Historisch Arbeiten

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4Details etwa bei: Jordan, Stefan: Theorien und Methoden der Geschichtswissenschaft, Stuttgart 32015; Cornelißen, Christoph (Hg.): Geschichtswissenschaften. Eine Einführung, Frankfurt am Main 42000.

5Brandt, Ahasver von: Werkzeug des Historikers. Eine Einführung in die Historischen Hilfswissenschaften, Stuttgart 182012.

6Jannidis, Fotis/Kohle, Hubertus/Rehbein, Malte (Hg.): Digital Humanities. Eine Einführung, Stuttgart 2017.

7Orientierung stiften etwa: Eibach, Joachim/Lottes, Günter (Hg.): Kompass der Geschichtswissenschaft. Ein Handbuch, Göttingen 22011; Goertz, Hans-Jürgen (Hg.): Geschichte. Ein Grundkurs, Reinbek bei Hamburg 32007.

8Baberowski, Jörg: Der Sinn der Geschichte. Geschichtstheorien von Hegel bis Foucault, München 2005. Einen Überblick anhand von Quellentexten ermöglichen: Hardtwig, Wolfgang (Hg.): Über das Studium der Geschichte, München 1990; Rau, Susanne/Studt, Birgit (Hg.): Geschichte schreiben. Ein Quellen- und Studienhandbuch zur Historiographie (ca. 1350–1750), Berlin 2010.

9Tac. Ann. I 1.

10Jaeger, Friedrich/Rüsen, Jörn: Geschichte des Historismus. Eine Einführung, München 1992; Nordalm, Jens (Hg.): Historismus im 19. Jahrhundert. Geschichtsschreibung von Niebuhr bis Meinecke, Stuttgart 2006.

11So besagt das vielzitierte Fragment: Schlegel, Friedrich: Athenaeum, Band 1 (1798), Zweytes Stück, S. 20.

12Ranke, Leopold von: Geschichten der romanischen und germanischen Völker von 1494 bis 1514, Leipzig/Berlin 1824, S. Vf.

13Oder in Humboldts Formulierung: Der Historiker sucht nach „Ideen, die, ihrer Natur nach, ausser dem Kreise der Endlichkeit liegen, aber die Weltgeschichte in allen ihren Theilen durchwalten und beherrschen“: Humboldt, Wilhelm von: Über die Aufgabe des Geschichtschreibers, in: Wilhelm von Humboldt: Werke in fünf Bänden, Band 1: Schriften zur Anthropologie und Geschichte, hg. v. Andreas Flitner/Klaus Giel, Darmstadt 1960, S. 585–606, hier: S. 601.

14Dazu unübertroffen und auch im Digitalzeitalter unverändert gültig: Eco, Umberto: Wie man eine wissenschaftliche Abschlußarbeit schreibt. Doktor-, Diplom- und Magisterarbeit in den Geistes- und Sozialwissenschaften, Heidelberg 122007.

15Wie etwa im Falle von: Clark, Christopher: Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog, München 2013 – zur kontroversen Rezeption exemplarisch: Winkler, Heinrich August: Und erlöse uns von der Kriegsschuld, in: Die Zeit, 31. Juli 2014, S. 14.

16Die bis heute bestehenden DIN-Normen gehen auf den im Jahre 1917 gegründeten Normenausschuß für den Maschinenbau zurück: Berz, Peter: 08/15. Ein Standard des 20. Jahrhunderts, München 2001, S. 73–76.

Suchen & Finden

Die Materialrecherche ist die Voraussetzung für ein gutes und erfolgreiches Studium, mithin auch die Kernkompetenz für gelungene Hausarbeiten sowie alle anderen Genres. Zum einen weisen Sie mit der eigenständigen Recherche eine wesentliche Befähigung zur Wissenschaft nach. Zum anderen entscheidet die Qualität Ihres Materials über die Qualität Ihrer Arbeit – also auch über deren Benotung. In der Regel erhalten Sie von Ihrem Hochschullehrer zwar bereits Hinweise auf wichtige Werke, die Sie aber keineswegs von der Pflicht zur eigenständigen, vertieften Suche entbinden.

Am Anfang einer wissenschaftlichen Arbeit stehen das Interesse für ein bestimmtes Thema und die Entwicklung einer provisorischen Fragestellung. Darauf folgt die Recherche des Materials, also der Quellen und Literatur – rasche Rückwirkungen auf die Definition Ihres Themas eingeschlossen. Auch wenn wir im Folgenden Quellen- und Literaturrecherche separat vorstellen, gehen in der Praxis beide Formen meist Hand in Hand.


