Reitschuster und der Kunstraub

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Reitschuster und der Kunstraub
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Frank Röllig

Reitschuster und der Kunstraub

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Siebtes Kapitel

Achtes Kapitel

Neuntes Kapitel

Zehntes Kapitel

Elftes Kapitel

Zwölftes Kapitel

Dreizehntes Kapitel

Vierzehntes Kapitel

Impressum neobooks

Prolog

Reitschusters dritter Fall


Ein Schwabenkrimi


Dieses Buch ist ein Roman. Handlung, Personen und manche Orte sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig.








Dumme Gedanken hat jeder, aber der Weise verschweigt sie.

Wilhelm Busch



Im Landkreis Günzburg ist es ruhig um die Weihnachtszeit. Alle gehen ihren Weihnachtseinkäufen nach. Reitschuster erholt sich mit Jasmin in den Niederlanden.

Das Team der Kripo scheint unterfordert, da das Verbrechen mit Felix „Bär“ Reitschuster in den Urlaub gereist ist. Doch eine Anfrage des Landespräsidenten, bei Staatsanwalt Dr. Hieber, bringt Leben in das Kommissariat. Reitschuster soll eine Kunstausstellung mit dem Titel „Zeitgenössische Maler aus vergangenen Epochen“ planen.

Darüber regt er sich maßlos auf. Diese Angelegenheit sei doch nichts für eine Dienststelle der Polizei. Doch dann kommt es anders, als er denkt. Zu den bekannten Gemälden gesellen sich noch weitere. Sie stammen aus der Sammlung des Galeristen Cornelius Gurlitt. Bei einer Hausdurchsuchung in München-Schwabing fand man 1240 sensationelle Bilder.

Klar, dass sich dafür nicht nur die Bevölkerung interessiert. Es entwickelt sich ein neuer Fall für Kriminalhauptkommissar Reitschuster und sein Team.

Erstes Kapitel

Reitschuster und Jasmin schafften es gerade noch rechtzeitig auf den Flughafen Memmingen. Es war ein sonniger, klarer Novembermorgen. Nach den vergangenen Strapazen wollte Reitschuster Jasmin etwas Gutes tun. Sie hatte in den vergangenen Wochen sehr viel Leid erfahren müssen. Bis hin zum Tod ihrer Mutter. Deshalb hatte er sie zu einem verlängerten Wochenende nach Amsterdam eingeladen. So eilten sie durch die Terminals des Flughafens Memmingen.

„Lass dir doch helfen, Felix!“ Sie schüttelte besorgt den Kopf. Reitschuster war mit zwei kleinen Koffern, einer Reisetasche und Jasmins Beauty Case hoffnungslos überladen. „Ist schon gut, das geht schon“, schnaufte er wie eine Dampfmaschine. „Schau bitte, an welches Gate wir müssen.“ Sie blickte auf die Anzeige: „Gate 32, Flug KLM 3928.“ Dann lief sie auf einmal los, um eine halbe Minute später mit einem Kofferwagen wieder zu erscheinen. „Schau nur was ich dir mitgebracht habe“, lachte sie. Er wuchtete alles auf den Wagen. Reitschuster hätte die Anstrengung niemals zugegeben, doch er war sehr froh, dass Jasmin so aufmerksam war. Das macht sie eben aus, diese unerwarteten, positiven Dinge, die sie einfach so geschehen ließ. Er schmunzelte bei diesem Gedanken. Jemanden gefunden zu haben, der so unvermittelt in sein Leben explodiert war und ihn, den knapp Zweimetermann, so mitriss. „Das war eine gute Idee. Jetzt sind wir wesentlich agiler“, meinte Reitschuster anerkennend. Sie gingen zügig durch die Gepäck- und Passkontrolle. Ein paar Minuten später kam auch schon die Boarding-Durchsage. Sie erhielten Plätze an einem der Notausstiege, was für Reitschusters Ausmaße genau das richtige war. Bei KLM (Koninklijke Luchtvaart Maatschappij) kostet das nichts extra, was leider nicht mehr selbstverständlich für viele Fluggesellschaften gewesen war. Als das Flugzeug in Startposition ging, küsste Jasmin ihren Felix, dann hielt sie seine rechte Hand, ganz fest. Er hatte ihr den Fensterplatz gerne überlassen, denn ihr wurde es immer ein wenig übel auf den bisherigen Flügen und so hatte sie ein wenig Ablenkung. Die Maschine rollte an, bis sie ihre Abhebegeschwindigkeit erreicht hatte. Das Flugzeug stieg schnell in den weißblauen Himmel. Der Flieger kletterte gerade mal auf 5000 Meter, die zulässige Dienstgipfelhöhe für dieses Flugzeugmuster, bei Inlandsflügen. Die Flugbegleiter hatten 25 Minuten Zeit, um Erfrischungsgetränke und Sandwiches zu reichen. Als die Maschine Köln passierte, ging das Flugzeug bereits in den Landeanflug auf den Flughafen Schiphol von Amsterdam.

