THE END – DIE NEUE WELT

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Aus der Reihe: The End #1
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»Was meinen Sie damit, unsere Schätzungen seien falsch?«, unterbrach Conner.

»Sir, ich weiß, dass Ihnen der Begriff Super-EMP etwas sagt, korrekt?«

»Jawohl, General, das tut er.«

»Nun, Sir, anhand der Meldungen, die wir vom Feld erhalten, und beruhend auf unseren Erfahrungen, übertraf diese elektromagnetische Strahlung alle bis dato ermittelten Werte. Ihnen ist wohl bewusst, dass eine gewöhnliche Atomexplosion in der Erdatmosphäre, wie unsere Tests und eigenen Schätzungen zeigten, weite Teile des Netzes ausgeschaltet, aber keinen so umfassenden Schaden angerichtet hätte. Diese Explosion hingegen scheint alle modernen Fortbewegungsmittel zu betreffen, die meisten Elektrogeräte und so weiter. Keiner unserer Versuche ließ auf eine derart übergreifende Beeinträchtigung schließen. Deshalb nehmen wir an, wohlgemerkt ohne es genau zu wissen, dass diese Bombe auf eine noch intensivere Gammastrahlung hin entwickelt wurde … oder wie der Laie sagt: für einen Super-EMP.«

»Woher wissen Sie genau, dass der Strom überall in den USA ausgefallen ist?«

»Sir, Dank SIRPNet können wir immer noch mit Korrespondenten im gesamten Land kommunizieren.«

»Dank was?«, fragte Conner.

»Sir, ich meine das sichere Netzwerk des Verteidigungsministeriums. Viele der damit verbundenen Internetserver sind gehärtet, wie man es nennt.«

»Na, Gott sei Dank.« Conner seufzte laut. »Was unternehmen wir gegen den Stromausfall? Wie können wir die Regierung unterstützen?«

»Momentan kaum, Sir. Wir agieren praktisch führungslos, und auf allen Basen herrschen chaotische Umstände, von den Geschehnissen in Washington ganz zu schweigen.«

»Dann kommen wir jetzt darauf zu sprechen: Was ist dort vorgefallen?«

»Ach, Sir …« Griswald geriet ins Straucheln. Er blickte zu James hinüber, dann wieder zu Conner, und schwieg.

Letzterem entging der Blick zum Lieutenant-Colonel nicht, also suchte er jenen von Griswald und drängte ohne Umschweife: »Was, General? Was passierte dort?«

»Sir, uns wurde ein zweiter Anschlag bestätigt, eine Kernwaffe mit geringer Explosionskraft – detoniert am Boden, Nullpunkt Washington D.C.«

»Sind Sie sicher?«

»Sir, wir erhielten die Bestätigung. Gegenwärtig stehen wir mit einem E6B des Marineluftstützpunkts Pax River in Kontakt. Sie haben die Region überflogen, und es steht fest, dass Washington D.C. attackiert wurde.« Griswald machte eine Pause, ehe er endete: »Sir, die Stadt existiert nicht mehr.«

San Diego, Kalifornien

Gordon brauchte deutlich länger, um mit dem Rad nach Hause zurückzukehren, als er gedacht hatte. Als er zum ersten Mal bergab fuhr, bekam er Probleme, denn durch das Gewicht des vollen Anhängers ließ sich die Geschwindigkeit nur äußerst schwierig regulieren. Bergauf zu radeln war andererseits schlicht unmöglich, weshalb er Rad und Hänger auf den restlichen Metern schieben musste. Der Schweiß stand ihm im Gesicht und tränkte seine Kleidung. Überall entlang des Camino del Sur, der Hauptzufahrtsstraße in seine Siedlung, standen verlassene Autos auf allen Spuren. Die meisten Besitzer hatten mittlerweile aufgegeben und waren nach Hause gegangen. Obwohl Gordon nach seinem Austritt beim Marinekorps relativ fit geblieben war, bereitete ihm das Schieben des Fahrrads einige Mühen.

