Buch lesen: «Relationalität in der Gestalttherapie»
EHP – Edition Humanistische Psychologie
Hg. Anna und Milan Sreckovic
Frank-M. Staemmler, Dr. Dipl.-Psych., geb. 1951, ist Mitbegründer des »Zentrums für Gestalttherapie« in Würzburg, und dort seit 1976 als Gestalttherapeut, Ausbilder und Supervisor tätig. Er ist Autor bzw. Herausgeber zahlreicher Fachartikel und mehrerer Bücher zu psychotherapeutischen Themen (zuletzt: Das Geheimnis des Anderen, 2009; Das Dialogische Selbst, 2015; Kränkungen, 2016). In diesem Verlag erschienen: Gestalttherapie im Umbruch, 2001; Ganzheitliches Gespräch, sprechender Leib, lebendige Sprache, 2003; Aggression, Selbstbehauptung, Zivilcourage, 2006; Therapie der Aggression, 2008; Was ist eigentlich Gestalttherapie? 2009; Kontakt als erste Wirklichkeit, 2013. Sein Interessenschwerpunkt liegt zzt. auf dem Gebiet der intersubjektiven Beziehungs- und Selbsttheorien sowie deren Umsetzung in die therapeutische Praxis.
Ausführliche Informationen unter http://www.frank-staemmler.de
© 2017 EHP – Verlag Andreas Kohlhage, Gevelsberg
Redaktion: Andreas Kohlhage
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Satz: MarktTransparenz Uwe Giese, Berlin Gedruckt in der EU
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print-ISBN 978-3-89797-103-5
epub-ISBN 978-3-89797-494-4
pdf-ISBN 978-3-89797-495-1
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Brockhaus Commission, Kornwestheim
Inhalt
1. Persönliches Vorwort
2. Einleitung
3. Individualismus im Vordergrund: die 1960er- und ’70er-Jahre
4. Die relationale Wende: die 1980er-Jahre
4.1 Historische Linien
4.2 Das therapeutische Beziehungsangebot – Psychologische Aspekte
Qualität der Beziehung, Methoden und Techniken – Die zwei Seiten der Beziehung – Rogers’ Variablen und der klinische Kontext – Persönliche Präsenz (»self-disclosure«) – Persönliches und Privates – Erotik und Sexualität – Selektive Authentizität und Takt – Funktionale Asymmetrie
4.3 Das therapeutische Beziehungsangebot – Philosophische und ethische Aspekte
Ich-Du und Ich-Es – Die Anderheit des Anderen – Fürsorge
4.4 Das therapeutische Beziehungsangebot – Spezielle Aspekte
Die Kontinuität von Beziehungen – Beziehungskrisen – Übertragung – Begegnungsmomente
5. Plädoyer für eine weitere Wende – Vom »Selbst-in-Beziehung« zum »relationalen Selbst«
5.1 Schwache und starke Relationalität
5.2 Entwicklungspsychologie
5.3 Dialogizität und kreative Aneignung
Pluralität – Sozialität und Individualität
6. Mögliche klinische Implikationen einer weiteren Wende
6.1 Die »mentale Gesellschaft«
6.2 Die Bedeutung von Bedürfnissen
6.3 Der Wert der Gemeinschaft
7. Schluss
Anhang 1:
Der Wille zur Unsicherheit – Vorläufige Überlegungen über Interpretation und Verstehen in der Gestalttherapie
Anhang 2:
KlientInnen-Fragebogen zu Kontakt und Beziehung
Literatur
Verzeichnisse
1. Persönliches Vorwort
Vor mehr als 40 Jahren habe ich angefangen, als Psychotherapeut zu arbeiten. Einen großen Teil meiner seither vergangenen Lebenszeit habe ich mit meinen Klientinnen und Klienten1 verbracht. Die Menschen, die ich in meiner Praxis empfangen habe, waren sehr unterschiedlich; es handelte sich um Frauen und Männer, um jüngere und ältere, um solche, die in ihrem Leben eigentlich ganz gut klar kamen, aber in irgendeiner Weise noch etwas für sich verbessern wollten, oder um solche, denen kaum etwas zu gelingen schien und die mehr oder weniger verzweifelt versuchten, den Kopf über Wasser zu halten.
