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Schöpfungen der Ingenieurtechnik der Neuzeit

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VI. Hoch- und Untergrundbahnen

Die von den Hoch- und Untergrundbahnen, den Stadtschnellbahnen, zu lösende Verkehrsaufgabe bringt der Direktor der Berliner Hochbahngesellschaft, Geh. Baurat P. Wittig, treffend mit folgenden Worten zum Ausdruck: »Wie sind die Entfernungen zu überwinden, die sich innerhalb der riesenhaft anwachsenden Großstädte auftun, deren Durchmessung für die großen Volksschichten, denen die Wirtschaftsgesetze moderner Kulturentwicklung die großstädtischen Erwerbs- und Daseinsformen aufgenötigt haben, zur täglichen Notwendigkeit wird?« Tatsächlich bildet die sachgemäße Ausbildung der die verschiedenen Stadtteile und Vororte schnell und billig miteinander verbindenden Eisenbahnen eine der wichtigsten Lebensbedingungen der Großstädte.

Die erste unterirdische Schnellbahn wurde im Jahre 1863 in London eröffnet; sie wurde mit Dampf betrieben. In New York wurden die ersten Hochbahnen, auf denen mittels Dampflokomotiven beförderte Züge verkehrten, im Jahre 1878 dem Betriebe übergeben. Die unter- oder oberirdische Führung des Schnellverkehrs ist erforderlich, um den Fußgänger- und Fuhrwerksverkehr der Straßen nicht zu gefährden. Dieser erfordert, daß die Straßenbahnen eine mittlere Geschwindigkeit von 15 km in der Stunde nicht überschreiten, eine Geschwindigkeit, die für die Erzielung des städtischen Schnellverkehrs viel zu gering ist. Als fernerer, auf den Bau von Hoch- und Untergrundbahnen hindrängender Umstand ist dann noch die oft zu geringe Breite der Straßen zu nennen.

Als Betriebsmittel für die Hoch- und Untergrundbahnen kommt gegenwärtig nur die Elektrizität in Frage. Die Vorteile, die sie gegenüber der Dampfkraft, abgesehen von dem Fortfall der Rauchentwicklung, bietet, sind: Fortfall der Lokomotiven und Verteilung der Triebkraft auf die einzelnen Wagen, schnelles Anfahren und Anhalten, Möglichkeit, die Stärke der Kraft leicht zu wechseln und größere Steigungen und engere Krümmungen zu durchfahren. Der elektrische Strom hat außerdem noch den großen Vorzug, daß er neben der Kraft auch noch das Licht darbietet.

Der Stadtschnellverkehr im heutigen Sinne beginnt mit dem Jahre 1900, und zwar mit der Pariser Untergrundbahn und der Zentral-Londonbahn. Zurzeit verfügen folgende Großstädte über ein Netz von Untergrund- und Hochbahnen: London, Paris, Berlin, Budapest, New York, Boston, Chicago, Philadelphia, Madrid, Buenos Aires. In diesen Städten drängten die Bevölkerungsverhältnisse gebieterisch hin auf den Bau von Verkehrsmitteln, die die inneren Stadtteile mit der Außenstadt verbanden und der Bevölkerung gestatteten, im Innern der Stadt den Erwerb zu suchen, dagegen in den billigeren Vororten ihr Heim aufzuschlagen.

Der Bau der Stadtschnellbahnen hat die inneren Bezirke der Städte entvölkert. Dies tritt besonders kraß bei der Londoner City in die Erscheinung. Diese zählte im Jahre 1850 an 300 000 Einwohner, besitzt aber heute kaum noch Wohnstätten in erheblicher Zahl. Täglich strömen hier an 1½ Mill. Menschen dem Stadtinnern zu, um abends wieder nach außerhalb zu eilen. Nachstehend lassen wir eine kurze Beschreibung einiger Stadtschnellbahnen folgen:

Berlin verfügt sowohl über Hoch-, als auch über Untergrundbahnen, deren erste Stammlinie Zoologischer Garten–Potsdamer Platz–Warschauer Brücke im Jahre 1902 eröffnet wurde. Die Bahn ist normalspurig und überall zweigleisig ausgeführt. Sie verläuft zur Hälfte auf Hochbahn-, zur Hälfte auf Untergrundstrecken. Die Krümmungshalbmesser gehen bis auf 80 m herab; das stärkste Gefälle beträgt 31,3 ‰. Die Entfernung der Stationen beträgt im Mittel 0,85 km. Die Hochbahnstrecken verlaufen meist auf Eisenviadukten oberhalb von Straßen. Einer der schwierigsten Teile des Baues ist der zwischen dem Leipziger Platz und dem Spittelmarkt belegene; derselbe verursachte einen Kostenaufwand von 10 Mill. Mk. für das km.

