Schriften und Traktate

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Kurfürst Friedrich I. (1415-1440)

Im Jahre 1415 übertrug Kaiser Sigismund die Kurwürde und das Erzkämmereramt des Heiligen Römischen Reiches auf Friedlich VI. von Hohenzollern, Burggrafen von Nürnberg, und gab ihm das Land Brandenburg durch Schenkung zu eigen. Der Kurfürst, den wir fortan Friedrich I. nennen, empfing die Belehnung aus den Händen seines Wohltäters im Jahre 1417 auf dem Reichstag zu Konstanz. Er war damals im Besitz der Altmark und Mittelmark. Die Herzöge von Pommern hatten die Uckermark an sich gerissen. Der Kurfürst führte Krieg mit ihnen, schlug sie bei Angermünde und vereinigte das Gebiet wieder mit der Mark, zu der es seit unvordenklicher Zeit gehört hatte.

Die Neumark war noch dem Deutschen Orden verpfändet. Der Kurfürst, der mehr und mehr auf Ausbreitung seiner Macht ausging, legte die Hand auf Sachsen, das durch den Tod des letzten Kurfürsten aus dem anhaltinischen Geschlecht frei geworden war (1422). Da jedoch der Kaiser diese Erwerbung nicht billigte und Sachsen dem Herzog von Meißen verlieh, gab Friedrich I. seine Eroberung gutwillig auf.

In seinem Testament teilte der Kurfürst seine Staaten folgendermaßen. Sein ältester Sohn Johann, mit dem Beinamen der Alchymist, wurde seiner Anrechte beraubt; der Vater ???überlieh ihm nur das Vogtland und seinen Schmelztiegel. Der zweite Sohn Friedrich erhielt die Kurwürde. Albrecht Achilles erbte die fränkischen Markgrafentümer, und Friedrich, genannt der Dicke, sollte die Altmark haben; doch infolge seines Todes fiel dieser Landesteil wieder an die Kurmark.

In jenen frühen Zeiten galt noch der Grundsatz, daß ein Vater seinen Besitz gleichmäßig unter seine Kinder verteilte. Das entsprang einer Auffassung, die an sich natürlich und billig war. In der Folge aber erkannte man, daß eine derartige Ausstattung der jüngeren Söhne zum Niedergang der Dynastien führte. Indessen werden wir in unserer Geschichte noch ein paar Beispiele solcher Teilungen sehen.

Entstehung des brandenburgisch-preußischen Staates (1415-1740)

Ursprünglich bestand die Kurmark nur aus der Alt-, Mittel- und Uckermark und der Priegnitz. Außer Betracht bleiben die fränkischen Besitztümer, die bald dazu gehörten, bald abgetrennt wurden zugunsten einer Seitenlinie, die sie noch heute besitzt.

Nach dem Tode des Grafen Wichmann von Lindow, seines Lehnsmannes, zog Joachim I. die Grafschaft Ruppin ein. Sein Sohn, Joachim II., trat zum Protestantismus über und säkularisierte die Bistümer Brandenburg, Havelberg und Lebus. Er ermaß wohl nicht ganz, wie vorteilhaft die Reformation für seine Nachfolger sein würde. Und doch trug sie viel zu der späteren Vergrößerung des Hauses Brandenburg bei. Johann Georg erbte die Neumark von seinem Oheim, Markgraf Johann, der kinderlos starb. Johann Sigismund oder vielmehr Georg Wilhelm erbte Preußen, das Herzogtum Kleve und die Grafschaften Mark und Ravensberg von seiner Mutter, der Tochter Maria Eleonores von Kleve, die ihrerseits durch den Tod des letzten Herzogs von Kleve, der ohne männliche Erben starb, in den Besitz jener Länder gelangt war. Preußen erbte er durch den Tod Albrecht Friedrichs von Brandenburg, genannt der Einfältige, des letzten Herzogs.

