Inspiriertes Schreiben. Selbsterkenntnis, inneres Wachstum und harmonische (Neu-)Orientierung

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Inspiriertes Schreiben. Selbsterkenntnis, inneres Wachstum und harmonische (Neu-)Orientierung
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

France Gauthier

Inspiriertes Schreiben

Selbsterkenntnis, inneres Wachstum

und harmonische (Neu-)Orientierung

E-Book (Epub): ISBN 978-3-86374-524-0

(Druckausgabe: ISBN 978-3-86374-522-6, 1. Auflage 2019)

Mankau Verlag GmbH

D-82418 Murnau a. Staffelsee

Im Netz: www.mankau-verlag.de

Internetforum: www.mankau-verlag.de/forum

Übersetzung aus dem Französischen: Susanne Engelhardt, München

Lektorat: Redaktionsbüro Julia Feldbaum, Augsburg

Endkorrektorat: Susanne Langer-Joffroy M. A., Germering

Cover/Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

Layout und Satz: Lydia Kühn, Aix-en-Provence, Frankreich

Energ. Beratung: Gerhard Albustin, Raum & Form, Winhöring

Bildnachweis: genevievearsenault.com, S. 10

E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de


Die Originalausgabe erschien unter dem Titel

»Le guide de l‘écriture inspirée«

© 2018, Éditions La Semaine, division du Groupe Sogides Inc.

(Montreal, Quebec, Kanada)

Alle Rechte der deutschsprachigen Ausgabe:

© 2019, Mankau Verlag GmbH, Murnau

Hinweis für die Leser/innen: Die Autorin hat bei der Erstellung dieses Buches Informationen und Ratschläge mit Sorgfalt recherchiert und geprüft, dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Verlag und Autorin können keinerlei Haftung für etwaige Schäden oder Nachteile übernehmen, die sich aus der praktischen Umsetzung der in diesem Buch vorgestellten Übungen und Empfehlungen ergeben.

Für all jene

auf der Suche nach

kleinen und großen Wahrheiten


Inhalt

Einleitung

Erster Teil

DAS WERKZEUG

Was ist eigentlich Inspiriertes Schreiben?

Wie ich zum Inspirierten Schreiben kam

Inspiriertes Schreiben gibt dem Leben einen Sinn

Inspiriertes Schreiben zeigt Sackgassen auf

Inspiriertes Schreiben heilt

Inspiriertes Schreiben als Werkzeug zur Interpretation von Träumen

Schreiben als Werkzeug der Weiterentwicklung

Inspiriertes Schreiben als Brücke zwischen den Welten

Der »Kollateralnutzen« des Inspirierten Schreibens

Inspiriertes Schreiben als Quelle der Weisheit

Zweiter Teil

DIE INSPIRATION

Die wichtigsten Hinweise auf echte Inspiration

Der Überraschungseffekt

Innerer Drang und »Kontrollverlust«

Ein ungewöhnlicher Wortschatz oder Stil

Enthüllungen, die man nicht hören will

Das Gefühl, auf zwei Ebenen zu sein

Andere Hinweise

Häufig gestellte Fragen

Drit ter Teil

DIE TECHNIK

Warnung

In drei Schritten zum Inspirierten Schreiben

Eine Meditation oder Kontemplation vorab

Stellen Sie eine Frage

Schreiben Sie!

Tricks, um den Denkapparat zu überlisten

Das 5-Tage-Übungsprogramm

Tag 1: Den Kopf frei kriegen

Tag 2: Dem Leben eine Richtung geben

Tag 3: Frieden in Beziehungen herstellen

Tag 4: Sackgassen erkennen

Tag 5: Frei von der Leber weg!

Alternativ: Zu zweit schreiben

Schlusswort

Weitere Bücher der Autorin

Register

Einleitung

Ich betreibe das Inspirierte Schreiben seit 2007, und seit 2011 unterrichte ich es auch. Das quasi tägliche Schreiben hat buchstäblich mein Leben verändert. Es hat dadurch vor allem eine klare Richtung bekommen. Aber ich lerne mich auch besser kennen: Ich erkenne mich, ich erkenne in kritischen oder zweideutigen Situationen die toten Winkel. Ich kann mein Bewusstsein erweitern, existenzielle Ängste abbauen, mich heilen und vieles mehr.