Im Verlaufe des Jahres 1913 sind die Strecken Spittelmarkt–Alexanderplatz–Schönhauser Allee sowie Wittenbergplatz–Wilmersdorf–Dahlem dem Verkehr übergeben; letztere verläuft teils als Untergrund-, teils als Einschnittbahn. Die Strecke Spittelmarkt–Alexanderplatz unterfährt die Spree in einem mit seiner Sohle 10 m unter dem Spreespiegel liegenden Tunnel, dessen Bau durch einen Wassereinbruch eine erhebliche Verzögerung erfahren hat. Dieser Tunnel ist 125 m lang und ganz in Eisenbeton ausgeführt; er hat 4½ Mill. Mk. erfordert. An beiden Enden des Tunnels befinden sich zwei Lüftungsschächte, die zur Ventilation des Tunnels dienen und im Falle der Not als Aussteigschächte benutzt werden können. Außerdem ist an jedem dieser Schächte eine schnell aufzustellende Bohlenwand vorgesehen, um den Tunnel schnell abschließen zu können.

Der Bahnhof »Alexanderplatz« wird, wenn die Strecke zur Frankfurter Allee ausgeführt werden wird, zweietagig ausgeführt werden; die obere Etage gehört der Linie Klosterstraße–Schönhauser Allee, die untere der Linie Klosterstraße–Frankfurter Allee an. Außer dem Spreetunnel war auf der Strecke Spittelmarkt–Schönhauser Allee noch ein zweites interessantes Bauwerk auszuführen; es war dies die Kreuzung mit dem Notauslaß der Berliner Kanalisation. Zeigt den Übergang von der Hoch- zur Untergrundbahn am Nollendorfplatz.

Die immer weitergehende Ausgestaltung der Berliner Hoch- und Untergrundbahn hat eine sehr starke Vermehrung des Zugumlaufes zur Folge. Demgemäß ist Vorsorge getroffen, daß in Zeiten großen Verkehrsandranges auf den Stammlinien 40 bis 50 Züge von je 8 Wagen mit je einem Fassungsvermögen von 500 Personen stündlich in jeder Richtung abgefertigt werden können. An Stelle der bisherigen, mit der Hand bedienten Signaleinrichtungen, die einem solchen Betriebe nicht gewachsen sind, tritt eine selbsttätige Sicherungsanlage der englischen Firma Mc. Kenzie, Holland und Westinghouse, die sich auf den Londoner Stadtschnellbahnen bewährt hat. Dieselbe besitzt eine derartige Anpassungsfähigkeit, daß sie eine beliebig weitgehende Aufteilung der Stationsabstände in einzelne Streckenabschnitte ermöglicht. Zur Zeit befinden sich zwei weitere Untergrundbahnen im Bau, die den Norden mit dem Süden Berlins in Verbindung bringen sollen.

Die mittlere Spannung des Betriebsstromes (Gleichstrom) beträgt 750 Volt. Derselbe wird zum Teil unmittelbar als Gleichstrom erzeugt, zum Teil in Unterstationen aus Drehstrom von 10 000 Volt umgeformt.

In London wurde im Jahre 1890 die erste elektrische Untergrundbahn geschaffen, die City- und Südlondonbahn, an die sich dann die kurze City- and Waterloobahn anschloß. Das Jahr 1900 brachte die Eröffnung der Zentral-Londonbahn, der sich im Jahre 1904 die Great Northam und Citybahn anschloß. Diese vier Linien schufen ein 25 km umfassendes Netz von Röhrenbahnen im verkehrsreichsten Teile der Stadt. Es folgte sodann eine weitere Gruppe von Röhrenuntergrundbahnen, die Bakerloobahn, (Abkürzung von Bakerstreet-Waterloobahnhof) eröffnet 1906, die Piccadillybahn, eröffnet 1906 und die Hampsteadbahn, eröffnet 1907. Diese Bahnen und die der City bilden ein Röhrennetz von 60 km doppelgleisiger Bahnen. Sie liegen in 20 bis 50 m Tiefe; die Verbindung mit dem Niveau der Straße erfolgt durch elektrische Fahrstühle. Der Bau der Tunnel erfolgte mittels Schildvortriebs. Außerdem greift eine Anzahl elektrisch betriebener Bahnen mit einem über 100 km umfassenden Bahnnetz in das Außengebiet Londons ein.

