Buch lesen: «Gute Tropfen und rauschende Feste»

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Inhaltsverzeichnis

Als Aperitif – Vorwort

Winzer und Weintrinker im Alten Testament

Der erste Betrunkene der Menschheit – Noach entdeckt den Weinbau

Rausch mit Berechnung – Lot und seine Töchter

Ein Weinfachmann in Nöten – Der Traum des Mundschenks

Auf Leben und Tod – Nabots Weinberg

Trinkgelage mit Folgen – Belschazzar

Schäferstündchen mit tödlichem Ausgang – Judit und Holofernes

Vom Festgelage in den Hinterhalt – Der Tod Simeons

Wein als Zeichen für Wohlstand und Segen

Korn und Wein in Fülle – Isaaks Segen

Riesentrauben im versprochenen Land – Die Erkundung des Landes Kanaan

Bei Gott zu Tisch – Psalm 23

Der Wein als Quelle der Freude – Psalm 104

Wannen voller Most und Öl – Joëls Ankündigung der Heilszeit

Edle Tropfen zur Krönungsfeier – Das Festmahl auf dem Zion

Die biblische Kultur der Gastmähler und Feiern

Geheimnisvolle Gäste – Gott bei Abraham in Mamre

Aufbruch in ein neues Leben – Das Fest der Befreiung

Tanzen für den Herrn – Die Bundeslade kommt nach Jerusalem

Eine ganze Woche lang feiern – Einweihung und Wiedereinweihung des Tempels

Der biblische Knigge für Feste – Richtiges Verhalten bei einem Festmahl

Die Kehrseite der Medaille: Ein Fall von missbrauchter Festlaune – Das Ende Johannes des Täufers

Von Abstinenzlern und Alkoholgegnern

Enthaltsamkeit aus Treue zu Gott – Daniel und seine Freunde

Gottgeweihte bleiben nüchtern – Simson als Träger der Kraft Gottes

Weinverzicht als Testfall – Das Vorbild der Sippe Rechab

Von den Gefahren des Alkohols – Die Weisheit der Sprichwörter

Genuss mit Maßen – Ratschläge von Sirach

Von Liebe berauscht wie von Wein: Das Hohelied

Biblische Bildworte rund um den Rebstock

Das Gottesvolk als unfruchtbarer Weinberg – Jesajas Weinberglieder

Gebet für den zerstörten Weinstock Gottes – Psalm 80

Der Becher des Zorns – Vision vom Gericht Gottes über die Völker

Gleicher Lohn für alle? – Die Arbeiter im Weinberg

Wer nimmt die Arbeit auf sich? – Von den beiden Söhnen des Weinbergbesitzers

Aufstand im Weinberg – Von den bösen Weinbergpächtern

Reif für die Lese – Die große Weinlese am Ende der Zeit

»Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben« – Jesus und der Wein

Mit einem Weinwunder fängt es an – Die Hochzeit von Kana

Jesus, ein »Vielfraß und Säufer«? – Johannes und Jesus

Gärprozess mit Sprengkraft – Vom neuen Wein in alten Schläuchen

Jesus, der wahre Weinstock – Vom Fruchtbringen

»Das ist mein Blut« – Brot und Wein beim letzten Abendmahl

Die kommende Welt – ein himmlisches Fest

Ein Fest für den Wiedergefundenen – Der verlorene Sohn

Geänderte Gästeliste – Das große Festmahl

Alle werden satt – Die Speisung der Fünftausend

Am Tisch des Auferstandenen – Der wunderbare Fischfang

Eine Feier ohne Ende – Das Hochzeitsmahl des Lammes

Als Digestif – Nachwort

Impressum

Als Aperitif
Vorwort

Erdig, samtig, vollmundig – wo diese Worte fallen, weiß jeder: Hier wird von Wein gesprochen. Wohl kein zweites Getränk kennt wie der Wein eine ganz eigene Sprache. Sicher, man kann auch über Bier und vielleicht sogar über Mineralwasser fachsimpeln und auch Kaffee ist nicht gleich Kaffee, doch der Wein entführt den Menschen in eine eigene Welt, in einen Kosmos aus Geschmacksnoten und Düften, aus Farben und Stimmungen. Er hat – wie ein lebendiges Wesen! – einen Körper, es gibt jungen und alten Wein, trockene Typen und blumige Charaktere, und ganz am Ende seines Daseins steht, wie bei uns Menschen, der Abgang. Doch der Weg bis zu diesem Abgang ist weit: Erst wachsen die Trauben an den Reben heran und saugen die Kraft der Sonne, des Wassers und des Bodens in sich auf, dann kommt die Zeit der Weinlese und die Trauben werden gekeltert und geben ihr Bestes, ihren Saft, von sich. Der Saft wird gereinigt und die Hefen, die in ihm enthalten sind, beginnen ihre Wirkung zu entfalten. Am Ende des Gärungsprozesses steht endlich der trinkreife Wein, der dann, im Weinkeller seines Käufers, auf seine Stunde wartet, auf seinen großen Auftritt gewissermaßen. Jede Flasche Wein hat ihre eigene Geschichte.

