Frei von Angst durch die Heilung der Mitte

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DIE WEST-ROUTE

Für das restliche Drittel nehmen wir den Weg direkt über die „Angst-Mauer“. Ist die Angst einmal so dominant im Leben, dass man sie gar nicht mehr auszublenden vermag, kann die konsequente Arbeit an der Angstbewältigung in der Psychotherapie oder beim Coaching den Weg nach Rom weisen. Die Methoden hierbei sind heute fast schon unüberschaubar.

Repräsentativ möchte ich zwei davon vorstellen, zumal sie meistens die Basis anderer Methoden bilden und auch von jenen Psychotherapeuten praktiziert werden, mit denen ich seit Jahren zusammenarbeite: das NLP (Neuro-Linguistisches Programmieren) und die kognitive Verhaltenstherapie. In einigen Fällen von Angststörungen kann es sehr sinnvoll sein, westliche Medikamente (sogenannte Psychopharmaka) einzunehmen. Um Ihnen die Angst vor diesen zu nehmen, möchte ich Ihnen ihre Wirkweise erklären.

Als Arzt der Ost-Route sind mir natürlich pflanzliche Medikamente lieber. Daher beschäftige ich mich schon seit Jahren mit unseren westlichen Kräutern und bringe Ihnen hier als Teil der West-Route auch jene Mischungen nahe, mit denen ich bei Angststörungen in den letzten Jahren sehr gute Erfahrungen gemacht habe. Die West-Route hat also ebenfalls Pflanzen zur Verfügung.


Leider gibt es in der Medizin so etwas wie hundert Prozent nicht. Wenn also trotzdem einmal aufgrund der Angst der Hut brennt oder unser Vulkan ausbricht, ist es gut, wenn man weiß, wo der Notfallkoffer steht, an wen man sich wenden kann und wer einem am schnellsten wieder heraushilft. Daher gibt es in diesem Buch nach der West-Route („Über die Mauer“) und der Ost-Route („In die andere Richtung“) auch noch das Kapitel „Die Pyramide und der Notfallkoffer“.



ÜBER die MAUER


ANGST

Angst ist ein Gefühl, welches im limbischen System des Gehirns, genauer gesagt in der Amygdala, dem Mandelkern, entsteht, und uns vor einer bevorstehenden Gefahr warnt.

Beim limbischen System handelt es sich um einen sehr alten Teil des Gehirns, der auch schon bei viel einfacheren Lebewesen als dem Menschen vorhanden war. Die Gefühle gelangen als Nervenimpulse unter anderem zum Hypothalamus, einer Art Schaltstation des Gehirns, und werden dann in der Hypophyse in Hormone übersetzt. Diese gelangen durch das Blut in den gesamten Körper und lösen dort Reaktionen aus. Gefühle wie Angst beeinflussen auch unser Denken, indem sie auf den Großhirnvorderlappen einwirken. Dort findet unser Denken statt.


Angst geht davon aus, dass eine Gefahr auf jeden Fall Wirklichkeit wird. Ist die Gefahr real, so ist die Angst begründet. Befinden wir uns zum Beispiel in einem Haus, das zu brennen beginnt, hilft uns die Angst, so schnell wie möglich aus dem Haus herauszukommen. Es läuft dann ein uraltes, durch die Evolution gesteuertes Programm ab. Erst wenn wir aus der Gefahrenzone entkommen sind, merken wir – noch zittrig am ganzen Körper –, wie schnell unser Herz klopft, wie stark wir geschwitzt haben und wie aufgeregt wir sind. Oft wissen wir gar nicht mehr, wie wir überhaupt aus dem Haus herausgekommen sind.


Ist die Gefahr nicht wirklich vorhanden, so ist die Angst nicht begründet. Rein körperlich empfindet man aber alle Symptome wie bei der realen Angst. Auch geht man davon aus, dass die Gefahr auf jeden Fall real ist. Doch die Gefahr existiert dann einzig in der Fantasie.


Das, was man bei Angst körperlich erlebt, kann sehr vielfältig sein. Das umfasst die reine Stressreaktion mit schnellem Herzschlag, schneller Atmung, starkem Schwitzen und großer Wachheit mit der alleinigen Fokussierung auf „Wegrennen oder Kämpfen“, flight or fight, wie es auf Englisch heißt. Die Angst ermöglicht es uns, fast Übermenschliches zu leisten, um das eigene Leben oder das anderer zu schützen und zu retten. Wenn die Gefahr real ist und die Angst somit gerechtfertigt, ist sie ein geniales Mittel der Evolution, um der Gefahr zu entgehen.