Abb. 2: Der Einstieg in die Arbeit

1. Recherchestrategien

Bei allen Themen lohnt es sich, verschiedene Strategien für die Suche in Bibliothekskatalogen und Datenbanken anzuwenden. Das heißt zum Beispiel, freie Suche, Schlagwortsuche, Suche nach Erscheinungsdatum und anderes zu kombinieren. Außerdem lohnt es sich stets, die Suchworte etwa auch in englischer und französischer Schreibweise einzugeben. Erstens ist gerade bei älteren Datensätzen die Verschlagwortung bisweilen suboptimal, so dass Sie einschlägige Titel verfehlen könnten. Zweitens sollten Sie grundsätzlich fremdsprachige Literatur in die Recherche einbeziehen, denn Wissenschaft darf nicht an Sprachgrenzen enden. Häufig sind nur kleinere Änderungen nötig, bisweilen unterscheiden sich die Begrifflichkeiten deutlich: Der „Delisch-attische Seebund“ heißt im Englischen „Delian League“, die „Dunklen Jahrhunderte“ der Bronzezeit sind indes von den „Dark Ages“ des Mediävisten zu unterscheiden – und der „Erste Weltkrieg“ wird als „Great War“ bezeichnet.

Mit zunehmender Erfahrung werden Sie Ihre Suchstrategien und dadurch Ihre Ergebnisse verbessern. Wie Sie Ihre Recherchefähigkeiten erhöhen und die Angebote der Kataloge über die triviale Titelstichwortsuche hinaus besser nutzen, müssen Sie selbst ausprobieren. Dabei helfen Ihnen Einführungskurse, die es an den meisten Universitätsbibliotheken gibt, Online-Hilfen etwa bei den Verbundkatalogen und eigene Bücher.17

2. Ad fontes! – Wege zu den Quellen

Quellen stellen die Basis jedweder historischen Arbeit dar. Entsprechend bedeutsam ist die Suche nach geeigneten Quellen – ob Sie nun für eine konkrete Fragestellung einschlägige Quellen suchen oder Quellenbestände auf der Suche nach lohnenden Fragestellungen systematisch durchforsten. Die Wege zu den Quellen sind so vielfältig wie die Quellen selbst.

2.1 Quellenformen

Quellen können in verschiedenen Formen vorliegen – im Original oder vervielfältigt, gegenständlich, gedruckt, digital. Für die Quellenrecherche ist zunächst die Trennung zwischen edierten und unedierten Quellen bedeutsam. Unedierte Quellen liegen gewissermaßen in Rohform vor, im Originalzustand oder was im Laufe der Zeit davon übrigblieb. Das können Originalschriftquellen sein, Bilder oder materielle Quellen (Orden, Kleidung, Denkmäler oder Ruinen und vieles andere mehr), auch immaterielle Quellen (wie Sitten, Gebräuche, mündlich tradierte Erzählungen). Manche Quellen werden in Museen und Archiven aufbewahrt, andere auch auf dem Dachboden Ihrer Großeltern oder (im Falle von Bauwerken und Monumenten) in aller Öffentlichkeit, andere stecken wortwörtlich in den Menschen: Sagen, Volkslieder, Manieren und mehr.

Edierte Quellen – zumeist Schrift- oder Bildquellen, aber auch materielle Zeugnisse – stellen eine nach wissenschaftlichen Kriterien aufbereitete Form von Quellen dar, ob gedruckt oder digital. Erst die Edition macht die Originale einem breiteren Nutzerkreis zugänglich. Außerdem vermittelt sie wichtige zusätzliche Informationen über Zustand, Überlieferungswege (Fundkontext bei archäologischen Zeugnissen, handschriftliche Überlieferung bei Texten) und dergleichen. Bei vielen schriftlichen Quellen beginnt die Edition mit Entzifferungsarbeit, etwa bei antiken Papyri oder mittelalterlichen Handschriften. Doch selbst neuzeitliche Schriftquellen wie eine Feldpostkarte müssen zunächst im Wortsinne genau gelesen und entschlüsselt werden. Quelleneditionen sind Produkte historisch-kritischer Forschung und daher nicht identisch mit der Originalquelle. Gute Editionen zeichnen den Weg vom Original zur Edition nach.