Die Kulturgeschichte der Menschen ist auch eine Weingeschichte. Schon im 5.Jahrtausend v.Chr. wurde in Mesopotamien Wein angebaut. Die Griechen brachten die Kenntnisse des Weinbaus dann nach Italien und Frankreich, und die Römer wollten auf den Wein auch dann nicht verzichten, als sie ins Elsass sowie an den Rhein und die Mosel kamen. Später waren es christliche Missionare, die den Menschen in Mexiko, Argentinien und Kalifornien neben vielem Guten und Schlechten auch den Weinbau brachten. Da erstaunt es nicht, dass auch in der Bibel vom Weinanbau, von Weinbergen, Weinbauern und Weintrinkern erzählt wird, und das auf überaus vielgestaltige Weise: Manche Geschichten sind leicht und spritzig, andere eher schwer und wuchtig, manche von blumiger Sprache, andere eher kernig formuliert, manche kommen feurig daher, andere sind, bei näherer Betrachtung, doch etwas körperarm. Die Welt der Bibel und die Welt des Weines – sie sind so bunt wie das wirkliche Leben.

Zum Wein gehört das Feiern dazu: Mehr als jedes andere Getränk ist er mit Feiern und Festen verbunden. Zu beinahe jedem Anlass gibt es den passenden Wein. Wer vom Wein erzählt, wie es auf den folgenden Seiten geschieht, muss daher auch von Feiern und Festlichkeiten, von Gelagen und Gesellschaften aller Art erzählen. Weingeschichten und Festgeschichten hängen miteinander zusammen, viele Geschichten sind beides zugleich.

Eines kann man erfreulicherweise schon vorweg sagen: Die Bibel will ihren Lesern weder das Weintrinken noch das Feiern ausreden. Niemand Geringeres als der Apostel Paulus warnt einen seiner Mitarbeiter sogar ausdrücklich davor, es mit der Askese zu übertreiben, und rät demgegenüber dazu, auch mal zum Rebensaft zu greifen (1.Timotheus 5,23): »Trinke in Zukunft nicht nur Wasser! Nimm ein wenig Wein dazu, um deinen Magen zu stärken und weil du so oft krank bist.« Wenn das keine Ermutigung ist, sich auf die Wein- und Festgeschichten der Bibel einzulassen! Wein ist eben mehr als ein Getränk, er ist Medizin für Körper, Geist und Seele.

Winzer und Weintrinker im Alten Testament

Ab und an ein Glas Wein zu trinken – oder auch zwei – ist der Gesundheit des Menschen bekanntlich durchaus zuträglich. In Gemeinschaft genossen, kann der Rebensaft außerdem die Geselligkeit fördern. Wer dem Wein allerdings zu sehr zuspricht, riskiert nicht nur seine Gesundheit, sondern verliert auch rasch die Kontrolle über sich selbst. Die Bibel kennt eine Fülle von Geschichten, in denen Weintrinker besser etwas früher mit dem Trinken aufgehört hätten, da sie dann ihren Mitmenschen nicht willenlos ausgeliefert gewesen wären.

Doch nicht nur die Konsumenten des Weins geraten zuweilen in Schwierigkeiten. Mitunter trifft es auch die Anbieter – wie im Fall eines Mundschenks und eines Weinbergbesitzers.

Der erste Betrunkene der Menschheit
Noach entdeckt den Weinbau

Vom ersten Rausch, den je ein Mensch hatte, erzählt die Bibel bereits in ihren ersten Kapiteln. Und es ist sogar ein besonders frommer Mensch, der von seinem Wein (aus eigenem Anbau!) mehr trinkt, als ihm gut tut. Noach, der auserwählte Gerechte, der mit seiner Familie als Einziger die vernichtende Sintflut überlebt hatte, spricht dem leckeren Rebensaft so sehr zu, dass er von tiefem Schlaf übermannt wird. Die Bibel erzählt davon wie von einem ganz normalen Vorgang und erhebt nicht den moralischen Zeigefinger.