Andere Menschen erleben gleichzeitig mit der Angst eine Vielzahl an Gefühlen, zum Beispiel Aggression und Wut, Trauer und Traurigkeit, Depression und Leere, Unsicherheit und Kontrollzwang sowie viele körperliche Symptome wie etwa die folgenden: Schwindel, Gangunsicherheit, Müdigkeit, Erschöpfung, Engegefühl in der Brust, Herzschmerzen, Herzklopfen, Übelkeit, Heißhunger, Mundtrockenheit, Muskelkrämpfe, Kältegefühl, Zittern, Muskelschmerzen, Kribbelgefühle in Armen und Beinen, schnelle oder erschwerte Atmung, Durchfall, Harndrang, Stuhldrang, Kopfschmerzen, Blähbauch, Magenschmerzen, Rötungen der Haut, Hautjucken oder Infektneigung.


Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. All diese Beschwerden sind unproblematisch, wenn die Gefahr real war, man nicht mehr in der Gefahrenzone ist und wenn sie ebenfalls wieder verschwinden. Wenn. Falls jedoch die Gefahr nicht real war und all diese Beschwerden auftreten, weiß man auch nie bestimmt, ob man außerhalb der Gefahrenzone ist, wann die Beschwerden verschwinden oder wieder auftreten. Dann nämlich handelt es sich um eine Angststörung. Man unterscheidet hier die Angstneurose von der Phobie.

Die Angstneurose (oder generalisierte Angststörung) beschreibt einen Erkrankungszustand, in dem es um eine generelle Angstneigung mit entsprechenden Fantasien, Zwangsgedanken und all den körperlichen Symptomen geht.

Bei den Phobien ist die Angst auf bestimmte Objekte und Situationen gerichtet. Folgende Phobien treten häufig auf: Sozialphobie (Angst in der Gegenwart von Menschen), Agoraphobie (Angst auf großen Plätzen), Klaustrophobie (Angst in engen Räumen), Erythrophobie (Angst vor dem Erröten), Zoophobie (Angst vor verschiedenen Tieren wie Spinnen, Schlangen, Käfern oder Ratten) sowie Prüfungsangst und Flugangst.

Die Angstneurose zählt zu den häufigsten psychischen Erkrankungen in unseren Breiten. Aufgrund der körperlichen Beschwerden landet man damit aber vor allem bei einem Allgemeinmediziner und Internisten. Wenn dann körperlich „nichts herauskommt“, wird man schließlich an einen Psychiater verwiesen, der dann die richtige Diagnose stellt.

Manche Angststörungen treten auch als sogenannte Panikattacke auf. Hier überwiegen die akuten Beschwerden, die sich körperlich wie ein Herzinfarkt oder ein Asthmaanfall anfühlen. Menschen mit Panikattacken haben Todesangst, jetzt sofort zu sterben.

Der Übergang zwischen Angstneurose, Phobie und Panikattacke ist fließend und die Ausprägung der Angststörung kann sich auch über die Zeit verändern.

REAKTIONEN AUF ANGST

Angriff: Da Angst bei Tieren genauso auftritt wie bei Menschen, kann man sie im Tierreich gut studieren. Nehmen Sie zum Beispiel einen Hund. Hat ein Hund Angst und fühlt sich gleichzeitig bedroht, kann er angreifen und zubeißen. Wir nennen ihn dann Angstbeißer.


Flucht: Eine andere Möglichkeit, auf Angst zu reagieren, ist die Flucht. Dabei läuft das Tier – oder beim Menschen: das Tier in uns – so schnell es kann vor der Gefahr davon und dreht sich oft erst dann um, wenn diese schon lange vorbei ist. Lieber länger laufen, dann ist man auf der sicheren Seite …


Erstarren: Man kann der Angst auch mit Erstarren begegnen. Dabei ist die natürliche Reaktion von Fluchttieren, in Gefahr vollkommen still zu verharren und eventuell sogar die Luft anzuhalten. So verschmilzt man am ehesten mit der Umgebung und wird unsichtbar.


