Vertrauensbruch mit Folgen

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Vertrauensbruch mit Folgen
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Gabriele Schillinger

Vertrauensbruch mit Folgen

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Einleitung

Das erste Gespräch

Besuch im Zimmer

Das Badezimmer

Neue Therapie

Ludwig

Die Schwester

Eine eisige Erfahrung

Der Plan

Rudis Ende

Der Überfall

Unangenehme Überraschung

Die Erlösung

Dr. Schuh

Der Kommissar

Die Wahrheit

Brain

Die Vorbereitung

Die Chance

Impressum neobooks

Einleitung

Vertrauensbruch

mit Folgen

Thriller/Krimi

von Gabriele Schillinger

Autorin: Gabriele Schillinger

Lektorin: Lisa Grötzl

Cover: Gabriele Schillinger

Bilder: Gabriele Schillinger

www.kunst-galerie-schillinger.at

Vertrauensbruch mit Folgen

Gabriele Schillinger

2020

Das Zimmer erhellte sich, kurz danach ertönte ein dumpfes Donnergrollen. Regen peitschte gegen die Fensterscheibe. Maria mochte Gewitter, allerdings klang dieses eher bedrohlich als beruhigend.

Einer der Pfleger betrat den Raum und hielt ihr eine Schlaftablette hin. Eigentlich bekam sie schon vor Stunden eine davon, doch sie zeigte keinerlei Wirkung. Widerwillig steckte sie das Medikament in den Mund und trank einen Schluck Wasser nach. Als sich die Türe hinter dem Pfleger schloss, holte sie die Tablette schnell wieder aus dem Mund. Maria wollte überhaupt nicht schlafen. Dieses Medikament trübte bloß ihre Gedanken. Ein Umstand, den sie im Moment überhaupt nicht brauchen konnte. Sie musste sich erinnern, was mit einem betäubten Kopf wahrhaftig nicht funktionieren würde.

Jedes Mal, wenn Maria am Morgen erwachte, dauerte es Stunden, bis sie wieder klar sehen, oder sich konzentrieren konnte. Die Realität war dann vernebelt, in der sie sich aber jetzt wieder befand.

Das aggressive Gewitter zog weiter. Nur der Regen blieb und klopfte nun leise auf das Fensterbrett. Die Nacht brach über Schottland ein.

Schließlich schlief sie auch ohne Tablette.

Das erste Gespräch

Am Morgen wurde es laut am Gang. Die Patienten wurden der Reihe nach geweckt. Pfleger teilten erneut Tabletten aus. Maria durfte zum ersten Mal ihr Frühstück im Speisesaal zu sich nehmen. Nachdem sie sich gewaschen hatte, brachte man sie dort hin. Es war unangenehm, denn jeder Patient wurde begleitet. Keiner von ihnen durfte sich alleine im Gang aufhalten.

Eigentlich war der Saal nicht sonderlich groß. Es befanden sich lediglich knapp zehn Leute darin, die bereits auf ihr Essen warteten. Jeder von ihnen saß allein auf einem der Tische. Wahrscheinlich wollte man so Auseinandersetzungen verhindern. Maria saß auf ihrem Platz und schaute sich ein wenig um.

Ein Patient klopfte ständig mit seinen Fingerknöcheln auf die Tischplatte, ein anderer sang mit falschen Tönen immerfort das gleiche Lied. Eine Frau am Fenster starrte regungslos in die Luft und wirkte fast wie eine zerrupfte Puppe. Am Tisch gleich neben ihr schaute ein Mann in ihre Richtung. Er zwinkerte Maria unentwegt zu, als wollte er auf absurde Art mit ihr flirten. Der Speisesaal war alles andere als ein Geschenk, es war unheimlich.

Das Frühstück umfasste einen Orangensaft in einem Plastikbecher und eine Schüssel mit Müsli. Der Kunststofflöffel bog sich beim Anheben des klebrigen Breies. Kaffee gab es nur koffeinfrei, sofern man sich zu benehmen wusste. Ein älterer Herr warf seinen Orangensaft vom Tisch und bekam daher keinen mehr.

