Praktische Fälle zum Kommunalrecht Nordrhein-Westfalen

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16. Fall: Satzungsrecht, fehlerhafte Satzung, Fehlerfolgen

Sachverhalt

Die Hundesteuersatzung der Gemeinde G enthält 21 Paragrafen. Die Regelung über die Befreiung von der Hundesteuer (§ 14 der Hundesteuersatzung) ist rechtswidrig, weil die Regelung nicht dem Grundsatz inhaltlich hinreichender Bestimmtheit entspricht.

Aufgabe

1.Sie sind Sachbearbeiter im Steueramt der Gemeinde G und erhalten den Auftrag zu prüfen, welche Auswirkungen die Rechtswidrigkeit des § 14 der Hundesteuersatzung auf die gesamte Satzung hat.

2.Wie wäre die Rechtslage, wenn nicht die Befreiungsvorschriften, sondern die Festsetzung der Hundesteuersätze in der Satzung rechtswidrig wäre?

Lösung

1. Soweit eine Satzung gegen geltendes Recht verstößt, ist sie nichtig. Formelle Fehler führen regelmäßig zur Nichtigkeit der gesamten Satzung. Auch materielle Fehler können diese Folge haben. Ist nur ein Teil der Satzung rechtswidrig, wie hier § 14, so ist zunächst nur die Nichtigkeit dieses Teils, dieser einen Vorschrift, die Folge.

Es ist aber zu prüfen, ob diese Teilnichtigkeit der Satzung zur Gesamtnichtigkeit der Satzung führt.

Entscheidend ist, wie wesentlich der nichtige Teil der Satzung ist und inwieweit die rechtmäßigen Satzungsteile für sich allein einen Sinn ergeben und anwendungsfähig sind. Im Grundsatz muss davon ausgegangen werden, die gültigen (rechtmäßigen) Satzungsteile zu erhalten.

Trotz der Nichtigkeit des § 14 der Hundesteuersatzung ist die Satzung mit den übrigen Satzungsteilen verständlich und auch anwendbar.

Folglich führt die Nichtigkeit des § 14 (Teilnichtigkeit) nicht zur Gesamtnichtigkeit der Hundesteuersatzung.

2. Eine andere Beurteilung könnte sich ergeben hinsichtlich der Wesentlichkeit des nichtigen Satzungsteils.

Eine Hundesteuersatzung ohne Steuersätze ergäbe keinen Sinn und wäre insbesondere nicht anwendbar. Ein Erlass eines auf die Satzung gestützten Hundesteuerbescheides ohne gültige Regelung der Hundesteuersätze ist nicht möglich.

Folglich würde in diesem Fall Teilnichtigkeit zur Gesamtnichtigkeit der Satzung führen.

17. Fall: Anschluss- und Benutzungszwang, Gasversorgung

Sachverhalt

Die Stadt St beabsichtigt eine Satzung über Anschluss- und Benutzungszwang für die städtische Gasversorgung.

Aufgabe

Sie erhalten den Auftrag zu prüfen, ob Anschluss- und Benutzungszwang für die Gasversorgung zulässig ist.

Lösung

Ob Anschluss- und Benutzungszwang für die Gasversorgung zulässig ist, bestimmt sich nach § 9 GO.

Voraussetzung ist zunächst, dass es sich um eine für Anschluss- und Benutzungszwang zugelassene Einrichtung handelt. Nach § 9 können die Gemeinden durch Satzung für die Grundstücke ihres Gebietes für Wasserleitung, Kanalisation und ähnliche der Volksgesundheit dienende Einrichtungen sowie für Einrichtungen zur Fernwärmeversorgung Anschlusszwang und die Benutzung dieser Einrichtungen und der Schlachthöfe vorschreiben.

Gasversorgung gehört nicht zu den in § 9 GO ausdrücklich aufgeführten zugelassenen Einrichtungen. Es ist allerdings zu prüfen, ob es sich bei der Gasversorgung um eine ähnliche der Volksgesundheit dienende Einrichtung i. S. d. § 9 GO handelt. Dass Gasversorgung eine irgendwie der Volksgesundheit dienende Einrichtung sein kann, mag nicht zu leugnen sein. § 9 GO verlangt aber, dass die nicht ausdrücklich genannten der Volksgesundheit dienenden Einrichtungen in ähnlicher Weise wie Wasserleitung und Kanalisation der Volksgesundheit dienen.

