Frank Eldering – Der Plot
©2019 angard-verlag, Idstein
2. überarbeitete Auflage, Juni 2019
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Erlaubnis des Verlages reproduziert, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Dieses Buch ist ein Werk der Fiktion.
Ähnlichkeiten mit Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Umschlaggestaltung, Layout und Satz:
eretier | grafische gestaltung, Christina Eretier,
Umschlagmotiv: ©motortion
Autorenfoto: Kathryn Pfahler
Lektorat: Paul Pfeffer
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eISBN 978-3-948042-01-1
Printed in Germany
Thriller von Frank Eldering
angard-verlag 2019
Für Kathy
Teil I – der Auftrag
1Nächtlicher Stierkampf
2Ultimatum
3Schwarzer Drachen
4Der Richtige
5Jagdinstinkt
6Zettel
7Der Patient
8Im Schreibfluss
9Frühsport
10Papierfetzen
11Tödliche Zeilen
12Fuchsjagd
13Verdacht
14Mutmaßungen
15Drehbuch zum Töten
16Einbrecher
Teil II — erste Plot-Änderung
17Ohne Absender
18Ertappt
19Ein Plan
20Umschlagtausch
21Schweine
22Gedanken beim Frühstück
23Telefonat
24Gute Tat
25Drei alte Damen
26Königsfalter
27Lockenschnitt
28Aufs Land
29Nächtliche Gedanken
30Falkenhaus
31Patronentausch
32Ins Gebüsch
33Amok
34Geheime Notizen
35Nächtlicher Besuch
36Zugriff
37Wasser mit Wodka
38Befragung
39Nachbarin
40Gespräch mit einem Mörder
41Freudiges Wiedersehen
42Fremder Gast
Teil III – zweite Plot-Änderung
43Wie Karl May
44Kammerschreck
45Skalpell
46Mysteryman
47Schreib-Wut
48Trauma
49Frühstück mit Voronin
50Wurfsessel
51Fristlose Kündigung
52Störsender
53Kopfschmerzen
54Chaos
55In den Wind
Teil IV – Attentat
56Nächtlicher Damenbesuch
57Einbetoniert
58Aus dem Jenseits
59Security
60Zwickmühle
61Nächtliche Bootsfahrt
62Unter Schock
63Freund
64Fahrt ins Ungewisse
65Speicherkarte
66Gefahrenzulage
67Gespeicherte Anrufe
68Messer an die Kehle
69Dringender Tatverdacht
70Schnauze voll
71Taverna Luigi
72Fingerabdrücke
73Verbotenes Beweismittel
74Riesenkrake
75Lustspiel
76Messerstich
Teil V — Anklage
77Lady Hammer
78Beweisaufnahme
79Schmauchspuren
80Bestseller
81Raubvogel
82Aus dem Ruder
83Tablet-PC
84Zeuge der Anklage
85Schließfach
86Geheime Information
87Kinderspiel
88Fehlendes Beweismittel
89Zeuge der Verteidigung
90Einweisungen
91Selfie
92Polaroidbilder
Teil VI — Selbstjustiz
93Luftgewehr
94Echte Tote
95Major Karpow
96Zombie
97Überlistet
98Selbstversuch
99Plan B
Voronin
Nachwort des Autors
Biographie
Danksagung
Anhang
Referenzen
»Das Individuum mag glauben, die eigene Existenz sei das Wichtigste, aber das ist nur sein persönlicher Standpunkt. Das entbehrt der historischen Perspektive. Der Mensch hat nicht das Recht, seinen eigenen Geist zu entwickeln …«
Aussage von Dr. José Delgado vor dem US-Congress;
Congressional Record No. 26, Vol. 118, Feb. 24.1974.
Dr. José M. R. Delgado, † 2011, Direktor der Neuropsychiatrie,
Yale University Medical School und Wissenschaftler vom
ehemaligen, geheimen MKULTRA Projekt.
Reine Magie.
Ein Wunderwerk.
Das vollkommene Instrument der Macht.
Er hob das Gerät behutsam vom Tisch. Seine Hände zitterten.
Ihm fielen die Worte des Lehrmeisters ein:
»Wir brauchen ein psycho-chirurgisches Programm für die mentale Herrschaft über der Gesellschaft. Der Zweck ist die Kontrolle des Geistes mit den Mitteln der Physik.«
»Psycho-chirurgisches Programm. Kontrolle des Geistes.« Er flüsterte
die Worte, ließ sie über den Gaumen gleiten, wie einen kostbaren
Chateauneuf du Pape.