Eigentlich dachte Maria, nach dem Frühstück wieder ins Zimmer geführt zu werden, doch dem war nicht so. Das Geschirr wurde abgeräumt und der Saal in einen Aufenthaltsraum umfunktioniert. Entsetzt von dieser Erkenntnis blieb sie vorerst einmal ängstlich auf ihrem Platz sitzen.

Der Lärmpegel stieg an. Einer der Patienten begann unwillkürlich zu schimpfen. Irritiert schaute Maria zu einem der Pfleger, der kurz darauf zu ihr kam. Er meinte, dies wäre Eduard und er hätte eine Krankheit, die ihn zu diesen Worten zwang. Dennoch war er harmlos, eher liebenswert als gefährlich. Auf die Frage, wann sie wieder in ihr Zimmer durfte, lächelte er nur, dann ging er erneut an seinen Platz, von dem aus er alles, was im Raum passierte, beobachten konnte.

Der Vormittag fühlte sich unendlich lange an. Es war seitdem sie hier war die erste Begegnung mit anderen Patienten, was sich in ihren Vorstellungen allerdings anders angefühlt hatte.

Plötzlich setzte sich ein Mann an ihren Tisch. Maria erschrak. Er lächelte und stellte sich mit dem Namen Thomas vor. Eigentlich schien er ganz normal zu sein, aber abwarten. Zur Sicherheit rückte sie mit ihrem Stuhl ein wenig von ihm weg.

Zu ihrer Überraschung entwickelte sich ein harmloses Gespräch. Er fragte, wie lange Maria schon in der Einrichtung war, ob sie zum ersten Mal im Aufenthaltsraum war und an welcher Krankheit sie litt. Ja, das war eine gute Frage. An was litt Maria eigentlich?

Zum Mittagessen gab es Gemüse und Fleisch, welches bereits in Stücke geschnitten war. Danach durften die Patienten wieder in ihre Zimmer. Einer nach dem anderen wurde von einem Wachebeamten abgeholt. Thomas winkte Maria zu, als er den Saal verließ.

Da ein Mittagsschlaf gehalten werden musste, legte sie sich gleich ins Bett. Das Gesicht vergrub sich in dem Polster und begann zu weinen. Warum und wie war sie blos hier gelandet?

Erneut öffnete sich die Türe, welche nur von außen geöffnet werden konnte. Erneut wurden Medikamente gebracht. Auf die Frage, um welche es sich hierbei handelte, bekam sie lediglich die Antwort, dass sie ihr guttun würden.

Als sie brav ihre Tabletten geschluckt hatte, stand sie auf und ging zum Fenster. Die Landschaft war zum Greifen nah, wäre da nicht das Gitter, welches verhinderte die Glasscheiben zu berühren. Zudem war das Fenster mit einem dicken Schloss versehen, falls man es doch schaffte, das Gitter zu zerstörten, was ohne Werkzeug sowieso nicht möglich war. Hier gab es kein Entkommen.

Am nächsten Nachmittag wurde Maria abgeholt. Sie lag im Bett, weil sie dachte, einen Mittagsschlaf abhalten zu müssen. Der Wärter forderte Maria auf, ihn zu folgen.

Sie hoffte nicht schon wieder in den Aufenthaltsraum zu müssen.

Man brachte sie in einen Behandlungsraum. Dort wartete bereits ein bärtiger Mann und bat ihr freundlich einen Sitzplatz auf einem Sofa an.

Er stellte sich als Dr. Schuh vor. Es war Marias Psychiater, den sie ab jetzt öfter zu Gesicht bekommen würde. Zuerst fragte er nach ihrem Befinden, doch was sollte Maria da antworten. Wie fühlte man sich in einer psychiatrischen Einrichtung, aus der man nicht einfach hinausspazieren durfte?