Wasserleitung und Kanalisation dienen der Volksgesundheit, indem durch ordnungsgemäße und kontrollierte Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Gesundheits- und Seuchengefahren vermieden werden. Eine in dieser speziellen Weise der Volksgesundheit dienende Rolle kommt der Gasversorgung nicht zu. Die Gasversorgung ist daher keine Einrichtung, die in ähnlicher Weise wie Wasserleitung und Kanalisation der Volksgesundheit dient,

Folglich ist Anschluss- und Benutzungszwang für die städtische Gasversorgung schon aus diesem Grunde nicht zulässig. Die weitere Voraussetzung, dass nach § 9 GO ein öffentliches Bedürfnis vorliegen muss, kann daher ungeprüft bleiben.

Die beabsichtigte Satzung über Anschluss- und Benutzungszwang für die städtische Gasversorgung wäre rechtswidrig.

18. Fall: Anschluss- und Benutzungszwang, Friedhof

Sachverhalt

Es wird in der Verwaltung der Gemeinde G erwogen, durch Satzung Benutzungszwang für den gemeindlichen Friedhof vorzuschreiben. Bevor die Angelegenheit weiter verfolgt wird, soll die rechtliche Zulässigkeit dieses Vorhabens geprüft werden.

Aufgabe

Sie sind als Sachbearbeiter im Friedhofsamt der Gemeinde mit dieser Prüfung beauftragt.

Lösung

Die Zulässigkeit des Benutzungszwangs für Friedhöfe beurteilt sich nach § 9 GO.

Voraussetzung ist zunächst, dass es sich bei einem Friedhof um eine für Benutzungszwang zugelassene Einrichtung handelt. Nach § 9 GO können die Gemeinden durch Satzung Benutzungszwang für Wasserleitung, Kanalisation und ähnliche der Volksgesundheit dienende Einrichtungen sowie für Fernwärmeversorgung und Schlachthöfe vorschreiben.

Friedhöfe gehören nicht zu den in § 9 GO ausdrücklich aufgeführten zugelassenen Einrichtungen. Es fragt sich aber, ob Friedhöfe Einrichtungen sind, die in ähnlicher Weise wie Wasserleitung und Kanalisation der Volksgesundheit dienen.

Wasserleitung und Kanalisation dienen der Volksgesundheit, indem durch ordnungsgemäße und kontrollierte Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Gesundheits- und Seuchengefahren vermieden werden.

Die Bestattung auf dafür eigens vorgesehenen und besonders für diesen Zweck eingerichteten Flächen dient zweifellos in ähnlicher Weise wie Kanalisation der Volksgesundheit, indem auch auf diese Weise Gesundheits- und Seuchengefahren begegnet wird.

Friedhöfe sind folglich ähnliche der Volksgesundheit dienende Einrichtungen i. S. v. § 9 GO. Insoweit wäre Benutzungszwang für Friedhöfe zulässig.

Weitere Voraussetzung für den Erlass einer diesen Benutzungszwang vorschreibenden Satzung ist nach § 9 Satz 1 GO ein öffentliches Bedürfnis.

Ein solches öffentliches Bedürfnis liegt immer schon dann vor, wenn das Gemeinwohl den Benutzungszwang fordert, insbesondere, wenn es gilt, die Bevölkerung vor Gefahren für Leben und Gesundheit zu schützen, also immer, wenn vernünftige Gründe des Gemeinwohls vorliegen. Dies dürfte beim Benutzungszwang für Friedhöfe regelmäßig gegeben und nur im außergewöhnlichen Einzelfall zu verneinen sein. Auch insoweit wäre Benutzungszwang für Friedhöfe zulässig.

19. Fall: Öffentliche Einrichtung, Benutzungsrecht

Sachverhalt

Der in der Stadt St ansässige Schäferhundeverein e. V. feiert in diesem Jahr sein fünfzigjähriges Bestehen. Da das auf dem Vereinsgelände in St stehende Vereinsheim nicht über genügend große Räume zur Durchführung der Jubiläumsfeierlichkeiten verfügt, beantragt der Verein bei der Stadtverwaltung die Überlassung der Aula der städtischen Gesamtschule zur Durchführung der Feierlichkeiten. Diese Aula wird üblicherweise zu schulischen Veranstaltungen genutzt und auch ortsansässigen Vereinen für größere Vereinsveranstaltungen überlassen. So feiert z.B. der Schützenverein den jährlichen Königsball in der Aula, und der Karnevalsverein veranstaltet in der Aula seine jährliche Prunksitzung und den jährlichen Prinzenempfang.

