Pierres Weihnachtstraum

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Pierres Weihnachtstraum
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Frank Buddrus

Pierres Weihnachtstraum

Weihnachtsgeschichte 2020

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Pierres Weihnachtstraum

Impressum neobooks

Pierres Weihnachtstraum

Unsere Geschichte handelt von Pierre, einem Socken. Ja, Ihr habt richtig gehört. Pierre! Er war aus roter Wolle und behauptete von sich, ganz eindeutig zum rechten Fuß zu gehören. Der passende andere rote Socken hieß Jaques. Er kommt im Titel der Geschichte nicht vor, obwohl es auch um ihn geht, schließlich gehören zwei passende Socken doch irgendwie untrennbar zusammen. Jaques kommt im Titel der Geschichte einfach deshalb nicht vor, weil er um die ganze Sache nicht halb so viel Aufhebens machte und es ihm völlig schnurz war, ob die Geschichte seinen Namen trug oder nicht. Er war in den meisten Dingen viel gleichmütiger und geduldiger als Pierre. Jaques behauptete zum Beispiel nicht von sich, unbedingt und ausschließlich zum linken Fuß zu gehören. Oder sogar zum rechten. Auch das war ihm nämlich völlig schnurz. So auch dem Weihnachtsmann. Dem gehörten diese beiden und noch eine ganze Reihe weiterer Socken und er scherte sich nicht darum, welche davon er morgens links und welche er rechts über seine Füße zog. Die Socken des Weihnachtsmanns hatten auch keine Zeichen, an denen zu erkennen war, ob sie ein rechter oder linker Socken sein sollten. Selbst wenn es solche Zeichen gegeben hätte, der Weihnachtsmann hätte sich vermutlich nicht daran gehalten, war es doch morgens meistens zu dunkel und er meistens zu sehr in Eile, als sich um solche Belanglosigkeiten zu scheren. Für Pierre war das etwas anderes. Er mochte es ganz und gar nicht, gegen seine Bestimmung auf den linken Fuß gezogen zu werden. Solche Tage waren für ihn verlorene Tage. Er bekam schon früh schlechte Laune und legte diese erst wieder ab, wenn er abends wieder abgestreift und irgendwann in den folgenden Tagen gewaschen worden war. Auch legte Pierre großen Wert darauf, nicht für einen Strumpf gehalten zu werden. Was genau ihn daran störte, sagte er nie, zumal die wenigsten nicht einmal wissen, dass es da einen Unterschied gibt.

Pierre und auch Jaques waren Franzosen, was man unschwer am Namen erkennen konnte. Der Weihnachtsmann hatte sie vor einigen Jahren von einer jungen Mutter bekommen. Sie und ihr Mann waren nicht sehr wohlhabend. Deshalb freuten sie sich sehr, dass der Weihnachtsmann ihren Kindern Geschenke brachte. So sehr, dass sie beschlossen, ihm auch einmal ein Geschenk zu machen. So etwas passiert dem Weihnachtsmann nicht sehr oft, entsprechend groß war seine Freude über das Paar roter, selbst gestrickter Socken gewesen.

Pierre und Jaques verbrachten die meiste Zeit ihres Lebens in einer Schublade. Zusammen mit anderen Socken. Aber auch zusammen mit Strümpfen, Taschentüchern und Hosenträgern. Wild durcheinandergewürfelt. Der Weihnachtsmann hatte, das werdet Ihr ahnen, die dumme Angewohnheit, seine Kleinwäsche nicht zu sortierten und zusammenzulegen, sondern einfach in die Schublade zu stopfen. Für die Socken und Strümpfe war das oft ganz angenehm, weil sie ihrem Pendant nicht dauernd auf der Pelle hingen, und sich so auch mal anderen unterhalten konnte. Pendant ist ein Wort, das auch aus Frankreich kommt. Es bedeute so viel wie Gegenstück. Die französischen Socken nannten ihr Gegenstück Pendant, die deutschen einfach nur Gegenstück. Manchmal waren Pendants oder Gegenstücke auch Partner oder Pärchen. Für die war es besonders schlimm, voneinander getrennt zu sein. Die waren, um es ehrlich zu sagen, auch froh, nicht am Fuß des Weihnachtsmanns zu sein. Sie zogen es vor, schön nah beieinander in der hintersten Ecke der Schublade zu kuscheln. Ganz anders als die anderen. Die konnten es kaum erwarten, ihrer Funktion entsprechend dem Weihnachtsmann bei seiner kräftezehrenden Aufgabe Wärme zu schenken. Daher war es noch schlimmer, als am falschen Fuß getragen zu werden, gar nicht am Fuß getragen zu werden. Manchmal konnte es passieren, dass der Weihnachtsmann, weil es morgens zu dunkel oder er einfach in Eile war, nicht das richtige Pendant erwischte. Das war für die Zurückgebliebenen zwar nicht schön, die Ausgewählten aber freuten sich trotzdem. Schlimmer war es, wenn der Weihnachtsmann einen Strumpf oder Socken bereits ausgewählt hatte, das Pendant aber nicht finden konnte und sich dann für zwei andere entschied. Ganz schlimm aber war es, wenn einer der beiden Socken ein Loch bekam. In manchem Fällen blieb es bei einem kurzen Schock und das Loch konnte nach der Wäsche gestopft werden. Anders aber verhielt es sich, wenn das Loch nicht mehr repariert werden konnte. Ja dann, und das fürchtete jeder, war es wohl vorbei mit dem schönen Leben. Was genau passierte, wusste niemand. Die Aussicht aber, in den Müll geworfen zu werden und den Rest des Lebens auf einer Müllhalde zwischen Bananenschalen und gebrauchten Teebeuteln verbringen zu müssen, die stimmte niemanden glücklich. Dann war man höchstwahrscheinlich nicht nur von seinem Pendant getrennt, sondern von allen und allem, was man bis dahin kennengelernt und liebgewonnen hatte.

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