Briefe und Gedichte

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Briefe

An den Kammerjunker von Natzmer

Küstrin, Februar 1731.

Unser gestriger Disput, lieber Freund, blieb noch unentschieden, da der Schlaf uns beide übermannte, als wir im besten Zuge waren, unsere Ansichten auszukramen. Um das Versäumte aber nachzuholen, fahre ich fort:

Das erste System ist die Erhaltung des europäischen Friedens. Demgemäß, muß der König von Preußen sich die größte Mühe geben, mit allen Nachbarn in gutem Einvernehmen zu leben. Da sein Land Europa quer durchschneidet und in zwei Hälften teilt, so versteht es sich, daß er sich mit allen Königen, dem Kaiser und den vornehmsten Kurfürsten auf guten Fuß stellen muß. Denn mit welchem seiner Nachbarn er auch Krieg führt, Vorteile kann er schwerlich erringen, da sein Land von Nachbarstaaten durchsetzt und ohne innere Geschlossenheit ist. Er kann also von mehreren Seiten angegriffen werden, und um sich allerseits zu verteidigen, müßte er die ganze Armee zur Defensive verwenden, so daß nichts für die Offensive übrig bliebe. Stützte er sich zur Behauptung seiner Macht auf dieses System, so wäre er ein schlechter Staatsmann und aller Phantasie und Erfindungsgabe bar, wenn er es dabei bewenden ließe. Denn wer nicht vorwärts kommt (ich spreche von der großen Politik), der geht zurück.

Das andere System, das sich auf dieser Grundlage von selbst aufbaut, ist die fortschreitende Vergrößerung des Staates. Ich habe schon gesagt, daß der preußische Länderbesitz sehr zerstückelt ist. Da kommt es denn bei allen Plänen, die man entwirft, vor allem darauf an, einen engeren Zusammenhang zwischen den Landesteilen herzustellen oder die losgerissenen Stücke, die eigentlich zum preußischen Besitz gehören, ihm wiederanzugliedern.

So hat Polnisch-Preußen von jeher zu Preußen gehört, ist aber durch die Kriege der Polen mit dem Deutschritterorden, seinem damaligen Besitzer, abgesplittert worden. Von der Provinz Preußen ist Polnisch-Preußen nur durch die Weichsel getrennt. Nach Westen stößt es an Hinterpommern. Im Norden bildet das Meer und im Süden Polen seine Grenze. Gehört es einmal zu Preußen, so hat man nicht nur freie Verbindung von Pommern nach Ostpreußen, sondern man hält auch die Polen im Zaum und kann ihnen Gesetze vorschreiben; denn ihre Waren können sie nur verkaufen, wenn sie diese die Weichsel oder den Pregel hinunterschicken, und hierzu bedürfte es dann unserer Zustimmung.

Fahren wir fort. Schwedisch-Pommern ist von Preußisch-Pommern nur durch die Peene getrennt. Es würde sich sehr hübsch ausnehmen, wenn es mit unserem Besitz vereinigt wäre. Abgesehen von den Einkünften (die nur die Finanzleute oder die Steuerräte angehen und die als solche nicht in das politische System gehören, das ich erörtern will), abgesehen von den sehr beträchtlichen Einkünften, die man aus dieser Provinz ziehen könnte, würde man sich vor allen Übergriffen von seiten Schwedens schützen und eine beträchtliche Truppenzahl sparen, die jetzt zur Verteidigung der Grenze oder des Peeneufers notwendig ist. Ferner rundete man das Land mehr und mehr ab und bahnte sich sozusagen den Weg zu einer Eroberung, die sich ganz von selbst darbietet: ich meine Mecklenburg. Hier braucht man nur das Erlöschen des Herzogshauses geduldig abzuwarten, um das Land ohne weitere Förmlichkeit einzustecken.