Bisher sehen wir nur Erwerbungen durch Erbschaften oder günstige Eheschließungen. Der Große Kurfürst dehnte seine Macht durch Waffengewalt und Unterhandlungen aus. Im Westfälischen Frieden erwarb er Hinterpommern und wurde für Vorpommern durch die Säkularisation der Bistümer Magdeburg, Halberstadt und Minden entschädigt. Er erntete die Früchte der Reformation. Durch Waffenglück machte er sich zum souveränen Herrscher von Preußen, das bisher unter polnischer Lehnshoheit gestanden hatte. Die Republik Polen erkaufte seine Freundschaft durch Abtretung der Ämter Lauenburg und Bütow. Später verpfändeten die Polen ihm auch das Gebiet von Elbing und die Herrschaft Draheim für eine ihnen vorgeschossene Summe. Ferner gewann er das Fürstentum Halberstadt und dessen Afterlehen, die Grafschaft Regenstein. Er legte eine Besatzung nach Greetsyl und faßte dadurch Fuß in Ostfriesland, auf das er Anwartschaft hatte.

Ohne Zweifel verdankt das Haus Brandenburg dem Großen Kurfürsten die Macht, zu der es gelangt ist. Aus diesen Beispielen ersiehst Du,daß es die Menschen sind, die die Staaten machen, und daß alle Schöpfer neuer Monarchien große Geister waren, die die Natur nur von Zeit zu Zeit und gleichsam mit Anstrengung hervorbringt.

Friedrich I. kaufte von König August von Polen die Grafschaft Höhenstein und die Ämter Quedlinburg und Petersberg. Auf gleiche Weise erwarb er die Herrschaften Serrey und Tauroggen in Polen. Nach dem Tode König Wilhelms erbte er die Grafschaft Lingen und das Fürstentum Mörs, Herstal und einige andere Besitzungen in Holland. Er kaufte die Grafschaft Tecklenburg; Neuchâtel schloß sich aus freien Stücken an Preußen an. Schließlich brachte Friedrich I. die Königswürde an sein Haus. Das war ein Same des Ehrgeizes, der in der Folge aufgehen sollte.

Friedrich Wilhelm I. erwarb das Herzogtum Geldern im Frieden von Utrecht, Vorpommern mit Stettin nebst den Inseln Usedom und Wollin im Frieden zu Stockholm, der 1720 unterzeichnet ward.

Du übersiehst nun mit einem Blick alle Erwerbungen des Hauses Brandenburg, siehst, wie es mit Riesenschritten seiner Größe entgegenging. Es ist eine ununterbrochene Kette von Glücksfällen. Alle Herrscher scheinen von Geschlecht zu Geschlecht stets das gleiche Ziel vor Augen gehabt zu haben, obwohl sie zu seiner Erreichung verschiedene Wege einschlugen. Staatsklugheit allein leitet Johann Sigismund. Er gründet seine Hoffnung auf eine reiche Heirat, deren Früchte sein Sohn Georg Wilhelm erntet. Friedrich Wilhelm, groß in seinen Ideen und kühn in seinen Unternehmungen, findet Hilfsmittel in einem Lande, das sein Vorgänger für verloren hielt. Er schafft sich einen gesicherten Ruf – die Hauptsache für alle Herrscher –, macht Eroberungen, gibt sie großmütig wieder heraus und verdankt alle seine Erwerbungen offenbar nur seiner Tüchtigkeit und der Achtung ganz Europas. Sein großer Machtzuwachs begann Neid zu erregen. Das Schicksal mußte ihm einen friedliebenden Nachfolger bescheren, damit die Nachbarn sich beruhigten und sich allmählich daran gewöhnten, Preußen unter die Großmächte zu rechnen.

Friedrich I. machte zwar einige Erwerbungen, sie waren aber zu unbedeutend, um die Blicke Europas auf sich zu lenken. Selbst seine Schwächen schlugen zum Vorteil seines Hauses aus. Seine Eitelkeit brachte ihm die Königswürde ein, die anfangs ganz chimärisch erschien, in der Folge jedoch die ihr fehlende feste Grundlage erhielt. Friedrich Wilhelm I. eroberte Stettin, ließ es aber bei dieser Erwerbung nicht bewenden, sondern widmete sich den inneren Reformen und vergrößerte seine Macht durch emsigen Fleiß fast ebensosehr, wie irgend einer seiner Vorfahren durch andere Mittel.

Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst (1640-1688)

Fehrbellin

Während Turenne durch sein geschicktes Vorgehen die Grenzen Frankreichs sicherte, mühte sich der Staatsrat Ludwigs XIV., ihn von einem gefährlichen Feind zu befreien. Um Friedrich Wilhelm von den Kaiserlichen zu trennen, führte Frankreich eine Diversion herbei, die ihn in seine eigenen Staaten zurückrief.

Schweden hatte zwar im Jahre 1673 ein Schutzbündnis mit dem Kurfürsten geschlossen, aber Frankreich fand Mittel, es zu zerreißen. Mit einem schwedischen Heere drang Wrangel in die Mark Brandenburg ein. Der Fürst von Anhalt, der dort Statthalter war, beklagte sich bitter über den Einbruch. Wrangel begnügte sich damit, ihm zu antworten, die Schweden würden ihre Truppen zurückziehen, sobald der Kurfürst seinen Frieden mit Frankreich gemacht habe. Der Fürst von Anhalt meldete dem Kurfürsten, daß seine Staaten von den Schweden ausgeplündert und verheert würden. Da der Statthalter zu wenig Truppen hatte, um ihrem Heer entgegenzutreten, billigte der Kurfürst, daß er sich in Berlin einschlösse und dort seine Ankunft abwartete.

Während die brandenburgischen Truppen sich in ihren fränkischen Winterquartieren von den Anstrengungen des Elsässer Feldzugs erholten, wurden die märkischen Bauern durch die Schwedenplage zur Verzweiflung getrieben. Sie scharten sich zusammen und errangen auch etliche Erfolge gegen ihre Feinde. Sie hatten Kompagnien gebildet. Auf ihren Fahnen las man den Namen des Kurfürsten und den Spruch:

Wir sein Bauern von geringem Gut

Und dienen unserm gnädigsten Kurfürsten mit unserm Blut.

Wrangel, der immerhin noch einige Ordnung unter den Schweden aufrechterhalten hatte, wurde krank. Da er nicht nach dem Rechten sehen konnte, nahmen die Erpressungen und Plünderungen noch zu. Nicht einmal die Kirchen wurden geschont. Die Habgier trieb den Soldaten zu den ärgsten Grausamkeiten.

Die Mark sehnte sich nach ihrem Befreier. Und sie brauchte nicht lange auf ihn zu warten. Friedrich Wilhelm war schon unterwegs, sich an den Schweden für ihre Treulosigkeit zu rächen. Er verließ seine Quartiere in Franken und kam am 21. Juni 1675 in Magdeburg an. Sofort nach seinem Eintreffen ließ er die Tore der Festung schließen und wandte alle erdenklichen Vorsichtsmaßregeln an, damit keine Nachricht von seinem Nahen bis zum Feinde dringe. Am Abend des 22. Juni ging das Heer über die Elbe und gelangte auf Umwegen in der folgenden Nacht vor die Tore von Rathenow. Er ließ Baron Briest, der in der Stadt war, seine Ankunft mitteilen und verabredete mit ihm insgeheim Mittel und Wege, um die Schweden zu überrumpeln.

Briest entledigte sich seines Auftrags auf geschickte Art. Er gab den Offizieren des Regiments Wangelin, das die Besatzung von Rathenow bildete, ein großes Nachtmahl. Die Schweden überließen sich dabei rückhaltlos den Freuden des Trunks. Während sie ihren Rausch ausschliefen, ließ der Kurfürst auf Schiffen Fußtruppen über die Havel setzen, um die Stadt von allen Seiten zu überfallen (26. Juni). General Derfflinger drang als erster in Rathenow ein, indem er sich für den Kommandeur eines von Brandenburgern verfolgten Schwedentrupps ausgab. Er ließ die Wachen niederhauen, und zu gleicher Zeit wurden alle Tore gestürmt. Die Reiterei säuberte die Straßen. Die schwedischen Offiziere vermochten beim Erwachen kaum zu glauben, daß sie Gefangene des Fürsten waren, den sie samt seinen Truppen noch tief in Franken wähnten. Wäre in jener Zeit der Wachdienst schon ebenso eingerichtet gewesen wie heutzutage, so wäre diese Überrumpelung fast unmöglich gewesen. Aber das gehört ja zur Signatur der großen Männer, daß sie selbst aus den geringsten Vorteilen Nutzen zu ziehen wissen.

