide, der auch bald darauf erscheint. Er ist gerade mal sechzehn Jahre alt, macht aber seine Sache erstaunlich gut. Wir besichtigen unter anderem einen Wasserfall und eine Zuckerrohr Raffinerie. Nichts Weltbewegendes, aber auch nicht so schlecht für fünfzehn Dollar. Er bietet noch weitere Touren an, aber ich bin nicht interessiert und die anderen auch nicht, so wie es aussieht. Im Café nebenan bekomme ich tatsächlich zwanzig Dollar gewechselt und das reicht für den Nachtbus nach Bogota.

 

Am nächsten Tag mache ich mich auf den Weg um den archäologischen Park von San Augustin zu besuchen. Man hat erst vor wenigen Jahren mit den Ausgrabungen begonnen und ist immer noch voll beschäftigt damit. Das benötigte

G eld scheint auch ein Problem zu sein, denn dieser Ort ist, wie ich selbst erfahren habe, nur schwer und vor allem unbequem zu erreichen und deshalb kommen nur hin und wieder hart gesottene Rucksacktouristen hierher. Der Weg dort hin ist beschwerlich, fünfundvierzig Minuten Fußmarsch bei enormer Hitze und meistens bergauf. Als ich dann im Park stehe und die paar Gräber mit Wächtern davor sehe, bin ich enttäuscht. Etwas mehr habe ich dann doch erwartet. Ich quäle mich noch hoch zum Altoplano, stehe da, triefend nass vor Schweiß und sehe nur diese zwei kleinen Figürchen, die da stehen und dafür die ganze Mühe. Ich bin enttäuscht. Da werde ich wohl in einigen Jahren noch einmal herkommen müssen.....Scherz! Zurück im Hotel muss ich erst einmal duschen und bin erschrocken, das Wasser ist eiskalt.

Um Sechs Uhr fährt der Bus los und vorher gibt es einen großen Abschied von der ganzen Familie. Man wünscht mir alles Gute und Gottes Segen für die Weiterreise und ich werde herzlich von allen umarmt. Zum Schluss noch die Bitte, ihr Hotel doch weiter zu empfehlen. Das werde ich gerne tun.

Ich habe gedacht im Bus schlafen zu können, das ist aber unmöglich. Überall hält er an, Leute steigen ein oder aus und der Fahrstil des Fahrers lässt auf der holprigen Straße stark zu wünschen übrig und öfter muss er eine Vollbremsung machen. Der Höhepunkt der Reise ist ohne Zweifel um zweiundzwanzig Uhr dreißig, als der Bus von der Polizei angehalten wird. Wir müssen alle aussteigen, das ganze Gepäck wird ausgeladen und durchsucht, ebenso wie das Innere des Busses. Die Männer müssen sich mit den Händen an die Buswand lehnen, um sich nach Waffen durchsuchen zu lassen. Ich bin der einzige Ausländer (-in) im Bus. Ich muss meinen Pass vorzeigen, werde aber nicht weiter durchsucht. Nach dem Ende dieser Aktion dürfen alle wieder einsteigen.

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