Dann fragte er, ob sie sich an irgendetwas erinnern konnte. Nein, konnte sie nicht. Auch die Frage, was sie glaubte, weshalb sie sich in dieser Einrichtung befand, konnte Maria nicht beantworten.

Der Psychiater lehnte sich in seinem Sessel zurück und schaute Maria durchdringend an. Sie hasste es, wenn sie jemand so anschaute. Nach einer kurzen Stille im Raum begannen seine eigentlichen Fragen:

Was ist das Letzte an das Sie sich erinnern?“

Ich öffnete meine Augen und lag im Krankenhaus. Dort sagte man mir, dass ich verletzt liegend am Waldrand neben Zugschienen gefunden wurde.“

Haben sie eine Ahnung wie sie dorthin gekommen sind?“

Nein.“

Warum waren sie verletzt?“

Ich weiß es nicht.“

Dr. Schuh schaute schon wieder durchdringend in Marias Richtung, was sie sehr nervös machte.

Sein Bierbauch drückte gegen die Hemdknöpfe, die bedrohlich einem Geschoss ähnelten, die kurz davor waren, Maria zu treffen. Der Bart des Arztes war schon ein wenig ergraut, aber ansonsten sah er noch nicht alt aus. Eigentlich machte er einen gemütlichen Eindruck. Vielleicht war er ja auch sympathisch? Maria wollte es einmal auf sie zukommen lassen. Aber wenn er nicht immer so durchdringend schauen würde …

 

Wie heißen Sie?“

Im Krankenhaus meinte man, ich heiße Maria.“

Und was glauben Sie?“

Keine Ahnung.“

Fühlt sich der Name Maria für Sie in Ordnung an?“

Ich glaube schon.“

Die Sanitäter erzählten. Sie hätten im Rettungswagen gesagt, Maria zu heißen.“

Kann sein. Ich weiß nichts mehr von der Zeit im Rettungswagen.“

Nehmen Sie regelmäßig ihre Medikamente?“

Ich hab ja keine andere Wahl.“

Möchten Sie sich wieder an Vergangenes erinnern?“

Natürlich. Glauben Sie, es macht Spaß nicht zu wissen wer Sie sind, oder wie Sie bisher gelebt haben?“

Nein, ich glaube nicht, dass es Spaß macht.

Sie müssen regelmäßig ihre Tabletten nehmen, damit wir mit der richtigen Behandlung beginnen können. Gestern wurden in ihrem Zimmer einige gefunden, die Sie wieder ausgespuckt haben. Das ist nicht förderlich.“

Wie genau wirken die Medikamente und was bedeutet die richtige Behandlung?“

Die Medikamente wirken beruhigend und geben den Weg frei, damit ihr Unterbewusstsein Informationen bereitstellt, die sie zur Erinnerung brauchen.“

Und die richtige Behandlung? Was ist das?“

Wenn sie so weit sind und die Erinnerung nicht von alleine zutage kommt, arbeiten wir mit Hypnose.“

Warum warten? Wir könnten doch gleich damit beginnen.“

Nein. Sie sind noch nicht soweit.“

Woher wollen Sie das wissen?“

Vertrauen Sie mir.“

Maria stieß unbeabsichtigt ein lautes Zischen von sich. Dr. Schuh schaute sie, ohne die Miene zu verziehen, an. Er nahm sich einen Schreibblock und einen Stift zur Hand.

Sie heißen also Maria?“

Hab ich doch schon gesagt.“

Also wissen Sie, dass Sie Maria heißen?“

Wirklich? Das hatten wir doch schon. Man sagte mir, ich hieße so.“

Sind Sie aufgeregt?“

Natürlich. Sie stellen mir die gleichen Fragen wie zuvor.“

Was regt Sie daran auf? Wir haben keinen Zeitdruck.“

Aber die Zeit könnte sinnvoller verwendet werden. Wie soll ich mich an was erinnern, wenn Sie mir immer die gleichen Fragen stellen?“

Sehen Sie, genau das ist das Problem. Sie vertrauen mir nicht und deswegen können wir auch noch nicht mit der Hypnose beginnen.“

Ok, ok. Ich vertraue Ihnen. Können wir jetzt beginnen?“

Dr., Schuh lächelte kurz. Er stand auf und holte einen Pfleger, der Maria wieder auf ihr Zimmer bringen sollte.