Gleich zu Beginn sollten Sie wissen, dass ich zwischen Inspiriertem Schreiben und Automatischem Schreiben, der »écriture automatique«, unterscheide. Meinen Beobachtungen zufolge ist das Automatische Schreiben das Privileg eines talentierten Mediums, das einen unkontrollierbaren Drang in der Hand spürt und den Eindruck hat, »der Stift schreibe von selbst«, wenn es eine Botschaft des Unsichtbaren erhält. Ich war mehrfach Zeuge dieses Phänomens. Das erste Mal 2002 bei dem Medium, das Botschaften von meinem Vater empfing, der 1977 verstorben ist. Diese habe ich in meinem ersten Buch On ne meurt pas (auf Deutsch: Wir sterben nicht) festgehalten. Anschließend habe ich es noch bei mehreren anderen Personen erlebt, die ich im Laufe meiner jahrelangen Recherchen interviewt habe. Mein Fachgebiet dagegen ist das Inspirierte Schreiben, was bedeutet, mein Stift »legt nicht von selbst los«. Ich muss aktiv werden, um die Information der feinstofflichen Welt zu empfangen.

Ich könnte die von mir verwendete Technik in einem Satz zusammenfassen, der drei einfache Handlungen umfasst: Hinsetzen, Heft aufschlagen, schreiben!

So habe ich angefangen, und so gehe ich bis heute vor. Es klingt simpel, ich gebe es zu, es ist aber effizient – und wie. Warum dann noch eine Anleitung zum Inspirierten Schreiben als Mittel der Bewusstseinserweiterung? Weil es motiviert und Halt gibt, wenn der Lernprozess begleitet wird, vor allem dann, wenn es gilt, sich zu vertrauen und einengende Glaubenssätze über Bord zu werfen.

Natürlich gibt es nicht nur eine Art, das Inspirierte Schreiben auszuüben. Und es gibt auch keine absolute Wahrheit auf dem weiten Feld der Kontakte mit dem Unsichtbaren. Da kommen verschiedene kleine Wahrheiten zutage und begleiten uns auf dem Weg der Bewusstwerdung … bis sie durch neue Wahrheiten ersetzt werden, je nach Bewusstseinsstufe. Um es von vornherein klarzustellen: Weder bin ich in diesem Bereich im Besitz der einen Wahrheit noch kann ich Ihnen eine unfehlbare Methode beibringen, wie man sich mit dem Wissen verbindet. Ich betreibe diese Kunst, weil sie mir hilft, tagtäglich Wege zu persönlichen Wahrheiten zu finden. Ich unterrichte sie, weil ihre Sprache universell und jedem zugänglich ist. Jeder kann schreiben, wenn man davon ausgeht, dass sprachliche Qualität und Rechtschreibung nichts zu tun haben mit der Tiefgründigkeit der Erkenntnisse, die man in inspiriertem Zustand erhalten kann.

Bevor ich begonnen habe, diese Technik zu unterrichten, habe ich mir Zeit genommen, den Prozess in mir aufzudröseln, um ihn besser in Worte fassen und vermitteln zu können. Ich verrate Ihnen also so manchen Dreh und die ein oder andere Beobachtung, die mir im Laufe der Jahre das Inspirierte Schreiben zugänglich gemacht haben. Sie werden hier zahlreiche Beispiele finden, die seine verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten und Vorteile veranschaulichen. Um der Sache zu dienen, habe ich die aussagekräftigsten Texte ausgewählt, also jene, die meinen Projekten eine Richtung gaben, mir in den dunkelsten Momenten Erleuchtung brachten, mir eine viel breitere Perspektive auf das Leben ermöglichten und hier und da ein Körnchen Weisheit vermitteln konnten. Deshalb sind aber die anderen Texte noch längst nicht ohne Bedeutung. Meiner Erfahrung nach ist Schreiben nie nutzlos, ob es uns im ersten Moment nun relevant erscheinen mag oder nicht. So mancher Schatz gibt sich erst Jahre später zu erkennen. Seien wir also geduldig, vertrauen wir auf den Prozess und vor allem: Vergnügen wir uns beim Schreiben.