Recht hatte er gehabt, der alte Visionär. Nur Wenige vermochten es
damals, ihn zu verstehen. Einer von ihnen er selbst, der Meisterschüler.
Ein hauchdünnes Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
Der Tag ist gekommen.
Eine neue Ära beginnt.
Seine Finger liebkosten das kalte Gehäuse.
Das vollkommene Instrument der Macht.
Ein Wunderwerk.
Reine Magie.
Der alte Volvo bog von der Hauptstraße ab, sein Lichtkegel streifte ein stählernes Tor. Dahinter tauchte die Silhouette eines grauen Gebäudes auf, die sofort wieder mit der Dunkelheit verschmolz. Die Scheinwerfer beleuchteten einen Weg, der auf beiden Seiten von Bäumen gesäumt war. Ihre verzweigten Äste bildeten ein Gewölbe, das den fahlen Schein des Halbmondes nur durchschimmern ließ.
Das Fahrzeug fuhr den Weg hinunter und parkte vor dem Sportstudio. Der Fahrer stieg aus, nahm eine Sporttasche vom Rücksitz und warf einen Blick auf die gläserne Tür. Im Innern brannte Licht, einige Fitnessbesessene trainierten noch.
Sein Auto fiel hier nicht auf. Er schwang die Tasche über die Schulter und ging den Weg zurück, den er heruntergefahren war.
Heute Abend ist es so weit.
Er schlich am Tor vorbei, das von Kameras überwacht wurde. Im Lichtschein, der durch die geöffnete Eingangstür auf die Einfahrt fiel, erspähte er den Umriss einer dunklen Limousine. Die Innenbeleuchtung des Fahrzeugs erlosch, als der letzte Insasse die Tür zuschlug. Drei Männer betraten das Gebäude.
Ich muss mich beeilen!
Außer Reichweite der Kameras hastete er den Weg zur Hauptstraße hinauf, an zwei eisernen Brücken vorbei, die einen Graben entlang der Straße überquerten. Dem ehemaligen Altersheim hatten sie als Fluchtwege gedient, jetzt endeten sie an einem Zaun. Stacheldraht war zwischen den Spitzen der nach innen gekrümmten Pfosten gespannt.
Die sollen verhindern, dass man hier ausbricht.
Nach etwa hundert Metern bog er von der Straße ab und rannte eine Wiese hinunter ins Tal.
An der Stelle, wo der Zaun in den Wald abknickte, ging er in die Hocke. Mit einer Kneifzange knipste er einen Streifen in den Maschendraht, den er hochklappte.
Aus der Sporttasche nahm er den schwarzen Overall mit Kapuze und zog ihn über. Eine Dämmung mit innenseitiger Alukaschierung verhinderte, dass die Körperwärme nach außen abstrahlte. Mit einem Stoßgebet, dass die Infrarot-Bewegungsmelder an der Gebäudeaußenwand ihn nicht erfassen möchten, robbte er durch die Öffnung. Sekundenlang verharrte er, bereit, sofort zurückzukriechen. Kein Strahler flutete das Gelände.
Er atmete durch, kroch weiter. Im Schutz des Gebäudes richtete er sich auf und schlich an der Wand entlang zum einzigen Fenster, dessen Lichtstreifen am Rand verriet, dass der Raum dahinter benutzt wurde. Er heftete ein mit Saugnapf versehenes Mikrofon an die Scheibe, steckte sich den Stöpsel ins Ohr. Er ließ sich aufs Gras sinken, schaltete das Aufnahmegerät ein und lehnte sich gegen die Wand.
Hoffentlich bin ich nicht zu spät!
Eine Tür öffnete und schloss sich, gefolgt von Schrittgeräuschen. Stühle wurden geschoben. Geflüster erstarb, als die Tür erneut geöffnet wurde. Anscheinend der Hausherr, denn es folgte eine kurze Begrüßung, bevor Ruhe einkehrte.
Der Lichtstreifen erlosch. Am Lichtflackern erkannte er, dass drinnen ein Film vorgeführt wurde.
Mist. Ein Stummfilm!
Nach wenigen Minuten erschien der Lichtspalt wieder, der Film war zu Ende.