Eigentlich geht es auch gar nicht um diesen Rausch an sich, sondern um das Verhalten der drei Söhne ihrem betrunkenen Vater gegenüber. Noach war nämlich nackt eingeschlafen und Nacktheit galt damals als Schande. Während nun der Sohn Ham nichts gegen die peinliche Situation seines Vaters unternimmt, zeigen seine zwei Brüder Sem und Jafet, was in diesem Fall Sohnespflicht ist: Sie decken den Vater zu.

Für die Bibel ist diese Geschichte wichtig, weil sie in dem Verhalten und Schicksal der drei Söhne das Geschick ganzer Völker sinnbildlich dargestellt sieht. So steht Sem für das Volk Israel, während hinter Ham die kanaanäischen Völker erkennbar sind, die Israel Platz machen müssen, als es das von Gott versprochene Land erobert. So gesehen, hat der Wein hier sogar ein Stück Weltgeschichte geschrieben! (1Mose/Genesis 9,18-28)

Zusammen mit Noach waren seine Söhne Sem, Ham und Jafet aus der Arche gegangen. Ham war übrigens der Vater Kanaans. Die Nachkommen der drei Söhne Noachs haben sich dann über die ganze Erde ausgebreitet.

Noach trieb Ackerbau. Er war der Erste, der einen Weinberg anlegte. Als er von dem Wein trank, wurde er betrunken, und in seinem Rausch lag er unbedeckt in seinem Zelt. Ham, der Vater Kanaans, sah es und ließ seinen Vater nackt daliegen, er ging sogar zu seinen Brüdern und erzählte es ihnen. Da nahmen Sem und Jafet eine Decke, legten sie über ihre Schultern, gingen rückwärts ins Zelt und deckten ihren Vater damit zu. Sie hielten dabei das Gesicht von ihm abgewandt, um ihn nicht nackt zu sehen.

Als Noach aus seinem Rausch erwachte und erfuhr, was sein Sohn Ham ihm angetan hatte, sagte er: »Fluch über Kanaan! Er wird seinen Brüdern dienen als der letzte ihrer Knechte. Gepriesen sei der HERR, der Gott Sems! Er mache Kanaan zu Sems Knecht! Gott schaffe Jafets Leuten weiten Wohnraum, bis mitten unter die Leute Sems. Er mache Kanaan zu Jafets Knecht!«

Nach der großen Flut lebte Noach noch 350 Jahre.

Rausch mit Berechnung
Lot und seine Töchter

In Krimis – man denke etwa an Hitchcocks »Der unsichtbare Dritte« – kommt es mitunter vor, dass Menschen gezielt betrunken gemacht werden, um sie außer Gefecht zu setzen. Auch das Alte Testament weiß von zwei Frauen zu erzählen, die zu diesem Mittel greifen. Die betreffende Geschichte ist für den Geschmack moderner Leser(innen) allerdings ziemlich anstößig. Um sie richtig zu verstehen, muss man wissen, dass es für Frauen im Altertum von größter Bedeutung war, Kinder zu haben. Nur so konnten sie zu gesellschaftlicher Anerkennung finden.

Bei den beiden Frauen – ihre Namen erfahren wir nicht – handelt es sich um die Töchter Lots, der wiederum ein Neffe Abrahams war, des Stammvaters der Israeliten. Lot und seine Töchter hatten als Einzige Gottes Strafgericht über die Stadt Sodom überlebt und führten danach ein abgeschiedenes Leben, das es den Töchtern unmöglich machte, sich mit Männern zu vermählen und in geregelter Ehe Kinder zu bekommen. In ihrer Not halten sie nun sogar Inzest für das kleinere Übel gegenüber dauernder Kinderlosigkeit. Und so kommen sie mit Hilfe des moralisch fragwürdigen, in Hinblick auf das gewünschte Ergebnis aber erfolgreichen Einsatzes von Wein schließlich doch noch zu Kindern. (1Mose/Genesis 19,30-38)

Lot hatte Angst, in Zoar zu bleiben. Deshalb ging er mit seinen beiden Töchtern ins Bergland hinauf und lebte dort mit ihnen in einer Höhle.