 

Im zweiten Teil (→ Seite 101 ff.) können Sie sich mit den wesentlichen Punkten vertraut machen, die uns erlauben, die Inspiration zu erkennen. Dadurch steigen das Zutrauen und das Vergnügen daran, sich in dieser Art Verbindung mit dem Unsichtbaren zu üben. Dort finden Sie auch Antworten auf die Fragen, die in den Seminaren am häufigsten gestellt werden, sowie Argumente, um die meisten Ihrer Befürchtungen zu zerstreuen. Und ganz zum Schluss können Sie, falls Sie das möchten, Übungen machen, um beim Schreiben Sicherheit zu erlangen.

Aber zuerst werde ich Ihnen erzählen, wie diese außergewöhnliche Art des Schreibens meinen Weg geformt hat. Vielleicht kann ich Sie ja inspirieren und dazu verleiten, selbst einen Stift in die Hand zu nehmen und zu schreiben.


Was ist eigentlich Inspiriertes Schreiben?

Das Inspirierte Schreiben ist eine einfache Technik, die eine direkte Verbindung mit dem großen Selbst ermöglicht (das auch »überlegenes Selbst«, »überlegenes Ich«, »großes Ich«, »wahres Ich bin« oder »Essenz« genannt wird), also mit dem Teil von uns, der mit dem universellen Wissen verknüpft ist. Im vorliegenden Buch werde ich Ausdrücke wie »das Geistige« oder »das Bewusste« als Synonyme für das große Selbst verwenden, und »Geist« oder »Bewusstsein«, um vom Denkapparat, dem Intellekt und dem logischen Gehirn zu sprechen.

Alle menschlichen Wesen sind in ständiger Verbindung mit diesem Wissen, das frei im Universum zirkuliert. Meinem gegenwärtigen Verständnis nach ist jeder von uns ein Zwitter aus Seele und Geist, der in einer Form von Materie die Erde erforscht. Die Verschmelzung Seele-Geist-Körper entspricht dem Konzept der Dreieinigkeit, das in verschiedenen spirituellen Strömungen aufgegriffen wird. Die Seele, die mit dem weiblichen Prinzip verknüpft ist, und der Geist, der mit dem männlichem einhergeht, treffen sich, um eine dritte Einheit zu erschaffen, den Körper, wie es der Fall bei jeder Schöpfung im Universum ist.

Die Ausdrucksweise des Geistes zeigt sich in Eingebungen, die in unseren inneren Dialog gleiten. Eine solche Eingebung, die direkt mit dem Wissen verknüpft ist, äußert sich über Ideen, Wahrnehmungen oder Bilder, die mit dem steten Fluss der Gedanken verschmelzen, und das am Tag und nachts in unseren Träumen. Man kann diese Botschaften hören und Nutzen aus ihren kostbaren Lehren ziehen, wenn unser überbeanspruchter Denkapparat sich frei macht von den Sorgen des Alltags – oder wenn man sich beim Aufwachen an seine Träume erinnert.

Empfindungen hingegen sind die Ausdrucksweise der Seele. Die Signale, die unser Körper uns übermittelt, wenn der Magen sich verkrampft, wir Druck auf der Brust verspüren oder uns etwas die Kehle zuschnürt, sind eindeutige Hinweise, dass dieser Ort, diese Arbeit, dieses Projekt oder diese Beziehung nicht zu uns passen. Eine Weitung der Brust oder ein aufgeregtes Kitzeln im Magen weisen dagegen darauf hin, dass wir uns mit den richtigen Personen am richtigen Ort befinden. Die Empfindungen werden auf feinstoffliche Art erfasst und dann durch den Denkapparat analysiert – in Abhängigkeit von seiner Konditionierung. Deshalb findet man sich so oft in ungünstigen Situationen wieder, die vermieden werden könnten, wenn man auf das Empfundene achten würde, statt aufgrund unserer Erziehung und unserer intellektuellen Errungenschaften das Für und Wider abzuwägen.