Jede und jeder von ihnen hat mich auf eine bestimmte Weise angesprochen und damit eine Antwort hervorgerufen, die – auch wenn sie in manchen Fällen vom Wortlaut her einer Antwort ähnelte, die ich schon in anderen Fällen gegeben hatte – jeweils einmalig war, weil sie aus unserer jeweils gemeinsamen Situation heraus an eine ganz bestimmte Person gerichtet war, mit der mich eine jeweils unverwechselbare Beziehungsgeschichte verband. So habe ich nicht nur zahlreiche und manchmal überraschende Erfahrungen damit gesammelt, wie Menschen sich auf mich beziehen können, sondern ebenso zahlreiche Erfahrungen damit, wie ich mich auf andere Menschen beziehen und welche Selbste ich dabei aktualisieren kann. Das war für mich immer wieder überraschend, anregend und bereichernd.
Unabhängig von all diesen Unterschieden war dabei die grundlegende Konstellation der Rollen zwischen meinen Klienten und mir natürlich immer dieselbe: Sie wandten sich an mich als jemanden, von dem sie professionelle Hilfe in ihrer subjektiv schwierigen Lage erwarteten und den sie dafür bezahlten, dass er ihnen seine Zeit und seine therapeutische Kompetenz zur Verfügung stellte. Aber trotz dieser grundlegenden Asymmetrie zwischen den Beteiligten blieb es nur mit ganz wenigen Menschen bei einem reinen Dienstleistungsverhältnis. Die gemeinsame Beschäftigung mit den Sorgen meiner Klientinnen ließ häufig Atmosphären zwischen ihnen und mir entstehen, die von zwischenmenschlicher Nähe geprägt waren.
Das geschah häufig in einem Maß, über das wir beide den objektiv weiterhin bestehenden Dienstleistungscharakter unserer Beziehung zeitweilig vergaßen. Ich fühlte mich dann eher wie ein Gastgeber, der einen vorübergehend Zuflucht vor den Strapazen des Lebens Suchenden aufnahm und betreute. Manche meiner Klienten – man könnte sie vielleicht auch »Gäste« nennen – beschrieben mir später aus ihrer Sicht, dass sie das Zusammensein mit mir wie den Aufenthalt in einem Refugium erlebt hatten, in dem sie sich geborgen fühlen und erholen sowie Kräfte sammeln und Fähigkeiten entwickeln konnten, die es ihnen dann möglich machten, sich ihrem Leben auf neue Weise auszusetzen und zu stellen.
Beispiel aus der Praxis 1
Zur Vorgeschichte: Mein Klient B. wandte sich an mich anlässlich einer heftigen Ehekrise, in deren Verlauf er sich vorläufig von seiner Frau getrennt und vorübergehend eine eigene Wohnung bezogen hatte. Aus seiner Sicht hatte sich die Krise über mehrere Jahre hinweg entwickelt und nunmehr unübersehbar zugespitzt. Er sah den Grund dafür hauptsächlich in der Tatsache, dass seine Frau und er selbst sich überwiegend der Erziehung und Versorgung ihrer Kinder gewidmet und dabei ihre partnerschaftliche Beziehung vernachlässigt hatten. Seine Frau erschien ihm nur noch als fürsorgliche Mutterfigur, die dabei für ihn an weiblicher Attraktivität verlor, was ihn dazu verleitete, sich gelegentlich auf heimliche Affären mit anderen Frauen einzulassen.