Das eigentliche, geschlossen bebaute London besteht in der Grafschaft London. Das Gebiet der von London abhängigen Vororte, d. h. Außen-London wird etwa durch die Grenzlinie des hauptstädtischen Polizeibezirks, die auch im wesentlichen die wirtschaftliche Einheit Groß-London umschließt, von dem offenen Lande abgegrenzt. Nach Kemmann vollzog sich innerhalb dieser Gebiete die Bevölkerungszunahme wie folgt:


Paris besitzt ein sehr dichtes Netz von Hoch- und Untergrundbahnen. Besondere Schwierigkeiten bereitete die Unterbohrung der beiden Seinearme mit der Cité-Insel. Hier erfolgte der Bau auf einer längeren Strecke unter Wasser durch Versenken großer, mittels Druckluft niedergebrachter Caissons. Ein zweiter Seinetunnel ist mit Schildvortrieb ausgeführt. Die übrigen Kreuzungen der Seine erfolgen auf Brücken. Die Bauausführung der Untergrundbahnstrecken geschah bei einzelnen Strecken im Tagebau, im allgemeinen aber im bergmännischen Verfahren, für das der weiche Kalksteinuntergrund die günstigsten Bedingungen bot. Schwierig gestaltete sich der Bau dort, wo die Tunnel durch unterirdische Steinbrüche geführt werden mußten.

Die einzelnen Linien sind völlig unabhängig voneinander, an jedem Ende mit Rückkehrschleifen abgeschlossen, die in Umsteigebahnhöfe zusammengeleitet werden. Die Züge gehen während des regelmäßigen Betriebes nirgends von einer Linie zu einer anderen über. An den Schnittpunkten muß umgestiegen werden. Für die einzelnen Linien hat man zur Bequemlichkeit des Publikums die Nummernbezeichnung eingeführt; dieselbe gibt im wesentlichen auch die Reihenfolge ihres Ausbaus wieder.

In New York drängt sich das geschäftliche Leben und der Verkehr in dem südlichsten Teile der Manhattan-Insel zusammen, und zwar entsprechend dem Beginn und dem Schluß der Geschäftszeit, mit einer bestimmten Regelmäßigkeit. Die Stadtschnellbahnen New Yorks bestehen in Hochbahnen und in Untergrundbahnen. Erstere sind als einfachste Eisenkonstruktionen ausgeführt, auf denen die Schienen ohne Zwischenlagen aufgelagert sind, so daß der Regen hindurchfallen kann, und man von unten nach oben und umgekehrt hindurchblicken kann. Die Untergrundbahn ist zum Teil viergleisig. Die mittleren Gleise dienen dem Expreßverkehr. Dieser überschlägt eine Anzahl von Stationen und bietet daher eine schnellere Beförderung dar als die Lokalzüge. Der Verbindung Manhattans mit den durch den Hudson und den East River getrennten Bezirken New Jersey und Brooklyn dienen eine große Anzahl von Brücken und Tunneln. Bereits im Jahre 1883 wurde der East River überbrückt; im Laufe der Jahre folgten die Manhattanbrücke, die Williamsburger Brücke, die Blackwells-Island-Brücke, die Hellgate-Brücke. Die Zahl der Unterwassertunnel beträgt 14; sie dienen teils dem Betriebe von Stadtschnellbahnen, teils dem Fernverkehr.

 

Die Gesamtlänge der New Yorker Hoch- und Untergrundbahnen beträgt 480 Gleis-Kilometer, deren Verdoppelung bevorsteht.

In dem Viereck zwischen der 7. und 9. Avenue und der 31. und 33. Straße ist der Durchgangsbahnhof der Pennsylvania-Bahn errichtet, die früher jenseits des Hudsons in Jersey City endete und jetzt durch einen Tunnel unter dem Hudson nach New York hineingeführt und durch einen anderen Tunnel unter dem East River nach Long Island weiter geleitet ist. Die Gleise und Bahnsteige mußten in mehr als 12 m Tiefe unter Straßenhöhe angelegt werden, da die Bahn infolge der Untertunnelungen tief angelegt werden mußte und städtischerseits verlangt wurde, daß an den Straßenkreuzungen die Möglichkeit gelassen werden sollte, über der Bahn städtische Untergrundbahnen hinzuführen.

Zwei weitere Unternehmungen, die 4. Avenuebahn in Brooklyn und die sog. Centrestraßenschleife in Manhattan befinden sich in Vorbereitung.