Da sich unsere universelle Essenz durch die Einheit Seele-Geist-Körper ausdrückt, ist es auf dem Weg zur Erweckung unumgänglich, ihre Ausdrucksweise zu verstehen und zu entschlüsseln. Im Klartext: Sich unseren feinstofflichen Sinnen zu öffnen, der direkten Verbindung mit dem großen Selbst, ist wesentlich, um zu erkennen, wer man wirklich ist.

Bei dieser Suche nach Erkenntnis und Einheit mit sich selbst erscheint das Inspirierte Schreiben als ein einfaches und wirksames Mittel, um eine Auszeit zu nehmen vom Strom der manipulierten Gedanken. Doch dafür muss man sich einen geeigneten Ort zugestehen, um den Hauch des Geistigen zu empfangen, der von den Empfindungen der Seele begleitet wird, und man muss festhalten, was sich alles einstellt, und zwar ohne zu filtern oder zu urteilen.

Ich habe das Inspirierte Schreiben 2007 für mich entdeckt, dank meiner guten Freundin Anne-Marie Séguin (die Geschichte ihrer spirituellen Heilung erzähle ich in meinen Büchern Vivre et mourirguéri! – auf Deutsch: Leben und Sterbenaber gesund! – und L’insoutenable légèreté de mourir – auf Deutsch: Die unerträgliche Leichtigkeit des Sterbens). Sie las mir damals einen Text vor, den sie nachts empfangen hatte und der ganz offensichtlich »nicht von ihr kam«. Damit meine ich, dass Wörter, Redewendungen und Gehalt ihrer üblichen Ausdrucksweise überhaupt nicht entsprachen. Damals arbeitete ich freiberuflich als Journalistin, und einer meiner Aufträge bestand darin, Leute zu interviewen, die eine Art Erweckungserlebnis hatten. Mehrere dieser Interviews sind übrigens in dem Buch La vie, la mort et autres histoires

d’éveil abgedruckt (auf Deutsch: Das Leben, der Tod und andere Erweckungsgeschichten). Als ich meiner Freundin beim Verlesen der Botschaft zuhörte, habe ich sofort den Tonfall erkannt, den ein Mensch – der sogenannte Kanal oder Channel – beim Channeling verwendet, wenn er Botschaften aus dem Unsichtbaren übermittelt.

Amerikanischen Forschern zufolge, die sich für veränderte Bewusstseinszustände interessieren, muss man zwischen einem Medium und einem Channel unterscheiden. Ein Medium verfügt über die feinen Antennen, um mit Verstorbenen zu kommunizieren, während ein Channel als Vermittler für die Energien dient, die aus anderen Dimensionen kommen, die man auch Engel, Lichtwesen etc. nennt. Und die Art Text, den meine Freundin mir vorlas, glich der Art, wie beim Channeling die Botschaft eines solchen »Wesens« übermittelt wird. Als sie mit dem Vorlesen fertig war, habe ich ihr in entschiedenem Tonfall zugerufen: »Aber Anne-Marie, das ist ja reinstes Channeling!«

Ich persönlich unterscheide nicht zwischen den beiden, weil ich davon ausgehe, dass wir alle irgendwo ein Medium sind oder Channeling betreiben. Ich habe auch keine Ahnung davon, woher das stammt, was ich in Momenten der Inspiration empfange. Sind es ein oder mehrere Führer oder Meister, mein Unterbewusstsein, ein Aspekt des kollektiven Bewusstseins oder Gott selbst, die da zu mir sprechen? Ich habe keinen blassen Schimmer. Deshalb habe ich mir angewöhnt, den Ausdruck »das große Selbst« zu verwenden, wenn ich über das Woher spreche. Aber die genaue Herkunft der Inspiration ist ja auch völlig bedeutungslos! Warum? Weil ich vielleicht nie etwas davon belegen kann, was aus diesem noch unerforschten und deshalb kaum verstandenen Gebiet stammt, das obendrein oft kaum wahrgenommen wird. Dafür weiß ich aber, dass es funktioniert. Nicht immer zu hundert Prozent, das möchte ich nicht verschweigen. Das Inspirierte Schreiben ist keine exakte Wissenschaft. Doch beim anschließenden Durchlesen finde ich immer ein Wort, eine Wendung oder einen ganzen Absatz, die mich inspirieren und mir Antworten geben auf meine momentanen Fragen.