Ich schreite von Land zu Land, von Eroberung zu Eroberung und nehme mir wie Alexander stets neue Welten zu erobern vor. Den nächsten Schauplatz bilden Jülich und Berg. Sie müssen durchaus erworben werden, damit die armen Länder Kleve, Mark usw. nicht so einsam und verlassen sind. Durch Erwerbung von Jülich und Berg beseitigt man viele Anlässe zu Reibereien und Schikanen, die jetzt in einem fort aus Streitigkeiten über die gegenwärtigen Grenzen entspringen. Der Nutzen dieser Erwerbung liegt auf der Hand. Die Länder der Klevischen Erbschaft werden vereinigt, sie können eine Besatzung von 30 000 Mann tragen und dann mit Verachtung auf die kleinen Schikanen herabsehen, die das Klever Land jetzt nicht allein abwehren kann. Bei einem Bruche mit Frankreich kann man Kleve vom ersten Kriegslärm an nur so lange als preußisch betrachten, wie es den Franzosen beliebt. Ist es aber mit Jülich und Berg vereinigt, so liegt die Sache ganz anders: die Länder sind imstande, sich selber zu verteidigen.

Hier breche ich ab, um mich ganz allgemein darüber auszulassen, wie man mein System verstehen soll. Erstens spreche ich nur als Politiker ohne Erörterung der Rechtsgründe. Sonst, kommt man vom Hundertsten ins Tausendste; denn jeder der von mir berührten Punkte verdient eine besondere Darlegung der Rechtsgründe und Ansprüche, die das Haus Brandenburg erheben kann. Zweitens gehe ich nicht ins Detail darüber, wie man sich in den Besitz dieser Provinzen setzen soll, da man sich des längeren darüber verbreiten müßte. Es kommt mir lediglich auf den Nachweis an, daß Preußen sich bei seiner eigenartigen Lage in der politischen Notwendigkeit befindet, die genannten Provinzen zu erwerben. Meiner Ansicht nach muß nach diesem Plan jeder kluge und treue Diener des Hauses Brandenburg arbeiten. Er muß auf das große Ziel hinstreben, kleinere aber fallen lassen.

Ich hoffe auch, man wird meine Ausführungen für recht vernünftig halten. Denn liegen die Dinge so, wie es nach meinem Projekt der Fall ist, so könnte der König von Preußen unter den Großen der Welt eine gute Figur machen und eine bedeutende Rolle spielen, wenn er einzig und allein aus Gerechtigkeitssinn und nicht aus Furcht den Frieden aufrecht erhielte, und wenn er, sobald die Ehre des Hauses und des Landes es verlangte, mit Nachdruck Krieg führen könnte. Hätte er doch nichts anderes zu fürchten als den Zorn des Himmels, und der wäre nicht zu fürchten, solange in seinem Lande Gottesfurcht und Rechtssinn über Unglauben, Parteihader, Habgier und Selbstsucht herrschen.

Ich wünsche dem preußischen Staate, daß er sich aus dem Staube, in dem er gelegen hat, völlig erhebe und den protestantischen Glauben in Europa und im Reiche zur Blüte bringe, daß er die Zuflucht der Bedrängten, der Hort der Witwen und Waisen, die Stütze der Armen und der Schrecken der Ungerechten werde. Sollte aber ein Wandel eintreten und Ungerechtigkeit, Lauheit im Glauben, Parteiwesen oder das Laster den Sieg über die Tugend davontragen, was Gott auf ewig verhüten wolle, dann wünsche ich ihm, daß er in kürzerer Zeit untergehe, als er bestanden hat. Damit ist alles gesagt.

*

An Grumbkow

Ruppin, 2. Dezember 1732.

Ich habe Briefe von einem Freunde erhalten, wonach der König, als er den Husten hatte, zu Hacke sagte: "Nuhn werden die leute sagen, der alte menschen queler wird sterben, aber saget ihnen nuhr, das der nach mihr kommen wird, der werde sie alle zum teufet jagen, und das würden sie davon haben." Mich läßt das alles völlig kalt. Wie Sie, lieber Freund, gehe ich meinen graden Weg und lasse jeden nach Lust schimpfen. Mein Gewissen ist mein Richter. Mag man von mir alles sagen, was man will; wenn mein Gewissen nur rein ist, pfeife ich auf die Meinung der Leute. La Chétardie wäre sehr zu beklagen, wenn es verboten würde, sich höflich gegen ihn zu benehmen. Es wäre sehr traurig, wenn es eine Sünde wäre, einen Fremden anständig zu behandeln. Komme, was da wolle; ich werde nie aufhören, Ihnen bei jeder Gelegenheit zu beweisen, daß ich Ihr wahrer Freund bin, und daß ich, ernstlich gesprochen, nichts unterlassen werde, um Ihnen meine Dankbarkeit zu bezeigen.