Schutzsuche: Tritt eine große Gefahr auf – bei Fluchttieren zum Beispiel der Angriff durch ein Raubtier – führt einen die Angst zurück in die Herde beziehungsweise unter Gleichgesinnte. Tiere und Menschen nehmen Zuflucht bei ranghöheren, stärkeren Artgenossen oder versuchen, in der Menge unterzutauchen.

 

ANGST HAT EINEN SINN

Beim Tier: Angst ist ein überlebensnotwendiger Instinkt. Durch die Angst bringen sich Tiere bei Gefahr in Sicherheit, angegriffene Tiere mobilisieren all ihre Reserven, um den Kampf des Überlebens zu gewinnen. Angst lehrt das Jungtier, bei der Mutter zu bleiben. Angst hält das Rudel zusammen, weil es Sicherheit gegen Angreifer bietet. Angst bewahrt Tiere davor, einen Kampf zu riskieren, wenn der Gegner offensichtlich viel stärker ist. Angst lehrt von klein auf, allen Gefahren des Lebens aus dem Weg zu gehen und damit das geschlechtsreife Alter zu erreichen. Angst sichert somit das Überleben der Art.


Angst ist beim Tier ein Instinkt, den es als bedrohliches Gefühl erlebt und wodurch es ohne weitere Überlegung handelt. Nach der Handlung ist die Angst vorbei. Der Lehrmeister der Angst ist die Erfahrung.

Beim Menschen: Angst ist ein überlebensnotwendiges Gefühl. Auch beim Menschen ist Angst als Instinkt angelegt und leitet schon kleine Kinder an, nicht unvorsichtig zu sein, die Nähe der Mutter zu suchen, keine Kämpfe zu fechten, wenn der Gegner erschreckend stark zu sein scheint. Doch je älter das Kind wird, desto mehr übernimmt das Denken die Funktion, Lehrmeister der Angst zu sein. Auf einmal tritt Angst nicht nur bei realer Gefahr auf, sondern wird Teil einer erdachten Wirklichkeit. Gedanken, Vorschriften, Lehrsätze und verschiedene andere Gefühle manipulieren die Angst und lassen die Reaktionen unangemessen werden. Die Angst selbst wird zur Gefahr.


Die Angstreaktion ist beim Menschen viel komplexer als beim Tier. Der Mensch denkt über die Angst nach und stellt sie sich auch in anderen Situationen vor. Dadurch kommt er zu dem Schluss, dass man eigentlich immer Angst haben kann. Er erinnert sich vielleicht an den Glaubenssatz des Vaters, der immer schon davor gewarnt hatte, und so dreht sich das Rad der Angst selbstständig weiter. Das, was die Angst am Laufen hält, lässt sich aber auch in der Therapie nützen. Man kann nämlich bewusst das Denken und das Fühlen verändern, um die Reaktion auf die Angst abzuschwächen und auszulöschen. Wie sehr man Angst und die körperlichen Reaktionen darauf positiv besetzen kann, lehren uns die sogenannten Adrenalinjunkies. Diese provozieren bewusst gefährliche, angstbesetzte Situationen, um mit Hilfe der massiven Stressreaktionen im Körper ein „High“, ein emotionales Hoch, zu erleben.


ANGST WILL UNS BESCHÜTZEN

Denken Sie an eine junge Mutter, die noch nie in ihrem Leben Ängste gehabt hat. Jetzt, wo sie die Verantwortung für ein anderes Leben – für ihr Kind – trägt, ist sie auf einmal mit Ängsten wie zum Beispiel Höhenangst oder Flugangst konfrontiert. Damit will der Körper der jungen Mutter sagen: „Bitte riskiere nichts im Leben, was deine junge Familie gefährden könnte!“ Die Angst beschützt. Oder denken Sie an einen sechzigjährigen Mann, der beginnende Gelenkprobleme hat und sich auf einmal nicht mehr traut, Wege auf dem Berg zu gehen, die er schon 40 Jahre lang gegangen ist. Die Angst will ihn beschützen, nicht abzustürzen.

Angst zeigt uns unsere Grenzen auf, in denen wir uns sicher bewegen können. Die Kunst ist es, diese Angst als Wegweiser und Geschenk zu sehen, aber nicht als Bedrohung.