Je nach Quellentypus und Quellengattung unterscheidet sich die Gestaltung der Editionen. Bei Bildquellen besteht sie zumeist aus einer gedruckten oder digitalen Reproduktion, kombiniert mit ergänzendem Textkommentar, dessen Umfang sehr unterschiedlich ausfallen kann. Bei gegenständlichen Quellen ist eine genaue Beschreibung des Objektes sowie der Fund- und Überlieferungsumstände angefügt (insbesondere bei Quellen, die durch archäologische Grabungen zutage gefördert wurden).

Schriftquellen werden wissenschaftlich durch sogenannte kritische Editionen erschlossen, in denen in der Regel ein kritischer Apparat erläutert, wie die Original-Quelle in gedruckte Form gebracht wurde – angefangen mit der Definition, was denn das „Original“ sei. Bei einer mittelalterlichen Urkunde aus dem Archiv scheint die Frage noch leicht beantwortbar (wenngleich deren Echtheit und die mögliche Existenz weiterer handschriftlicher Exemplare auch hier zu prüfen sind). Doch welches ist das „Original“ eines geläufigen Quellentextes wie Caesars Bericht über den Gallischen Krieg? Die Antwort lautet in diesem Fall schlicht: keines! Das Original-Manuskript, das Caesar seinen Schreibern diktierte, ist unwiederbringlich verloren. Wir besitzen lediglich Abschriften aus späterer Zeit, die durch einen jahrhundertelangen Abschreibeprozess auf uns gekommen sind; in diesem Beispiel datieren die ältesten Handschriften, deren gemeinsame spätantike Vorlage nicht mehr erhalten ist, aus dem 9. Jahrhundert. Der Text von Caesars Commentarii, den Sie möglicherweise im Lateinunterricht in Buchform vorliegen hatten, resultiert aus Versuchen, den wenigstens teilweise entstellten – sei es durch Abschreibfehler, sei es durch aktive „Korrekturen“ – „Originaltext“ auf Basis viel jüngerer Handschriften zu rekonstruieren. Über diese Versuche legen in wissenschaftlichen Editionen die kritischen Apparate Rechenschaft ab, indem sie verschiedene Lesarten wiedergeben und bewerten: bei Caesars Commentarii wie bei sämtlichen anderen antiken literarischen Texten.

 

Doch nicht nur antike Quellen oder mittelalterliche Urkunden bedürfen einer solchen Edition, um über einen engen Kreis von Spezialisten hinaus für Historisch Arbeiten benutzbar zu werden. Selbst moderne, gedruckte Quellen haben eine mitunter komplexe Entstehungsgeschichte: so beispielsweise Ernst Jüngers Beststeller „In Stahlgewittern“ – die mehrfach überarbeiten Kriegstagebücher des Autors aus dem Ersten Weltkrieg, bei denen sich die Auflagen erheblich voneinander unterscheiden. Kritische Ausgaben versetzen Sie also in die Lage, selbst ad fontes zu gehen, ohne das jeweilige Original selbst in der Hand zu haben.

Kurzum

Benutzen Sie – wo immer möglich – eine solide, wissenschaftliche Quellenedition!

2.2 Archive: Schatzkammern des Historikers

Wer die Maxime „ad fontes!“ ernst nimmt, findet auch den Weg ins Archiv. Archive sind die Schatzkammern der Quellenarbeit. Quellen aus Archiven sind zwar nicht „besser“ oder „schlechter“ als Quellen aus Editionen, die ihrerseits wiederum meist aus Archivbeständen erarbeitet werden – aber weitaus weniger genutzt: Hier besteht die Chance zu echten Pioniertaten. In Archiven können Sie Quellen entdecken, an denen bislang kaum jemand oder vielleicht noch niemand gearbeitet hat. Nutzen Sie die Gelegenheiten, die Ihnen Archive in der Umgebung bieten – fast immer sogar unentgeltlich!

Woher weiß man, welches Archiv für die eigenen Studien relevant ist? Erste Hinweise geben Quelleneditionen oder Fachliteratur: Sie weisen die Herkunft ihrer Quellen nach. Am Fundort können Sie oft ähnliche oder weitere Quellen finden. Einen zentralen Katalog für die Bestände aller Archive gibt es freilich nicht, auch keine Datenbank, die alle Archivalien erfasste – aber doch Portale, die diesem Zwecke für einzelne Länder oder Themen zumindest nahekommen: darunter der Kalliope-Verbund für Nachlässe und Autographen (http://kalliope-verbund.info) oder das Archivportal-D (https://www.archivportal-d.de). Größere Archive, insbesondere das Bundesarchiv (http://www.bundesarchiv.de) und die Archive der Bundesländer, ermöglichen oft online eine erste Bestandsübersicht; kleinere Archive können diese Aufgabe selten leisten, haben aber oft faszinierende Bestände.