 

Der Kurfürst wußte, wie wertvoll im Krieg jeder Augenblick ist. Er wartete nicht in Rathenow, bis seine ganze Infanterie ihn einholte, sondern rückte mit der Reiterei geradenwegs auf Nauen vor, um das bei Brandenburg stehende schwedische Korps von dem anderen bei Havelberg zu trennen. Trotz aller Sorgfalt, die er in diesem entscheidenden Augenblick anwandte, konnte er den Schweden doch nicht zuvorkommen. Auf das Gerücht von seiner Annäherung hatten sie Brandenburg verlassen und sich eine Stunde vor seinem Eintreffen über Nauen zurückgezogen. Er verfolgte sie heftig und erfuhr durch die Aussage von Gefangenen und Deserteuren, daß das Korps auf Fehrbellin marschiere, wo es mit dem von Havelberg zusammentreffen wollte.

Das brandenburgische Heer bestand aus 5600 Reitern. Es hatte kein Fußvolk, führte aber zwölf Kanonen mit sich. Die Schweden ihrerseits waren 10 Infanterieregimenter und 800 Dragoner stark. Trotz des Unterschieds der Zahl und der Waffengattungen bedachte sich der Kurfürst nicht, auf den Feind loszugehen, um ihn zu schlagen.

Am 28. Juni marschiert er gegen die Schweden. 1600 Reiter, den Vortrab, vertraut er dem Landgrafen von Homburg an, mit dem Befehl, sich auf keinen Kampf einzulassen, sondern nur zu rekognoszieren. Der Landgraf geht vor. Nachdem er einen Wald durchritten, sieht er die schwedischen Truppen zwischen den Dörfern Hakenberg und Tarnow lagern, einen Sumpf im Rücken, die Fehrbelliner Brücke zu ihrer Rechten und eine kahle Ebene vor sich. Er wirft ihre Feldwachen zurück, verfolgt sie und treibt sie bis auf die Hauptmacht ihres Korps zurück. Gleichzeitig verlassen die Truppen das Lager und stellen sich in Schlachtordnung auf. Der Landgraf von Homburg in seiner überschäumenden Kühnheit läßt sich vom Kampfeseifer fortreißen und verwickelt sich in einen Kampf, der einen verhängnisvollen Ausgang genommen hätte, wäre nicht der Kurfürst auf die Meldung von der gefährlichen Lage des Landgrafen schleunigst zur Hilfe herbeigeeilt.

Friedrich Wilhelms Scharfblick war bewunderungswürdig, seine Tatkraft staunenswert. Augenblicklich traf er seine Anordnung. Er benutzte einen Sandhügel zur Aufstellung seiner Batterie und ließ einige Salven auf die Feinde abgeben. Die schwedische Infanterie wurde erschüttert. Als er sah, daß ihre Reihen zu wanken anfingen, stürzte er sich mit seiner ganzen Reiterei auf den rechten Flügel des Feindes, sprengte ihn auseinander und machte ihn nieder. Das schwedische Leibregiment und das Regiment Ostgotland wurden vollkommen zusammengehauen. Die wilde Flucht des rechten Flügels riß den linken mit sich fort. Die Schweden warfen sich in die Sümpfe, wo sie von den Bauern erschlagen wurden. Die, welche sich retten konnten, flüchteten über Fehrbellin hinaus und brachen die Brücke hinter sich ab.

Es entspricht nur der Würde der Geschichte, wenn auch die schöne Tat hier berichtet wird, die ein Stallmeister des Kurfürsten während der Schlacht vollbrachte. Der Kurfürst ritt einen Schimmel. Sein Stallmeister Froben bemerkte, daß die Schweden mehr nach diesem Pferd schossen, das durch seine Farbe in die Augen stach, als nach den anderen. Daher bat er seinen Herrn, es mit dem seinen zu vertauschen. Als Grund gab er an, das Roß des Kurfürsten scheue. Kaum hatte der treue Diener den Schimmel ein paar Augenblicke geritten, als er selber tödlich getroffen ward. So rettete er durch seinen Tod dem Kurfürsten das Leben.

