Zeuge und Aussagepsychologie

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Aus der Reihe: Praxis der Strafverteidigung #29
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[195]

BGH NStZ 2000, 496 = StV 2001, 551.

[196]

BGH NStZ 2000, 551 = StV 2002, 14 = BGHR StPO § 358 Abs. 1 Bindungswirkung 2.

[197]

BGH StV 2000, 243.

[198]

BGH NStZ 1999, 45 = StV 1998, 635 = BGHR StPO § 261 Aussageverhalten 17.

[199]

BGH NStZ 1997, 355 = StV 1998, 62.

[200]

BGH [1 StR 618/98] BGHSt 45, 164 = NJW 1999, 2746 = NStZ 2000, 100 = StV 1999, 473 = BGHR StPO § 244 Abs. 4 S. 1 Sachkunde 9 = StraFo 1999, 340 = PdR 1999, 113.

[201]

BGH StV 2007, 402.

[202]

BGH NStZ 2002, 495.

[203]

BGH NStZ-RR 2002, 146 = StV 2002, 470.

[204]

BGH NStZ 1999, 45 = StV 1998, 635 = BGHR StPO § 261 Aussageverhalten 17.

[205]

BGH StV 1992, 556.

[206]

BGH NStZ-RR 2008, 338.

[207]

BGH NStZ 2006, 650 = StV 2008, 239 = wistra 2006, 315.

[208]

BGH NJW 2005, 1671 = NStZ 2005, 394 = NStZ-RR 2005, 146.

[209]

BGH StV 2005, 487 = BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 32.

[210]

BGH NStZ 2003, 276 = NStZ-RR 2003, 16 = StV 2003, 656 = BGHR StPO § 261 Beweiskraft 4.

[211]

BGH StV 2003, 544 = StraFo 2003, 274.

[212]

BGH NStZ 2000, 496 = StV 2001, 551.

[213]

BGH NStZ-RR 2008, 349.

[214]

BGH StV 2009, 347 = StraFo 2008, 508.

[215]

„Schon der Ausgangspunkt des Landgerichts (UA S. 106), die zu den Taten dieses Angeklagten eher dürftige Schilderung des K. spreche eher für als gegen die Glaubhaftigkeit von dessen ursprünglicher Aussage, weil K. im Falle einer bewussten Falschaussage ohne Weiteres detaillierte Angaben zu den Taten des Al. hätte machen können, ist im Blick auf die aus aussagepsychologischen Untersuchungen gewonnenen Erfahrungsregeln (vgl. BVerfG NJW 2003, 2444, 2445; BGHSt 45, 164, 170 f.) zur Bedeutung des Detailreichtums als Glaubhaftigkeitskriterium zweifelhaft. Das Landgericht setzt sich mit seiner Wertung auch in Widerspruch zu seiner eigenen Beweiswürdigung im Übrigen, in der gerade der Detailreichtum der früheren Aussagen des K. als glaubhaftigkeitssteigernder Umstand gewürdigt wird.“

[216]

BGH NStZ 2007, 652 = StV 2007, 401.

[217]

BGH StV 2006, 683 = StraFo 2006, 332.

[218]

BGH NStZ-RR 2007, 195.

[219]

BGHSt 48, 301 = NJW 2003, 3212 = NStZ 2004, 30 = StV 2003, 611 = BGHR StGB § 13 Abs. 1 Garantenstellung 22.

[220]

BGH NStZ 2003, 565 = BGHR StPO § 406 Teilentscheidung 1.

[221]

BGH NStZ 2004, 575.

[222]

BGH StV 2002, 523.

[223]

BGH NStZ 2000, 496 = StV 2001, 551 – Detailarmut.

[224]

BGH BGHR StPO § 260 Abs. 1 Teilfreispruch 13.

[225]

BGH NStZ 2000, 217 = NStZ-RR 2000, 217 = StV 2000, 123 – Detailarmut.

[226]

BGH StV 2000, 243.

[227]

BGHSt 44, 256 = NJW 1999, 802 = StV 1999, 304 = BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 17.

[228]

BGH NStZ 1999, 45 = StV 1998, 635 = BGHR StPO § 261 Aussageverhalten 17.