„Wow“, staunte Jasmin, „die berechnete Flugzeit von 1½ Stunden stimmt tatsächlich, schau nur! Das muss der Kölner Dom sein. Toll diese herrliche Aussicht, sieht ein wenig aus wie bei uns im Legoland.“ Sie kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Reitschuster kuschelte sich ganz eng an Jasmin. Sie drehte den Kopf zu ihm: „Danke, für alles, was du in dieser kurzen Zeit für mich getan hast.“ Zwanzig Minuten später landeten sie schon in Amsterdam. Als sie ihr Gepäck hatten, gingen sie zum Ausgang. Reitschuster staunte nicht schlecht, als er einen Asiaten mit einem Schild in den Händen sah, auf dem »Reitschuster« stand.

„Also diese Frau Piringer erstaunt mich doch immer wieder!“

„Muss ich die kennen?“

„Ach, das ist eine nette ältere Dame aus einem Reisebüro in Krumbach, bei der ich diese Reise für uns gebucht habe. Sie hat tatsächlich das Hotel gleich mit ausgesucht. Na, da bin ich jetzt aber gespannt“, sagte Reitschuster immer noch wie von einer Abrissbirne getroffen.

„Sind Sie Mister und Miss Reitschuster?“ Jasmin kicherte und sagte: „Ja, genau die sind wir.“ Dann packte er ihre Sachen auf einen mitgebrachten Kofferwagen. Sie folgten ihm durch die fremden Terminals bis zum Ausgang. Draußen stand ein großer Mercedes Vito.

„Wie heißen Sie“, fragte ein sichtlich beeindruckter Reitschuster.

„Mein Name ist Pong.“ Sie setzten sich in das Auto und Pong fuhr in die Innenstadt von Amsterdam.

Sie überquerten auf der Fahrt zum Hotel ein paar Grachten, an denen bunte Häuser standen. Dann sah Jasmin ein Hinweisschild: »Madam Trousseau Museum 3 KM«.

Sie schaute Felix mit ihren smaragdgrünen Augen an.

„Da möchte ich hin Bär. Diese Wachsfiguren sind legendär.“ Reitschuster lächelte wohlwollend und nahm sie in den Arm.

„Nun lass uns doch erst einmal ankommen. Dann werden wir bei einem Glas Sekt unsere Ausflüge planen.“ Sie schaute sich die vorbeiziehenden Häuser und Brücken an. Ab und zu erblickte sie eines der Ausflugsboote, die angesichts der geringen Durchfahrtshöhen der Brücken sehr flach und breit waren. Nach etwa 15 Minuten hielt das Fahrzeug vor dem „Van Laars Huis.“

Es war ein kleines uriges Hotel, das von außen aussah wie ein Fachwerkhaus. Es bestand komplett aus roten Backsteinen. Die Wände wurden von schwarzen Balken durchkreuzt und vor dem Hotel befanden sich Gaslaternen, die das Hotel in einem sehr warmen Licht erscheinen ließen. Vor dem Haupthaus waren große Kastanienbäume, Buchsbaumbüsche sowie ein sehr schön angelegtes herbstliches Blumenbeet.

Ein gemütlicher Biergarten perfektionierte das herzliche Ambiente dieser romantischen Herberge.

Sie hätten dort gerne ein oder zwei Weizen getrunken, doch leider war dieser Biergarten jahreszeitlich bedingt geschlossen. Der Fahrer lud das Gepäck aus dem Vito und brachte es zur Rezeption. Als Pong sich anschickte zu gehen, gab ihm Reitschuster einen Fünfeuroschein, um sich für den Service zu bedanken.

In der kleinen gemütlichen Lobby herrschte, trotz der geringen Ausmaße des Hotels, ein reges Treiben. Eine kleine Reisegruppe aus Japan mit holländischen Fähnchen, Französisch sprechende junge Damen und eine Familie aus den Staaten, mit ihren typischen bunten Outfits.

