Umfang 160 Seiten
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Über das Buch
In Die Diebin erzählt Molnár von einer jungen Frau, deren vermeintlicher Diebstahl eine Kettenreaktion im Gefüge der Großstadt auslöst. Zwischen Mietshausfluren, Pfandleihern und Kaffeehäusern wird Besitz zur Chiffre für Begehren und Identität. Präzise, bühnennahe Dialoge stehen neben dichten Beschreibungen; Ironie und Mitgefühl halten sich die Waage. Vor dem Hintergrund der späten Habsburger Moderne zeigt der Text soziale Masken und verschiebt mit Motiven wie Spiegeln und Schlüsseln die Semantik des Aneignens. Ferenc Molnár, als Journalist und Feuilletonist geschult, bringt beobachtende Genauigkeit in sein Erzählen. Das Budapester Kaffeehaus und die Boulevardbühnen sensibilisierten ihn für die Musikalität der Rede und die Ambivalenzen bürgerlicher Moral. Sein Interesse an juristischen und psychologischen Grenzbereichen – Eigentum, Schuld, Anschein – erklärt die Wahl eines Stoffes, in dem eine kleine Übertretung die verborgenen Vertragswerke von Klasse und Geschlecht sichtbar macht. Diese Erzählung empfiehlt sich allen, die literarische Präzision und gesellschaftliche Tiefenschärfe suchen. Die Diebin ist zugleich spannende Motivstudie und elegantes Stück Sprachkunst: Dialoge hallen nach, Bilder schneiden scharf. Wer sich für mitteleuropäische Moderne, urbane Psychologie und die Frage interessiert, was wir einander schulden, findet hier ein stilistisch geschliffenes, geistreiches und überraschend aktuelles Buch.