Ich werde später noch auf die verschiedenen Zeichen zu sprechen kommen, die darauf hinweisen, dass man sehr wohl mit der Inspiration in Verbindung steht. Hier und jetzt will ich mich aber damit begnügen zu sagen, dass ein Großteil meiner Schöpfungen (Vorträge, Seminare, Bücher, Liebesbeziehungen und sonstige Projekte aller Art) beim Inspirierten Schreiben entstanden sind. Und mit der Zeit habe ich, ohne alles wortwörtlich zu nehmen, gelernt, mir beim Channeling selbst zu vertrauen.

Im Nachhinein kann ich sagen, dass dieses Vorgehen mich auch in menschlicher Hinsicht verändert hat. Ich habe mich dadurch einer breiteren Bewusstseinsebene geöffnet und bin mir meiner unendlichen Möglichkeiten bewusst geworden.

Wie ich zum Inspirierten Schreiben kam

Indem ich es meiner Freundin gleichtun wollte, habe ich die Macht des Inspirierten Schreibens als Mittel der persönlichen Entwicklung entdeckt. Oft sage ich scherzhaft: »Ich habe im Leben nichts erfunden, ich bin vielmehr die Kopier-Königin!« Tatsache ist, dass ich viel von Vorbildern lerne. Wenn jemand etwas macht, das zu funktionieren scheint und mir zusagt, dann teste ich diese Methode und passe sie an meine Bedürfnisse an. Als ich sah, dass meine Freundin mitten in der Nacht interessante Botschaften empfing, sagte ich mir, dass ich das doch auch hinkriegen müsste. Und so habe ich es ihr einfach nachgemacht!

Ich habe immer an den Überfluss für alle geglaubt. Natürlich bin ich mir bewusst, dass manche Personen talentierter als andere sind und dass das auf alle Bereiche zutrifft. So könnte man das Inspirierte Schreiben mit Gesang oder Klavierspiel vergleichen. Ausnahmslos jeder von uns kann singen oder Klavier spielen lernen. Aber um Sänger zu werden, muss man seine Stimme trainieren, Koloraturen üben – so wie ein Sportler, der in seiner Disziplin Erfolg haben will. Um Pianist zu werden, muss man Tonleitern üben und an seiner Technik feilen, bevor man die Finger frei über die Tastatur gleiten lassen kann. Und obwohl jeder Mensch singen oder Klavier spielen lernen kann, versteht es sich, dass bestimmte Menschen ein angeborenes musikalisches Talent haben. Folglich sind sie auch begabter als die anderen. Das Gleiche gilt beim Schreiben.

Auch wenn ich immer gesagt habe, Anne-Marie sei die Céline Dion des Inspirierten Schreibens, habe ich mich doch von ihrem außergewöhnlichen Talent nicht abschrecken lassen. Ganz im Gegenteil: Sie hat mich, ohne es zu wissen, dazu getrieben, mein Talent zu entwickeln. Ich habe mich mit geschlossenen Augen ins Abenteuer gestürzt, genau wie ich es mit Anfang zwanzig gemacht habe, als ich anfing, Gesangsunterricht zu nehmen. Eine professionelle Sängerin wollte ich aber nie werden. Das Inspirierte Schreiben hat sich mir dagegen als eine kreative Kunstform quasi aufgedrängt, und ich empfinde es als genauso erfüllend und befreiend wie das Singen aus vollem Hals.

Meine Motivation, die Kommunikation mit dem Unsichtbaren zu entwickeln, wurde stärker. Deshalb schrieb ich bald jeden Tag, ohne aber überprüfen zu können, ob das Geschriebene sehr, etwas oder gar nicht inspiriert war. Um ehrlich zu sein: In Wahrheit war ich der Ansicht, dass dieses ganze Geschwätz, das ich zu Papier brachte, sich mit drei Worten zusammenfassen ließ: »So ein Schwachsinn!« Waren es die Ausgeburten meiner Fantasie, meiner Konditionierung, meiner Ängste, oder kam all das komplett oder zum Teil von meinem großen Selbst? Ich wusste es nicht. Also schrieb ich, ohne mich infrage zu stellen. Fast jeden Morgen, mehr als drei Jahre lang, absolvierte ich dieselbe fröhliche Routine: Ich setzte mich still hin, um zu meditieren, und nahm dann den Stift zur Hand, um eine Frage zu richten an das, was ich das »Universum« nenne. Dann schrieb ich alles auf, was kam, ohne zu urteilen oder zu filtern, auch wenn mir das Geschriebene total verrückt vorkam.