Eines Tages sagte die ältere Tochter zur jüngeren: »Unser Vater wird alt, und weit und breit gibt es keinen Mann, der uns heiraten könnte. Komm, wir geben unserem Vater Wein zu trinken und legen uns zu ihm, damit wir von ihm Kinder bekommen!« Noch am selben Abend machten sie ihren Vater betrunken. Die Ältere ging in sein Zelt und legte sich zu ihm, und er merkte nichts, weder wie sie zu ihm kam noch wie sie von ihm aufstand.

Am anderen Tag sagte sie zu ihrer Schwester: »Ich habe heute Nacht mit unserem Vater geschlafen. Wir wollen ihm auch diesen Abend Wein zu trinken geben; dann legst du dich zu ihm, damit wir alle beide von ihm Kinder bekommen.« Am Abend machten sie ihren Vater wieder betrunken. Die Jüngere ging in sein Zelt und legte sich zu ihm, und er merkte nichts, weder wie sie zu ihm kam noch wie sie von ihm aufstand.

So wurden die beiden Töchter Lots von ihrem eigenen Vater schwanger. Die Ältere gebar einen Sohn und gab ihm den Namen Moab. Er wurde der Stammvater der Moabiter. Auch die Jüngere bekam einen Sohn und nannte ihn Ben-Ammi. Er wurde der Stammvater der Ammoniter.

Ein Weinfachmann in Nöten
Der Traum des Mundschenks

Wer heute durch eine gut sortierte Weinhandlung geht, findet Tropfen aus Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Chile, Kalifornien, Australien usw. Wein wird auf der ganzen Welt angebaut. Auch zur Zeit des Alten Testaments hatten nicht nur die Israeliten, sondern beispielsweise auch die Ägypter diese Kunst entdeckt.

Nach Ägypten hatte es Josef, einen Urenkel Abrahams, verschlagen. Der Flüchtling stieg dort binnen kurzer Zeit zu hohen Ehren auf, fand sich dann aber aufgrund einer Intrige im Gefängnis wieder. Hier macht er die Bekanntschaft zweier hoher Beamter vom Hofe des Pharaos. Neben dem obersten Bäcker des Hofes ist auch der oberste Mundschenk inhaftiert – gewissermaßen der Aufseher über die Staatsweingüter Ägyptens. Warum ihr Herr auf sie zornig ist, erfahren wir nicht. Haben sie ihm versehentlich verdorbene Speisen und korkenden Wein serviert? Wie auch immer – lesen Sie selbst, wie es mit den drei Häftlingen weitergeht. (1Mose/Genesis 39,20b–40,23)

Josef war nun also im Gefängnis. Aber der HERR in seiner Treue stand ihm bei. Er verschaffte ihm die Gunst des Gefängnisverwalters. Der Verwalter übertrug Josef die Aufsicht über alle anderen Gefangenen, und alle Arbeiten im Gefängnis geschahen unter Josefs Leitung. Der Verwalter vertraute ihm völlig und gab ihm freie Hand; denn er sah, dass der HERR ihm beistand und alles gelingen ließ, was er tat.

Bald danach ließen sich zwei höhere Beamte des Pharaos etwas gegen den Pharao zuschulden kommen, der oberste Mundschenk und der oberste Bäcker. Ihr Herr, der Pharao, wurde zornig auf sie und ließ sie im Haus des Befehlshabers seiner Leibwache in Haft halten, in dem Gefängnis, in dem auch Josef war. Der Befehlshaber der Leibwache teilte ihnen Josef als Diener zu.

Nach einiger Zeit hatte jeder der beiden in der Nacht einen Traum, der für ihn von Bedeutung war. Als Josef am Morgen bei ihnen eintrat, sah er gleich, dass sie in schlechter Stimmung waren. »Warum lasst ihr heute den Kopf hängen?«, fragte er sie.

»Wir haben geträumt«, antworteten sie, »und hier im Gefängnis haben wir keinen Traumdeuter, der uns sagen kann, was es bedeutet.«

Josef sagte: »Träume zu deuten ist Gottes Sache. Erzählt mir doch einmal, was ihr geträumt habt!«

Zuerst erzählte der oberste Mundschenk seinen Traum: »Ich sah vor mir einen Weinstock, und an dem Weinstock waren drei Ranken. Der Saft stieg in die Knospen, sie blühten auf, und schon reiften die Trauben. Ich hatte den Becher des Pharaos in der Hand. Ich nahm die Trauben, presste sie über dem Becher aus und reichte den Becher dem Pharao.«

Josef sagte: »Hier ist die Deutung: Die drei Ranken sind drei Tage. Heute in drei Tagen wird der Pharao dich erhöhen und dich wieder in dein Amt einsetzen. Dann wirst du wieder wie früher sein Mundschenk sein und ihm den Becher reichen.