„Guten Tag, Frau und Herr Reitschuster.“ Jasmin kicherte wieder. Sie fand es amüsant, als Frau Reitschuster angesprochen zu werden. Skeptisch schaute er den Rezeptionisten an. „Woher ich es weiß, nun Frau Piringer hat Sie recht gut beschrieben, als sie das Zimmer für Sie reservierte“, sagte der Concierge freundlich. Reitschuster war sichtlich erfreut, über die persönliche, professionelle Art und Weise, wie er hier empfangen wurde.

 

Nachdem Reitschuster die Anmeldung für sich und Jasmin ausgefüllt hatte, klingelte der Portier nach dem Kofferträger. Er übergab ihm die Schlüsselkarten und wünschte einen schönen Aufenthalt. Sie fuhren mit dem Fahrstuhl in den dritten Stock. Die Fahrstuhltüren öffneten sich und sie folgten dem Kofferträger, bis sie vor dem Zimmer 317 stoppten. „Das wäre dann Ihr Zimmer.“ Der Kofferträger öffnete die Tür, stellte das Gepäck ab und machte eine kleine Führung. Die frisch Verliebten sahen sich in einem sehr geschmackvoll eingerichteten Raum, mit Alkoven, bewundernd um. Dann zeigte er ihnen noch das Bad. „Ich wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt hier im Van Laars Huis.“ Er machte eine Verbeugung und schickte sich an zu gehen. Jasmin hielt ihn auf, gab ihm ein Trinkgeld und bedankte sich.

Jetzt holte Reitschuster den mitgebrachten, noch kühlen Sekt aus seinem Koffer.

„Du überrascht mich immer wieder, mit deinen lieben Einfällen.“ Lächelte sie erstaunt und streichelte ihm sanft seinen Nacken. Reitschuster schenkte ein, sie prosteten sich zu, lagen sich in den Armen, küssten und liebten sich bis zum frühen Abend.

In Krumbach gab es seit der Aufklärung des »Phantom-Falls«, nichts Neues. Es kehrte die normale Polizeiarbeit zurück. Schaller arbeitete seine und Reitschusters Berichte durch, ab und zu stand er auf, um aus dem Fenster zu schauen. Draußen war es nasskalt. Der Regen prasselte auf die Autodächer.

„Was für ein trostloser Wochenausklang“, sagte er laut. Carlo Kreuzleitner und Alois Obermayr, beides Polizeimeister, wurden wieder der Schutzpolizei unterstellt. Sie mussten wieder arme Parksünder verdonnern, Geschwindigkeitsüberschreitungen ahnden, manchmal Verkehrsunfälle aufnehmen oder Streife fahren. Auch ihnen fehlte die Zusammenarbeit mit Kriminalhauptkommissar „Bär“, Felix Reitschuster. Dieser wurde seit seiner Jugend so genannt, wegen seines massigen Aussehens. Der Kommissar war 49 Jahre alt, maß knapp zwei Meter und war Leiter der Kripo Krumbach. Reitschuster war im Urlaub. Mit ihm auch das Verbrechen, so schien es.

Das Telefon klingelte: „Kripo Krumbach, Schaller, Grüß Gott.“

„Staatsanwalt Dr. Hieber hier, Herr Schaller. Sie sind die Vertretung von Hauptkommissar Reitschuster. Habe da gerade eine Anfrage per E-Mail bekommen. Herr Schaller, machen Sie sich doch bitte mal Gedanken über eine Örtlichkeit hier in Krumbach, wo man eine Kunstausstellung zeigen könnte“, sagte Hieber ein wenig gequält.

„Darf ich dann ein Konzept ausarbeiten, wegen der Absicherung dieser Exponate?“ Schaller war froh über jede Art von Beschäftigung.

„Ja, Herr Schaller, scheint so, dass Sie der richtige Mann sind für diese Aufgabe“, stellte Hieber erfreut fest.

„Ganz gut, ganz gut, Herr Schaller. Dann machen Sie mal. Schönes Wochenende.“ Schaller war etwas verwirrt. Er glaubte jedoch den Staatsanwalt in der Kernaussage, richtig verstanden zu haben.

Dann wurde es 15:00 Uhr. „Frau Wimmer, ich denke, wir werden hier heute nicht mehr gebraucht. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.“

„Gleichfalls Herr Schaller“, gab sie freundlich zurück.

In seinem Lupo legte Schaller eine CD ein, von Sting in Concert Live 2009 – An English Man In New York.

So entspannt machte er sich auf den Heimweg.