Am Anfang steht die Überlegung, welche Quellen in welcher Art von Archiven am ehesten erhalten sein könnten. Viele Faktoren sind dabei zu beachten: der erwartete Inhalt der Quelle, die erwartete Art der Quelle, nach der Sie suchen, ihre Provenienz (Herkunft), das Schicksal ihrer Überlieferung – etwa Beute-Archivalien aus Kriegszeiten. Quellen, die unmittelbar mit dem Staat verbunden sind, finden Sie naturgemäß am ehesten in staatlichen Archiven, Quellen über unternehmerische Aktivitäten in Unternehmensarchiven, Taufregister und Vergleichbares in kirchlichen Archiven. Einen Überblick über die wichtigsten Archive und einen ersten Einblick in die Archivkunde erhalten Sie andernorts leicht.18 In Deutschland bestehen unter anderem folgende Arten von wichtigen Archiven:

Staatsarchive: Bundesarchiv, Archive der Bundesländer, Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Kommunale Archive (bei kleinen Gemeinden ohne eigenen Archivar oftmals im zuständigen Kreisarchiv integriert).

Kirchliche Archive: meist in den jeweiligen Landeskirchen oder Bistümern organisiert (bisweilen auch in staatlicher Obhut).

Wirtschaftsarchive: Größere Unternehmen verfügen oftmals über eigene Firmenarchive, ebenso manche Verlage. Es gibt aber auch eigenständige Archive wie das Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsarchiv zu Köln.

Adelsarchive: Traditionsreiche Adelshäuser unterhalten bisweilen eigene, mitunter ungenutzte Archive, bisweilen wird ihre Überlieferung als Depositum in Staatsarchiven aufbewahrt.

Universitätsarchive: Viele Universitäten führen eigene Archive, wichtige einschlägige Quellen lagern indes oft in Staatsarchiven.

Wissenschaftliche Institutionen: beispielsweise das Deutsche Literaturarchiv in Marbach oder das Deutsche Musikarchiv, das der Deutschen Nationalbibliothek angegliedert ist.

Parteien, Verbände, Stiftungen, Vereine und Gewerkschaften besitzen oft eigene Archive.

Gedenkstätten sind in mancher Hinsicht selbst Archive, manchmal sind ihnen eigene Archive angegliedert (etwa unter Begriffen wie „Dokumentationszentrum“).

Private Nachlässe aller Art: Der Deutsche Bundestag hat Stiftungen für die Pflege der Archivalien einiger besonders bedeutender Politiker gegründet (derzeit namentlich: Otto von Bismarck, Friedrich Ebert, Konrad Adenauer, Theodor Heuss, Willy Brandt, Helmut Schmidt) – doch die meisten Nachlässe unter anderem bedeutender Politiker und Künstler werden als Deposita in einschlägigen Archiven (wie Parteistiftungen) oder in Privatregie aufbewahrt.

Die Benutzung der Archive ist in Benutzungsordnungen geregelt. Machen Sie sich damit am besten vertraut, ehe Sie eine weite Reise zum Archiv antreten: Zum Beispiel gibt es oftmals feste Bestellzeiten für die Lesesäle und andere Regularien. Sie sind für Ihre Recherchen ebenso wichtig wie generelle Regeln. Staatliche (und manche kirchlichen) Archive unterscheiden sich prinzipiell von privaten. Letztere dürfen willkürlich selbst entscheiden, wem sie welche Quellen vorlegen, und bestimmen selbst über die Bedingungen der Benutzung und Verwertung; vielfach müssen Sie zunächst Ihr Forschungsinteresse benennen, ehe Sie Zugang bekommen oder eben auch nicht. Anderes verhält es sich bei ersteren: Hier haben Sie als Staatsbürger einen Rechtsanspruch auf Einsicht in Archivalien, der seine Grenzen nur in gesetzlich genau fixierten Einschränkungen findet – wie insbesondere dem Schutz der Privatsphäre (ein großes Streitthema etwa bei der Nutzung der „Stasi-Unterlagen“, von denen manche gar nicht oder nur teilweise geschwärzt zugänglich sind) und Sperrfristen (meist 30 Jahre, in manchen Fällen auch länger, potentiell ewig, so laut Bundesarchivgesetz dann, wenn „das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdet würde“19).