Als er an der Kreuzung Camino del Sur und Carmel Valley Road die Hügelkuppe erklommen hatte, gönnte er sich endlich eine Pause. Er setzte sich auf den Gehsteig, trank etwas Wasser und kam auf den Gedanken, noch ein Geschäft zu Fuß aufzusuchen, wenn er diesen Trip hinter sich hatte. Je besser sie sich eindeckten, desto länger könnten sie aushalten. Ihm war klar, dass er nicht umhinkam, seinen Nachbarn zu offenbaren, was er wusste, doch die bestmögliche Versorgung seiner eigenen Familie ging vor. Während er dasaß und den Kopf hängen ließ, sah er dabei zu, wie der Schweiß von seiner Stirn und dem Kinn auf das Pflaster tropfte. Als ihm der kühle Wind ins Gesicht wehte, fiel ihm zum ersten Mal die ungewöhnliche Stille auf. Statt Automotoren hörte er das Flügelrauschen der Vögel. Wie eigenartig, so dachte er, wie friedlich die Umgebung in diesem Augenblick wirkte … Sicher, diese Idylle ginge vorüber, sobald die Leute erfuhren, was sich ereignet hatte.

Gordon hatte sich eigentlich nie vor dem Tod gefürchtet … jetzt schon. Falls ihm etwas zustieß, wie sollte seine Familie überleben? Eine ausdauerndere Frau als Samantha gab es kaum; sie hatte als Handelskauffrau für einen Großkonzern gearbeitet und hohe Gewinne erzielt, war aggressiv und kam immer gleich zur Sache, blieb nüchtern und ließ sich von niemandem etwas vormachen. So kernig zu sein hatte in einem eng begrenzten Umfeld etwas für sich, doch nun ging es nicht darum, in einem Sitzungssaal Biss zu beweisen. Die Realität dessen, was auf sie zukam, war beängstigend. Die Lebensweise der Menschen würde sich für immer ändern, und einzig jene, die sich schnell anpassten, konnten durchkommen.

Falls sich Gordons Befürchtungen bestätigten, waren die Vereinigten Staaten im Handumdrehen in die Zeit vor der Industriellen Revolution zurückgeworfen worden. Kämpfe um Ressourcen – insbesondere um Nahrung und Wasser – würden ausbrechen. Elektrizität hatte es diesem Land und der Gesellschaft generell ermöglicht, Massen von Menschen zu ernähren, aber ohne Strom geriet dieses Gleichgewicht unversehens aus den Fugen. Die Region, in der sie wohnten, gab nicht genug Erträge her, um 3,2 Millionen Bürger zu versorgen. Nicht lange, und es käme zur Verknappung, zunächst von Wasser und dann von Nahrungsmitteln. Gordon konnte den Gedanken daran nicht ertragen, weshalb er in Bewegung bleiben musste und sich entschlossen hatte, noch einem zweiten Abstecher an diesem Tag zu unternehmen, den er allerdings abschreiben musste, falls er nicht schleunigst nach Hause gelangte.

Gerade als er das Rad weiterschieben wollte, hörte er hinter sich ein vertrautes Geräusch. Es klang nach einem Auto, und zwar mit nicht wenig PS unter der Haube. Er blieb wieder stehen, drehte sich um und wartete. Das Brummen wurde lauter, das Fahrzeug kam auf ihn zu. Oben auf dem Hügel erschien ein kirschroter 1957er Chevy mit offenem Laderaum. Der Wagen kam ihm bekannt vor, also streckte er einen Arm aus und winkte. Der Fahrer lenkte ein und hielt gleich vor ihm an.

Gordon beugte sich nach vorne und schaute auf der Beifahrerseite hinein. Der Mann hinterm Lenkrad neigte sich ihm zu, um die Scheibe herunterzukurbeln.

»Hey, Sportsfreund«, grüßte er.

»Jimmy, wie geht’s?«, erwiderte Gordon.

»Ganz schöne Misere, was?«, fragte Jimmy und zeigte auf das Rad mit dem Anhänger. »Was geht hier vor sich?«

Gordon stockte und war geneigt, seinem Bekannten eine ehrliche Antwort zu geben. Während er die Lage einmal mehr im Kopf durchspielte, dämmerte ihm, dass sich seine Familie nur dann langfristig behaupten konnte, wenn sie sich mit anderen zusammenschlossen.