Jemand räusperte sich. »Das war der Auftritt von Doktor José Delgado in der Stierkampfarena von Córdoba. Wie Sie gesehen haben, bekämpfte er den Stier mit einem Handsender. Er ließ ihm vorher Elektroden in die Amygdala einpflanzen, den Bereich im Zwischenhirn, worin das Hass- und Liebeszentrum liegen. Sehr nah beieinander, nebenbei bemerkt, meine Herren!«
Anscheinend wartete der Redner auf eine Lachsalve, doch keiner der Anwesenden tat ihm den Gefallen.
»Sie haben gesehen, dass der Stier wütend angriff und dann plötzlich abdrehte, was sich einige Male wiederholte. Wie hat Delgado das geschafft? Mit dem Sender schwächte er die Aggressivität des Tieres über die … nennen wir sie Liebeselektrode ab, so dass es den Angriff stoppte, und stimulierte sie wieder über die Hasselektrode.« Den Worten folgte ein Flüstern der Gäste.
»Meine Herren, darf ich Sie daran erinnern, dass Delgados Stierkampf 1965 stattfand.«
Der Redner legte eine Pause ein, bevor er weitersprach.
»Ich werde Ihnen zeigen, weshalb ich Sie heute Abend eingeladen habe …«
Jetzt wird es interessant!
Draußen unter dem Fenster drückte der Lauscher den Stöpsel fester gegen das Ohr. Je länger geredet wurde, umso kälter wurde ihm. Und das lag nicht an der plötzlich gefallenen Außentemperatur Ende September.
Plötzlich fiel der Ton aus. Das Mikrofon lag im Gras. Der Saugnapf hat sich gelöst! Er richtete sich auf, um ihn wieder an der Scheibe zu befestigen. Im gleichen Moment wurde der Vorhang zur Seite geschoben, ein Mann starrte auf ihn herunter.
Für den Bruchteil einer Sekunde verharrte er, dann schaltete sein Gehirn auf Flucht. Er wirbelte herum, rannte davon. Hinter ihm wurde das Fenster geöffnet.
»Halt! Stehen bleiben!«
Scheinwerfer tauchten das Gelände in grelles Licht.
Dann fielen Schüsse.
»Du gehst heute nicht auf die Messe!«
Max sah Jennifer an.
Da fehlt nur noch »… oder es passiert was!«
»Und warum nicht, wenn ich fragen darf?«
»Willst du mir etwa sagen, dass du nicht weißt, was für ein Tag heute ist?«
Max stocherte in seinem Gedächtnis nach dem Grund, weshalb Jennifer sich so aufregte. Er sah aus dem Fenster zum wolkenverhangenen Oktoberhimmel.
»Kein schöner Tag. Aber genau richtig, um zur Buchmesse zu fahren. Warum regst du dich so auf? Du willst doch sowieso nie mit.«
Jennifer schnaubte.
»Heute ist unser Hochzeitstag, Max. Der zehnte, um genau zu sein.«
Max´ Gesicht fing an, zu glühen.
»Das habe ich glatt vergessen«, flüsterte er.
Schweigen.
»Weißt du Max, das Traurige ist, dass ich von vornherein gewusst habe, dass du es vergisst. Und dass ich es immer noch nicht wahrhaben will, dass dir nichts mehr an mir … an uns liegt.«
»Aber Jenny, das ist doch Unsinn.«
»Nein, das ist die Wahrheit. Seit der Sache mit dieser Reporterin vor fünf Jahren. Da hätte ich es eigentlich wissen müssen.«
»Das war doch nur eine kurze Affäre, mir ging es damals nicht gut, das weißt du. Darüber haben wir uns ausgesprochen.«
»Mag sein, aber jetzt ist Schluss, ich mach das nicht mehr mit!«
Das hört sich nach einem Ultimatum an!
»Wie, jetzt ist Schluss, wie meinst du das?«
»Wenn dir heute dein Tag auf der Buchmesse wichtiger ist als unser Hochzeitstag, dann war es das für mich. Schluss, Ende! So meine ich das.«
»Aber Jenny … Ich habe einen wichtigen Termin. Einen sehr wichtigen sogar. Ein Verleger will mich kennenlernen, hat mich sogar eingeladen. Das ist eine Riesenchance!«
»Riesenchance, dass ich nicht lache! Wenn ich an alle deine Riesenchancen denke, die du mir die letzten Jahre präsentiert hast …«
Die unausgesprochenen Worte hallten wie ein Echo von den Wänden zurück.