Für seine Frau waren diese Affären, von denen sie manche durch Zufall entdeckte, sehr belastend und völlig unakzeptabel. Sie fühlte sich dadurch nicht nur gekränkt und entwertet, sondern auch in ihrem großen Engagement für die Familie missachtet und bestraft. Mein Klient selbst erklärte seine Seitensprünge nicht nur mit der zwischen ihm und seiner Frau verloren gegangenen erotischen Spannung, sondern auch und besonders damit, dass er das Gefühl hatte, mit seinen – nicht nur sexuellen – Wünschen und Sorgen bei ihr unwillkommen zu sein. Sie bestätigte das im gewissen Sinne, weil sie sich ohnehin schon viel zu sehr in der fürsorglichen Rolle sah und sich weigerte, zusätzlich ihm gegenüber in diese Rolle zu geraten. Dadurch fühlte er sich wiederum abgelehnt und hatte den Eindruck, sie interessiere sich nicht mehr wirklich für ihn.
In unseren ersten Gesprächen wirkte er auf mich recht offen und zugewandt, erwähnte wiederholt, wie sehr ich ihm empfohlen worden sei, und ließ sich emotional recht bereitwillig auf meine Fragen und Vorschläge ein. So hatte ich nach unseren anfänglichen Kontakten jedes Mal einen recht zufriedenstellenden Eindruck von dem Verlauf der Sitzungen. Nach ein paar Begegnungen fiel mir allerdings auf, dass er ein paarmal das jeweils folgende Gespräch damit begann, dass er – zu meiner wiederholten Überraschung – irgendetwas an der vorangegangenen Sitzung bemängelte. In der Mehrheit der Fälle griff er eine Bemerkung von mir auf, die ich bei dem früheren Treffen gemacht hatte, die er nun aber auf eine Weise wiedergab, die mich verwunderte und mir nicht im Einklang damit zu stehen schien, wie wir uns miteinander zuvor verständigt hatten.
Die ersten zwei, drei Male antwortete ich ihm auf seine Kritik, indem ich einfach nur erläuterte, wie ich meine von ihm nunmehr problematisierte Bemerkung seinerzeit gemeint hatte. Damit gab er sich jeweils zufrieden und wandte sich seinem aktuellen Anliegen zu. Der weitere Verlauf der Sitzung war nach meinem Eindruck dann wiederum kooperativ und fruchtbar. Dennoch wiederholte sich seine rückblickende Kritik immer wieder – bis mir deutlich wurde, dass es sich hier wohl um ein Muster handelte, das sich nicht durch Klärung der jeweiligen Einzelheiten verstehen oder auflösen ließ. Also sprach ich ihn bei nächster Gelegenheit auf die Regelmäßigkeit seiner kritischen Äußerungen an, ohne auf den Inhalt seiner Bemerkung einzugehen.
Der alarmierte und misstrauische Blick, mit dem er auf meine Beobachtung reagierte, traf mich mit verblüffender Wucht. Das meldete ich ihm zurück, und es entwickelte sich zwischen uns ein Dialog, in dem u. a. Folgendes deutlich wurde: Seine kritischen Äußerungen zu Beginn unserer vorangegangenen Sitzungen waren für ihn eine Art Überprüfung gewesen, durch die er feststellen wollte, ob ich ihm zugewandt bleiben würde, wenn er sich nicht nur ›pflegeleicht‹ und kooperativ verhielt, sondern mich auch mit seinen Sorgen und Zweifeln ›belastete‹. Durch meine ruhigen, klärenden Antworten hatte sich dann für ihn die Möglichkeit erschlossen, sich vorbehaltlos mitzuteilen, ohne das Desinteresse oder die Ablehnung befürchten zu müssen, die er in der Beziehung mit seiner Frau häufig empfand.