[229]

BGH StV 1994, 358.

[230]

BGH StV 2007, 402.

[231]

BGH NStZ 1997, 355 = StV 1998, 62.

[232]

BGHSt 46, 93 = NJW 2000, 3505 = NStZ 2001, 212 = StV 2000, 593 = BGHR StPO § 141 Bestellung 4 = BGHR MRK Art. 6 Abs. 3d Fragerecht 1.

[233]

BGH NStZ-RR 2002, 176.

[234]

BGH NStZ 2000, 496 = StV 2001, 551.

[235]

BGH StV 2000, 243.

[236]

BGHR StPO § 261 Zeuge 19.

[237]

BGH NStZ 2000, 496 = StV 2001, 551.

[238]

BGH NStZ 1999, 45 = StV 1998, 635 = BGHR StPO § 261 Aussageverhalten 17.

[239]

BGH NStZ 1997, 355 = StV 1998, 62.

[240]

BGH NStZ 1997, 355 = StV 1998, 62.

[241]

BGH MDR 1993, 722.

[242]

Vgl. statt vieler Volbert in: Kröber/Steller, S. 171.

[243]

BGHSt = NJW 1999, 2746 = NStZ 2000, 100 = StV 1999, 473 = BGHR StPO § 244 Abs. 4 S. 1 Sachkunde 9 = StraFo 1999, 340 = PdR 1999, 113.

[244]

BGH [5 StR 419/09] – der BGH bekräftigt auch in dieser Entscheidung noch einmal die Bedeutung der Aussageentstehungsgeschichte, wonach Tatgerichte das Aussageverhalten des Zeugen zusammenhängend darzustellen und einer „erschöpfenden Würdigung“ zu unterziehen haben, wobei die Entstehung der jeweiligen Aussagen eingehender Feststellungen bedarf.

[245]

BGH NStZ-RR 2008, 349.

[246]

BGH StraFo 2009, 71.

[247]

BGH [2 StR 555/07] StV 2008, 238 = BGHR StGB § 182 Abs. 2 Selbstbestimmungsfähigkeit – Abweichungen im Kerngeschehen.

[248]

BGH StV 2008, 237.

[249]

BGH StraFo 2004, 209 – Abgrenzung Rand-/Kerngeschehen, widersprüchliche Zeitangaben „Winter/August“.

[250]

BGH NStZ-RR 2003, 118 = StV 2004, 305 = StraFo 2004, 134 – fehlende Konstanz ist nur von geringem Gewicht, wenn sie nicht den Kernbereich des Vorwurfs betrifft. Was Kernbereich ist und was Randbereich, ist eine Frage des Einzelfalls.

[251]

BGH NStZ 2003, 276 = NStZ-RR 2003, 16 = StV 2003, 656 = BGHR StPO § 261 Beweiskraft 4 – aus sich widersprechenden Angaben kann nicht auf Verdrängung geschlossen werden.

 

[252]

Abweichungen im Kernbereich.

[253]

BGH StV 2002, 470.

[254]

BGH NStZ 2000, 544 = BGHR StPO § 244 Abs. 4 S. 2 Sachkunde 3.

[255]

BGH NStZ 2000, 217 = NStZ-RR 2000, 217 = StV 2000, 123.

[256]

BGHSt 44, 153 = NJW 1998, 3788 = NStZ 1999, 43 = StV 1998, 580 = BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 15 = BGHR StPO § 265 Abs. 1 Hinweispflicht 15.

[257]

BGHSt 44, 256 = NJW 1999, 802 = StV 1999, 304 = BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 17.

[258]

BGH [1 StR 55/00] NStZ 2000, 436; [1 StR 156/00] NStZ 2000, 496 = StV 2001, 551.

[259]

BGH [1 StR 258/98].

[260]

BGH [1 StR 156/98] BGHSt 44, 308 = NJW 1999, 657 = StV 1999, 74 = BGHR StPO § 136a Abs. 1 Zwang 5 = BGHR StPO § 244 Abs. 3 S. 2 Ungeeignetheit 19.

[261]

BGHSt 5, 332.