Wie gewohnt leerte er seinen Briefkasten, da fand er eine Postkarte vom Chiemsee. Er erinnerte sich an den letzten Fall. Reitschuster und er fuhren damals an den Chiemsee, um eine Verdächtige zu befragen. Es war eine sehr attraktive Frau namens Mathilde Heyer. Sie war Anfang vierzig. Damals heizte sie ihm so richtig ein. Nun waren einige Wochen vergangen. Er dachte gar nicht mehr an diese hübsche Frau. Schaller fühlte sich geschmeichelt, als er die Zeilen las:

Wenn es Ihnen so geht wie mir, dann sollten Sie sich so schnell wie möglich melden. Glück hat der, der schnell ist! Liebe Grüße Mathilde!“

Schaller rief sich ihr strahlendes Aussehen ins Gedächtnis. Sie war schlank, zierlich, braun gebrannt, mit langen, schönen Beinen. Diese waren noch dazu mit halterlosen Strümpfen spärlich bedeckt. Schaller musste schmunzeln bei diesen Gedanken. Die Telefonnummer hatte sie auf die Karte geschrieben, doch sollte er sich wirklich melden? Er heftete die Karte an seinen Kühlschrank. Dort würde er wenigstens ab und zu daran erinnert werden, wenn er eine Flasche Schwarzbräu herausnehmen würde. Heute wollte er noch in die Sauna gehen. Den Abend würde er im „Kupferdächle“, ausklingen lassen. Vielleicht kämen auch Obermayr und Kreuzleitner hinzu.

Als Schaller am Morgen des Samstags erwachte, hatte er sehr schlecht geschlafen. Einerseits, weil es ein sehr geselliger Abend war, andererseits dachte er immer an diese Frau vom Chiemsee. Er entschied sich dafür, eine Runde zu joggen. „Dein Organismus braucht frischen Sauerstoff, der ist ja völlig unterversorgt“, sagte er zu sich selbst. Er zog einen seiner Jogginganzüge an. Vielleicht würde ihm eine Lokalität ins Auge springen, während seines Lauftrainings. So lief er in seiner unbedarften Art los. Von seiner Wohnung in der Mindelheimer Straße lief er hinüber zum Wachsmuseum. Dann in die Bergstraße zum ehemaligen Wasserschloss. Von dort aus lief er zum Schloss Krumbach.

Er schaute sich den beeindruckenden dreistöckigen Bau an. Das wäre die geeignete Lokalität für eine Ausstellung, gleich welcher Art, dachte Schaller.

Schloss Krumbach wurde 1030 erbaut und ist ein Renaissancebau. 1213 – 1301 gehörte es zu den Markgrafen Burgau. Dann hatten es die Habsburger bis 1805 für 500 Jahre in den Händen. Danach wurde es ein Regierungsgebäude, ja es wurde sogar ein Gefängnis mit angebaut, das wusste Schaller noch genau aus dem Geschichtsunterricht. 1972 wurde es dann zum Amtsgericht des Landkreises. Schaller bekam nun wieder Luft und joggte weiter, bis er zum Heimatmuseum Krumbach kam. Da entschied er sich, die passende Lokalität gefunden zu haben! Staatsanwalt Dr. Hieber würde beeindruckt sein. Schaller hatte es nun nicht mehr weit bis zu sich nach Hause. Beim Kaiserbeck nahm er noch ein paar Semmeln mit.

„Also allmählich bekomme ich Hunger“, sagte Jasmin, als sie aus der Dusche kam. Sie hatte einen Hauch von nichts an. Reitschuster hätte sie am liebsten wieder ins Bett gezogen, doch sein Hunger war stärker.

„Das habe ich auch, meine Liebe. Wollen wir uns zum Hafen fahren lassen? In gemütlicher, romantischer Atmosphäre, mit Blick auf den Hafen, ein extravagantes Fischgericht zu uns nehmen?“, fragte er und ging in Richtung Dusche.

„Super Idee“, sagte sie und gab ihm einen Klaps auf seinen blanken Po. Reitschuster blickte sie verschmitzt an.

„He! Super ist mein zweiter Vorname“, sie lachten unbeschwert.

Eine Stunde später hielt das Taxi vor dem „Kapitän Nemo Huis.“

Beim Eintreten war Jasmin sofort begeistert von den Schätzen der Meere. An den Wänden, teilweise auch an der Decke, befanden sich Bilder der holländischen Flotte aus der antiken Seefahrt sowie präparierte Fische und andere Accessoires aus der Seefahrt. Auch Reitschuster war anzusehen, dass er sich sichtlich wohlfühlte, zumal Jasmin so herrlich aufgeregt war. Es war 19:30 Uhr, und nur wenig los zu dieser noch frühen Abendzeit. Sie bekamen einen schönen Tisch an der Fensterfront mit Blick auf den Hafen. Er bestellte einen guten Chardonnay.