ANGST IN UNSERER GESELLSCHAFT

Angst ist ein sehr klarer Wegweiser, denn sie bedeutet für uns, dass eine Gefahr droht. Jeder will Gefahren vermeiden – außer unseren Adrenalinjunkies. Wer es schafft, eine Gefahr real erscheinen zu lassen, kann sich der Angst der Menschen sicher sein und diese nutzen. Denken Sie an Religionen, die die Angst vor dem Tod und der Hölle nutzen, um ihren Regeln – zum Beispiel den Zehn Geboten des Alten Testaments – Nachdruck zu verleihen. Denken Sie an die Angst vor der Strafe, wenn Sie mit dem Auto zu schnell fahren. Denken Sie an die Angst vor dem Sterben, wenn es gilt, Ihnen eine Therapieform gegen eine Krankheit schmackhaft zu machen. Denken Sie an die Angst vor einer COVID-Infektion, welche Ihnen die Politiker jedes Mal vor Augen halten, wenn es gilt, Maßnahmen wie Gesichtsschutz, Abstandsregeln oder ein Versammlungsverbot durchzusetzen. Angst wirkt. Angst verkauft.

Die Angst vor einer Krankheit kann die Umsätze verschiedenster Firmen steigern. Die Angst vor Verletzung wird Sie eine optimale Schutzkleidung kaufen lassen. Die Angst um Ihre Familie wird Sie alles Menschenmögliche machen und bezahlen lassen. Angst wirkt immer. Alle von uns kennen Sätze wie „Wehe, wenn Sie das nicht tun!“, „Sie müssen das machen, sonst droht Ihnen der Tod!“, „Sie werden schon sehen, was Sie dann haben!“, „Jeder von uns wird bald jemanden kennen, der daran gestorben ist!“, „Du kannst doch dein Kind nicht allein den Schulweg gehen lassen, das ist gefährlich!“ oder „Was da alles passieren kann, wenn …“.

Wir werden nie in einer angstfreien Gesellschaft leben. Leider. Aber wir sollten Angst nicht als legitimes Werkzeug der Politik und der Gesellschaft akzeptieren. Statt Angst zu verbreiten, sollten wir Vertrauen säen, statt Angst zu schüren, sollten wir uns und anderen mehr zutrauen, statt zu bestrafen, sollten wir mehr belohnen und motivieren. Eine moderne Gesellschaft sollte modernere Werkzeuge verwenden, nämlich Aufklärung, Vertrauen, Bestärkung, Motivation und Gemeinschaftssinn. So viel dazu.

URSACHEN FÜR VERMEHRTE ÄNGSTE

Wenn vermehrte Ängste auftreten, kann dies eine rein körperliche Ursache haben oder auch psychisch erlernt worden sein. Rein körperlich bedeutet, dass die Amygdala, der Mandelkern, genetisch bedingt einfach mehr Angstgefühle produzieren kann. Das kann einerseits der Fall sein, wenn im Gehirn erregende Botenstoffe wie Noradrenalin überwiegen, wodurch das Gehirn mehr Stress hat, was wiederum zu Angst führt. Im Gehirn können andererseits auch weniger ausgleichende und stabilisierende Botenstoffe wie Serotonin vorhanden sein. Das Gehirn ist dann depressiv und so kommt es leichter zu Ängstlichkeit und Angst (siehe auch Kapitel „Medikamentöse Therapie“). Die Angststörung kann dann eine Art Erbkrankheit sein wie jede andere ererbte Krankheit auch.

Viel häufiger ist die Angststörung aber angelernt. Man hat herausgefunden, dass Menschen mit vermehrten Ängsten sehr häufig überbehütet aufgewachsen sind. Als Kinder durften sie beim Spielen kein Risiko eingehen und alle Situationen, in denen nur geringste Gefahren lauern hätten können, wurden vermieden. Ängstliche Eltern trauen ihren Kindern weniger zu, weshalb sie dann nur schlecht lernen, Risiken selbst einzuschätzen. Das dürfte aber ein Thema unserer gesamten Gesellschaft sein.