Die positiven Ergebnisse dieser von ihm praktizierten ›Einzelprüfungen‹ hatten es ihm zwar erlaubt, sich auf die jeweils anstehende Arbeit mit mir einzulassen, seine grundlegende Angst, mit seinen Nöten unerwünscht zu sein, hatte sich damit aber noch nicht aufgelöst. Er betonte, wie sehr er darunter litt, sich nicht vorbehaltlos anvertrauen und anlehnen zu können. Stattdessen diffamierte er sich seine Sehnsucht nach Unterstützung und Halt als ›infantil‹ und verbot sich, sie zum Ausdruck zu bringen. Durch die Beschreibung seines Leidens klang eine große Sehnsucht hindurch, die mich berührte und auf die ich antwortete: »Mir ist es viel lieber, Sie wenden sich an mich mit dem, was Sie bedrückt, selbst wenn es vielleicht einmal belastend für mich ist, als wenn Sie sich zusammenreißen und dadurch eine Kluft zwischen uns entsteht.«
Die Tränen schossen ihm in die Augen; er weinte für ein paar Minuten in intensiver, aber weicher Weise. Dann wurde er ruhiger, schaute zu mir auf und sagte mit einer wunderschönen Herzlichkeit: »Danke.« Es folgten einige Minuten der Stille zwischen uns, während derer wir uns immer wieder freundlich zulächelten. In mir machte sich ein starkes Gefühl von Verbundenheit und Verständnis breit. Ich meinte, ihn ›gesehen‹ zu haben, und fühlte mich von ihm ›gesehen‹.
Seitdem blieben seine kritischen Anmerkungen am Anfang unserer Stunden aus.
Solche Begegnungen mit ihren dichten Atmosphären waren es nach meinem Eindruck in besonderer Weise, die einerseits meinen Klienten wichtige Schritte in ihren Veränderungsprozessen möglich werden ließen und die andererseits für mich selbst sehr wertvoll waren, weil ich durch sie die Sinnhaftigkeit und Wirksamkeit meiner Arbeit besonders deutlich spüren konnte – mehr noch: Durch sie fühlte ich mich persönlich erfüllt. An diesen Atmosphären beteiligt zu sein und die Möglichkeiten mitzuerleben, die sich für meine Klientinnen daraus ergaben, war – bei aller Notwendigkeit, meinen Lebensunterhalt zu verdienen – für mich der eigentliche ›Lohn‹ meiner Arbeit.
Ohne diese Art des persönlichen Gewinns wäre es mir sicher nicht möglich gewesen, mich all die Jahre hindurch immer wieder mit den oft durchaus bestürzenden Leidensgeschichten meiner Klienten zu beschäftigen und mich den damit verknüpften, häufig bedrückenden Stimmungen auszusetzen. Denn mein Verständnis von Psychotherapie verbietet es mir, eine so distanzierte Haltung einzunehmen, dass mich die Erlebnisse meiner Klientinnen nicht berühren und, in gravierenden Fällen, nicht auch mitnehmen würden. Gerade weil sich die Aufgabe eines Psychotherapeuten aber nicht auf das Erleben von Mitgefühl beschränken kann, wird der von Freud (1937/1975, 388) so genannte »unmögliche Beruf« immer wieder zur Herausforderung: »Psychotherapie muss der obstinate Versuch zweier Menschen bleiben, die Ganzheit der Existenz durch ihre Relationen zueinander wiederherzustellen« (Laing 1969, 46 – H.i.O.2).
Was den Beruf des Psychotherapeuten dennoch so bereichernd sein lässt, hat für mich entscheidend mit der Dimension der Beziehung zwischen meinen Klientinnen und mir zu tun: Ich genieße das Privileg, mich mit ihnen in einer Weise beschäftigen zu können, die für mich auf besondere Weise sinnvoll und befriedigend ist. Denn meine Tätigkeit als Psychotherapeut gestattet mir, einen großen Teil meines beruflichen Lebens in Verbundenheit mit anderen Menschen und in Fürsorge für sie zu verbringen. So sehr es von außen betrachtet den Anschein haben mag, als engagierte ich mich hauptsächlich für meine Klienten, so sehr tue ich dabei ständig auch viel für mich selbst und für mein eigenes Wohlbefinden.