Sogleich wurde der Wein in einem Weinkühler gebracht. Sie studierten gemeinsam die Speisekarte.

Als sie das Passende gefunden hatten, prosteten sie sich zu und schauten sich dabei tief in die Augen. Jasmin ist schon ein echter Hingucker, dachte er. Ihre smaragdgrünen Augen leuchteten und funkelten, er bekam Herzklopfen. Unauffällig tastete er nach dem Kästchen. Dieses war noch an seinem Fleck.

„Haben Sie sich für etwas entschieden?“, fragte der Ober freundlich.

„Wir hätten gerne zweimal als Vorspeise, den Shrimpscocktail mit Knoblauchbaguette“, sagte Jasmin.

„Anschließend hätten wir gerne die Fisch-Gourmet-Platte, für zwei Personen“, vollendete Reitschuster die Bestellung. „Mit dem Nachtisch warten wir noch“, sagte Jasmin.

„Eine sehr gute Wahl“, bedankte sich der Ober, wechselte die Kerzen aus und nahm die Karten mit.

Zweites Kapitel

In einem Gasthof im heimischen Schwaben saßen in Edelstätten zwei Männer. Sie tranken Rotwein und unterhielten sich.

„Glaubst du, dass die Ausstellung, hier in Schwaben zu sehen sein wird?“, fragte der Jüngere der beiden. Dieser war Anfang vierzig, groß, schlank und wirkte sehr durchtrainiert. „Sagen wir mal so. Es wäre für uns ein Leichtes, dort zuzuschlagen“, sagte der ältere. Dieser war Anfang fünfzig, hatte graues, kurz geschnittenes, braunes Haar und eine wie Leder gegerbte Haut. Auch er machte einen gestählten Eindruck. „Das sind Kunstschätze von unermesslichem Wert, die dort ausgestellt werden. Wenn wir uns entscheiden, den Auftrag anzunehmen, wird das ein echtes Kabinettstück. Wir hätten ausgesorgt!“

Die beiden Männer haben schon oft Aufträge dieser Art ausgeführt.

Sei es für Versicherungen, um zu testen, ob die baulichen Gegebenheiten sicher waren, oder so wie in diesem Fall, einen echten Kunstraub zu begehen. „Nun warten wir erst einmal ab, wie entschieden wird. Sollte die Ausstellung tatsächlich in Krumbach stattfinden, werden wir leichtes Spiel haben. Sag mal, arbeitet dein Onkel immer noch bei dieser Überseespedition?“, fragte der Ältere.

„Onkel Ivan. Na klar! Der könnte gar nix anderes machen. Die Schiffe im Hafen würden ihm fehlen. Warum fragst du danach?“

„Es ist immer gut, so jemanden zu kennen. Für den Fall, dass man mal flüchten muss.“ Sie tranken aus und verließen das Lokal.

Schaller frühstückte ausgiebig. Beim Einräumen der Frühstücksutensilien schaute er auf die Postkarte. Sollte er sich wirklich bei ihr melden? Er kämpfte mit sich, schaute zum Telefon, doch er hatte nicht den Mut, sie anzurufen. Schaller packte seine Einkaufstasche mit dem Leergut und ging einkaufen. Der Samstag verging unspektakulär vor dem Fernseher.

Am Sonntag schaute er sich das Fußballspiel des TSV Krumbach gegen die Spielfreunde Aalen im heimischen Stadion an. Dies war zwar nur ein Freundschaftsspiel, aber so kam er wenigstens unter Leute. Soziale Kontakte zu pflegen fiel ihm, wie Tausenden anderer Polizisten, eher schwer. Der ständige Schichtwechsel, zu unregelmäßigen Zeiten, war mörderisch. Deshalb war er froh, der Kripo Krumbach unterstellt worden zu sein.

Beim sonntäglichen Fußballspiel trafen sich alle Sportbegeisterten. Auch Mitglieder des Stadtrats fand man unter den Zuschauern. Schaller war in Sachen Diplomatie noch ein Grünschnabel, und so platzte es aus ihm heraus, als er mit Frau Gehbauer ins Gespräch kam. „Guten Morgen Frau Stadträtin. Was für ein spannendes Spiel, da passt heute wirklich alles, finden Sie nicht auch?“ Er versuchte, sie in ein Gespräch zu verwickeln. „Ja das sehe ich genauso. Ich wünsche Ihnen auch einen schönen Tag, Herr Schaller.“ Sie zeigte sich von Schallers Redeschwall wenig beeindruckt.