Zu meiner Zeit als Kind haben sich Eltern generell viel weniger Sorgen um ihre Kinder gemacht. Die Kinder sind früher zumeist mit dem Leben der Eltern „einfach mitgelaufen“. Meine Eltern wussten zum Beispiel die meiste Zeit nicht genau, wo ich war. „Spielen mit den Freunden“ war Wissen genug, egal ob ich allein im Wald unterwegs, mit dem Fahrrad oder auf dem Fußballplatz war. Der Schulweg musste ohnehin allein bewältigt werden. Heute ist es für junge Eltern, vor allem in den Städten, oft undenkbar, nicht jede Minute zu wissen, wo ihr Kind gerade ist. Kontrolle ersetzt Vertrauen und fördert damit nicht nur die Ängstlichkeit der Kinder, sondern auch die der Eltern und bringt diese permanent unter Stress und Druck. „Das Gegenteil von gut ist gut gemeint“, fällt mir hierzu ein. Heutige Eltern meinen es natürlich sehr gut, wollen alles richtig machen und vergleichen auch permanent, wie es denn andere machen. Das führt jedoch leider auch zu mehr Stress für Eltern und Kinder.

Die Ursache für eine Phobie ist meist ein konkretes Erlebnis. Zum Beispiel erlebt man das Fahren in einem Aufzug einmalig als sehr bedrohlich und entwickelt deshalb eine Klaustrophobie. Wenn man es dann konsequent vermeidet, mit dem Aufzug zu fahren, kann sich dadurch eine Angststörung entwickeln. Die Situation nochmals zu erleben, aber diesmal ohne Angst und ohne körperliche Reaktionen, wäre die Heilung, die man durch diese konsequente Vermeidung aber niemals erlebt.

Allein das Wort „Aufzug“ und die Vorstellung davon bedeuten dann schon Angst und werden mit den empfundenen körperlichen Reaktionen wie Herzklopfen, Beklemmung und Todesangst gleichgesetzt. Durch Verallgemeinerung wird die Angst, die man im Aufzug erlebt hat, in der Fantasie auf alle engen Räume übertragen, vielleicht sogar auf Menschen, die dieses Engegefühl auch auslösen können, wenn sie einem nahekommen. So kann sich die einfache Phobie zu einer Sozialphobie auswachsen und schließlich zu einer allgemeinen Angststörung mit „Angst vor der Angst“. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.


WAS PASSIERT BEI ANGST IM KÖRPER?

Eine Angststörung wird meist durch eine konkrete Situation ausgelöst, welche als gefährlich oder bedrohlich wahrgenommen wird. Dabei kann die Gefahr real sein oder nur in der Fantasie existieren. Im Moment der Gefahr läuft der Körper auf Hochtouren, zeigt Symptome einer akuten Stressreaktion mit Herzklopfen, schneller Atmung und Schweißausbruch und bringt sich aus der Gefahrenzone oder kämpft gegen die Gefahr an. Der Kopf rast oder ist leer von Gedanken, die Gefühle fahren Achterbahn. Dann ist die bedrohliche Situation vorbei.


Jetzt geht das Denken erst so richtig los. Gefühle werden durch die Gedanken als „unerträglich“ oder „furchtbar“ bewertet und dieses Gesamtpaket wird nun im Gehirn abgespeichert. Wie praktisch, dass Gedanken mit starker Emotion gleich in der Amygdala gespeichert werden können, dort, wo sich auch der Wohnsitz der Angst befindet.

Von Angststörung spricht man dann, wenn die Angst das eigene Leben dominiert und ein normaler Alltag nur sehr eingeschränkt möglich ist. Das Leben kann dann so ablaufen, dass man täglich alles daransetzt, keinesfalls in eine Situation zu gelangen, die angstbehaftet ist.

Dieser Vermeidungsalltag schränkt die persönliche Freiheit so ein, dass jedes Gefühl, jeder Schritt, jede Handlung und jede Entscheidung von der Angst vor der Gefahr geprägt ist. Wenn man niemanden hat, der einem aus dieser Situation heraushilft, drängt einen die Angst unweigerlich in die soziale Isolation.

Was kann man also tun, um aus diesem Teufelskreis auszubrechen?


THERAPIE DER ANGSTSTÖRUNG

Wir können an jeder einzelnen Komponente der Angststörung, so wie sie in einem Menschen abläuft, ansetzen: an der Situation, am Denken, an den Gefühlen, am Gedächtnis, am Gehirn als Ganzes und an den körperlichen Symptomen. Dabei sollte das Ziel immer sein, dass man den Alltag wieder bewältigen kann und keine Angst vor einer Situation zu haben braucht, die wieder alte Ängste auslösen kann.