Aber vergiss mich nicht, wenn es dir gut geht! Tu mir den Gefallen und empfiehl mich dem Pharao! Bring mich aus diesem Kerker heraus! Man hat mich aus dem Land der Hebräer entführt, und auch hier in Ägypten habe ich nichts Unrechtes getan. Ich bin ohne jede Schuld in diesem Loch.«

Als der oberste Bäcker sah, dass Josef dem Traum eine günstige Deutung gegeben hatte, sagte er: »Auch ich hatte einen Traum, in dem ich selber vorkam! Auf dem Kopf trug ich drei Körbe mit Gebäck, einen über dem andern. Im obersten lagen Backwaren für die Tafel des Pharaos. Da kamen Vögel und fraßen den Korb leer.«

Josef sagte: »Hier ist die Deutung: Die drei Körbe sind drei Tage. Heute in drei Tagen wird der Pharao dich erhöhen und an einen Baum hängen. Dann werden die Vögel dein Fleisch fressen.«

Drei Tage später feierte der Pharao seinen Geburtstag. Er lud alle seine Hofbeamten zu einem Festmahl ein. Da erhöhte er den obersten Mundschenk und den obersten Bäcker vor ihnen allen: Den einen setzte er wieder in sein Amt ein und er durfte ihm den Becher reichen, den andern ließ er hängen, genau wie Josef es vorausgesagt hatte.

Aber der oberste Mundschenk dachte nicht an Josef; er hatte ihn schon vergessen.

Auf Leben und Tod
Nabots Weinberg

In der folgenden Geschichte ist ein Weinberg Anlass für ein grausames Verbrechen. Ein unbescholtener Bürger Israels wird zum Objekt einer Verschwörung, die er schließlich mit seinem Leben bezahlen muss. Sein Name ist Nabot. Er besitzt einen schönen Weinberg in einer kleinen Stadt namens Jesreel im Herzen des Staates Israel. Das ist soweit nichts Besonderes; außergewöhnlich ist aber die Nachbarschaft: Sein Weinberg grenzt an das Grundstück, auf dem die Winterresidenz von König Ahab liegt. Eigentlich eine gute Nachbarschaft, möchte man meinen, doch gerade sie wird Nabot zum Verhängnis. Ahab würde Nabots Weinberg nämlich nur zu gerne seinem Besitz einverleiben. Nabot will aber nicht verkaufen – als frommer Israelit weiß er, dass der Grund und Boden, den er von seinen Vorfahren geerbt hat, ihm letztlich von Gott selbst geschenkt wurde und sein eigener kleiner Anteil an dem Land ist, das Gott den Israeliten zugesagt hatte. Und dieses Land verkauft man nicht!

Aber Ahab ist nicht zimperlich. Unter dem Einfluss seiner skrupellosen Frau Isebel – einer Intrigantin, wie sie im Buche steht – findet er schließlich doch noch einen Weg, um an Nabots Besitz zu gelangen – ohne Rücksicht auf Verluste. Viel Freude hat er an seiner neuen Besitzung dann jedoch nicht. Aus dem Mund des Propheten Elija kündigt Gott ihm für diese und andere Untaten eine furchtbare Strafe an. (1Könige 21,1b-21.23-25.27-29)

König Ahab von Samaria hatte in der Stadt Jesreel einen Palast. Unmittelbar daneben lag ein Weinberg, der einem Einwohner der Stadt namens Nabot gehörte. Eines Tages sagte der König zu Nabot: »Überlass mir deinen Weinberg! Er grenzt direkt an meinen Palast und wäre gerade der rechte Platz für einen Gemüsegarten. Ich gebe dir dafür einen besseren, oder wenn es dir lieber ist, bezahle ich ihn dir in gutem Geld.«

Aber Nabot erwiderte: »Der HERR bewahre mich davor, dass ich dir den Erbbesitz meiner Vorfahren gebe!«

Der König war verstimmt und zornig, weil Nabot ihm eine solche Antwort gegeben hatte. Er ging in den Palast, legte sich auf sein Bett und drehte sich zur Wand; er rührte keinen Bissen an. Seine Frau Isebel ging zu ihm hinein und fragte: »Warum bist du so verstimmt? Warum isst du nichts?«