Das Erleben von Resonanz und Verbundenheit – ungeachtet der jeweiligen Einzig- und Andersartigkeit meiner Klientinnen – sowie die Haltung der Gastlichkeit und Fürsorge sind dabei neben dem Erwerb von Anerkennung und der Erfahrung von Selbstwirksamkeit die für mich maßgeblichen Faktoren. Die Wünsche nach resonanten Beziehungen und eigener Wirksamkeit hängen dabei eng zusammen:3 Wie viele meiner Kollegen freue ich mich daran, »dass ›so viel zurückkommt‹; dass sie fühlen, wie sie etwas zu bewegen und zu bewirken vermögen, das von Bedeutung ist; oder dass es ihnen gelingt, gleichsam ›eine Spur zu hinterlassen‹ oder ›einen Unterschied zu machen‹« (Rosa 2016, 276 – H.i.O.).
Das Befriedigende liegt darin, dass es sich bei therapeutischen Beziehungen, so wie ich sie verstehe und einzugehen versuche, um »Antwort-« und »Resonanzbeziehungen«, wie Rosa (2016) sie nennt, handelt, in denen es viel weniger darauf ankommt, ob die jeweils vorherrschenden Stimmungen und Gefühle immer angenehm oder erfreulich sind, sondern viel mehr darauf, dass die Beteiligten bereit sind, sich dem Erleben des jeweils anderen empathisch zuzuwenden, sich davon berühren zu lassen, und dann spüren können, dass ihre eigene Art der Präsenz den anderen erreicht. So werden zwischenmenschliche Verbindung und Anteilnahme positiv erfahrbar, selbst wenn die aktuellen Emotionen, wie z. B. Schmerz, Trauer oder Verzweiflung, negativ gefärbt sein mögen.
Ich erlebe in meinem Beruf mit meinen Klientinnen fast täglich am eigenen Leib jene wichtigen Aspekte menschlicher Beziehungen, von denen die Psychotherapieforschung herausgefunden hat, wie wesentlich sie dafür sind, dass Menschen mit ihrem Leben, mit anderen und mit sich selbst besser zurechtzukommen lernen. Auch wenn ich in einer anderen Funktion an den Beziehungen mit meinen Klienten beteiligt bin als diese es mit mir sind, unterscheiden wir uns nicht darin, dass wir gleichermaßen in fundamentaler Weise darauf angewiesen sind, von anderen gesehen, verstanden und anerkannt zu werden, und uns miteinander in bedeutsamer Weise verbunden zu fühlen. Meine Subjektivität lebt von unserer gemeinsamen Intersubjektivität genauso wie die ihre.
Aus dieser Gemeinsamkeit speist sich daher meine vorrangige, gleichermaßen allgemein-menschliche wie berufliche Motivation: Weil ich aus eigener Erfahrung weiß, wie hilfreich es in allen möglichen Lebenslagen ist, sich mit all dem, was man erlebt und denkt, vertrauensvoll an andere wenden zu können und sich bei ihnen damit willkommen zu fühlen, ist es mir ein großes Anliegen, dazu beizutragen, dass diese Erfahrung gerade für jene erreichbar bzw. häufiger zugänglich wird, die sie in ihrem bisherigen Leben zu selten machen konnten und auf diese Weise sowohl die Verbundenheit mit anderen als auch wichtige Aspekte ihrer selbst nicht genügend erlebt haben. Kaum etwas scheint mir wert- und sinnvoller, als anderen dabei zu helfen, dass sie ihre Beziehungen mit Partnerinnen, Angehörigen, Freunden oder Kolleginnen möglichst befriedigend gestalten können.
Mit dem vorliegenden Buch wende ich mich überwiegend an Kolleginnen, denen ähnliche Beweggründe am Herzen liegen. Vielleicht kann ich ihnen mit den folgenden Überlegungen einige Anregungen geben, die sie für ihre therapeutische Arbeit zum eigenen Nutzen und zu dem ihrer Klienten gebrauchen können. Ich werde zu diesem Zweck von meinen eigenen Erfahrungen als Psychotherapeut sowie von den Erfahrungen meiner Klienten in der Therapie berichten; ich werde Gedanken mitteilen, die ich mir anlässlich dieser Erfahrungen gemacht habe, und ich werde auf Mitteilungen Bezug nehmen, die andere Kolleginnen und Autoren in persönlichen Gesprächen und in Veröffentlichungen zu den hier relevanten Fragen gemacht haben.