Übrigens verfügen viele Archive auch über mehr oder weniger umfangreiche Bibliotheken, die zu den jeweiligen Beständen passen: Nutzen Sie auch diese Möglichkeiten! Und vor allem: Nehmen Sie vorab Kontakt zu den Experten auf – die jeweiligen Archivare freuen sich über die Zusammenarbeit mit Archivbenutzern und kennen die Bestände selbst meist so gut, dass sie oft geradezu sprechende Findbücher sind. Sie geben Ihnen wertvolle Tips für Ihre Recherche. Zuvor sollten Sie sich freilich mit der Bestände-Übersicht befassen und, falls verfügbar, mit den einschlägigen Findmitteln: Repertorien oder Findbücher verzeichnen die Bestände eines Archives und erfassen sie bisweilen bereits so feingliedrig, dass Sie vorab gezielt bestimmte Bestände (mit entsprechenden Signaturen erfasst) zur Einsicht vor Ort im Archiv bestellen können.

Für die Suche nach Nachlässen bestimmter Personen eignen sich etwa der Kalliope Verbundkatalog (http://kalliope-verbund.info) oder die Nachlassdatenbank des Bundesarchives (http://www.nachlassdatenbank.de). Wenn Sie beispielsweise mehr über die Entstehung des „Aufrufs an die Kulturwelt“ (siehe S. 142) erfahren wollen, könnten Sie nach Nachlässen der Unterzeichner suchen. Dazu zählte auch der renommierte Archäologe Wilhelm Dörpfeld, dessen Unterlagen teilweise im Wuppertaler Stadtarchiv aufbewahrt werden.20

2.3 Digitale Sammlungen und Editionen

Internet und Digitalisierung haben die Suche nach Quellen einerseits erleichtert. Andererseits verliert man in der schieren Unübersichtlichkeit der Angebote leicht den Überblick. Insbesondere in der scheinbar mühelosen Verfügbarkeit liegen Gefahren. So verführerisch es ist, eine Suchanfrage bei Google abzuschicken und dem erstbesten Treffer zu folgen, so groß ist auch die Gefahr, aufs Glatteis zu geraten.

„Der Staatshaushalt muss ausgeglichen sein. Die öffentlichen Schulden müssen verringert werden. Die Arroganz der Behörden muss gemäßigt und kontrolliert werden. Die Zahlungen an ausländische Regierungen müssen reduziert werden, wenn der Staat nicht Bankrott gehen will.“ Auf unzähligen Webseiten finden Sie dieses oder ein ähnliches Pseudo-„Zitat“ dem römischen Staatsmann Cicero zugeschrieben – gerne garniert mit dem Verweis, dass schon die alten Römer eine Diskussion zur Staatsschuldenproblematik geführt hätten. Sie werden jedoch nirgends eine konkrete Stellenangabe zu diesem Zitat finden, aus gutem Grund: Es ist nämlich eine Fälschung! Sie wird dank zügellosem Copy-and-Paste wohl für alle Zeiten durch das Netz geistern; Sie als quellenkritischer Historiker werden dieser Fälschung aber nicht auf den Leim gehen.

Selbstverständlich gibt es zahlreiche seriöse, wissenschaftliche Angebote im Netz, die Ihnen den Zugang zu Quellen und Literatur erleichtern. Man kann dabei grob zwei Sorten unterscheiden: einerseits digitalisierte Versionen analoger Angebote, andererseits neu erstellte digitale Quelleneditionen. Zur ersten Gruppe gehören etwa die Digitalisate der Monumenta Germaniae Historica, aber auch Ebook-Ausgaben diverser Quellenautoren. Zur zweiten Gruppe zählen explizite Online-Publikationen (wie die antiken Inschriften von Aphrodisias: http://insaph.kcl.ac.uk), Digitalisate von Bildmedien (Postkarten, Handschriften, wie sie etwa die Bayerische Staatsbibliothek anbietet: https://www.digitale-sammlungen.de, zum Ersten Weltkrieg auch die Württembergische Landesbibliothek: http://www.wlb-stuttgart.de/sammlungen/bibliothek-fuer-zeitgeschichte/themenportal-erster-weltkrieg) und manches mehr.