»Ich war zum Einkaufen im Supermarkt«, antwortete er letztlich. Dabei streckte er sich weiter durchs Fenster hinein und schilderte seine Theorie: »Jimmy, wenn du meine Vermutung hören willst, so haben wir gerade einen Atomangriff erlebt.«

»Atomangriff?«

»Klar, du denkst bei nuklearen Explosionen an weitreichende Verwüstung, und dazu kommt es auch tatsächlich, wenn die Bombe auf der Erde oder in niedriger Höhe zündet, aber geschieht dies hoch oben in der Atmosphäre, entsteht ein sogenannter Elektromagnetpuls. Im Grunde genommen bedeutet das den Tod aller elektrischen Geräte.«

»Nun mal langsam, Gordon. Da wird einem ja schwindlig.«

»Jimmy, die Welt geht praktisch vor die Hunde, das kannst du mir glauben. Ich bin mir absolut sicher, dass dies kein herkömmlicher Stromausfall ist wie vor ein paar Jahren. Elektronische Komponenten sind davon betroffen – in Autos, Telefonen, überall.« Gordon sprach immer schneller.

»Dann muss ich nach Hause«, sagte Jimmy und umfasste seinen Schaltknüppel.

»Warte noch kurz, deiner Familie geht es bestimmt gut. Wir zwei sollten uns gegenseitig unter die Arme greifen, um möglichst geschwind Vorräte zu beschaffen. Das gestaltet sich jetzt noch recht einfach, doch warte ab, bis die Panik ausbricht und damit auch das totale Chaos …«

Jimmy erwiderte Gordons Blick und fragte: »Du weißt das alles mit absoluter Sicherheit?«

»Die Tragweite des Angriffs kenne ich nicht, aber du siehst ja, wie ich hier dieses Ding schiebe.« Gordon verwies nun selbst auf seinen übervollen Anhänger.

»Mensch, ich muss heimfahren und nachsehen, ob mit meinen Leuten alles okay ist.«

»Verstehe, aber tu dann wenigstens Folgendes, sobald du dort bist: Lass Wasser in jede Wanne und jedes Becken ein, mach alle Behälter voll, egal was. Aus den Hähnen wird bald nichts mehr fließen. Sobald du dich sicher genug fühlst, komm bitte zu meinem Haus, und dann brechen wir zu einem anderen Markt auf, um noch mehr Lebensmittel und Vorräte zu kaufen.«

»Alles klar, bis nachher.« Und schon fuhr Jimmy los, als hätte er das Ende des letzten Satzes gar nicht erst abwarten wollen. Gordon schaute hinterher, während der Chevy beschleunigte und den endlosen Hindernisparcours aus defekten Fahrzeugen im Zickzackkurs nahm. Erst jetzt dachte er daran, dass weder sein Freund noch er selbst klar bei Trost sein konnte, denn ansonsten hätte er ihn mitgenommen oder Gordon hätte ihn darum gebeten.

»Was bin ich für ein Vollidiot!«, schimpfte er über sich selbst, als Jimmys Wagen wieder hinter der Kuppe verschwand.

Gordon brauchte noch eine halbe Stunde, bis er daheim ankam. Er stellte das Rad vor dem Haus ab und rannte zur Tür. Die Tour hatte ihm zwar eine Menge Kraft geraubt, doch er musste schleunigst abladen, um erneut loszuziehen.

 

Er öffnete die Tür und rief nach Samantha, während er über den Flur zur Küche ging, um sich ein Handtuch zu holen. Schließlich war er schweißgebadet.

»Daddy, Daddy!«, gellte Haley aus dem Obergeschoss. Dann hörte er sie die Treppe herunterkommen.

»Daddy, Daddy!«, wiederholte sie, als sie in die Küche platzte.

Gordon bückte sich und breitete die Arme aus. Haley lief mit Wucht hinein.

»Igitt, Daddy. Du bist ja ganz nass!« Sie wand sich aus seiner Umarmung.