Allen auf die eine oder andere Weise am Entstehen dieses Buches Beteiligten danke ich für die Anregungen, die ich von ihnen erhalten habe. Dass die Klientinnen, mit denen ich mich in den vergangenen vier Jahrzehnten beschäftigt und durch die ich so viel gelernt habe, hier an erster Stelle anerkennend zu nennen sind, dürfte nach dem bisher Gesagten nachvollziehbar sein und nicht als Floskel missverstanden werden. Mein spezieller Dank geht hier an diejenigen von ihnen, die mir die Erlaubnis gegeben haben, Begebenheiten zu schildern, die ich mit ihnen in unseren Sitzungen erlebt habe. (Diese Berichte habe ich selbstverständlich so abgefasst, dass die Anonymität meiner Klienten gewahrt bleibt.)
Die vielen Ausbildungs- und Fortbildungsteilnehmerinnen, die mich mit ihrem Wissensdurst und ihren zahllosen Fragen stimuliert haben, möchte ich hier ebenso dankend erwähnen wie jene Kollegen, mit denen ich in dieser Zeit in engem Austausch stand. Dazu gehören nicht nur meine Freundin Lynne Jacobs und mein Freund Rolf Merten, sondern u. a. auch die Herausgeberin des British Gestalt Journal, Christine Stevens, und ihre Mitarbeiter sowie die mir namentlich nicht bekannten peer reviewers, die in den letzten zwei Jahrzehnten viele meiner Artikel kompetent begutachtet, bei Bedarf konstruktiv mit mir diskutiert und zur Veröffentlichung empfohlen haben – u. a. einen Text, der gewissermaßen den Entwurf für das vorliegende Buch darstellte (vgl. Staemmler 2016a).
Außerdem richtet sich meine Dankbarkeit an die vielen Verfasserinnen von Büchern und Artikeln, die sich die unter Kollegen nicht immer angemessen gewürdigte Mühe gemacht haben, ihre Gedanken und Erfahrungen aufzuschreiben und sie mir (und anderen) zur Verfügung zu stellen. Ihnen fühle ich mich, obwohl ich sie in den meisten Fällen persönlich nicht kenne, verbunden, was ich mit der Erwähnung ihrer jeweiligen Schriften zum Ausdruck bringen möchte.
Ein ganz besonderer Dank geht an meine Lebenspartnerin Barbara, die mich schon ein paar Jahre länger begleitet als meine Klienten und Kolleginnen und die mir mehr als jeder andere Mensch ermöglicht hat, auf lebendige Weise zu lernen, was es bedeutet, in Beziehung zu sein – in liebevollem Engagement, ohne falschen Schein und mit gegenseitiger Achtung unserer jeweiligen Würde.
Schließlich möchte ich einen schon lange verstorbenen Kollegen würdigen, den ich persönlich nicht kennenlernen konnte, weil er starb, bevor ich geboren wurde: Hans Trüb (1889–1949), der ein Schüler C. G. Jungs und ein Freund Martin Bubers war. Mit seinem 1951 posthum erschienenen Buch Heilung aus der Begegnung – Überlegung zu einer dialogischen Psychotherapie4 gehört er zweifellos zu den ersten Psychotherapeuten, die sowohl die grundsätzliche Bedeutung menschlicher Relationalität als auch deren Relevanz für die Psychotherapie klar erkannt und eindrücklich in Worte gefasst haben. Gemessen daran wurde er bislang aus meiner Sicht viel zu wenig bekannt und anerkannt. Dem möchte ich in diesem Buch, so weit es mir möglich ist, dadurch etwas entgegensetzen, dass ich den einzelnen Kapiteln jeweils ein Zitat aus Heilung aus der Begegnung voranstelle.