Da Friedrich Wilhelm keine Infanterie zur Hand hatte, konnte er weder die Fehrbelliner Brücke nehmen noch den Feind auf seiner Flucht verfolgen. Er ließ es sich genug sein, auf dem Schlachtfeld, wo er so hohen Ruhm erworben hatte, sein Lager aufzuschlagen. Dem Landgrafen von Homburg verzieh er, daß er so leichtherzig das Schicksal des ganzen Staates aufs Spiel gesetzt hatte. Er sprach zu ihm: "Wenn ich Euch nach der Strenge der Kriegsgesetze richten würde, hättet Ihr das Leben verwirkt. Aber verhüte Gott, daß ich den Glanz eines solchen Glückstages beflecke, indem ich das Blut eines Fürsten vergieße, der ein Hauptwerkzeug meines Sieges war!"

Die Schweden verloren in dieser berühmten Entscheidungsschlacht zwei Standarten, acht Fahnen, acht Kanonen, 3000 Mann und viele Offiziere.

Derfflinger kam mit der Infanterie nach, verfolgte tags darauf die Flüchtigen, machte viele Gefangene und eroberte mit ihrem Gepäck einen Teil ihrer Beute aus den märkischen Landen zurück. Das schwedische Heer, das auf 4000 Streiter zusammengeschmolzen war, zog über Ruppin und Wittstock nach Mecklenburg ab.

Wenige Heerführer können sich rühmen, eine ähnliche Kriegstat wie die von Fehrbellin vollbracht zu haben. Der Kurfürst entwirft einen Plan, der ebenso groß wie kühn ist, und führt ihn mit erstaunlicher Geschwindigkeit aus. Er hebt ein Quartier der Schweden auf, während Europa ihn noch in Franken glaubt. Im Flug erreicht er die Ebene von Fehrbellin, wo die Feinde sich sammelten. Er führt einen Kampf glücklich durch, der mit mehr Mut als Klugheit begonnen war. Und er bringt: es fertig, mit einem numerisch schwächeren und vom langen Marsche erschöpften Kavalleriekorps zahlreiche und ansehnliche Infanterie zu schlagen, die durch ihre Tapferkeit das Reich und Polen bezwungen hatte. Die Fähigkeiten, die er hierbei an den Tag legte, lassen erkennen, was er geleistet hätte, wäre er im Elsaß sein eigener Herr gewesen. Dieser kühne und glänzende Kriegszug verdient es, Cäsars Veni, vidi, vici auf ihn anzuwenden. Selbst seine Feinde rühmten Friedrich Wilhelm, seine Untertanen segneten ihn. Und seine Nachkommen datieren von diesem ruhmreichen Tage den hohen Aufschwung, den das Haus Brandenburg in der Folge genommen hat.

Charakterbild

Friedrich Wilhelm besaß alle Vorzüge, die den großen Mann ausmachen, und die Vorsehung bot ihm jede Gelegenheit, sie zur Entfaltung zu bringen. Im jugendlichen Lebensalter, das sich in der Regel nur durch Verirrungen kennzeichnet, gab er Proben kluger Umsicht. Niemals mißbrauchte er seine Heldentugend. Seine Kühnheit ging immer nur darauf aus, seine Staaten zu verteidigen oder seinen Verbündeten beizustehen. Durch weiten Blick und tiefe Einsicht ward er ein großer Staatsmann. Durch sein arbeitsames und menschenfreundliches Wesen ward er ein guter Fürst. Den gefährlichen Verlockungen der Liebe war er nicht zugänglich; zärtliche Schwäche kannte er nur gegenüber der eigenen Gattin. Wein und Geselligkeit liebte er, doch gab er sich niemals der Schlemmerei hin. Sein lebhaftes, gern aufbrausendes Temperament konnte ihn fortreißen. Aber wenn er der ersten Aufwallung nicht Herr wurde, so meisterte er sicher doch die zweite, und sein Herz machte überreichlich wieder gut, was sein allzu hitziges Blut etwa verschuldet hatte. In seiner Seele wohnte die Tugend. Glück vermochte ihn nicht zur Überhebung zu verleiten, Schicksalsschläge konnten ihn nicht niederdrücken. Sein hochherziger, gütiger, edler, menschlicher Charakter verleugnete sich niemals. Er ward der Neubegründer und Verteidiger seines Vaterlandes, der Schöpfer von Brandenburgs Macht, der Schiedsrichter für seinesgleichen, der Stolz seines Volkes. Mit einem Wort: sein Leben bedeutet seinen Ruhm.