„Ach, wo ich Sie gerade hier treffe. Staatsanwalt Dr. Hieber hat mich beauftragt, nach einer passenden Örtlichkeit zu suchen. Glaube wegen einer Ausstellung. Sie wissen nicht, so rein zufällig, um was es da genau geht?“, bohrte Schaller weiter.

Einer der Krumbacher Spieler wurde unsanft vom Ball getrennt. Deshalb gab es wegen der Schiedsrichterentscheidung Tumult. Sie pfiff sehr schrill, weil sie ebenfalls nicht einverstanden war.

„Junge, die pfeift wie ein Mann, Respekt“, dachte er. Dann lief das Spiel weiter.

„Um auf Ihre Frage zurückzukommen. Es handelt sich um seltene Gemälde aus längst vergessenen Epochen. Wir erwarten zu dieser Ausstellung hochrangige Besucher aus Politik und Fernsehen. Krumbach wird der Nabel Deutschlands werden für diese Zeit“, sagte sie mit Stolz geschwellter Brust, was Schaller sehr imposant fand.

„Wann wäre der Zeitraum für diese Ausstellung?“

„Beginn ist der 28.12. Die Ausstellung endet am 15.01. Ich war ja bei der Abstimmung dafür, dass es zu einer Dauerausstellung wird, um den Tourismus anzukurbeln. Die Betreiber der Galerie waren leider dagegen. Sie möchten, dass es bei einer Wanderausstellung bleibt. Im nachhinein halte ich es für eine gute Entscheidung, da sie den gesamten Süden bereisen werden“, sagte die attraktive Stadträtin. „Ich bedanke mich bei Ihnen, Frau Gehbauer. Schönen Sonntag.“ Jetzt hatte er die wichtigen Informationen. Schaller ging in sich. Wie wohl sein Chef entscheiden würde? Jedenfalls hatte er sich für das Heimatmuseum entschieden! Doch es blieb abzuwarten, wie Reitschuster sich Montagmittag dazu äußern würde. Schließlich wusste er von der Ausstellung noch nichts.

 

In Amsterdam wurde unterdessen fürstlich gespeist. Der Hauptgang kam. Es roch fantastisch, als der Ober die Teller mit den edlen Meeresfrüchten und Fischen belegte. Sie tranken Wein, lachten, waren einfach gut drauf. Jetzt war für Reitschuster der richtige Moment gekommen.

Er nahm das Kästchen unauffällig aus der Sakkotasche. Geschickt öffnete er es unter dem Tisch und entnahm den Ring. Dann hielt er ihre rechte Hand, schaute ihr in die Augen. „Liebe Jasmin, seit ich dich das erste Mal sah, war es um mich geschehen. Jeder Tag mit dir ist seitdem etwas ganz Besonderes für mich geworden. Bei dir fühle ich mich verstanden, ja direkt angekommen. Jasmin ich liebe dich. Ich möchte, dass du meine Frau wirst. Willst du mich heiraten?“

Reitschuster war in seinem Leben schon oft aufgeregt, doch noch nie so schön aufgeregt.

„JA!“, schmetterte es aus ihr heraus. Die anderen Gäste schauten lächelnd zu ihnen hinüber. „Ja, ich will deine Frau werden.“ Sie gab ihm einen leidenschaftlichen Kuss. Reitschuster streifte ihr den Diamantring über den linken Ringfinger. „Was für ein bezaubernder Ring“, sagte sie entzückt. Sie konnte die Tränen nicht mehr aufhalten.

Die übrigen Gäste applaudierten, wünschten dem Verlobungspaar alles Gute. Der Gaststättenbetreiber wollte es sich nicht nehmen lassen, dem Paar zu gratulieren. Er brachte eine Flasche Sekt mit an den Tisch. Sie prosteten gerne mit ihm sowie mit den anderen Gästen an. Es entwickelte sich eine spontane kleine Party. Reitschuster wusste nun, warum die Holländer als Partyvolk bekannt waren. Der frisch Verlobte, ließ es sich ebenfalls nicht nehmen, eine Lokalrunde auszugeben. Für sich und Jasmin bestellte er eine Magnumflasche Champagner. Es war eine berauschende Verlobungsfeier mit einem erstaunlich ausgelassenen, gelenkigen Felix „Bär“ Reitschuster, der keinen Tanz ausließ. Als der Morgen graute, ließen sie sich zum Hotel fahren. Im Hotelzimmer verbrachten sie den ganzen Samstag. Sie genossen die innige Zweisamkeit. Den Sonntag sparten sie sich für Rembrandt, van Gogh und das Wachsfigurenkabinett auf.