Philadelphia besitzt 12 km Stadtschnellbahnen; hiervon sind 8 km als Hochbahn, 4 km als Untergrundbahn ausgeführt; erstere haben im Gegensatz zu der New Yorker Bauweise eine geschlossene Fahrbahn. Die Schnellbahnen Philadelphias sind durch Umsteigebahnhöfe an Städtebahnen angeschlossen, d. h. an Bahnen, welche, indem sie teils auf, teils neben Straßen verlaufen, zwei oder mehrere Städte durch häufige Fahrgelegenheit miteinander verbinden. Diese Städtebahnen haben sich in den Vereinigten Staaten zu einem vollständigen System von Überlandbahnen entwickelt.

Die elektrischen Schnellbahnen Chicagos bestehen in vier Hochbahnen. Jenseits der eigentlichen Geschäftsstadt verläuft eine 3,2 km lange Hochbahnschleife, die Union loop, auf welche die von den verschiedenen Seiten heraneilenden Hochbahnzüge übergehen, um das Geschäftsviertel zu durchfahren. Ein Teil der von außen herankommenden Hochbahnen endigt außerdem in Kopfbahnhöfen, die vor der genannten Schleife liegen.

Die Betriebsverhältnisse sind hier überaus schwierig, da die sämtlichen Hochbahnen auf der Schleife miteinander verkettet sind. Die Benutzung der Schienengleise der Hochbahnschleife ist auf die vier Hochbahnen in der Weise verteilt, daß zwei das Innengleis, zwei das Außengleis benutzen. Die hiermit verbundenen Übelstände haben bereits Anlaß gegeben zu grundlegenden Änderungsvorschlägen, die auf dem Bau von Untergrundbahnen beruhen.

Für die Beförderung von Gütern besitzt Chicago ein schmalspuriges Untergrundbahnnetz von 97 km Gleislänge. Dasselbe verzweigt sich über das gesamte Geschäftsviertel und besitzt Anschluß an 26 Güterbahnhöfe, sämtliche Personenbahnhöfe und zahlreiche gewerbliche Anlagen und öffentliche Anstalten. Die Tunnel liegen etwa 10 m unter der Straßenfläche. Die Züge werden mit geringer Geschwindigkeit durch elektrische Lokomotiven befördert.

Die Baukosten der Hoch- und Untergrundbahnen sind wegen der zu überwindenden großen technischen Schwierigkeiten selbstverständlich sehr hoch. Sie schwankten bei Untergrundbahnen zwischen 5 bis 10 Mill. Mk. für 1 km. Die letztgenannte Summe mußte bei der Berliner Untergrundbahn für die Strecke Leipziger Platz–Spittelmarkt aufgewendet werden, und zwar in Folge großer und wertvoller Gebäude, die unterfahren werden mußten. Der Bau des 125 m langen Spreetunnels kostete etwa 4½ Mill. Mk.

Bei Hochbahnen schwankten die Kosten zwischen 2 bis 3 Mill. Mk. für 1 km. Der Weltkrieg hat hier wie überall eine Vervielfachung der Kosten zur Folge gehabt.