Abb. 3: Screenshot: Themenportal Erster Weltkrieg, Württembergische Landesbibliothek Stuttgart

Angesichts der Bandbreite und Volatilität digitaler Angebote wäre eine heutige Auflistung morgen schon überholt. Statt einer repräsentativen Darstellung finden Sie im Folgenden daher Anhaltspunkte, mit denen Sie wissenschaftlich brauchbare Angebote auch künftig selbst identifizieren können:

Fragen Sie sich, was und wozu Sie etwas suchen. Anders gesagt: nicht ziellos googeln, sondern überlegen, welche wissenschaftlichen Institutionen besonders eng mit Ihrem Thema verbunden sind.

 

Achten Sie darauf, wo Sie suchen. Nutzen Sie nicht nur die freie Internetsuche via Google oder in anderen Suchmaschinen, sondern bemühen Sie vor allem die einschlägigen Fachportale.

Achten Sie auf die Urheber der Quellen sowie der Edition. Seriöse Angebote lassen sich immer zuordnen, in der Regel zu wissenschaftlichen Einrichtungen (Universitäten, Akademien, Fachportale) oder als Produkte wissenschaftlicher Fachverlage.

Achten Sie auf Quellenangaben! Ohne diese sind Online-Quellen nicht brauchbar.

Achten Sie auf die Aufbereitung der Quelle selbst: Genügt sie wissenschaftlichen Ansprüchen an eine kritische Edition?

Kurzum

Entscheidend ist: Die Grundregeln wissenschaftlicher Recherche gelten auch und gerade im Digitalen!

2.4 Quellenrecherche konkret

Die Formen der Recherche sind vielfältig. Unterscheiden lassen sich unter anderem eine unsystematische und eine systematische Suche. Unsystematisch bedeutet dabei keineswegs unüberlegt, sondern bezeichnet eine mit einem Zufallsfund ansetzende Recherche, die in sich systematisch verläuft – während die systematische Suche einen gezielten Ansatzpunkt wählt, abhängig von den Vorkenntnissen des Suchenden. Wer sich bereits gut auskennt, kann anders einsteigen als jemand, der erst am Anfang seiner Studien beziehungsweise seines Studiums steht!

Die unsystematische Suche

Der Einstieg in die unsystematische Suche kann vielfältig sein. Meist verweisen Handbücher und Gesamtdarstellungen Sie auf vielversprechende Quellen (Einführungswerke weniger, da in der Regel ohne Anmerkungsapparat). Häufig lohnt es sich auch, direkt in Textausgaben von Quellen zu stöbern, die Sie im Seminar auszugsweise gelesen haben. Schauen Sie getrost nach, was Sie vor und nach den behandelten Stellen noch finden – wenn etwas nicht im Seminar behandelt worden ist, heißt das noch lange nicht, dass es nicht aufschlussreich wäre. Hochschullehrer und Lehrer müssen bei der Quellenauswahl immer auch pädagogisch-praktische Erwägungen wie den Zeitrahmen einer Sitzung im Blick behalten. Quellensammlungen thematischer oder chronologischer Art eignen sich ebenfalls für eine erste Suche.21 Achten Sie allerdings darauf, dass viele solcher Sammlungen vor allem auf bequeme Zugänglichkeit ausgelegt sind und daher den Anforderungen an eine wissenschaftliche Quellenedition mitunter nicht genügen. Schließlich können Sie selbstverständlich auch auf das Internet zurückgreifen: vorausgesetzt, Sie nutzen einschlägige Fachportale und etablierte Datenbanken als Ausgangspunkt.

Die unsystematische Suche ist vor allem zur ersten Orientierung und zur Inspiration bei der thematischen Eingrenzung hilfreich. Verlassen Sie sich aber niemals auf die unsystematische Recherche, sondern ergänzen Sie sie unbedingt mit einer systematischen Recherche über die einschlägige Literatur. Sonst laufen Sie womöglich Gefahr, wichtige Quellen für Ihr Thema zu übersehen.

Die systematische Suche

Wenn Sie sich bereits für ein hinreichend konkretes Thema entschieden haben, wissen Sie unter Umständen schon, dass Sie bestimmte Quellen benötigen. In diesem Fall durchforsten Sie gezielt die entsprechenden Editionen oder suchen in den Beständen eines bestimmten Archives.