Wir sehen uns morgen wieder. Nehmen Sie Ihre Tabletten.“

Das war’s?“

Ja, für heute schon.“

Maria wusste nicht recht, was sie mit diesem Gespräch anfangen sollte. Der Psychiater machte sich mit seiner Fragetechnik nicht sonderlich beliebt bei ihr. Eigentlich war er Maria nach diesem Gespräch sogar sehr unsympathisch.

Erneut schaute sie aus dem Fenster.

Die Tage waren, wenn man nichts zu tun hatte, sehr lange. Immerfort kreisten Gedanken im Kopf herum, die sich zu seltsamen Geschichten formten. Es wurde zunehmend schwieriger für Maria zu erkennen, ob es nur Hirngespinste waren, oder sich ein Stück Erinnerung darin befand.

Es war nun eine Woche vergangen, und die Gespräche mit dem Arzt waren noch immer enttäuschende Erlebnisse. Jeden Tag musste sie nun diesen Dr. Schuh sehen. Warum stellte er ihr ständig dieselben Fragen? Sollte nicht die Polizei recherchieren wer sie war? Vermisste sie überhaupt niemand?

Das Grundstück der Anstalt schien groß zu sein. Es war mit einem hohen Zaun abgegrenzt und bestand vorwiegend aus einer großen Wiesenfläche. Vereinzelt ragten hohe Bäume in den Himmel, darunter befand sich jeweils eine Bank zum Verweilen. Einige der Patienten spazierten schmale Wege entlang, die sich durch das satte Grün schlängelten. Maria konnte sie vom Fenster aus beobachten. Wahrscheinlich würde dies in nächster Zeit ihre einzige Beschäftigung sein. Andere Patienten beobachten.

Das Abendessen wurde gebracht. Maria war froh nicht wieder in den Speisesaal zu müssen. Sie fürchtete sich ein wenig vor den anderen. Obwohl man ihr versicherte, dass niemand von ihnen gewalttätig war, konnte sie deren Verhalten nur schwer einordnen. Es war neu sich mit so vielen verhaltensauffälligen Personen in einem Raum zu befinden. Zudem hatte sie das Gefühl, nicht in diese Gruppe zu passen.

Das Abendessen war wie immer geschmacklos. Manchmal dachte Maria, der Hausküche waren die Gewürze ausgegangen. Jede der Speisen schmeckte gleich fade. Noch bevor sie einen Teil des Essens hinuntergewürgt hatte, kam ein Pfleger mit den Tabletten. Sie musste diese vor dem Personal einnehmen und diesmal blieb der Pfleger auch noch eine Weile, um zu sehen, ob die Medizin auch wirklich den Weg zum Magen fand. Anscheinend gab Dr. Schuh den Auftrag, intensiver darauf zu achten, weil sie schon des Öfteren welche wieder ausspuckte. Maria musste noch vor den strengen Augen des Mannes, nach Einnahme der Tabletten, einen Bissen vom Abendessen zu sich nehmen. Wütend riss Maria danach ihren Mund auf, um zu zeigen, dass sie alles hinuntergeschluckt hatte. In einen Gefängnis konnte es nicht strenger zugehen.

Als er wieder das Zimmer verließ, schob Maria das Essen zur Seite.

Warum behandelte man sie derart würdelos?

Mit Tränen in den Augen schaute sie erneut aus dem Fenster. Die Patienten waren wieder alle ins Haus zurückgekehrt. Eine Frau, die zum Personal gehörte, leerte die Mistkübel neben den Sitzbänken. Mit Handschuhen bewaffnet griff sie in die Behälter und warf den Inhalt in einen großen schwarzen Plastiksack.