*

An Camas

Im Lager von Heidelberg, bei Weiblingen, 11. September 1734.

Der gegenwärtige Feldzug ist eine Schule, in der man aus der Verwirrung und Unordnung, die in diesem Heere herrscht, manches lernen kann. Er verlief unrühmlich genug, und Männer, die zeitlebens gewohnt waren, Lorbeeren zu pflücken, und zwar in siebzehn großen Schlachten, haben diesmal keine gefunden. Wir anderen hoffen insgesamt, im nächsten Jahre ans Moselufer zu kommen. Da werden wir den Ruhm finden, den der Rhein uns als den letzten Verteidigern seiner Ufer versagt hat. Nun liegen wir schon drei Wochen hier im Lager; trotzdem macht die Untätigkeit dem Prinzen diesmal mehr Ehre als alle Bewegungen, die er hätte ausführen können. Besteht doch das Hauptziel der Franzosen darin, ihn vom Neckar fortzubekommen und unsere jetzige Stellung zu nehmen.

Ich fürchte, Sie bilden sich ein, lieber Freund, ich wollte hier den tragischen Kothurn anlegen und als kleiner Eugen das Verhalten des einen und die Fehler des anderen rügen, mich dann zum Richter aufwerfen und in lehrhaftem Tone das Urteil fällen, was jeder hätte tun sollen. Nein, lieber Camas, so weit geht meine Anmaßung nicht! Im Gegenteil, ich bewundere das Verhalten unseres Führers und mißbillige das seines würdigen Gegners nicht. Ich suche nur für mein bescheidenes Teil so viel davon zu profitieren, als ich in dem Berufe, den ich ergriffen habe, nach meiner Meinung gebrauchen kann. Aber ich verliere nicht vor Leuten Achtung und Hochschätzung, die mit Narben bedeckt sind und durch langjährige Dienste gründliche Erfahrung gesammelt haben. Vielmehr werde ich lieber denn je ihren Lehren lauschen, die mir die sicherste Bahn zum Ruhme und den kürzesten Weg zur gründlichen Erlernung des Handwerks weisen.

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An den Vater

Ruppin, 10. Mai 1735.

Allergnädigster König und Vater!

Mein allergnädigster Vater wird nicht ungnädig nehmen, daß ich mir die Kühnheit nehme, an Ihn zu schreiben und an Ihn, als meinen recht gnädigen und treuen Vater, in aller Untertänigkeit und gebührender Submission mein Herz zu eröffnen. Man höret von allen Seiten schreiben, daß der Prinz Eugène von Wien den zweiten dieses Monds abgegangen wäre und nun wohl bei der Armee sein möge; man schreibet auch, daß die Armee Ordre habe, sich zusammenzuziehen und bei Bruchsal das erste Lager zu formieren, und soll also an keinen Stillstand zu gedenken sein; hergegen soll der Prinz Eugène gewiß Ordre vom Kaiser haben, den Feind zu attackieren. Bei diesen Umständen befindet sich noch, daß Alles, was junge Leute sind, so Ambition haben, Willens sind nach der Armee zu reisen, da der Prinz Karl und der Prinz von Oranien auch hingehen werden. Meinem allergnädigsten Vater ist bewußt, besser als ich es sagen kann, was vorjährige Kampagne für eine schlechte Kampagne gewesen ist, und kann mein allergnädigster Vater leichte schließen, was daher für Raisonnements über mich würden gemacht werden, wenn ich zu Hause bliebe. Kein Mensch würde glauben, daß es meines allergnädigsten Vaters Sein Wille wäre; denn die Welt ist genugsam informieret, daß mein allergnädigster Vater Seine Kinder zum Soldatenleben und zu brave Leute zu werden erziehet; so wird gewiß ein Jeder sagen, daß ich nicht darum angehalten hätte und die faulen Tage zu Hause lieber genießen möchte, als die Fatiguen einer Kampagne, dar man auch darbei exponieret wäre, zu ertragen. Mein allergnädigster Vater, den, wenn ich es sagen darf, für den besten und getreuesten Freund halte, so ich auf Erden habe, sei so gnädig und bedenke um Gottes willen, wie mir bei solchen Raisonnements wird zu Mute werden; ja, Er seie so gnädig und erinnere sich Seiner Jugend und, wie Er mir die Gnade gehabt selber zu erzählen, wie Er sich vor diesem Mühe gegeben hat, um von Seinem Herrn Vater die Permission zu erhalten, in Kampagne zu gehen. Meine Ursache, die mich hierzu beweget, ist dieselbe, die mein allergnädigster Vater gehabt hat, die Ambition und die Begierde, durch Beiwohnung der Kampagne mich kapabler zu machen, als ich anjetzo bin, meinem allergnädigsten Vater zu dienen; ja, ich wäre nicht wert, daß ich die Gnade hätte, meines allergnädigsten Vaters Sohn zu sein, wenn ich keine Ambition hätte; ich wäre auch versichert, mein allergnädigster Vater würde es mir zum meisten verdenken, wenn ich mich nicht bei Ihm derentwegen meldete, zudem ich anjetzo in den besten Jahren bin, da mir meine Leibes-Konstitution in keinen Fatiguen versaget. Jedoch bescheide ich mich Alles, was mein allergnädigster Vater mir befiehlst, und weiß sehr wohl den Gehorsam und die Submission, so ich Ihm schuldig bin, und daß ich Ihm nichts vorzuschreiben. Ich sacrificiere auch meinem allergnädigsten Vater Alles, meine Freude, meine Ambition, und was ich zum meisten auf dieser Erde wünsche. Er mache es alles, wie Er ein gnädiges Wohlgefallen daran hat; ich weiß, daß Er tun wird, was zu meinem Besten ist.