Für eine Untersuchung des Kriegsausbruches im Juli 1914 können Sie etwa gezielt die Diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes nach interessanten Funden durchsehen – oder die Presseberichte jener Tage, die Sie zum Teil gedruckt, zum Teil digitalisiert vorfinden. Oder Sie nutzen die Motive von Feldpostkarten als Quellen für die Untersuchung der vermeintlich allgemeinen Kriegsbegeisterung. Vielleicht zieht es Sie aber auch in ein Archiv, wo der Nachlass eines Zeitzeugen auf Sie wartet. Fündig werden könnten Sie jeweils etwa in:

Einschlägigen gedruckten Editionen22

Archiven: in staatlichen Archiven (etwa: https://ersterweltkrieg.bundesarchiv.de) oder in Archiven großer Zeitungen (wie etwa der Londoner „Times“: http://gale.cengage.co.uk/times.aspx)

Museen wie etwa dem Imperial War Museum mit einem Photo-Archiv (https://www.iwm.org.uk/collections/item/object/205088323)

Portalen wie historicum.net (https://www.historicum.net/themen/erster-welt-krieg/quellen/feldpostkarten-agv-muenchen) oder clio-online (https://www.hsozkult.de/webreview/id/rezwww-16323)

Nachlässen wie demjenigen des Archäologen Wilhelm Dörpfeld (1853–1940): Im Wuppertaler Stadtarchiv liegt eine Kladde zur Kriegsschuldfrage, in der Dörpfeld nach 1918 Material zur Rechtfertigung Deutschlands gegen den Vorwurf der Alleinschuld sammelte. Diesen und weitere Treffer zeigt etwa die Nachlassdatenbank des Bundesarchivs an.


Abb. 4: Screenshot: Zentrale Datenbank Nachlässe, Bundesarchiv

Mutatis mutandis gilt dies auch für andere Zeiten und andere Themen: Für eine Studie zur Münzprägung des Kaisers Augustus wird man gezielt einschlägige Münzcorpora zur Hand nehmen, zur Politik Kaiser Heinrichs IV. die Regesten seiner Urkunden und für das Ende des Dreißigjährigen Krieges die Acta Pacis Westphalicae. In diesen Beispielen würden Sie etwa hier fündig:

Roman Imperial Coinage (RIC): Sutherland, Carol H. V. (Hg.): Roman Imperial Coinage, Band 1: From 31 BC to AD 69, London 1984. Ergänzendes digitales Angebot: http://numismatics.org/ocre

Regesta Imperii: http://www.regesta-imperii.de, etwa den Teilband: Böhmer, Johann F.: Regesta Imperii III. Salisches Haus 1024–1125. Tl. 2: 1056–1125. 3. Abt.: Die Regesten des Kaiserreichs unter Heinrich IV. 1056 (1050) – 1106. 5. Lief.: Die Regesten Rudolfs von Rheinfelden, Hermanns von Salm und Konrads (III.), Wien/Weimar/Köln 2018.

Acta Pacis Westphalicae, hg. v. der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste, 48 Bände, Münster 1962 ff. Digital via: http://www.pax-westphalica.de

Ein solches Vorgehen braucht Vorwissen und Vertrautheit mit den verfügbaren Editionen und Archiven. Wo dieses fehlt, führt bei der systematischen Quellensuche der Umweg über die Literatur am schnellsten zum Ziel: Das bedeutet, Sie suchen – wie im folgenden Kapitel beschrieben – nach einschlägiger Literatur zu Ihrem Thema und werten deren Quellengrundlage über Anmerkungsapparate sowie gegebenenfalls die Indices aus.

3. Formen der Literatur-Recherche

Grundsätzlich kann man bei der Suche nach Fachliteratur zwei Vorgehensweisen unterscheiden: die unsystematische Literaturrecherche (auch „Schneeballsystem“ genannt) und die systematische Literaturrecherche (über Kataloge, Datenbanken und einschlägige Bibliographien). In der Praxis ergänzen sich beide gegenseitig – bei der Erstellung Ihrer Materialgrundlage wie auch bei späteren Nachrecherchen.