»Tut mir leid, Liebes, aber Daddy hat geschuftet.«

Samantha kam herein und herzte ihn ebenfalls.

»Ich bin froh, dass dir nichts zugestoßen ist.«

»Danke Schatz. Nicht, dass ich etwas gegen euren Empfang hätte, aber ich muss das Rad hereinbringen, und Jimmy kann jeden Moment hier auftauchen.«

»Warum das?« Samantha klang äußerst neugierig, wegen dieser neuen Wendung.

»Bin ihm auf dem Nachhauseweg vom Supermarkt begegnet. Übrigens war mein Einkauf ein voller Erfolg. Ich habe Jimmy erklärt, wie ich die Lage einschätze. Sein Auto funktioniert noch, also fahre ich mit ihm zu Ralph's ins Wohngebiet 4S Ranch, um noch mehr Sachen zusammenzutragen.« Gordon tupfte sich trocken, während er sein Vorhaben offenlegte.

»Was sollen wir tun, solange du fort bist?«

»Warum geht ihr nicht zu Jimmys Haus und leistet Simone Gesellschaft?«, schlug er vor. »Den Kindern wird’s gefallen, und du kannst ihr helfen, falls sie versäumt hat, die eine oder andere Vorkehrung zu treffen.« Nachdem er das Tuch auf die Arbeitsplatte geworfen hatte, ging er in die Garage.

Er zog den Riegel des Garagentors zurück und hob es an. Kaum, dass er nach draußen trat, kam der ältere Herr zu ihm gelaufen, der zwei Häuser weiter wohnte.

»Haben Sie gehört?«, fragte der Nachbar aufgeregt, »Der Stromausfall hängt mit einem Terrorangriff zusammen.«

»Woher wollen Sie das wissen?«, erwiderte Gordon. Er stemmte die Hände in die Hüften und schaute den Alten gewollt skeptisch an.

»Ich besitze ein Radio mit Handkurbel, und der Katastrophenfunk hat einen Warnruf aufgegeben, der alle paar Minuten wiederholt wird. Darin ist die Rede von einem Anschlag auf unsere Stromversorgung und einer Explosion an der Ostküste. Bislang klingt das alles noch ziemlich unklar.«

»Was besagt die Meldung noch?«

»Nichts weiter. Man empfiehlt uns, in den Häusern zu bleiben, und hat eine stromlose Zeit von ein paar Tagen angekündigt.«

Gordon schnaubte geringschätzig in sich hinein, da für ihn klar war, dass es viel länger dauern würde. Dann fragte er sich, was es mit dem erwähnten Angriff im Osten auf sich hatte. Allerdings konnte er nicht noch mehr Zeit vergeuden, zumal diese Nachricht schlussendlich an die Öffentlichkeit dringen und sich rasch verbreiten würde.

»Ich komme vielleicht später zu Ihnen hinüber und höre es mir an. Falls Sie noch etwas erfahren, lassen Sie es mich wissen«, bat Gordon und widmete sich seinem Rad.

»Sieht so aus, als rechneten Sie damit, dass der Strom länger wegbleibt«, bemerkte der Nachbar mit Bezug auf die Menge an Lebensmitteln und Gebrauchsgütern.

»Ich bin gerne gerüstet«, erklärte Gordon. Immer noch rang er mit sich selbst: Sollte er seine Erwägungen schon mit anderen teilen, bevor er weitere Vorräte angehäuft hatte?

Das Motorengeräusch von Jimmys Chevrolet beendete ihre Konversation. Der Alte fuhr überrascht herum.

»Ihr Wagen läuft?«, fragte er, während er zu Jimmy lief.

Gordon schob sein Fahrrad in die Garage, wo Samantha mit Haley wartete.

»Wo ist Hunter?«, wunderte er sich.

»Er hält oben Wache«, antwortete Samantha.

»Gut.« Gordon nickte.