 
*

An Voltaire

Berlin, 8. August 1736.

Habe ich auch nicht das Glück, Sie persönlich zu kennen, so sind Sie mir doch durch Ihre Werke bekannt genug. Das sind Geistesschätze, wenn der Ausdruck erlaubt ist, Kunstwerke, die mit so viel Geschmack und Feinheit gebildet sind, daß ihre Schönheiten sich bei jeder Lektüre in neuem Lichte zeigen. Ich glaube in ihnen den Charakter ihres geistvollen Verfassers zu erkennen, der unserem Jahrhundert und dem menschlichen Geiste zur Ehre gereicht. Die großen Männer der neueren Zeit werden Ihnen einst Dank wissen, und nur Ihnen allein, falls der Streit wieder ausbricht, ob den Neueren oder den Alten der Vorzug gebührt; denn Sie lassen die Waagschale zugunsten der Neueren sinken.

Mit den Eigenschaften eines hervorragenden Dichters verbinden Sie eine Fülle von Kenntnissen, die freilich mit der Poesie in gewisser Weise verwandt sind, ihr aber erst durch Ihre Feder zugehören. Nie hat ein Dichter metaphysische Gedanken in Verse gebracht: solche Ehre war Ihnen zuerst vorbehalten. Diese philosophische Tendenz Ihrer Schriften veranlaßt mich, Ihnen eine durch mich angeregte Übersetzung der Anklage und Rechtfertigung von Wolff zu übersenden, des berühmtesten modernen Philosophen, der Licht in die dunkelsten Gebiete der Metaphysik getragen und diese schwierigen Fragen ebenso erhaben wie klar und bestimmt erörtert hat, dafür aber grausamerweise der Irreligiosität und des Atheismus bezichtigt worden ist. Das ist das Schicksal großer Männer: stets setzt ihr überlegener Genius sie den vergifteten Pfeilen der Verleumdung und des Neides aus.

Ich lasse jetzt die Abhandlung desselben Verfassers "Von Gott, von der Seele und der Welt" übersetzen und werde sie Ihnen zusenden, sobald sie vollendet ist. Ich bin gewiß, Sie werden die Beweiskraft aller seiner Schlüsse schlagend finden; denn sie folgen mathematisch einer aus dem anderen und sind in einander geschmiedet wie Kettenglieder.

Bei der Nachsicht und Unterstützung, die Sie allen gewähren, die sich den Künsten und Wissenschaften widmen, hoffe ich, Sie werden mich nicht aus der Zahl derer streichen, die Sie Ihrer Belehrung würdigen. Denn so nenne ich Ihre Korrespondenz, die jedem denkenden Wesen, nur nützlich sein kann. Ja, ohne das Verdienst anderer zu schmälern, wage ich zu behaupten, daß es auf der ganzen Welt ohne Ausnahme keinen gibt, dessen Lehrer Sie nicht sein könnten.