Jennifer legte noch eine Schippe drauf. »Schau dir dein Arbeitszimmer an, Max. Die Wand vor deinem Schreibtisch, die du mit den vielen Absagen der letzten Jahre zugekleistert hast. Das ist doch purer Masochismus! Warum tust du das? Was willst du dir damit beweisen?«
»Dass ich nicht aufgebe. Wie Abraham Lincoln …« Weiter kam er nicht.
»Ach nein, nicht schon wieder diese Leier! Der Mann, der Jahr für Jahr unermüdlich versucht hat, zum Präsidenten gewählt zu werden, bis es irgendwann klappte! Ich kann es nicht mehr hören. Du bist Lehrer, hast einen Job, kannst jederzeit in deinen Beruf zurückkehren und wieder Geld verdienen.«
»Ich hatte ein Burn-out, Jenny, schon vergessen?«
»Das ist fünf Jahre her. Du wolltest es unbedingt mit Schreiben versuchen. Wir hatten damals eine Abmachung: Falls es nach fünf Jahren nicht klappt, mit der Schreiberei Geld zu verdienen, kehrst du in deinen alten Beruf zurück. Es sind jetzt sechs Jahre her, und du machst nicht den Eindruck, dich an die Abmachung halten zu wollen. Deshalb ziehe ich jetzt die Reißleine.«
Die Echos verstummten. Max wartete auf das, was kommen würde.
»Wenn du jetzt zur Buchmesse fährst, zieh ich aus!«
Sie verschwand im Schlafzimmer und schlug die Tür zu.
Gewitterwolken verdunkelten den Himmel über Frankfurt, als der Shuttlebus vom Parkhaus am Rebstock mit einem Ruck vor der Messehalle 9 zum Stillstand kam. Gleichzeitig mit dem Zischen der Türen fuhr ein Blitz nieder, gefolgt von einem krachenden Donner und dem Stakkato der vom Himmel stürzenden Regenmassen. Die Insassen nützten eine Unterbrechung des Regenschwalls, um fluchtartig den Bus zu verlassen. Sofort bildete sich ein Stau an den Glastüren.
Der Regen nahm wieder an Heftigkeit zu.
Max wartete, bis die letzten Passagiere ausgestiegen waren. Er zog den Mantelkragen über den Kopf und rannte zum Eingang. Obwohl er nur kurz dem Schauer ausgesetzt war, fühlte es sich an, als sei er bis auf die Haut durchnässt.
Er durchquerte den Vorraum mit den Kassen, an den Besucherscharen vorbei, die sich vor den Schaltern aufreihten. An der Eingangskontrolle lächelte ihm eine Hostess zu und las die Eintrittskarte mit der Aufschrift ›Modric Verlag‹ mit dem Scanner.
Erneut warf er einen Blick auf die Karte, die ihm zugeschickt worden war. Er hatte gestaunt, nachdem er den Umschlag geöffnet und die Einladung gelesen hatte. Das Staunen wuchs beim Nachforschen im Internet: Was wollte ein wissenschaftlicher Verlag von ihm, einem unbekannten erfolglosen Krimiautor?
Der Verlagsinhaber wolle ihn persönlich treffen, hieß es im Begleitschreiben.
Er dachte an die Auseinandersetzung mit Jenny. Auch er glaubte nicht wirklich, dass etwas aus der Riesenchance werden konnte.
Eine Gruppe von farbenprächtig kostümierten Jugendlichen hastete aufgeregt gestikulierend an ihm vorbei. Cosplayers – er schmunzelte, jedes Jahr gab es mehr von ihnen.
Unten im Foyer der Halle 4 weckte eine Gruppe Messebesucher seine Neugierde. Ihm blieb noch Zeit bis zu der Verabredung und er fuhr die Rolltreppe hinunter. Eine Schar Menschen hatte sich um einen Jugendlichen in einem schwarzen Drachenkostüm versammelt. Drohend drehte sich der Drache um die eigene Achse, den Kopf auf und ab bewegend, als überlegte er, welchen der Zuschauer er zuerst verspeisen sollte. Die Flügel mit nahezu vier Metern Spannweite schlagend, trieb das Ungeheuer seine Beute im Kreis um sich herum. Plötzlich fixierte er Max, trat einen Ausfallschritt auf ihn zu. Die Schwingen wollten ihn einfangen. Max wich zurück, stolperte.