Im siebzehnten Jahrhundert zogen drei Männer die Aufmerksamkeit ganz Europas auf sich: Cromwell, der sich die Herrschaft über England anmaßte und den Word an seinem König zu verschleiern suchte, indem er sich den Schein des Maßvollen gab und eine großzügige Politik führte; Ludwig XIV., der Europa vor seiner Macht erzittern ließ, alle Talente unter seinen Schutz nahm und seiner Nation die Achtung der ganzen Welt erzwang, und Friedrich Wilhelm, der mit geringen Mitteln Großes vollbrachte, sein eigener Minister und Feldherr war und einen unter Trümmern begrabenen Staat zu blühendem Dasein erweckte. Der Name des Großen gebührt nur heldenhaften und fleckenlosen Charakteren. Cromwell hat aus Ehrsucht seine tief angelegte Politik durch Verbrechen entehrt. Es hieße daher das Andenken Ludwigs XIV. und Friedlich Wilhelms erniedrigen, wollte man ihr Leben dem eines erfolgreichen Tyrannen gegenüberstellen.

Beide Fürsten galten, jeder in seiner Sphäre, als die größten Männer ihres Jahrhunderts. In ihrem Leben gibt es Erscheinungen von verblüffender Ähnlichkeit und wiederum andere, bei denen die begleitenden Umstände keine Übereinstimmung aufkommen lassen. Vergliche man beide Fürsten miteinander im Hinblick auf die Machtfülle, so wäre das nicht anders, als wenn man Jupiters Blitze und die Pfeile des Philoktet einander gegenüberstellen wollte. Prüft man aber ihre persönlichen Eigenschaften und läßt die politische Macht aus dem Spiel, so tritt es klar zutage, daß die Seele des Kurfürsten und seine Taten dem Geist des Königs und seinen Leistungen nicht nachstanden.

Beide hatten eine einnehmende, glückliche Gesichtsbildung, ausdrucksvolle Züge, eine Adlernase und Augen, in denen sich ihre seelischen Regungen spiegelten. Leutseliges Wesen vereinigte sich bei ihnen mit majestätischer Miene und Haltung. Ludwig XIV. war von höherem Wuchs, in seinem Gebaren lag mehr Anmut, sein Ausdruck war bündiger und kraftvoller. Friedrich Wilhelm hatte während seiner Lehrjahre in Holland eine kühlere Miene, eine weiter ausholende Beredsamkeit angenommen. Beide waren von gleich alter Abkunft. Doch zählten die Bourbonen unter ihren Ahnen mehr Herrscher als die Hohenzollern. Sie waren das Königsgeschlecht einer großen Monarchie, hatten seit langem Fürsten zu Vasallen. Die Hohenzollern waren Kurfürsten eines wenig umfangreichen Landes und damals teilweise von den Kaisern abhängig.

Die Jugend beider Fürsten stand unter einem annähernd gleichen Schicksal. Während seiner Minderjährigkeit war der König von der Fronde und den Prinzen von Geblüt verfolgt worden. Von einer entfernten Anhöhe aus sah er dem Kampfe zu, den seine rebellischen Untertanen mit seinen Truppen in der Vorstadt St. Antoine ausfochten (1652). Der Kurprinz, dessen Vater durch die Schweden seiner Staaten beraubt war, lebte als Flüchtling in Holland, machte seine Lehrzeit als Kriegsmann unter dem Prinzen Friedrich Heinrich von Oranien durch und zeichnete sich bei der Belagerung von Schenkenschanz und Breda aus. Als Ludwig XIV. zur Regierung gelangte, unterwarf er sich sein Reich durch die Wucht der königlichen Autorität. Als Friedrich Wilhelm in dem vom Kriege heimgesuchten Lande seinem Vater nachfolgte, erwarb er sich durch politische Unterhandlungen den Besitz seines Erbes.