Weil ich ein Dickschädel bin und weil mir die Übung als solche guttat, habe ich nicht aufgegeben. Manchmal sagte ich mir, dass das ja nur ein Ventil sei, um die parasitären Gedanken loszuwerden, die meine Gedankenwelt vermüllen – oder eine Möglichkeit, um die Emotionen freizusetzen, die in meinem Unterbewussten festsitzen und die ich verdrängte, um nicht leiden zu müssen. Vielleicht erzählte ich mir manchmal auch nur Geschichten, um mir eine Freude zu machen. Vielleicht, vielleicht …

Nach drei Jahren fast täglichen Schreibens brachte ich die Energie auf, eines der alten Hefte aufzuschlagen, um noch einmal einige zufällig ausgewählte Texte zu lesen. Wie groß war meine Überraschung, als ich feststellte, wie sehr das Geschriebene mich ansprach und mir durchaus weise vorkam! Manche Botschaften sagten berufliche oder persönliche Schöpfungen voraus, die dann tatsächlich eingetreten waren, andere zeigten mir einen erweiterten Blick auf eine Situation an, für die ich im Anschluss tatsächlich eine Lösung gefunden habe. Und wieder andere halfen mir, einen beim Schreiben aufgewühlten Geisteszustand besser zu verstehen. Leider sind mir diese ersten Hefte bei einem meiner zahlreichen Umzüge abhanden gekommen, aber ich erinnere mich noch sehr genau an das Gefühl, als ich erkannte, dass sich ein Großteil der Informationen, die ich im inspirierten Zustand empfangen hatte, als absolut stimmig erwiesen hatten!

 

Aber unser aller Ego ist ein zähes, widersetzliches Persönchen, das sich hinter vielen Masken versteckt. Menschen auf dem Weg der Erleuchtung wissen ganz genau, dass dieser Widerstand, vor allem gegen Selbsterkenntnis und eigene Größe, die Quelle all unserer Leiden ist. Auch wenn man sich dieser neuen Erkenntnis öffnet, geht der Widerstand weiter. Das geliebte Ego trachtet danach, den Status quo aufrechtzuerhalten. Nicht aus Grausamkeit, sondern um uns vor dem »Unbekannten« zu schützen und den Veränderungen, die sich daraus ergeben könnten. Deshalb habe ich mich der Verbindung mit meinem großen Selbst noch einige Wochen widersetzt. Bis es zu einem emotionalen Schock kam, der mich brutal zu dem Teil in mir zurückführte, der weiß und der nur versucht, mir den schnellsten Weg zur vollständigen Selbstverwirklichung aufzuzeigen.

An jenem Morgen im Frühjahr 2010 erwachte ich gegen vier Uhr früh voller Panik aus einem aufwühlenden Traum. Im Traum hatte ich eine heftige Diskussion meiner Fernsehproduzenten mit der Führung des Senders Canal Vie beobachtet. Auf Canal Vie lief meine Dokumentarreihe Si c’était vrai (auf Deutsch: Und wenn es stimmt), in der es darum geht, was ein Medium macht. Der Streit drehte sich um die Vertragsverlängerung für eine zweite Staffel. Ich konnte die Aufregung und die Enttäuschung der Produzenten genau spüren, als sie erfuhren, dass der Vertrag nicht verlängert werden würde, da die Finanzierung nicht geregelt war.

Die Realitätsnähe dieses Traums wühlte mich auf, aber ich musste bis neun Uhr warten, bevor ich meine Produzentin anrufen konnte, die mir meine Befürchtungen nur bestätigte. Die Entscheidung war spät am Abend gefallen.