Hinter ihm fragte der Nachbar: »Darf ich mit Ihnen kommen?«

Gordon drehte sich um und schüttelte den Kopf, sodass es seinem Freund nicht entging. Jim zog die Schultern hoch und entgegnete dem Mann: »Tut mir leid, wir haben nicht genug Platz.«

Er selbst war klein und schlank, wobei er ständig aussah, als gehe er ins Bett, ohne seine Klamotten vorher abzulegen. Sein schulterlanges, braunes Haar kämmte er selten. Gordon vermutete, Jimmy sei sein Geschäft beziehungsweise seine Familie wichtiger als sein Äußeres. Er war ein erfolgreicher Unternehmer im Zentrum von San Diego.

Samantha machte sich laut bemerkbar: »Gordon!«

Er ging zu ihr und flüsterte: »Wir haben wirklich keinen …«

»Wir sollten anfangen, unseren Nachbarn zu …«, unterbrach sie und bekam gleich selbst das Wort abgeschnitten. »Nochmal: Wir haben keinen Platz, Sam. Das ganze Zeug muss irgendwo verstaut werden. Der Mann ist momentan unwichtig für mich; ich sorge mich um dich und die Kinder.«

»Bei aller Liebe, Gordon, so werden wir nicht überleben. Wir müssen auf unsere Nachbarn zugehen«, beteuerte sie.

»Hör mal, Sam, ich kenne nicht einmal seinen Namen, aber wie dem auch sei: Ich muss los und noch mehr einkaufen. Bitte vertrau mir und stell dich nicht quer.«

»Ich finde, du irrst dich, aber belassen wir es dabei. Ich hole Hunter von oben, dann gehen wir zu Simone.« Damit wandte sie sich ab und nahm Haley mit ins Haus.

Gordon sah ihr hinterher. So ernst er seine Frau nahm, so wenig wollte er in diesem Punkt nachgeben. Der Schutz seiner Familie hatte Vorrang, Nachbarschaftshilfe folgte mit weitem Abstand.

»Wie gesagt, eventuell bringen wir Ihnen etwas Eis mit, aber mitfahren können Sie nicht«, bekräftigte Jimmy vor dem Alten an der Seite seines Chevys.

»Verzeihung, mein Name ist Gordon.« Er trat seinem Nachbarn mit ausgestreckter Hand entgegen.

»James«, stellte sich dieser vor und schüttelte die Hand.

»Was brauchen Sie? Wir könnten Ihnen das eine oder andere besorgen – gesetzt den Fall, wir kommen dazu, denn der Supermarkt könnte geschlossen sein.«

»Ich hätte gern abgepacktes Eis für meine Gefrierwaren und Batterien«, gab James an, »sowohl Typ D als auch AA.«

»In Ordnung, wir werden sehen, was wir bekommen können. Sobald wir zurück sind, lassen wir es Sie wissen«, versprach Gordon.

»Vielen Dank. Soll ich Ihnen meine Kreditkarte mitgeben?«, fragte James.

»Machen Sie sich darüber keine Gedanken; das regeln wir später.«

»Nochmals danke sehr.« Mit diesen Worten kehrte der Mann zu seinem Haus zurück.

Während er ihn dabei beobachtete, nahm sich Gordon vor, bald jeden in seine These einzuweihen, wobei „bald“ „morgen“ bedeutete. Der heutige Tag war der Aufstockung von Lebensmitteln für seine eigene Familie vorbehalten.

Er drehte sich wieder zu Jimmy um. »Gib mir noch 'ne Minute …«

Nachdem er zur Garage gelaufen war, sie hinter sich zugezogen und verriegelt hatte, begab er sich in sein Büro. Dort schloss er den Schrank auf und zog eine Schublade heraus, die mehrere Pistolen enthielt. Er nahm eine 9mm-HK und zwei volle Magazine heraus. Ehe er wieder absperrte, steckte er die Waffe in seinen Hosenbund.

Auf dem Weg nach draußen stieß er noch einmal auf seine Frau, die mit den Kindern die Treppe herunterkam.

»Sam, ich habe dir vorhin zugehört. Ich weiß, du glaubst manchmal, ich täte das nicht, aber ich nehme mir zu Herzen, was du denkst, und mein Plan – unser Plan – sieht vor, dass wir am Ende als Gemeinschaft an einem Strang ziehen, um diese Sache durchzustehen.« Er sagte dies deutlich sanftmütiger, als er wenige Minuten zuvor gesprochen hatte.