Maria begann ein wenig zu schwanken. Die Tabletten begannen zu wirken und verursachten Schwindel. Besser sie legte sich ein wenig ins Bett. Gedanken konnte sie keinen mehr nachgehen, denn die Medikamente blockierten das Denken. Teilnahmslos lag sie da. Der Tag neigte sich dem Ende zu und obwohl sich Maria bereits in einen lethargischen Zustand befand, musste sie noch eine weitere Schlaftablette zu sich nehmen. Natürlich ebenfalls unter Beobachtung.

Besuch im Zimmer

Die darauffolgenden Tage lag Maria nur im Bett. Ihre Medikamente hatten sehr gravierende Nebenwirkungen. Das Personal brachte ihr Essen und holte es unberührt wieder ab. Flüssigkeit nahm sie lediglich zu sich, wenn man die Tabletten brachte. Maria stand nur auf, wenn sie auf die Toilette musste. Allerdings kam die Hygiene zu kurz. Ihr schien zurzeit alles egal zu sein und wäre sie in diesem Moment gestorben, hätte es ihr nichts ausgemacht.

Dr. Schuh war besorgt. Nebenwirkungen der Medikamente waren vorauszusehen, doch sollte diese extreme Phase nicht länger als eine Woche andauern. Normalerweise klangen sie danach ein wenig ab, bis sich der Körper schließlich daran gewöhnt hatte.

Er beschoss seine Patientin im Zimmer zu besuchen.

Zuerst bemerkte Maria seine Anwesenheit überhaupt nicht. Dr. Schuh rückte einen Stuhl nah ans Bett und setzte sich. Erst als er ihre Hand nahm drehte Maria ihren Kopf zu ihm.

Wie geht es ihnen Maria?“

Sie schaute den Arzt durch kleine Augenschlitze an.

Sie sollten nicht den ganzen Tag über nur im Bett liegen. Ihr Körper benötigt Essen und Bewegung.“

Ich will nicht.“

Eine Schwester holt sie in einer Stunde ab und geht mit ihnen in den Garten. Die frische Luft wird ihnen gut tun.“

Lassen sie mich in Ruhe.“

Nein Maria, so funktioniert das nicht.“

Ich möchte nicht in den Garten und auch keine dummen Fragen beantworten. Ich will einfach nur mein Leben zurück. Welches es auch immer sein mag.“

Ich weiß, aber das braucht Zeit. Sie waren sehr schwer verletzt. Geben sie sich Zeit.

Die Schwester holt sie gleich ab.“

Maria drehte ihren Kopf wieder zur Mauer.

Dr. Schuh begann ihren Blutdruck zu messen, er war zu nieder. Er wies an, dass Maria Tropfen gegen den niederen Blutdruck erhielt. Danach verabschiedete er sich wieder.

Ein Pfleger kam mit den Tropfen und hielt ihr ein Glas Wasser mit dem Medikament darin an die Lippen. Maria war zu kraftlos sich dagegen zu wehren und trank.

Einige Zeit später kam eine Schwester um sie abzuholen. Maria wollte allerdings nichts von einem Spaziergang wissen. Sie sträubte sich aufzustehen. Die Schwester begann an ihrem Arm zu ziehen, was Maria jedoch nur zornig machte. Es ging so weit, dass sie wie wild um sich schlug. Zwei Aufseher kamen zur Hilfe und zerrten die Patientin aus dem Bett. Maria tobte und schlug einen von ihnen ins Gesicht. Spontan wurde beschlossen sie in einen Rollstuhl zu setzen, in dem man Arme und Beine befestigen konnte. Wütend begann Maria zu fluchen. Da sie weiterhin tobte wurde die Schwester von einem der Aufseher begleitet. Es war zu gefährlich, denn Maria hätte mit dem Rollstuhl umkippen können.