Fern sei es mir, Sie in einer Weise zu beweihräuchern, die Ihrer unwürdig wäre; dennoch kann ich Ihnen versichern, daß ich in Ihren Werken zahllose Schönheiten finde. Ihre "Henriade" entzückt mich und triumphiert glücklich über die wenig einsichtsvolle Kritik, der man sie unterzogen hat. Das Trauerspiel "Cäsar" zeigt uns durchgeführte Charaktere und ist von großen, gewaltigen Gefühlen erfüllt. Ihr Brutus kann nur Römer oder Engländer sein. "Alzire" verbindet den Reiz der Neuheit mit dem glücklichen Kontrast zwischen den Sitten der Wilden und der Europäer. Der Charakter Gusmans zeigt, daß ein mißverstandenes und von falschem Eifer geleitetes Christentum noch barbarischer und grausamer ist als das Heidentum. Stünde Corneille, der große Corneille, der sich die Bewunderung seines ganzen Zeitalters erwarb, in diesen Tagen wieder auf, er sähe mit Staunen und vielleicht mit Neid, wie die tragische Muse Sie mit Gunstbezeugungen überhäuft, die sie ihm nicht gegönnt hat. Was läßt sich nicht alles von dem Verfasser so vieler Meisterwerke erwarten! Was für neue Wunder werden nicht aus der Feder des Mannes hervorgehen, der schon den "Tempel des Geschmacks" so geistreich und zierlich errichtet hat!

Das erweckt in mir den sehnlichen Wunsch, alle Ihre Werke zu besitzen. Ich bitte Sie, mir diese zu schicken und mir keines zu versagen. Sollte sich unter den handschriftlichen eins befinden, das Sie aus notgedrungener Vorsicht der Öffentlichkeit vorenthalten, so verspreche ich Ihnen, tiefstes Geheimnis zu wahren und ihm nur insgeheim Beifall zu zollen. Leider weiß ich, daß ein Fürstenwort heutzutage wenig gilt; doch hoffe ich, Sie werden sich nicht von den allgemeinen Vorurteilen bestimmen lassen, sondern sich zu meinen Gunsten zu einer Ausnahme entschließen.

Ihre Werke würden mich reicher machen als alle vergänglichen und verächtlichen Glücksgüter dieser Welt, die ein und derselbe Zufall uns schenkt und wieder nimmt. Mit Hilfe des Gedächtnisses kann man sich jene, Ihre Werke, aneignen und sie so lange besitzen wie dieses. Mein Gedächtnis ist schlecht; darum schwanke ich lange, bevor ich mich entscheide, was darin Aufnahme finden soll.

Stünde die Dichtkunst noch auf ihrer alten Stufe, d. h. könnten die Dichter nur langweilige Idyllen trillern, Eklogen nach dem alten Schema und abgeleierte Stanzen verfertigen, oder wüßten sie ihre Leier nur auf den elegischen Ton zu stimmen – ich würde ihr für immer entsagen. Allein, Sie veredeln die Dichtkunst, Sie zeigen uns neue Wege, die ein Cotin und Rousseau nicht beschritten haben.

Ihre Gedichte besitzen so große Vorzüge, daß alle höher stehenden Geister sich gern in sie vertiefen. Sie sind ein Lehrbuch der Moral, das uns denken und handeln lehrt. Sie schmücken die Tugend mit leuchtenden Farben. Der Begriff des wahren Ruhmes wird darin formuliert. Sie gewinnen den Wissenschaften so feine und zarte Reize ab, daß man nach der Lektüre Ihrer Werke vom Ehrgeiz erfaßt wird, in Ihre Spuren zu treten. Wie oft habe ich mich nicht dieser trügerischen Lockung hingegeben und mir dann gesagt: Unseliger, laß ab, diese Bürde übersteigt deine Kräfte! Man kann Voltaire nicht nachahmen, wenn man nicht selber Voltaire ist.