Richelieu, Ludwigs III. Minister, war ein Genie ersten Ranges. Von langer Hand her vorbereitete und kühn durchgeführte Pläne schufen die gediegenen Grundlagen der Größe; Ludwig XIV. brauchte nur auf ihnen aufzubauen. Schwarzenberg dagegen, der Minister Georg Wilhelms, war ein Verräter; durch seine schlechte Geschäftsführung trug er viel dazu bei, daß der brandenburgische Staat in den Abgrund stürzte, worin Friedlich Wilhelm ihn bei seinem Regierungsantritt fand. Der französische Monarch ist des Lobes wert, da er den Ruhmesweg ging, den Richelieu ihm bereitet hatte. Der deutsche Held tat mehr: selber bahnte er sich den Weg.

Beide Fürsten befehligten ihre Heere. Der eine hatte die berühmtesten Heerführer Europas unter sich. Bei seinen Erfolgen konnte er sich auf einen Turenne, einen Condé, einen Luxemburg stützen, brauchte nur Kühnheit und Begabung anderer zu fordern; die Begierde, des Königs Anerkennung zu ernten, rief verdienstvolle Taten hervor. Ludwig liebte den Ruhm mehr als den Krieg. Um groß zu erscheinen, unternahm er Feldzüge. Er belagerte Städte, mied aber die Schlachten. Er nahm an dem berühmten Kriegszug teil, in dem seine Feldherren den Spaniern alle Plätze Flanderns entrissen, ebenso an dem schönen Feldzug, durch den Condé in weniger als drei Wochen die Franche-Comté für Frankreich eroberte. Durch seine Gegenwart ermutigte er die Truppen, als sie durch die berühmte Furt am Tolhuys über den Rhein gingen. Liebedienerische Höflinge und begeisterte Poeten stellten das Unternehmen als eine Wundertat hin.

Der andere hatte kaum Truppen, ihm fehlte es an tüchtigen Heerführern, aber er allein ersetzte durch seinen mächtigen Geist die Hilfsmittel, deren er entbehrte. Er selbst entwarf die Kriegspläne und führte sie aus. Er dachte als Heerführer und kämpfte als Soldat, und da seine Lage es erforderte, betrachtete er die Kriegführung als seinen Beruf. Dem Rheinübergang stelle ich den Sieg bei Warschau gegenüber, dessen Hauptwerkzeug der Große Kurfürst war. Der Eroberung der Franche-Comté stelle ich die Überrumpelung Rathenows entgegen und die Schlacht bei Fehrbellin, in der unser Held mit 5000 Reitern die Schweden aufs Haupt schlug und aus dem Lande jagte. Und wenn diese Tat noch nicht zureichend scheinen sollte, so füge ich noch den Zug nach Preußen hinzu, den Eilmarsch über ein zugefrorenes Meer, wobei in acht Tagen 40 Meilen zurückgelegt wurden und der bloße Name des großen Fürsten die Schweden nahezu kampflos aus ganz Preußen vertrieb.

 

Die Taten des französischen Monarchen blenden durch den großartigen Aufwand, den er dabei zur Schau stellte, durch die große Zahl der Truppen, die für seinen Ruhm stritten, durch seine Überlegenheit über die anderen Könige und durch die Bedeutung der Streitfragen, an denen ganz Europa Anteil nahm. Die Taten des brandenburgischen Helden verdienen um so höhere Bewunderung, weil sein Mut und sein Genie alles vollbrachten, weil er mit wenig Mitteln die schwersten Unternehmungen durchführte und die Fruchtbarkeit seines Geistes sich im selben Maße steigerte, in dem die Hindernisse sich mehrten.

Ludwigs XIV. Stern glänzte nur so lange, als Colbert, Louvois und die großen Heerführer Frankreichs am Leben waren. Friedrich Wilhelms Glück blieb sich jederzeit gleich; es war ihm treu, so oft er an der Spitze seiner eigenen Heere stand. Es scheint also, die Größe des einen war das Werk seiner Minister und Generale, das Heldentum des anderen gehörte einzig ihm selbst.