Die Umstehenden lachten.
Er sah auf seine Armbanduhr. Der Drache hatte ihn die Zeit vergessen lassen. Nur noch Minuten verblieben bis zum vereinbarten Termin.
Schwer atmend erreichte er den Stand des Modric-Verlags. Unzählige Exemplare der Neuerscheinung eines Autors namens Wladimir Voronin zogen Max´ Blick auf sich. Seine Augen huschten von den Büchern über die Namensschilder der Standmitarbeiter, auf der Suche nach Modric, dem Verleger.
»Herr Delius, nehme ich an?«
Max fuhr herum. Vor ihm stand ein hagerer, kräftiger Mann in einem scharf gebügelten grauen Anzug, der ihn mit durchdringendem Blick musterte. Eine Wolke von aufdringlichem Aftershave umhüllte ihn. Ein Kribbeln fuhr Max über den Rücken, als er ihm in die dunklen Augen sah.
»Oh, entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht erschrecken.« Der Mann reichte ihm eine klamme Hand: »Rupert Modric.« Er sprach es aus wie ›Modritsch‹ und fügte grinsend hinzu: »Nicht zu verwechseln mit einem britischen Medienmogul mit ähnlich klingendem Namen.« Er neigte den Kopf zu der korpulenten Person mit Halbglatze und Hornbrille neben ihm, den er um einen Kopf überragte. »Darf ich vorstellen: Doktor Wladimir Voronin, einer meiner wichtigsten Autoren.«
Der Angesprochene nickte lächelnd und reichte Max die Hand. »Angenehm, Sie kennenzulernen. Leider muss ich auch schon gehen. Auf Wiedersehen Herr Delius, … Rupert.« Mit einem Kopfnicken verschwand er in der Menschenmenge.
Modric zeigte auf einen Tisch am Stand. »Setzen wir uns. Darf ich Ihnen einen Sekt anbieten?« Er winkte einer Hostess, die kurz darauf zwei Gläser brachte. Modric hob das Glas.
»Auf die Literatur.«
Max trank einen winzigen Schluck. Er hatte kaum gefrühstückt und wollte sich vom Sekt nicht benebeln lassen. »Vielen Dank für die Einladung, Herr Modric. Ehrlich gesagt habe ich mich darüber ein wenig gewundert. Wie sind Sie auf mich gekommen? Ich schreibe Kriminalromane, Sie publizieren so viel ich weiß wissenschaftliche Werke.« Der Verleger lächelte. »Die Zeiten ändern sich, Herr Delius. Das große Geld lässt sich mit wissenschaftlichen Büchern allein nicht verdienen. Obwohl ich mit Autoren wie Doktor Voronin überaus glücklich bin. Wir haben gerade sein neuestes Werk herausgebracht. Waren Sie zufällig bei der ARD-Veranstaltung vorhin?«
Max verneinte.
»Schade, dann hätten Sie mitbekommen, dass sehr kontrovers über das Buch diskutiert wurde, was uns natürlich freut.«
Max hob die Brauen. »Das verstehe ich nicht so ganz, um ehrlich zu sein.«
»Kontroverse Diskussionen über ein Buch bringen den Autor ins Rampenlicht und steigern ganz nebenbei den Umsatz. Das sollten Sie sich für die Zukunft merken, Herr Delius.«
Eine kurze Pause, dann kam der Verleger zurück zum Thema. »Ich habe beschlossen, eine Belletristiksparte aufzumachen. Dazu benötige ich neue Autoren. Ehrgeizige Autoren. Autoren wie Sie.«
»Aber ich habe noch nichts veröffentlicht, bis auf ein paar selbst publizierte E-Books.«
»Ich weiß. Das spielt im Moment keine Rolle. Den Rest erkläre ich Ihnen in einer etwas gemütlicheren Umgebung. Darf ich Sie zum Mittagessen einladen? Ich kenne hier ein ruhiges Restaurant.«
Max, der die Buchmesse jedes Jahr besuchte, stutzte. »Ruhig? Hier, auf der Messe?«
Modric lachte verschmitzt. »Etwas für Eingeweihte.« Er hob eine Aktentasche vom Boden und stand auf. »Trinken Sie Ihren Sekt aus, Herr Delius.«