[262]

BGH [1 StR 618/98] BGHSt 45, 164 = NJW 1999, 2746 = NStZ 2000, 100 = StV 1999, 473 = BGHR StPO § 244 Abs. 4 S. 1 Sachkunde 9 = StraFo 1999, 340 = PdR 1999, 113.

[263]

BVerfG [2 BvR 2045/02] NJW 2003, 2444 = NStZ-RR 2003, 299 = StV 2003, 593.

[264]

BGH [3 StR 389/97] NStZ-RR 1998, 276 = StV 1999, 80: Kann sich der Tatrichter „auf nachvollziehbare Gründe stützen, darf er einem Zeugen selbst dann Glauben schenken, wenn dieser sich in anderem Zusammenhang nicht an die Wahrheit gehalten hat“; vgl. auch BGH [5 StR 316/96] StV 1996, 648 und die Rechtsprechung zur „Teilglaubhaftigkeit“.

[265]

Vgl. Steller in: Kröber/Steller, S. 1: „Bereits der Volksmund weist auf die weite Verbreitung einer charakterbezogenen Glaubhaftigkeitseinschätzung hin (‚Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht‘) gleichzeitig macht der Volksmund aber die Fehlerhaftigkeit dieser Beurteilungsstrategie deutlich („und wenn er auch die Wahrheit spricht“).

[266]

BGHSt 52, 314 = NJW 2008, 2792 = NStZ 2008, 647 = NStZ-RR 2008, 352 = BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 15.

[267]

BGH StV 2007, 240 = NStZ-RR 2007, 301 = StraFo 2007, 120.

[268]

BGH StV 1994, 6.

[269]

BGH NStZ-RR 2009, 248.

[270]

BGH StraFo 2008, 82.

[271]

BGH NJW 2005, 2466 = NStZ 2005, 648 = StV 2006, 113 = BGHR StPO § 231b Ausschluss 1 = BGHR StPO § 244 Abs. 2 Missbrauch 2 = BGHR StPO § 244 Abs. 3 S. 2 Prozessverschleppung 14 = BGHR StPO § 246 Abs. 1 Fristsetzung 1 = BGHR StPO § 258 Abs. 3 Letztes Wort 5.

[272]

BGH NStZ 2000, 546 = StV 2002, 3 = BGHR StPO § 52 Abs. 1 Verweigerung 4.

[273]

BGH NStZ 1999, 423 = BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33.

[274]

BGH NStZ 1998, 265.

[275]

BGH NStZ 1994, 597 = StV 1995, 341 = BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 24.

[276]

Vgl. nur BGH NStZ 2004, 51 = StV 2003, 150 = BGHR StGB § 212 I Vorsatz, bedingter 55 = BGHR StPO § 261 Aussageverhalten 23.

[277]

Siehe zur aussagepsychologischen Exploration von Geständnissen und Widerrufen Teil 3 VII (Rn. 658 ff.) in diesem Buch.

[278]

BGH StV 2009, 629 = StraFo 2009, 423 = BGHR StPO vor § 1 faires Verhalten Vereinbarung 1.

[279]

BGH StraFo 2009, 23.

[280]

BGH NJW 2007, 92 = StV 2007, 115.

[281]

BGH NStZ-RR 2004, 238.

[282]

BGH NStZ 2004, 51 = StV 2003, 150 = BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 55 = BGHR StPO § 261 Aussageverhalten 23.

[283]

BGH StV 2002, 260.

[284]

BGH StV 2001, 440.

[285]

BGH NStZ 1999, 153.