„Amsterdam ist so facettenreich, dass sich eine weitere Reise hierher lohnt.“ Reitschuster stimmte ihr freudig zu. Am Montag frühstückten sie noch ausgiebig im „van Laars Huis“, bis sie um 09:00 Uhr zum Flughafen Schiphol gebracht wurden. Gegen 12:00 Uhr landeten sie wieder sicher in Memmingen. Reitschuster freute sich auf sein „Schätzle.“ Als er sein Auto aus der Ferne sah, sagte er zu Jasmin: „Der hat einfach Charakter, gegenüber diesen Einheitsautos.“ Sein Auto war ein Opel Admiral in Königsblau, Baujahr 1968. Dieser Wagen war ein Erinnerungsstück aus dem Nachlass seines Vaters, der vor einigen Jahren an Krebs verstarb. Später setzte er Jasmin daheim ab und fuhr auf direktem Weg zur Polizeiinspektion nach Krumbach.

Dort angekommen gab ein riesiges Hallo. Auch Staatsanwalt Dr. Hieber ließ sich kurz sehen: „Ah! Herr Reitschuster, wieder zurück aus den Niederlanden. Prima, lassen Sie sich mal von Ihrem Kollegen einweisen. Wir sehen uns dann morgen. Nochmals herzlich willkommen!“

Frau Wimmer brachte Reitschuster eine Tasse Kaffee mit ein wenig Gebäck.

„Ach, Frau Wimmer. Sie glauben gar nicht, wie ich Ihren perfekten Kaffee sowie Ihre vorweihnachtlichen Laible vermisst habe.“ Sie wurde wieder rot. „Und natürlich auch Sie“, fügte er noch charmant hinzu. „Wo ist denn mein Kollege?“

„Ich möchte nichts vorwegnehmen. Herr Schaller ist auf geheimer Mission“, meinte Frau Wimmer verschwörerisch.

„Na, das wird ja immer mysteriöser, dann rufe ich ihn eben an.“ Das Smartphone klingelte in Schallers Jackett. „Ja der Bär! Sag bloß, du bist schon aus den Niederlanden zurückgekehrt? Hattest wohl Sehnsucht nach deiner Dienststelle, gell?“, kicherte er.

„So könnte man es auch formulieren. du weißt doch, dass ich nicht länger freibekommen habe, aber jetzt mal zu den Fakten. Haben wir einen neuen Fall, von dem ich noch nichts weiß? Will man mich noch schonen? Zugegeben, ich bin schon 49 Jahre alt, aber noch nicht ganz verblödet!“ Schaller musste nun lachen. „Nein nichts dergleichen! Das Verbrechen ist nur mit dir gereist. Hier war nichts los! Absolut tote Hose. Dem Staatsanwalt hat man eine Gemäldeausstellung aufs Auge gedrückt. Nun sollen wir schauen, wie wir alles managen.“

„Das ist doch wohl ein Ulk!“, blaffte er, „haben die im Landratsamt denn nichts anderes zu tun? Ja, haben die denn keine Fachleute oder Firmen, die sich mit so etwas Banalem beschäftigen können?“ Reitschuster war nun richtig angefressen. Dahin war die Ausgelassenheit, die Ruhe, die er mit Jasmin so genossen hatte.

„Ich denke, dass es für die Kommune günstiger ist, uns die Planung machen zu lassen, als teuer bezahlte Experten. Wie gesagt, wir werden eh bezahlt. Solange es keine Morde oder sonstige Offizialdelikte gibt, müssen wir die profanen Dinge erledigen! Das war der Tenor von Staatsanwalt Dr. Hieber. Ein infrage kommendes Gebäude habe ich schon gefunden. Du kannst es gerne ansehen“, sagte Schaller nicht ohne Stolz.

„Nun käs dich mal aus, Schaller. Welches Gebäude!“

„Es ist unser ehrwürdiges Heimatmuseum“, gab Schaller ruhig zurück. Reitschuster beruhigte sich wieder.

„Also gut. Dann lass uns mal in dieses Heimatmuseum einen Blick werfen. Bis gleich.“ Mit diesen Worten brach er auf. In der Nähe des Heimatmuseums parkte er ein. Von Weitem sah er Schaller winken.