VII. Die drahtlose Telegraphie und Telephonie

Im Jahre 1888 erbrachte Professor Heinrich Hertz in Bonn den Nachweis, daß alle Strahlungserscheinungen elektromagnetische Oszillationen im Weltäther sind, die sich nur durch die Größe der Wellenlänge voneinander unterscheiden. Diese Hertzsche Wellentheorie steht in Übereinstimmung mit dem, was Goethe in bewundernswerter Voraussicht zum Ausdruck gebracht hat, indem er im Jahre 1825 in seinem »Versuch einer Witterungslehre« unter dem Stichwort »Elektrizität« wörtlich sagt: »Diese darf man wohl und im höchstem Sinne als problematisch ansprechen. Wir betrachten sie daher vorerst unabhängig von allen übrigen Erscheinungen; sie ist das durchgehende, allgegenwärtige Element, das alles materielle Dasein begleitet, und ebenso das atmosphärische, man kann sie sich unbefangen als »Weltseele« denken«. Bei der drahtlosen Telegraphie und Telephonie werden diese Oszillationen in der Weise ausgenutzt, daß schnelle Schwingungen elektrischer Energie in Gestalt von kurzen und langen Wellenzügen, die den bekannten telegraphischen Morsezeichen entsprechen, von einer Sendestation durch den Luftraum zu einer Empfangsstation entsendet und hier aufgefangen werden. Demgemäß besitzt jede drahtlose Telegraphenanlage folgende wesentliche Einrichtungen: Vorrichtungen, in denen Wechselströme hoher Frequenz erzeugt werden, eine sog. Antenne, welche die elektrische Energie auf der Ausgangsstation ausstrahlt, eine Antenne, die auf der Empfangsstation die dort eintreffenden Wellen auffängt, und schließlich eine Empfangseinrichtung, die die Ausstrahlungen bemerkbar macht. Wenn der elektrische Funke von einer Leitung zu einer anderen Leitung hinüberspringt, so entstehen außer einem knallartigen Geräusch (Knallfunken) in der umgebenden Luft Wellen, die mit denjenigen Wellenzügen vergleichbar sind, welche entstehen, wenn ein Stein auf eine Wasserfläche hinabfällt, sich jedoch von diesen dadurch unterscheiden, daß sie sich nicht in konzentrischen Ringen, sondern in konzentrischen Kugelflächen fortpflanzen. Die Benutzung der Hertzschen Wellen konnte erst dann erfolgen, nachdem Branly in dem sog. Kohärer das Mittel geschaffen hatte, das Vorhandensein jener Wellen festzustellen. Der erste, dem es gelang erfolgreich weite Entfernungen mit Sicherheit drahtlos zu überbrücken, war der Italiener Marconi, der im Jahre 1896 bahnbrechende Versuche unternahm und hiermit die drahtlose Telegraphie ins Leben rief. An der Ausgestaltung der Funkentelegraphie sind aber in besonderem Maße der verstorbene Prof. Slaby von der Berliner Technischen Hochschule und Graf Georg von Arco, dessen damaliger Assistent, jetziger Direktor der Telefunken-Gesellschaft zu Berlin beteiligt. Ihnen ist an erster Stelle der heutige Hochstand der drahtlosen Nachrichten-Übermittlung zu verdanken. Sie haben die größte Anlage der Welt, die Groß-Station Nauen in jahrzehntelanger Arbeit geschaffen, und die Geschichte dieser Großstation ist zugleich die Geschichte der drahtlosen Telegraphie und Telephonie.

Für die Aufnahme der von der Sendestation ausgesandten Schwingungen wird eine Antenne benutzt, die derjenigen der Sendestation gleicht. Unterwegs wird die ausgesandte Energie immer schwächer, da jeder Baum, jedes Haus von ihr einen Betrag aufzehrt. Schließlich gelangt ein gewisser Betrag von Energie in die Empfangsantenne. Diese ist genau so elektrisch bemessen wie die Antenne der Sendestation, d. h. sie ist »abgestimmt«. In einer derartig abgestimmten Antenne schwillt der durch die ankommenden Fernwirkungen erzeugte Strom zu einer größeren Stärke als in einer nicht abgestimmten Antenne an. Daher kann man durch elektrische Abstimmung die Fernwirkung erhöhen.

Die Erzeugung der Wechselströme hoher Frequenz kann auf verschiedene Weise erfolgen. Nach Poulsen geschieht sie durch einen Lichtbogen. Dieser brennt in einer Wasserstoff-Atmosphäre zwischen einer festen gekühlten Kupferelektrode und einer verstellbaren, durch einen Elektromotor in langsame Umdrehungen versetzten Kohlenelektrode. Um die Energie zu steigern, wird der Lichtbogen in einem durch die Pole eines kräftigen Elektromagneten gebildeten magnetischen Felde erzeugt.

Mit Hilfe des Poulsen-Senders lassen sich sog. »ungedämpfte« elektrische Schwingungen erzeugen, deren Wesen in folgendem besteht. Wenn ein Wellenzug wegen allzu großer Entfernung der Sendestation nicht mehr imstande ist, die Antenne der Empfangsstation zu erregen, so wird auch durch die folgenden Wellenzüge keine Erregung bewirkt, ja es kann sogar der vorhergehende Wellenzug durch die folgenden Wellenzüge abgeschwächt werden. Werden aber ständig gleichmäßig starke Wellen, »ungedämpfte Schwingungen«, entsendet, so wird jede vorhergehende Welle durch die ihr folgende verstärkt, und die Antenne wird erregt. Man kann daher sehr schwache Wellen benutzen, zu deren Erzeugung große elektrische Anlagen nicht erforderlich sind. Nach einem anderen Verfahren, das besonders für Großstationen geeignet ist, werden die Wechselströme hoher Frequenz auf einer besonderen Art von Wechselstrom-Dynamomaschine, der Hochfrequenz-Maschine, erzeugt, um deren Ausbildung sich Professor Goldschmidt, die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft und Graf Arco besonders verdient gemacht haben.

