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Die Versuchung: Ein Gespräch des Dichters mit dem Erzengel und Luzifer

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So flüstert’s um mich.

Und erst die Verzweiflung in mir.

Schwächling, nicht fähig ein Schicksal zu ertragen. Du Unsittlicher! Du erkennst das Gute, dich empört die Niedrigkeit, manchmal schwillt es in dir empor, die verfaulte Welt niederzurennen und in deinem Innern Ordnung und Gesetz zu schaffen, vermagst du nicht. Satan, Satan, was soll mir die Kraft, im Banalen das Ewige zu sehen, was soll mir die Wonne, Entzücken in der Vernichtung zu fühlen?

Ich habe niemals ein festes Ja gesagt! Ich war niemals Mensch!

Mein Wunsch macht mich lächerlich, Satan, gib mir einen Charakter!

Satan:

Sieh’ hin, was ich dir geben will, Sterblicher.

Der Dichter:

Was ich erblicke, sind die Reiche dieser Welt.

Satan:

Und mehr als die Reiche dieser Welt sollen dein sein.

Ich will dir unschätzbare Eigenschaften verleihen. Ich will dir die Eigenschaft verleihen, daß niemals dein Frackhemd ermatte, daß niemals die klare Eleganz deines Smokings sich trübe. Begreife wohl, das sind Eigenschaften, die ich nicht etwa nur zu deinem Äußeren füge, nein, in dein Gemüt senke ich geheime geschlossene Kräfte. Um deinen Mund lebe ein Lächeln, das dich fürchterlich macht. Quintessenz der Diplomatie spiegle der Glanz deiner gestrafften Stirnhaut. Eine Kälte sei dein, die Menschen zum Spielzeug macht. Die Stunde sei deine Sklavin. Spürst du schon deine unabwendbaren Schritte in den Spielsälen? Spürst du schon den Rausch finanziell wahnsinniger Machinationen? Ahnst du deine neue Welt? In den Hallen des Verwaltungsrats, im Direktionszimmer enormer Opernunternehmungen?

Und über allem Sicherheit der Macht. Dein Weg geht weiter. Ein Thron ist nicht nur ein Wort. Dynastien sind Puppenspiel. Sei Herr der Haupt- und Staatsaktion! Fühlst du im Taumel jagender Überlegenheit schon bewimpelte Perrons und die Trommelwirbel der Ehrenkompanie?

Der Dichter:

Für wie unkompliziert mußt du mich halten, Satan, um mir mit Konträrem zu kommen. Kann meine vom Unendlichen verwöhnte Brust ausfüllen dieses kindische Herrsein über kindische Institutionen? Vielleicht bebt manchmal mein weltzerrissenes Herz nach innerer Autokratie. Aber deines Bürgertums im Verwegenen, deiner scharfen Mundwinkel, deiner Potentaten-Triumphe spotte ich.

Satan:

Überlege es wohl, ehe du diesen meinen ersten Vorschlag verwirfst. Wonach ihr Menschen strebt, was ist es anderes, als Leidlosigkeit? Leidloses Leben biete ich dir.

Der Dichter:

Das Leid, das Leid gerade ist es, was ich suche.

Satan, Satan, ewiger Geist, blamiere dich nicht! Haben dich meine wirren Klagen so getäuscht, daß du mich auf diese Formel bringen willst? Deine Aussichten sind gut für ungeschickte Schullehrer, für giftige Bezirksrichter und enttäuschte Oberleutnants; nicht für mich.

Satan:

Eins vergißt du, ewig Ungeliebter! Von Stund an wärst du der Geliebteste des Erdkreises.

Der Dichter:

Glaubst du, lächerliches Wesen, ich gäbe einen Heller drum, wenn mich Miß Olivia liebte?

. . . . Doch darüber erkundige dich in meinem dramatischen Gedicht „Der Besuch aus dem Elysium“.

Und schließlich, was ist aller Besitz, alle Wollust gegen das metaphysische Vergnügen bei der Betrachtung der in sich wandelnden Geliebten mit Sonnenschirm?

Satan:

Du verschmähst meinen Vorschlag, weil er das Wichtigste in dir nicht berechnet hat. Die Poesie.

Hier mein zweites Wort!

Ich will dir eine berückende Biographie geben, ein Leben voll süßer weinender Abenteuer. Ich will in dein Schicksal wunderbar geheimnisvolle Wesen mischen. Schauspielerinnen. Dann sollst du schön sein und mit den Frauen dich selbst anbeten. Dem Schwung deiner Züge sollen sich die Abende und Nächte, die dir geschenkt sind, die Arme, die dich je halten und die Worte, die deinem Mund entsinken, anschmiegen.

Dein trauriger, leidenschaftlicher Genius soll Verse haben, daß knöchrige Monarchen und Kindermädchen in dem erfüllten, verdunkelten Raum heulen. Triumphe seien dein, vor denen Könige und Tenöre erblassen. Wenn du nach der Apotheose deiner Premiere ins Proszenium trittst, überrasen dich Kavallerieattacken des Applauses aus den Hinterhälten der Galerie. Leitartikler lässest du antichambrieren. Doch auch die ruhigen, ernsten, bedeutendsten Geister sollen sich deinem Zauber beugen. Premierminister bestimmst du durch die Hölle eines Wortes zu paradoxen Umwälzungen, hundert Seiten von dir, und das Wahnsinnige wird Ereignis. Der besonnte Flug eines rhetorischen Vogelschwarms, und das zynische Zeitalter schlägt sich an die Brust und explosive Güte wird Mode. Wildes brillante Geste sei gegen dein Furioso ein Salonwalzer gegen eine Bach’sche Fuge, Pindars olympische Krönung von minder mythischer Gewalt als deine verzehnfachten Nobelpreise, Byron das Erdenwallen eines krämrigen Poseurs angesichts deines rührend erhabenen Dahinschwebens, und krachten aus Missolounghis morschen Balkanscharten 21 Kanonenschüsse, sollen nach deinem Tod die Flotten der Nationen, von Pol zu Pol, diesem Tag den Trauersalut bringen. So gebe ich dir den Ruhm im Leben.

Und nachher das höchste, was ich verleihen kann, Unsterblichkeit.

Der Dichter:

Ruhm! Ruhm! Du Vision über meiner Schulbank.

Wer gibt mir den Ehrgeiz des Ungedruckten zurück? Wer den Tag, da ich dich ausschöpfte bis zum letzten Nachgeruch des letzten Tropfens dich einatmete, Ruhm!