Der König hat durch seine Eroberungen Flandern, die Franche-Comté, das Elsaß und in gewissem Sinne auch Spanien seinem Reich angegliedert und so die Eifersucht aller europäischen Fürsten erregt. Der Kurfürst hat durch seine Verträge Pommern, Magdeburg, Halberstadt und Minden erworben und dem Kurfürstentum Brandenburg einverleibt. Dazu bediente er sich des Neides, der an seinen Nachbarn zehrte, und machte sie zu Werkzeugen seiner Größe.

Ludwig XIV. war Europas Schiedsrichter durch seine Macht, die auch den mächtigsten der übrigen Könige fühlbar wurde. Friedrich Wilhelm erwuchs zum Orakel Deutschlands kraft seiner Tugend, die ihm das Zutrauen der mächtigsten Fürsten erwarb. Während so viele Herrscher mit Ungeduld das Joch des Despotismus trugen, das der König von Frankreich ihnen auferlegt hatte, unterbreiteten der König von Dänemark und andere Fürsten ihre Zwistigkeiten dem Tribunal des Kurfürsten und achteten seine gerechten Schiedssprüche.

Vergebens hatte Franz I. versucht, die schönen Künste nach Frankreich zu ziehen. Ludwig XIV. machte sie dort heimisch. Unter seinem Schutz entwickelten sie sich glänzend. Attischer Schönheitssinn und römische Eleganz erlebten in Paris ihre Wiedergeburt. Urania hatte einen goldenen Zirkel in Händen. Kalliope klagte nicht mehr über Unfruchtbarkeit ihrer Lorbeeren; prachtvolle Paläste dienten nunmehr den Musen zur Heimstatt. Georg Wilhelm mühte sich vergeblich um den Wiederaufbau des Landes; wie ein vernichtender Strom verheerte der Dreißigjährige Krieg ganz Norddeutschland. Friedrich Wilhelm bevölkerte seine Staaten wieder. Aus Sümpfen schuf er Wiesen, aus Wüsteneien Dörfer, aus Ruinen Städte. Zahlreiche Herden weideten, wo zuvor nur Raubtiere gehaust hatten. Die nützlichen Künste sind älter als die schönen; sie müssen also notwendigermaßen früher als diese erscheinen.

Ludwig XIV. verdiente Unsterblichkeit, da er den Künstlern seinen Schutz angedeihen ließ. Das Andenken des Kurfürsten wird seinen spätesten Enkeln teuer sein, weil er an seinem Vaterland nicht verzweifelte. Dem einen sind die Wissenschaften und Künste Bildsäulen schuldig; denn seine freigebige Schirmherrschaft förderte die Aufklärung der Welt. Dem anderen schuldet die Menschlichkeit Altäre; sein hochherziges Schaffen bevölkerte die Erde aufs neue.

Der König vertrieb die Reformierten aus seinem Reich, der Kurfürst aber nahm sie in seine Staaten auf. In diesem Betracht steht der abergläubische und harte Fürst tief unter dem toleranten und mildtätigen. Staatskunst und Menschlichkeit bekunden hier übereinstimmend, daß den Tugenden des Kurfürsten durchaus der Vorzug gebührt.

Alle beide schlossen und brachen Verträge. Aber der eine tat es aus Ehrsucht, der andere aus Notwendigkeit. Mächtige Fürsten setzen sich freien, unabhängigen Willens darüber hinweg, Sklaven ihres Wortes zu sein. Fürsten mit geringen Kräften kommen ihren Verpflichtungen nicht nach, weil sie sich oft den Zeitumständen fügen müssen.

Beide Fürsten endeten als große Männer, wie sie gelebt hatten. Mit unerschütterlicher Festigkeit sahen sie den Tod nahen. Mit stoischem Gleichmut schieden sie von Glück und Freuden, vom Ruhm und vom Leben. Mit sicherer Hand lenkten sie das Staatsruder bis zur Stunde ihres Todes. Ihre letzten Gedanken galten ihrem Volk; mit väterlicher Liebe legten sie es ihrem Nachfolger ans Herz.

Durch ein ruhmreiches Leben voll wunderbarer Taten haben sie sich den Beinamen des Großen verdient, den sie von ihren Zeitgenossen empfingen und den die Nachwelt ihnen einstimmig bestätigt.

Weitere Bücher von diesem Autor