Nun ging es trotz Widerstand in den Garten. Die Schwester versuchte beruhigend auf die Patientin einzureden. Doch wie sollte sich Maria entspannen, wenn sie gefesselt und gegen ihren Willen in einem Rollstuhl ins Freie gebracht wurde?

Irgendwann hörte sie auf zu toben. Die Aufregung machte sie sehr müde. Schlussendlich schlief sie im Rollstuhl ein. Die Schwester setzte sich auf eine der Bänke und stellte Maria im Schatten eines Baumes ab. Besser sie schlief vorerst einmal, denn ihr Geschrei tat den anderen Patienten nicht gut, die im Garten Ruhe suchten.

Zeitweise öffnete sie kurz ihre Augen, schloss sie aber wieder, sobald sie erkannte, nicht im Bett zu liegen. Andererseits hätte sie im Zimmer auch nur geschlafen, aber die Luft war draußen besser.

Plötzlich begann es zu regnen. Maria schreckte hoch und verlangte sofort wieder hineingebracht zu werden. Die Schwester verhielt sich ruhig und meinte, ein paar Tropfen würden sie nicht zum Schmelzen bringen. Zu Marias Unglück handelte es sich nur um eine Wolke die bald wieder vorbeigezogen war.

Mit grantiger Mimik saß sie in ihrem Stuhl. Andere Patienten gingen vorbei, oder wurden ebenfalls in einem Rollstuhl geführt. Allerdings waren die nicht angegurtet. Einige der Vorbeiziehenden lächelten Maria an, sie jedoch schenkte ihnen nur einen bösen Blick. Weiter weg saßen zwei Männer auf einer Bank. Sie schauten ständig zu ihr hinüber und lachten. Das machte Maria erneut wütend und sie rief zu ihnen hinüber:

Schaut nicht so blöd, ihr Affen!“

Die Schwester versuchte sofort einzulenken. Sie drehte Marias Rollstuhl in eine andere Richtung, damit sie nicht mehr zu den albernen Männern hinüberschauen konnte. Zornig auf die Schwester, versuchte sie die Drehung zu unterbinden, was ihr jedoch nicht gelang. Nun musste sie gezwungenermaßen die Schwester anschauen, die glaubte, Maria unterhalten zu müssen.

Wissen Sie, der Garten ist jetzt wirklich schön. Vor zwei Jahren gab es hier noch ganz alte Parkbänke, die schon kurz vorm Zerfallen waren. Ein ehemaliger Patient hat die neuen gespendet. Viele Menschen, die hier einen längeren Aufenthalt hatten, besuchen uns heute noch. Es geht ihnen besser und sie konnten wieder Fuß in der Gesellschaft fassen.“

Ich bin nicht freiwillig hier und besuchen werde ich euch sicher nicht mehr.“

Ja, jetzt denken Sie so, aber sie wissen noch nicht, was die Zukunft für Sie bereithält.“

Wenn es so weiter geht, nichts.“

Ach was. In ein paar Tagen geht es Ihnen besser und dann hilft Ihnen Dr. Schuh sich wieder zu erinnern.“

Die Erinnerung ist mir wurscht, ich will nur weg von hier.“

Ja, aber …“

Ruhe jetzt. Will nicht mehr plaudern.“

Mehr wollte die Schwester auch nicht. Sie musste laut Anweisung warten, dass Maria ein kurzes Gespräch mit ihr führte. Nun durfte sie wieder auf ihr Zimmer. Die Schwester winkte einem Aufseher zu, der ihr half, sie wieder ins Haus zu bringen.

 

Was Maria noch nicht wusste, es würde nicht der letzte Ausflug für sie sein. Frischluft stand ab nun öfter am Programm.