Teil 1 Zeugenaussage › IV. Gutachteneinholung

IV. Gutachteneinholung

Teil 1 Zeugenaussage › IV › 1. Zur Beurteilung der Aussagekompetenz

1. Zur Beurteilung der Aussagekompetenz

100

Im Nachfolgenden wird die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Beurteilung der Aussagekompetenz dargestellt. Es geht um die Frage, wann sich das Gericht auf die eigene Sachkunde berufen kann und wann es der Gutachteneinholung durch einen Psychiater bzw. Aussagepsychologen bedarf.

a) Eigene Sachkunde des Gerichts

101

Die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen ist die ureigenste Aufgabe des Tatrichters[1]. Aussagepsychologische Fragen stellen keine abgelegene Materie dar.[2]

Auch bei kindlichen Zeugen ist in der Regel die Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens nicht erforderlich, denn nicht nur die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussagen Erwachsener, sondern auch von kindlichen und jugendlichen Zeugenaussagen ist grundsätzlich Sache des Tatrichters[3]. Dabei darf sich vor allem eine erfahrene Jugendschutzkammer – nach BGH[4] –, die Aussagebeurteilung in aller Regel auch bei Angaben zu Taten in der frühen Kindheit des Zeugen zutrauen.

Auch jugendliches Alter und Drogenabhängigkeit begründen weder jeweils für sich noch in einer Gesamtschau die Notwendigkeit, einen aussagepsychologischen oder gar einen psychiatrischen Sachverständigen hinzuzuziehen[5].

b) Hinzuziehung eines Sachverständigen

102

Welche besonderen Umstände es notwendig machen, dass der Tatrichter sich bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen sachverständiger Hilfe bedient, entzieht sich weitgehend generalisierender Festlegung, sondern ist stets fallbezogen zu entscheiden[6]. Die Begutachtung erwachsener Zeugen ist eher die Ausnahme. Ein Anlass kann die Frage sein, ob der Zeuge aussagetüchtig ist – er also zutreffend wahrnehmen und sich erinnern und das Erinnerte zutreffend wiedergeben kann.

Die Rechtsprechung fordert in einem besonderen Fall, dass sich der Tatrichter sachverständiger Hilfe bedienen muss und sich nicht auf seine möglicherweise nicht ausreichende eigene Sachkunde verlassen darf.

103

Besonderer Fall. Ein besonderer Fall liegt vor, wenn der Sachverhalt solche Besonderheiten aufweist, dass Zweifel aufkommen können, ob die Sachkunde des Gerichts zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit unter den gegebenen besonderen Umständen ausreicht[7], so – nach BVerfG – wenn Fallparallelen im sozialen Nahbereich, psychische Auffälligkeiten oder suggestive Befragungen durch mehrere Verwandte vorliegen. Nach BGH kann eine Gutachteneinholung z. B. dann erforderlich sein, wenn sich der Zeuge erst aufgrund einer Hypnose erinnert[8], er unter einer Depression leidet und neurotische Angst hat[9], bei zum Zeitpunkt der Anzeigenerstattung bestehendem Vertrauensverhältnis des Zeugen zu dem von ihm Beschuldigten[10] sowie bei langjährigem Drogenkonsum und akuter Intoxikation zur Tatzeit[11].

104

Detailarmut. Fehlen detaillierte Angaben des Zeugen im Ermittlungsverfahren oder einer markanten und unverdächtigten Offenbarungssituation, ist die Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens naheliegend.[12]

105

Suggestive Befragungen. Für die Frage, ob ein Glaubhaftigkeitsgutachten einzuholen ist, können – nach BGH[13] – folgende Gesichtspunkte eine Rolle spielen:


intensive und (teils) suggestive Befragungen durch Bezugpersonen des Kindes,
der Zeuge ist von geringem Alter,
zwischen den behaupteten Taten und deren Offenbarung ist mehr als ein Jahr vergangen,
der Zeuge wird beim „Doktorspiel“ erwischt,
Verwendung der kindlichen Aussagen im Sorgerechtsstreit. Entscheidend ist immer die Beurteilung im konkreten Fall.

106

Anderweitige Falschbelastung. Der BGH hat in einem Fall, in dem sich die Zeugin in einer vor dem Tatzeitraum beginnenden, in diesen hineinreichenden und sich später wieder fortsetzenden psychotherapeutischen Behandlung befand, wenige Monate nach der Anzeigeerstattung einen Suizidversuch unternahm und einen Jungen absichtlich der Vergewaltigung falsch belastete, die eigene Sachkunde des Gerichts verneint[14].