Sie stand nun am Treppenabsatz, hielt Haley an ihre Brust und in der freien Hand eine Tasche. Hunter folgte dicht hinter ihr mit einem kleinen Rucksack. »Schon klar, Schatz, ich heiße deine Bemühungen gut und bin froh darüber. Deine Fürsorge uns gegenüber habe ich nie infrage gestellt, aber womöglich gefällt es mir einfach nicht, dass andere Not leiden, während wir hier hamstern.«

»Es ist schade für sie, obliegt aber nicht meiner Verantwortung – ihr drei schon.« Er fühlte sich besser und strahlte dies auch aus, nun da sie mitzog.

»Jetzt trödle nicht weiter und schaff dich raus«, forderte sie ihn grinsend auf.

»Roger, ich liebe dich«, entgegnete er mit einem Augenzwinkern. Er trat zu ihr hin, küsste sie und dann seine Tochter.

»Hab dich lieb, Daddy«, sagte Haley und schob rasch eine Bitte nach: »Darf ich mit dir kommen?«

»Diesmal nicht, Liebes, tut mir leid. Begleite Mama und statte deinem Freund Mason einen Besuch ab«, antwortete Gordon und tätschelte ihren Schopf. Dabei blickte er zu Hunter, der auf der Stufe hinter Samantha stand. »Denk daran, Großer, auf die Ladys achtzugeben, während ich unterwegs bin.«

»Jawohl Sir, das werde ich«, bekräftige der Junge. Er war ein wenig müde geworden. »Darf ich später X-Box zocken?«

Die Frage brach Gordon das Herz. All die kleinen Annehmlichkeiten, an die sich die Kids gewöhnt hatten, waren von einem Moment auf den nächsten nicht mehr zugänglich.

»Sorry Kumpel, die haben uns den Saft abgedreht, woran sich eine ganze Weile nichts ändern wird. Du kannst doch ein paar deiner Star-Wars-Figuren mit zu Mason nehmen.«

»Na gut«, räumte Hunter enttäuscht ein.

»So Schatz, ich bin jetzt weg. Es wird wohl ein paar Stunden dauern, vielleicht länger; ich schätze mal, bis zum späten Nachmittag.«

Gordon eilte zum Chevy und stieg neben Jimmy ein.

»Hier!« Er gab ihm die Heckler & Koch.

»Hoppla, echt jetzt?«, staunte Jimmy. »Du denkst, das wird richtig ungemütlich? Dass ich kein großer Revolverheld bin, weißt du ja.« Der Anblick der Waffe schüchterte ihn ein.

»Nein, ich erwarte nicht, dass es bei Ralph's so arg wird, aber du stellst dich besser darauf ein. Ich rechne damit, dass die Kacke bald richtig dampft, und dann tust du gut daran, zu wissen, wie man so ein Ding gebraucht. Weißt du noch, was nach dem Wirbelsturm Katrina in New Orleans oder im Zuge von Sandy im Nordosten abging? Das hier entspricht einer Million Katrinas, Jimmy. Also solltest du eine andere Haltung einnehmen. Deine Firma kannst du dir in die Haare schmieren; jetzt besteht deine tägliche Arbeit darin, deine Familie mit Essen und Wasser zu versorgen. Ich will nicht wie ein Prediger klingen, aber bitte wach auf, gerade weil die Lichter für eine sehr, sehr lange Zeit nicht wieder angehen werden.« Gordon nahm kein Blatt mehr vor den Mund.

»Na los, gib schon her«, knurrte Jimmy widerwillig. Er steckte die Waffe zwischen den Sitz und die Mittelkonsole.

»Genug der Vorrede: Jetzt wird Futter besorgt«, sagte Gordon laut.

Jimmy betätigte die Zündung. Der Auspuff des Chevrolet dröhnte laut. Nachdem er den Wagen auf Touren gebracht hatte, beschleunigte er schnell, sodass die Hinterachse kurz ausscherte. Sie fuhren nach Westen, der untergehenden Sonne entgegen.

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