Ein drittes Verfahren zur Erzeugung von Hochfrequenz beruht auf der Funkenentladung, mit deren Hilfe man Hochfrequenzenergiemengen bis 100 Kilowatt und Frequenzen bis zu Millionen in der Sekunde und herab bis zu wenigen Tausend erzeugt. Das Energiequantum eines jeden einzelnen Funkens wird in einen abklingenden Wechselstromzug umgesetzt, der die Fernwirkungen erzeugt. Man benutzt häufig eine Funkenfolge von 1000 pro Sekunde. Vor der Erzeugung mittels der Maschine hat die Funkenmethode folgende Vorzüge: völlige Stetigkeit der Periodenzahl, doppelte Charakteristik der Sender nach Hoch- und Tonfrequenz, veränderliche Aufspeicherung der sekundlichen Energie zur Erzielung größerer Momenteffekte am Empfänger. Das System der »tönenden Löschfunken«, dessen Prinzip von Professor Max Wien angegeben ist, bildete eine Zeitlang die vollkommenste Form der Funkenmethode. Dieses System hat drei Merkmale: Die Pausen zwischen den Wellenzügen sind verschwindend klein; die Wellenzüge folgen mit völliger Regelmäßigkeit, infolgedessen in dem Telephon der Empfangsstation ein Ton erzeugt wird; der Funken löscht schnell. Bei dem System der Löschfunken besteht der Funken nur während der allerersten Schwingungen. Nach seinem Erlöschen schwingt ein langer Wellenzug. Da der Funken ein energieverzehrender Widerstand ist, so ist also bei den Löschfunken der Energieverlust praktisch völlig beseitigt. Die »tönenden Löschfunken« sind bis zu Anordnungen von 100 Kilowatt-Schwingungsenergie durchgebildet.

Neuerdings reißen die Kathodenstrahlröhren die Herrschaft an sich. Während des Weltkriegs trat die Notwendigkeit auf, daß eine sehr große Anzahl von drahtlosen Stationen in Betrieb gesetzt werden mußten, ohne daß eine gegenseitige Störung eintrat. Dieser Aufgabe zeigten sich die tönenden Löschfunken nicht gewachsen, da für diese eine wesentlich größere Schärfe der Abstimmung erforderlich war. Hier nun trat der Kathodenröhrensender mit vollem Erfolg in die Lücke, der dasjenige leistete, was man bereits vor mehr als zehn Jahren von dem Poulsen-Lichtbogen erwartet hatte.

Einer der wichtigsten Fortschritte ist die Braunsche Rahmenantenne, eine Antenne, die, wie der Name besagt, eine rahmenförmige Gestalt besitzt. Schon im Jahre 1913 konnte Professor Braun von Straßburg i. E. mittels eines zu einer Spule zusammengewickelten Drahtes das Strahlungsfeld der Funkstation des Eiffelturms messen. Hierbei war jedoch die Empfangsenergie so gering, daß eine solche Antennenform erst dann zu einer tatsächlichen Bedeutung gelangte, nachdem die Telefunken-Gesellschaft durch Verstärkereinrichtungen eine mehr als 10 000fache Lautstärke erzielte. Unter Zuhilfenahme eines quadratischen Rahmens kann man jetzt in der Telefunken-Ausstellung zu Berlin sämtliche große europäische Funkstationen aufnehmen. Ein Rahmen von 3,3 m Seitenlänge ermöglicht den Empfang der bei New York belegenen Station Sayville. Insbesondere eignet sich die Braunsche Rahmenantenne zur Richtungsbestimmung, denn sie nimmt Schwingungen nur dann bemerkbar an, wenn sie in Richtung auf den Sender derjenigen Station steht, deren Richtung festgestellt werden soll.

Der Arbeitsgang einer drahtlosen Telegraphenanlage vollzieht sich nun in der Weise, daß ein Teil der den Antennen der Sendestation zugeführten Hochfrequenzenergie als Fernwirkung ausstrahlt. Über die Art und Weise, auf welchem Wege diese Ausstrahlung erfolgt, ob nur durch die Luft oder nur die Erde oder durch die Luft und die Erde, sind im Jahre 1894 von Erich Rathenau, im Jahre 1896 von Strecker und im Jahre 1898 von Professor Braun Versuche ausgeführt, die sich speziell auf die Untersuchung der Übertragung durch die Erde bezogen. Später hat Dr. Kiebiz diese Versuche wieder aufgenommen und ist hierbei zu sehr günstigen Ergebnissen gelangt; mit einer an einem Vormittage mit 5 Arbeitern ausgelegten Antenne hat er die Signale einer 6000 km entfernten Station in Canada gehört.