107

Islamischer Kulturkreis. Aus Sicht des BGH ist die Aufklärung des sozio-kulturellen Hintergrunds zur Beurteilung der Zeugenaussage mittels eines Glaubhaftigkeitsgutachtens nicht notwendig, da „die Bedeutung der sexuellen Unberührtheit im türkisch-islamischen Kulturkreis inzwischen jedem mit Sexualdelikten zum Nachteil von Türkinnen befaßten Gericht bekannt ist“.[15]

108

Psychische Auffälligkeiten. Bei psychischen Auffälligkeiten muss im Einzelnen beschrieben werden, ob und wie sie sich konkret auf die Aussagefähigkeit ausgewirkt haben können.[16]

Geistig behinderte Zeugen, deren dauerhafte Beeinträchtigung auf einen in der Vergangenheit liegenden, abgeschlossenen hirnorganischen Prozess zurückgeht, sind nicht stets auch psychiatrisch zu begutachten. Vielmehr ist das eine Frage des Einzelfalles und der jeweiligen Umstände.[17]

 

109

Selbstverletzendes Verhalten. Selbstverletzendes Verhalten kann Ausdruck einer Borderline-Persönlichkeitsstörung sein[18] und kann damit Auswirkungen auf die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage haben.

110

Schizophrene Psychose. Wenn bei dem Zeugen eine schizophrene Psychose bereits im Tatzeitraum vorgelegen hat, können sich krankheitsbedingte Realitätsverkennungen auf die Wahrnehmungsfähigkeit während des Geschehens ausgewirkt und den Inhalt seiner Aussagen beeinflusst haben. Dann reicht die eigene Sachkunde des Gerichts nicht aus.[19]

111

Schädelhirntrauma. Für die Frage, ob sich ein noch nicht lange zurückliegendes, schwerwiegendes Schädelhirntrauma auf die Zeugentüchtigkeit auswirken kann, reicht die eigene Sachkunde von Richtern regelmäßig nicht aus. Für ein schweres Trauma kann die lange Dauer eines komatösen Zustandes sprechen[20].

Sind nach der Einschätzung des Sachverständigen wegen des Zeitablaufs keine Erkenntnisse mehr zu erwarten, kann es ausreichen, dass er sich über wissenschaftliche Erfahrungssätze im Hinblick auf den Zusammenhang von Schädel-Hirn-Verletzungen und Zeugentüchtigkeit äußert. Unter Umständen wird der Sachverständige – die Zustimmung des Zeugen vorausgesetzt – auch Aufschlüsse aus den Unterlagen über die ärztliche Behandlung gewinnen können.[21]

112

Sachverständiger im ersten Durchgang. In einem Fall ging es darum, dass ein psychologischer Sachverständiger vor der zuerst erkennenden Strafkammer zu dem Ergebnis gelangt war, dass die Zeugentüchtigkeit, das Aussageverhalten und der Motivationshintergrund keine Anhaltspunkte böten, „an der Annahme dieser Realitätshypothese erhebliche Zweifel“ zu begründen. Dem hatte sich der erste Tatrichter angeschlossen, was dem vom letzten Tatrichter gewonnenen Ergebnis diametral entgegenstand; allerdings hatte die Zeugin inzwischen Aussagen gemacht, die in ihren früheren Angaben nicht enthalten waren (…). Bei solcher Fallgestaltung lag es – nach BGH[22] – nahe, den psychologischen Sachverständigen oder einen anderen Sachverständigen, der dessen Erkenntnisse zu berücksichtigen gehabt hätte, zu hören.

113

Beschuldigter – Aussagefähigkeit. Der BGH hat die Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens in einem Fall als sachgerecht erachtet, in dem bei dem „Angeklagten eine Minderbegabung mit psychosozialer und psychosexueller Retardierung“ bestand und er seine im Ermittlungsverfahren abgegebenen Geständnisse in der Hauptverhandlung widerrufen hat, um die Glaubhaftigkeit der Geständnisse bzw. des Widerrufs und der Angaben in der Hauptverhandlung verlässlich prüfen zu können.