Ahab antwortete: »Mehr als einmal habe ich Nabot aus Jesreel zugeredet und gesagt: ›Gib mir deinen Weinberg! Ich bezahle ihn dir, oder wenn es dir lieber ist, gebe ich dir einen andern dafür.‹ Aber er bleibt dabei: ›Meinen Weinberg bekommst du nicht!‹«

Da sagte seine Frau Isebel zu ihm: »Bist nicht du der König im Land? Steh auf, sei wieder vergnügt und lass es dir schmecken! Ich werde dir Nabots Weinberg schon verschaffen.«

Sie schrieb im Namen Ahabs an die Ältesten und die einflussreichen Männer in Jesreel, Nabots Mitbürger, und versah die Briefe mit dem königlichen Siegel. Die Briefe lauteten: »Ruft einen Bußtag aus! Lasst die Bewohner der Stadt zusammenkommen und gebt Nabot einen der vordersten Plätze. Setzt ihm zwei gewissenlose Männer gegenüber, die als Zeugen gegen ihn auftreten und sagen: ›Du hast Gott und dem König geflucht!‹ Dann führt ihn vor die Stadt hinaus und steinigt ihn.«

Die Ältesten der Stadt und die einflussreichen Männer, Nabots Mitbürger, machten alles genau so, wie Isebel es in ihren Briefen verlangt hatte. Sie riefen die Bürger der Stadt zu einer Bußfeier zusammen und ließen Nabot ganz vorne sitzen. Ihm gegenüber saßen die beiden Schurken. Sie standen als Zeugen gegen Nabot auf und erklärten: »Nabot hat Gott und dem König geflucht!« Nabot wurde vor die Stadt hinausgeführt und gesteinigt. Dann ließen die Ältesten der Stadt Isebel melden: »Nabot ist tot, man hat ihn gesteinigt.«

Als Isebel die Nachricht erhielt, sagte sie zu Ahab: »Auf, nimm den Weinberg in Besitz! Dieser Nabot aus Jesreel, der sich geweigert hat, ihn dir zu verkaufen – er lebt nicht mehr, er ist tot!«

Als Ahab hörte, dass Nabot tot war, ging er sofort hinunter, um Nabots Weinberg in Besitz zu nehmen.

Da erging das Wort des HERRN an den Propheten Elija aus Tischbe. Der HERR sagte zu ihm: »Auf, geh zu Ahab, dem König von Israel, der in Samaria regiert! Er ist gerade in den Weinberg Nabots hinuntergegangen, um ihn in Besitz zu nehmen. Sage zu ihm: ›Erst mordest du und dann raubst du! So spricht der HERR: Wo die Hunde das Blut Nabots aufgeleckt haben, dort werden sie auch dein Blut auflecken.‹«

Als Ahab den Propheten kommen sah, rief er ihm entgegen: »Hast du mich gefunden, mein Feind?«

Elija erwiderte: »Ja, ich habe dich ertappt! Du hast dich dazu anstiften lassen, zu tun, was dem HERRN missfällt. Darum lässt er dir sagen: ›Ich werde dich und deine Familie ins Unglück stürzen. Du selbst musst sterben, und alle deine männlichen Nachkommen werde ich ausrotten, die mündigen wie die unmündigen.‹ Der Königin Isebel aber lässt der HERR sagen: An der Stadtmauer von Jesreel werden die Hunde ihren Leichnam fressen. Wer von deiner Familie in der Stadt stirbt, den fressen die Hunde, und wer auf dem freien Feld stirbt, den fressen die Geier.«

In der Tat gab es keinen, der so bereitwillig wie Ahab tat, was dem HERRN missfällt. Seine Frau Isebel hatte ihn dazu verleitet.

Als Elija zu Ende gesprochen hatte, zerriss Ahab vor Entsetzen sein Gewand. Er zog den Sack an, trug ihn auf der bloßen Haut und legte ihn selbst zum Schlafen nicht ab. Bedrückt ging er umher und wollte kein Essen anrühren.

Da erging das Wort des HERRN an den Propheten Elija, er sagte: »Hast du bemerkt, dass Ahab sich vor mir gebeugt hat? Weil er das getan hat, lasse ich das Unheil noch nicht zu seinen Lebzeiten über seine Familie hereinbrechen, sondern erst wenn sein Sohn König ist.«

Der kostenlose Auszug ist beendet.

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