 

Bei den Landstationen besteht die Antenne meist in einem einzigen Mast oder Turm, von dessen Spitze nach allen Richtungen hin Drähte nach abwärts in radialer Richtung verlaufen, gleichsam einen aus Drähten bestehenden Schirm bildend. Diese Antennen nennt man Schirm-Antennen. Auf Schiffen bringt man die Antennen meist derart an, daß sie von zwei Masten getragen werden.

Naturgemäß muß eine um so größere Energiemenge in die Antenne getrieben und von dieser ausgestrahlt werden, je größer die Entfernung ist, auf welche die Übertragung von Nachrichten erfolgen soll. Mit der Größe der Energie wächst auch die erforderliche Höhe des Turmes und Größe der Antenne, wobei die Baukosten mit der dritten Potenz der Turmhöhe wachsen. Vielleicht tritt hier einmal die Erdantenne wirksam in die Bresche.

In der Groß-Station Nauen besitzt Deutschland die einzige Anlage der Welt, die seit dem Jahre 1918 die gesamte Erde umfaßt. Ihre Entstehungsgeschichte zerfällt in vier Abschnitte, die der Entwicklung der gesamten drahtlosen Telegraphie und Telephonie entsprechen. Der die Jahre 1906–1909 umfassende Abschnitt bildet das Zeitalter des Knallfunkens: faustdicke Funken gingen mit heftigem Getöse zwischen mächtigen Zinkfunkenstellen des Senders über und ließen die Morsezeichen weit über die Umgebung hinaus ertönen. Den Träger der Schirmantenne bildete ein Eisengittermast von 100 m Höhe. Reichweitenversuche ergaben eine gute Nachrichtenübermittlung bis Teneriffa auf rund 3600 km. Der zweite die Jahre 1909–1911 umfassende Abschnitt stand im Zeichen der tönenden Löschfunken, nachdem die vielfach vorausgesagte Verdrängung der Funkenmethode durch den Bogenlampensender nicht eingetreten war. Es wurde eine sog. L-Antenne mit bevorzugter Strahlung nach bestimmter Richtung geschaffen, deren Längsachse in die Richtung nach Togo gelegt wurde. Die nach dort unternommenen Verkehrsversuche verliefen befriedigend. Die tönende Station besteht heute noch und dient zur Abgabe von Zeit- und Wettersignalen sowie Presseberichten. Mit einer kleinen Hochfrequenzmaschine System Graf Arco wurde im Juni 1913 eine gute telephonische Gesprächsübertragung nach Wien erzielt.

Mit derselben Maschine wurden Telegramme auf 6400 km nach Sayville bei New York befördert. Diese Versuche führten zur Aufstellung einer großen Hochfrequenz-Maschinenanlage. Außerordentlichen Anforderungen mußte Nauen während des Weltkrieges, der uns die Benutzung der Überseekabel unmöglich machte, genügen. Die weitere Verstärkung der Station wurde nötig. Eine Maschinensenderanlage für 400 Kilowatt Antennenleistung und eine solche für 150 Kilowatt, die die bisherige ersetzen sollte, wurden geschaffen. Unter Benutzung der Maste der bisherigen Antenne entstand durch Hinzufügung eines weiteren 260 m hohen Mastes und zweier Türme von 120 m Höhe die sog. A-Antenne. Senkrecht dazu wurde für den zweiten Sender die sog. B-Antenne in Form einer Dreieckantenne errichtet. Nach der Vergrößerung der Anlagen wurde auf 20 000 km die von Telefunken im Jahre 1912 in Neuseeland errichtete Station Awanui gehört, und von 1918 ab umfaßte die Reichweite Nauens den gesamten Erdball. In China, Mexiko, Niederländisch-Indien nahm man die Nachrichten von »Poz«, dem Rufnamen Nauens, während des Krieges regelmäßig auf. Der Schnellsende- und Empfangsbetrieb auf große Entfernungen ist bei einer Wortgeschwindigkeit von 75 Worten in der Minute sichergestellt, wodurch die drahtlose Fernübermittlung dem Kabelbetrieb in gewisser Hinsicht überlegen ist. Bei diesen Leistungen der Gesellschaft für drahtlose Telegraphie sind die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft und die Firma Siemens & Halske hervorragend beteiligt. Des weiteren die Firma Hein, Lehmann & Co. zu Berlin, die die eigenartige in der ganzen Welt bewährte Bauart der abgespannten, isolierten Funkentürme schuf und deren Oberingenieur Bräckerbohm die Riesentürme errichtete. Die im April 1915 gegründete Betriebsgesellschaft »Drahtloser Übersee-Verkehr A. G.« ist nunmehr Besitzerin der Groß-Station Nauen, die ein Gelände von 300 ha bedeckt.