114

Beschuldigter – Berücksichtigung der besonderen Haftsituation. In einem anderen Fall ist der BGH von der Sachkunde der Schwurgerichtskammer ausgegangen, um die Angaben des Angeklagten gegenüber der Polizei über seine Vorstellungen vor und während des Tatgeschehens auf ihre Glaubhaftigkeit zu überprüfen: „Auch bei Berücksichtigung der besonderen Haftverhältnisse mit ihren einschneidenden Beschränkungen, denen der Angeklagte bis zu seiner polizeilichen Vernehmung unterlag, war keine derartige Ausnahmesituation gegeben, dass für deren Beurteilung die Sachkunde des Gerichts nicht ausgereicht hätte und der Beistand eines psychologischen Sachverständigen erforderlich gewesen wäre.“[23]

c) Auswahl des Sachverständigen

115

In Entscheidungen aus dem Jahr 1996 hat der BGH es noch dem Tatrichter überlassen, ob er für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen einen Psychologen oder Psychiater beauftragt.

116

Psychiater. Die Beurteilung geistiger Erkrankungen obliegt nach gefestigter Rechtsprechung des BGH dem Psychiater:



Dieser Grundsatz ist noch einmal in der Entscheidung des 1. Strafsenates [1 StR 5/02][28] wiederholt worden: „Der besonderen Sachkunde eines Psychiaters bedarf es allenfalls dann, wenn die Zeugentüchtigkeit dadurch in Frage gestellt ist, daß der Zeuge an einer geistigen Erkrankung leidet oder sonst Hinweise darauf vorliegen, daß die Zeugentüchtigkeit durch aktuelle psychopathologische Ursachen beeinträchtigt sein kann. Die Beurteilung solcher krankhafter Zustände setzt besondere medizinische Fachkenntnisse voraus (vgl. BGHSt 23, 8, 12 f.; BGHR StPO § 244 Abs. 4 Satz 1 Glaubwürdigkeitsgutachten 4; Steller/Volbert, Praxis der Rechtspsychologie, Sonderheft 1, November 2000, S. 102, 112 ff.).“

117

Aussagepsychologe. Der Aussagepsychologe ist hinzuzuziehen bei der Beurteilung des Zustandekommens der Aussage, also zur Beurteilung normalpsychologischer Varianten der Aussagekompetenz.[29]

118

Hinzuziehung eines Psychologen als weiteren Sachverständigen. Geht es um Auffälligkeiten in der Person des Zeugen, die keinen Einfluss auf dessen Zeugenkompetenz haben, „kann der Tatrichter davon absehen, einen Psychologen als weiteren Sachverständigen zur Glaubwürdigkeit des erwachsenen Zeugen zu hören“[30]. Hiervon abweichend hat der BGH[31] aber in einer jüngeren Entscheidung aus dem Jahr 2002 es dem Tatrichter überlassen, ob bei einer persönlichkeitsgestörten Zeugin ein Jugendpsychiater oder ein Aussagepsychologe hinzuzuziehen ist.

119

Therapeut kann nicht Sachverständiger sein. Ist der Zeuge in therapeutischer Behandlung, genügt die Stellungnahme des behandelnden Psychiaters und Psychologen nicht, da im Rahmen der Therapie ihres Patienten im Vordergrund ihrer Aufgabe nicht die Frage des Wahrheitsgehalts der Äußerungen des Patienten steht, sondern die Behandlung etwa einer Persönlichkeitsstörung, „um die Minderung subjektiv empfundenen Leidensdrucks und um Verhaltensänderungen (vgl. dazu nur BGH 1 StR 40/02). Überdies steht einem als Zeugen vernommenen, früher behandelnden Therapeuten regelmäßig nicht diejenige umfassende Erkenntnisgrundlage zur Verfügung, die einem das Gericht beratenden Sachverständigen zugänglich ist. Diesem liegen regelmäßig auch die Strafakten mit allen bis dahin angefallenen Ermittlungsergebnissen offen; er wird zumeist an der Beweisaufnahme teilnehmen und den Zeugen im Falle von dessen Einverständnis auch explorieren, vor allem aber seine Bewertung gezielt und allein im Blick auf den Wahrheitsgehalt der Aussage vornehmen“[32].

Teil 1 Zeugenaussage › IV › 2. Zur Beurteilung der Aussagequalität