Erneut schlief sie tief und fest in ihrem Bett. Ein Pfleger weckte sie. Er hatte das Abendessen gebracht. Gleich wollte sich Maria wieder umdrehen, da kamen die zwei Wärter ins Zimmer. Sie zogen Maria aus dem Bett, setzten sie erneut in den Rollstuhl und schoben sie nah an den Esstisch im Raum. Der Pfleger gesellte sich zu ihr und begann sie zu füttern. So viel Aufmerksamkeit nur für sie? Hatten die Männer nichts Besseres zu tun?

Die Wärter blieben neben der Türe stehen. Sie hatten enorme Oberarme. Anscheinend wurden sie deshalb eingestellt, weil schon allein ihre Muskeln zu sehen einschüchternd wirkten.

Maria öffnete widerwillig ihren Mund. Zumindest war es nicht schon wieder ein Grießbrei, sondern Milchreis. Nach der Hälfte in der Schüssel spannte ihr bereits der Magen. Da sie schon länger nichts Festes zu sich genommen hatte, war dieser zu klein für die ganze Essensmenge. Da der Pfleger keine Ruhe gab, aß sie noch einen Löffel voll, aber dann war Schluss.

Drei Tage später war Maria wieder länger munter. Die Nebenwirkungen der Medikamente begannen schwächer zu werden. Dennoch war sie noch nicht für die Hypnose bereit. Es würde noch mindestens eine Woche dauern, bis sich die Depressionen zu legen begannen.

Dr. Schuh ordnete an, dass alle zwei Stunden nach der Patientin geschaut werden musste. Maria war ein besonderer Fall. Bei kaum einem Patienten waren die Begleiterscheinungen der Tabletten derart stark. Depression und Aggression waren eine gefährliche Mischung. Natürlich hätte er ihr auch noch etwas Beruhigendes geben können, doch er musste auf ihre Blutwerte achtgeben. Ihre Medikamente erhöhten sowieso schon Leber- und Nierenwerte.

Je besser ihr Zustand wurde, desto öfter begann Maria fad zu werden.

Der Spaziergang im Garten, den sie einmal so verflucht hatte, war nun ihr einziges Highlight am Tag. An diesem Morgen jedoch zeichnete sich bereits ein Regentag ab. Wo war sie blos, dass es hier so viel regnete?

Da sie nicht hinausdurfte, versuchte sie ein wenig mit dem Pfleger zu plaudern. Erst jetzt bemerkte Maria das Namensschild auf seiner Brust. Er hieß Fritz. Von nun an sprach sie ihn mit seinem Namen an.

Fritz war kein schöner Mann, aber sehr nett. Er bemerkte Marias Bedürfnis zu reden, also blieb er noch ein wenig. Sie redeten vom Essen. Maria fragte, ob es einen neuen Koch gab, weil das Essen plötzlich besser gewürzt war. Fritz verneinte, aber die Nebenwirkungen der Medikamente könnten schuld gewesen sein, dass sie erst jetzt die Gewürze bemerkte. Oft reduzieren sie am Anfang den Geschmacksinn. Es war ein gutes Zeichen, wenn er jetzt wieder zurückkam.

Als Fritz wieder gegangen war, wurde es still im Raum. Ja, von der Stille hatte Maria mehr als genug.

Hätte sie wenigstens einen Fernseher gehabt, dann könnte ein wenig Leben ins Zimmer kommen. Zurzeit gab es lediglich die Auswahl, beim Fenster hinaus zu schauen, starr ins Zimmer zu blicken oder zu schlafen.

Am Gang draußen wurde es plötzlich laut. Ein Patient begann zu schreien und die Wärter zu beschimpfen. Ein Gerangel war hörbar. Mehrere Stimmen sprachen durcheinander, obwohl man nicht genau hören konnte, was gesagt wurde, konnte die angespannte Situation erkannt werden. Gerade noch schrie der Patient und eine Sekunde später war es still. Maria wurde ein wenig unheimlich. Was tat man dem Mann da draußen blos an?

Sie entschied spontan, sich ins Bett zu legen und zog sich die Decke über den Kopf.