Abb. 5: Formen der Literatur-Recherche

3.1 Die unsystematische Recherche

Bei der unsystematischen Recherche oder „Schneeballsuche“ wertet man den bibliographischen Apparat von einem oder mehreren, möglichst aktuellen und einschlägigen Werken aus: Handbücher, allgemeine Darstellungen, spezialisierte Aufsätze und andere Literatur verweisen ihrerseits auf weitere einschlägige Titel (und in Quellenverzeichnis sowie Anmerkungsapparat auch auf Quellen). Mit den daraus gewonnenen Angaben verfährt man wiederum ebenso und überprüft die jeweiligen Literaturverzeichnisse der nun eingesehenen Werke auf all’ jene Titel, die für das eigene Thema von Interesse sein könnten – von dort aus geht das Verfahren potentiell in immer weitere Runden. Die Qualität der erhaltenen Literatur hängt sowohl von der Aktualität der Ausgangswerke ab als auch von deren Einschlägigkeit. Beginnen Sie Ihre Suche also mit möglichst aktuellen Handbüchern und Einführungswerken. Aber nutzen Sie auch – sofern existent – jüngere Spezialstudien zu dem Thema, über das Sie recherchieren.


Abb. 6: Die Schneeballsuche

3.2 Die systematische Recherche

Waren früher gedruckte Bibliographien und Zettelkataloge die wichtigsten Hilfsmittel bei der systematischen Recherche, so sind es heute digitale Angebote – schon der hohen Frequenz an Neuerscheinungen wegen. Für manche Themen erscheinen zwar immer noch gedruckte Bibliographien,24 doch bestätigen solche Ausnahmen mittlerweile eher die digitale Regel – wiewohl Bibliographien von Quellen25 ihre Aktualität nicht verlieren. Zur Verfügung stehen Ihnen online jedenfalls:

Der lokale OPAC Ihrer Universitätsbibliothek (Online Public Access Catalogue).

Die deutschen Verbundkataloge.

Nationale und internationale Kataloge wie der Katalog der Deutschen Nationalbibliothek, die Kataloge ausländischer Nationalbibliotheken oder der Karlsruher Virtuelle Katalog (KVK).

Spezielle Fachdatenbanken und Fachportale insbesondere zur Recherche unselbständig erschienener Literatur.

Auch bei der systematischen Recherche gilt: Verlassen Sie sich niemals auf eine einzige Ressource, sondern verbinden Sie verschiedene Ressourcen miteinander. Ein flüchtiger Blick in den Seminarapparat der Veranstaltung mag zwar zur spontanen Ideenfindung geeignet sein, zählt aber keinesfalls als systematische Recherche!

Machen Sie sich zunächst klar, wonach Sie suchen. Benötigen Sie aktuelle Monographien zu Ihrem Oberthema? Suchen Sie schon nach spezifischer Forschungsliteratur wie Aufsätzen (also unselbständig erschienene Literatur)? Sind Sie auf der Suche nach Quellen zu Ihrem Thema? Oder brauchen Sie zunächst noch Hilfsmittel zur Bearbeitung der Quellen (wie Fachlexika, Kommentare et cetera)?

Je nach Stadium und Zweck Ihrer Recherche werden Sie zu unterschiedlichen Ressourcen und Suchstrategien greifen beziehungsweise diese miteinander kombinieren; verfeinern können Sie Ihre Recherchekünste natürlich mithilfe einschlägiger Literatur.26 Verschiedene Typen von Katalogen, Datenbanken und Fachressourcen stellen wir Ihnen auf den nächsten Seiten vor. Achten Sie auf Änderungen, die sich in der weiteren Digitalisierung generell und speziell der Geschichtswissenschaft ergeben werden!

3.3 Lokale Kataloge der Universitätsbibliotheken

Der naheliegendste Weg ist zumeist die Recherche über den lokalen OPAC der jeweiligen UB: schon deshalb, weil die dort verzeichneten Werke auch vor Ort vorhanden sind. Dieses insbesondere bei eiligen Recherchen sinnvolle Vorgehen hat aber einen gravierenden Nachteil. Je nach Angebot beschneiden Sie dadurch unnötig Ihre Recherche-Ergebnisse: Erstens beschränken Sie Ihre Recherche a priori auf die Bestände der örtlichen UB. In sehr großen Bibliotheken mag das ausreichen, in den meisten indes nicht: weil Kassenlage und Einkaufspolitik darüber bestimmen, welche Titel angeschafft werden. Darunter befinden sich keineswegs alle für Ihre Studien relevanten.27 Zweitens erscheinen in den lokalen OPACs häufig nur Monographien und sonstige selbständig erschienene Literatur – also keine Zeitschriftenaufsätze oder anderweitig unselbständig erschienene Literatur.