In solchen Augenblicken habe ich es empfunden, daß die Vorzüge der Geburt, der leere Schall von Größe, mit dem die Eitelkeit uns einlullt, nur wenig oder besser gesagt gar nichts vorstellen. Das sind Maßstäbe, die unser inneres Wesen nicht berühren, lediglich äußerer Schmuck. Wie sehr sind ihnen die Geistesgaben vorzuziehen! Wieviel ist man denen schuldig, die die Natur schon bei ihrer Geburt ausgezeichnet hat! Gefällt sie sich doch, Wesen zu schaffen und mit allen nötigen Gaben auszustatten, um Fortschritte in den Künsten und Wissenschaften zu machen; ihre durchwachten Nächte zu belohnen, ist dann Sache der Fürsten. Ach, erwählte der Ruhm doch mich zum Werkzeuge, um Ihre Erfolge zu krönen! Nur das eine würde ich fürchten, daß dies lorbeerarme Land weniger Lorbeeren hervorbrächte, als Ihre Werke verdienen, und daß man statt seiner zum Eppich greifen müßte.

Begünstigt aber das Schicksal mich nicht so sehr, daß ich Sie mein nennen kann, so darf ich wenigstens hoffen, Sie, den ich schon so lange von ferne bewundere, eines Tages zu sehen, um Sie persönlich all der Achtung und Hochschätzung zu versichern, die denen gebührt, die, der Leuchte der Wahrheit folgend, ihre Arbeiten dem allgemeinen Wohle widmen.

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An Suhm

Remusberg, 23. Oktober 1736.

Sie werden, glaube ich, nicht böse sein, wenn ich Ihnen ein paar Worte über unseren ländlichen Zeitvertreib sage; denn mit Menschen, die man lieb hat, plaudert man gern, auch über das Unbedeutendste. Wir haben unsere Beschäftigungen in zwei Klassen geteilt: die ersten sind die nützlichen, die zweiten die angenehmen. Unter die nützlichen rechne ich das Studium der Philosophie, der Geschichte und der Sprachen, zu den angenehmen Musik, Lust- und Trauerspiele, die wir selbst aufführen, Maskeraden und gegenseitige Überraschungen mit Geschenken. Die ernsten Beschäftigungen haben indes stets den Vorzug vor den anderen, und ich behaupte kühnlich, wir machen von den Vergnügungen nur maßvollen Gebrauch. Wir benutzen sie nur zur Erholung des Geistes und zur Milderung der Grämlichkeit und des allzu tiefen Ernstes der Philosophie, die sich nicht so leicht die Stirn von den Grazien glätten läßt.

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An Grumbkow

Rheinsberg, 20. Januar 1737.

Die politischen Nachrichten haben mir, so gestehe ich Ihnen freimütig, wahrhaften Kummer bereitet. Ohne Hexerei sehe ich voraus, daß unser Plan auf Jülich und Berg gescheitert ist. Man braucht nur die Wirkungen in den Ursachen zu lesen, um sich davon zu überzeugen. Da mir der Ruhm des Königs über die Maßen am Herzen liegt, schmerzt es mich zu sehen, daß nicht das Nötige geschieht, um den Erfolg zu sichern. Ich glaube sogar, einen geheimen, gegen uns gerichteten Anschlag zu erkennen, ich sehe Wolken sich zusammenballen. Vielleicht wäre es noch Zeit, dem Gewitter auszuweichen; vielleicht könnte man durch geeignete Maßnahmen einen Umschwung der Stimmung zu unseren Gunsten herbeiführen. Was mich aber am meisten beunruhigt, ist eine gewisse Lethargie, die ich bei uns bemerke, und das zu einer Zeit, wo die Furcht vor unseren Waffen geschwunden ist und man so weit geht, uns zu verachten. Ich wage nicht auszusprechen, was ich befürchte; vielleicht auch gibt nur mein verdüsterter Sinn mir trübe Gedanken ein: Sie werden sie erraten, auch ohne daß ich mich erkläre. Kurz, ich befürchte um so größeres Unglück, je weniger man darauf vorbereitet ist.

Möge der Himmel, der über die Reiche wacht, der sie nach Gutdünken erhebt und zerstört, alles Unheil abwenden, das mein beängstigter Geist prophezeit! Keinem Menschen geht Preußens Wohlfahrt so nahe als mir.

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