In der von »Telefunken« bereits im Jahre 1907 zwischen Nauen und Berlin ausgeführten drahtlosen Telephonie konnte anfangs zu gleicher Zeit nur gesendet oder empfangen werden; am Empfänger mußte gewartet werden, bis am Sender das Sprechen beendet war. Nunmehr kann man ebenso gegensprechen wie in der Drahttelephonie. Zu diesem Zweck erhält jede Station zwei Antennen, von denen die eine unter Aufnahme des Mikrophons am Sender, und die andere mit etwas abweichender Welle am Empfänger liegt. Während bisher Berlin–Rom, London–Paris die weitesten Strecken waren, auf denen die drahtlose Telephonie mit Erfolg benutzt wurde, hat Nauen diese Leistungen in neuester Zeit um ein vielfaches übertroffen und eine Entfernung von 4340 km, gleich der Strecke Nauen–Neufundland mit drahtloser Telephonie überbrückt. Dies geschah während der Fahrt des argentinischen Dampfers »Bahia Blanca« im Juni 1921 von Europa nach Amerika. Ein Empfang auf noch weitere Entfernungen war nur aus dem Grunde nicht möglich, weil der Dampfer eine Stelle des Atlantischen Ozeans erreichte, in welcher atmosphärische Störungen weitere Versuche unmöglich machten.

Eine große Verschiedenheit besteht zwischen den bei Tag und Nacht erzielbaren Reichweiten. Diese Beobachtung machte man zuerst bei den Schiffsstationen, die bei Nacht erheblich größere Reichweiten als bei Tag erzielten. Dies erklärt sich dadurch, daß das Licht der Feind der elektrischen Wellen ist und zwar um so mehr, je höher die Frequenz der Wechselströme ist. Nun kann man zwar unschwer Hochfrequenzströme von niedriger Periodenzahl erzeugen, diese Ströme sind aber höchst unökonomisch. Je höher eine Antenne ist, um so mehr kann man mit der Periode herabgehen. Bei einem 40 m hohen Schiffsmast dürften etwa 600 000 und bei einer 100 m hohen Landantenne etwa 100 000 Perioden des Hochfrequenzstromes die untere Grenze bilden. Wendet man eine geringere Frequenz an, so erreicht man allerdings die gleiche Antennenenergie, aber nur ganz geringe Fernwirkungen werden von der Empfangsantenne aufgenommen. Für eine Verbindung auf große Entfernungen, die selbst bei stärkstem Tageslicht arbeitet, ist eine niedrige Frequenz erforderlich, diese aber verlangt hohe Antennen, wie sie auf Schiffen nicht errichtet werden können. Von besonderer Wichtigkeit ist, daß es neuerdings der Telefunken-Gesellschaft gelungen ist, einen drahtlosen Schreibempfang über 12 000 km, nämlich von Geltow bei Potsdam bis zu der javanischen Station Malabar auszuführen.

Von besonderem Interesse ist die Anwendung der drahtlosen Telegraphie in der Luftschiffahrt und in Flugzeugen. Hier hat sie während des Krieges erfolgreichst zu dauernder Verbindung der Lenkluftschiffe und der Flugzeuge mit der Erde gedient. Während der im Aufklärungsdienst tätige Flieger in früheren Zeiten zu seiner Befehlsstelle zurückkehren mußte, um hier über seine gemachten Beobachtungen zu berichten, gibt die an Bord des Flugapparates angebrachte Funkentelegraphenstation die Möglichkeit, daß der Beobachter während der Fahrt seine Aufzeichnungen zur Erde übermittelt.

Ein drahtloser Telegrammverkehr wurde zum erstenmal während des oberrheinischen Überlandfluges im Jahre 1912 eingerichtet. Er diente in erster Linie den Zwecken der Sicherung der Luftschiffahrt, stand aber auch den Passagieren für ihre persönlichen Telegramme zur Verfügung. Mit Erfolg wird die drahtlose Telegraphie auch zur Verbindung mit fahrenden Eisenbahnzügen benutzt.