 

NLP

Alle „Angst-Ratgeber“, die derzeit auf dem Markt sind, beschäftigen sich mit dem Gehirn und der „Neuprogrammierung“ der Gedanken. Durch diese Neuprogrammierung verändert man die eingefahrenen Bahnen des Gehirns und ersetzt sie durch neue, was die moderne Hirnforschung auch nachweisen kann. Um in der Computersprache zu sprechen: Mit Hilfe der Software „Denken“ lässt sich die Hardware „Gehirn“ umbauen.


Alle kursierenden – mit neuen Gewändern versehenen – Theorien gehen auf NLP zurück. Das Neuro-Linguistische Programmieren, kurz NLP, wurde in den 1970er-Jahren von Richard Bandler und John Grinder entwickelt. Dabei sollen Vorgänge im Gehirn („Neuro-“) mit Hilfe von Sprache („Linguistisch“) sowie klaren Handlungs- und Denkanweisungen geändert werden. Typische Anweisungen des NLP, um Angst loszuwerden, können sein:

Stellen Sie sich vor, wie Ihr Leben wäre, wenn Sie keine Angst hätten und es richtig perfekt laufen würde.

Formulieren Sie Ihre Gedanken immer ohne Verneinung. Denken Sie also statt „Mir geht es schlecht“ zum Beispiel „Mir geht es schon besser als gestern“.

Nehmen Sie sich täglich Zeit, um positive Sätze zu formulieren, die Ihnen helfen, sich gut zu fühlen, wie zum Beispiel „Mir geht es gut“, „Ich bin glücklich“ oder „Ich habe alles, was ich brauche“. Wiederholen Sie diese Sätze und spüren Sie die positive Wirkung in Ihrem Körper. Diese Sätze sind Ihre persönlichen Kraftsätze.

Wenn Sie zum Beispiel Angst haben, mit dem Aufzug zu fahren, formulieren Sie einen Satz wie „Ich liebe es, mit dem Aufzug zu fahren und gleich an meinem Ziel anzukommen, ohne all die Stiegen hinaufsteigen zu müssen“.

Machen Sie sich in Ihrem Alltag bewusst, was Sie täglich Wunderbares erleben dürfen, zum Beispiel mit Sätzen wie „Ich koche mir täglich mein Lieblingsessen“, „Abends genieße ich es, bei einem Gläschen Wein ein gutes Buch zu lesen“.

Wenn Sie Angst haben, Menschen zu treffen, machen Sie sich bewusst, dass Sie diesen einen guten Freund, diese eine gute Freundin haben, der oder die immer für Sie da ist und hinter Ihnen steht. Pflegen Sie den Kontakt mit Menschen, die Ihnen guttun.

Machen Sie sich bewusst, was für ein Glück es ist, in diesem wunderbaren Land ohne existenzielle Sorgen leben zu dürfen.

Wenn Sie zum Beispiel in der Arbeit Ängste haben, formulieren Sie für sich den Satz: „Ich habe so ein Glück, Arbeit zu haben und dann auch noch eine, die mir wirklich Spaß macht.“

Die Idee dahinter ist, die Gedanken und damit auch die Gefühle in Richtung einer positiven Lebenseinstellung zu leiten. Wenn man sich im eigenen Leben gedanklich mit Freude und Glück umgibt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich Freude und Glück auch tatsächlich einstellen. Dabei ist es wichtig, Sätze nicht einfach zu sagen oder zu denken, sondern sie sich auch vorzustellen, damit das Positive mehr Raum in Ihrem Gehirn bekommt. So kann man mit der Zeit alles, was einem tagtäglich im Leben passiert, als etwas Positives ansehen. Dabei werden angsterfüllte Situationen in der Vorstellung so lange positiv umgedeutet und visualisiert, bis man sich der angstbesetzten Situation stellt und diese ohne Angst bewältigt. Mit den eigenen Kraftsätzen gewappnet, die man sich in Gedanken vorsagt – und am besten in Begleitung eines Vertrauten – lässt sich dieses Ziel gut erreichen. Dann gilt es zu üben, also die Situation immer und immer wieder zu durchleben und sie dabei positiv wahrzunehmen. Damit verändern Sie die Erinnerung und lösen sich von dem einen – bereits vergangenen – angstbesetzten Ereignis.


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