»Vor dir kann man nichts verbergen, France! Ich wollte dich heute Morgen anrufen, um es dir persönlich zu sagen …«

Den Rest ihrer Worte habe ich nicht mehr gehört. Ich hatte nur noch einen Gedanken: »In der Tat, vor mir kann man nicht mehr viel verbergen!« Mein großes Selbst kümmert sich darum, mich zu warnen, um die Schläge abzumildern, nehme ich an! Dieser direkte Draht zwischen dem großen »Ich« und dem kleinen »Ich« funktioniert immer besser, wenn man sich der feinstofflichen Kommunikation öffnet. Unser Geist findet tausend Wege, um sich bemerkbar zu machen, auch über Träume.

Zu dieser Zeit wurde mir klar, dass ich schon immer eine Art siebten Sinn gehabt habe. Als ich noch als Investigativjournalistin für den Sender TVA tätig war, sagte der Moderator Jean-Luc Mongrain oft zu mir, ich hätte »eine goldene Nase«. Er wollte damit wohl sagen, dass mir das Glück hold war, da ich (fast) jedes Mal, wenn ich eine Reportage in Arbeit hatte, um einen Gauner zu überführen, diesen auf frischer Tat ertappte! Das war natürlich nur eine Redensart von ihm, aber ich hatte wirklich ein außergewöhnliches Gespür für Timing, sodass ich beinahe immer im richtigen Moment am richtigen Ort war. Damals nannte ich das »meinen guten Stern«. Heute weiß ich, dass dieser »gute Stern« eine feste Bezeichnung hat: Es handelt sich um die weibliche Intuition. In meinem Fall würde ich eher von einem feinen Gespür sprechen, das sich meist in dem Eindruck äußert, etwas mit jeder Faser meines Körpers zu »wissen«.

So, wie ich es verstehe, gibt es zwischen den beiden einen Unterschied. Die Intuition ist in der Tat der Begriff, mit dem die Sprache der Seele bezeichnet wird, die verschiedene Empfindungen umfasst. Wenn man von weiblicher Intuition spricht, dann deshalb, weil die Fähigkeit zu empfinden oder von seiner Umgebung, anderen Menschen oder Ereignissen berührt zu werden, automatisch mit der weiblichen Seite in uns in Zusammenhang gebracht wird. Es reicht deshalb, dem femininen Prinzip gegenüber offen zu sein und sich mit ihm zu verbinden, um zu »erfassen«, wie das Unsichtbare über den Körper zu uns spricht.

Wahrnehmungen sind mit der Sprache des Geistes verknüpft. Sie äußern sich in Form von Eingebungen, von Ideen, die sich einem in dem Moment als Wahrheit aufdrängen. Wir alle kommen mit der mehr oder weniger ausgeprägten Fähigkeit zur Welt, Dinge zu empfinden oder wahrzunehmen. Ein Mensch kann sich zu Beginn seines Lebens als eher empfindsam denn als wahrnehmungsfähig erweisen, ein anderer nimmt dafür mehr wahr und empfindet weniger. Im Lauf der Zeit bietet das Leben uns eine Fülle von Gelegenheiten, um die jeweils andere Fähigkeit zu entwickeln. Je bewusster wir uns dieser Tatsache sind, desto schärfer werden unsere feinstofflichen Sinne und desto mehr gleichen das männliche und das weibliche Prinzip sich an. Das trägt in hohem Maße zu unserer spirituellen Entwicklung bei. Ich pflege auch oft zu sagen, dass der Ausgleich zwischen unserer weiblichen und unserer männlichen Seite einer der Schlüssel ist, um Zutritt zur Neuen Welt zu erhalten.

Übrigens ist es das Inspirierte Schreiben, das mir 2015 bestätigt hat, dass ich »weder Frau noch Mann« war, als ich damit begann, dieses Konzept bewusst in meinen Körper aufzunehmen! Als ich die Überraschung erst einmal verdaut hatte, kapierte ich, dass ich mich ohne Wenn und Aber sowohl von meinen Wahrnehmungen als auch von meiner Intuition leiten lassen konnte, um Entscheidungen zu treffen. Nur mein konditionierter Denkapparat durfte nicht die Kontrolle übernehmen.

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