„Servus Schaller, dann lass uns mal diesen neuen Fall in Angriff nehmen“, lächelte er. Sie gingen ins Museum.

Der Pförtner begrüßte sie. „Guten Tag die Herren, wie kann ich Ihnen helfen?“

„Wir möchten zu Ihrem Chef!“, sagte Reitschuster.

„Sie meinen Museumsdirektor Professor Karl-Josef Moosgruber. Den finden Sie, wenn Sie diesen Gang …“, er deutete nach links an den Beamten vorbei, „… bis zum Ende folgen. Wir haben nämlich ein paar neue Exponate bekommen, die der Professor immer als Erster sehen möchte.“

„Wir haben zu danken, Herr?“, fragte Schaller höflich. „Böck! Michael Böck ist mein Name. Ich bin seit 27 Jahren hier beschäftigt. Alle habe ich kommen und gehen sehen.“ Die Beamten nickten freundlich. Sie gingen an verschiedenen Hallen vorüber, in denen bekannte Gemälde hingen. Reitschuster, der sich sehr für die Malerei interessierte, erkannte einige Gemälde aus den vergangenen Jahrhunderten.

Am Ende des Ganges sahen sie einen kauzigen älteren Mann. Er hatte einen braunen Cordanzug an. Seine Sakkoärmel zierten Lederbesätze, die sicher keine Applikation waren. Der Mann war klein, durch seinen stattlichen Bauch wirkte er unbeholfen. Sein krauses, graues Haar stand wirr vom Kopf weg. Auf der Nase hatte er einen altertümlichen Zwicker. Kein Zweifel: Dieses Fossil musste Prof. Karl-Josef Moosgruber sein.

„Guten Tag, sind Sie Herr Professor Moosgruber?“, fragte Reitschuster. Der Mann musterte die beiden eine Weile. Dann holte er tief Luft. „Ja, der bin ich. Wen habe ich bitte vor mir?“, blinzelte er mit seinen Augen.

Reitschuster zog seinen Dienstausweis aus der Jackentasche. „Mein Name ist Hauptkommissar Reitschuster. Dies ist mein Kollege Polizeihauptmeister Schaller. Wir kommen im Auftrag von Herrn Staatsanwalt Dr. Hieber. Er hat eine E-Mail vom Landratsamt erhalten.

Darin geht es um eine Wanderausstellung, mit dem Motto »Zeitgenössische Maler aus den vergangenen Epochen«.

Er hat sich gefragt, ob dieses Museum sich für diese exklusive Ausstellung eignet?“

„Ist das so!“ Moosgruber war genervt. „Dafür braucht man nun schon hoch bezahlte Polizeibeamte? Der Bund deutscher Steuerzahler wäre beeindruckt über diese Verschwendung von Steuergeldern“, brüskierte sich der Professor. Reitschuster überhörte geflissentlich diesen Satz. „Es geht hier natürlich in erster Linie um die innere und äußere Sicherheit des Gebäudes. Deshalb sind wir hier. Wir möchten eine Sicherheitsanalyse machen. Sollte ich jedoch Zweifel haben, dass diese Exponate nicht ausreichend gesichert werden können, muss ich meinem Staatsanwalt davon abraten. Die Ausstellung könnte hier dann nicht stattfinden“, sagte Reitschuster streng. Aua, dachte Schaller. Da konnte er nichts hinzufügen. Wo hatte sein Kollege solche Redegewandtheit her? Reitschuster war sonst ein Mann der kurzen Sätze. Für ihn zählten Fakten, Fakten, Fakten. Sein Kurzurlaub schien ihm offensichtlich gut bekommen zu sein.

Nun legte sich der Prof. mächtig ins Zeug. „Ja, aber, aber. Natürlich sind Sie mit Ihrem Anliegen genau richtig bei mir. Kommen Sie bitte mit in mein Büro.“

Er gab kurz Anweisungen an seine Mitarbeiter, dann setzte er seinen Zwicker ab. Seine mausgrauen Augen funkelten nun sogar ein wenig. Sie gingen dem Professor hinterher, bis sie an eine enge Wendeltreppe aus dem 19. Jahrhundert kamen. Sie wurden in den ersten Stock geführt. Hier standen sehr viele ausgestopfte Tiere, Bilder und Statuen. Es war wohl der Lagerplatz des Museums.

Moosgruber schloss eine schwere Eichentüre auf. Auch hier sah es genauso aus wie in einem Ausstellungsraum, nur grüner, wegen der Vielfalt an Zimmerpflanzen. Das musste wohl sein Büro sein.