Der Antrag des Schäferhundevereins auf Überlassung der Aula wird von der Stadtverwaltung abgelehnt. Zur Begründung der Ablehnung wird angeführt, dass nur sehr wenige Mitglieder des Schäferhundevereins Einwohner der Stadt St seien und auch der gesamte Vereinsvorstand außerhalb von St wohne.

Aufgabe

1.Ist die Ablehnung unter der angegebenen Begründung rechtmäßig?

2.Wie wäre die Rechtslage zu beurteilen, wenn als Ablehnungsgrund (zutreffend) angegeben wäre, dass die Aula zum beantragten Zeitpunkt bereits aufgrund eines zeitlich früher gestellten Antrages an den Schützenverein vergeben worden sei?

Lösung

1. Ein Recht des Schäferhundevereins auf Überlassung der Aula könnte sich aus § 8 Abs. 2 GO ergeben. Danach sind alle Einwohner der Gemeinde berechtigt, im Rahmen des geltenden Rechts die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen.

Die Aula als Veranstaltungsraum für größere Veranstaltungen ist eine öffentliche Einrichtung i. S. d. § 8 GO. Einwohner ist, wer in der Gemeinde wohnt (§21 Abs. 1 GO). Einwohner sind nur natürliche Personen. Der Schäferhundeverein e. V. ist als juristische Person nicht Einwohner der Stadt St. Nach § 8 Abs. 4 GO gelten die Vorschriften des § 8 GO für juristische Personen entsprechend. Die benutzungswillige juristische Person muss keine weiteren „persönlichen" Voraussetzungen erfüllen. Unerheblich ist, ob die Mitglieder des Vereins oder der Vereinsvorstand Einwohner der Gemeinde sind.

Folglich ist die Ablehnung des Antrages des Schäferhundevereins e. V. auf Überlassung der Aula rechtswidrig.

2. Nach § 8 Abs. 2 GO besteht die Berechtigung zur Nutzung der öffentlichen Einrichtungen nur im Rahmen geltenden Rechts. Nutzungsbeschränkungen können sich z.B. aus einer Benutzungsordnung oder dem Widmungszweck ergeben. Beschränkungen können sich auch daraus ergeben, dass die Einrichtung zum nachgefragten Zeitpunkt tatsächlich oder wegen anderer berechtigter Nutzungen nicht verfügbar ist.

Die Aula ist aufgrund eines zeitlich früher gestellten Antrages an den Schützenverein vergeben. Die Vergabe der Aula bei Vorliegen mehrerer Anträge nach dem Gesichtspunkt des zeitlichen Eingangs der Anträge ist keine sachfremde Erwägung.

 

Die Ablehnung des Antrages des Schäferhundevereines e. V. auf Überlassung der Aula wäre in diesem Falle rechtmäßig.

20. Fall: Einwohner, Bürger

Sachverhalt

Der Wohnungslose W „haust" seit mehr als 20 Jahren in einem Pferdeunterstand auf einer Wiese des Landwirts L, idyllisch am Waldrand gelegen. Der Unterstand ist überdacht und hat an zwei Seiten eine Bretterwand. W hat nirgendwo sonst eine „Bleibe". Das Wiesengrundstück liegt im Gemeindegebiet der Gemeinde G. Landwirt L duldet den dauernden Aufenthalt von W. Den Unterhalt seines anspruchsarmen Lebens verdient sich W durch gelegentliche Arbeiten bei Landwirt L und durch Gelegenheitsarbeiten für andere Einwohner der Gemeinde G. W und sein Aufenthalt sind in der ganzen Gemeinde bekannt. W ist deutscher Staatsangehöriger; er ist bei der Gemeindebevölkerung beliebt.

W erfährt bei einem Kneipenbesuch, dass Thekennachbarn eine Wahlbenachrichtigung für die Kommunalwahl erhalten haben. Er hat eine solche ihm bis dahin unbekannte Nachricht nicht erhalten, möchte aber, nachdem er schon so lange in der Gemeinde lebt und sich dort sehr wohlfühlt, was er immer wieder erwähnt, auch den Gemeinderat mitwählen.

Er geht zum Wahlamt der Gemeinde G und fragt nach, warum er keine Wahlbenachrichtigung erhalten habe.

Der zuständige Sachbearbeiter erklärt ihm, dass nur Bürger der Gemeinde zu den Gemeindewahlen wahlberechtigt seien. Da er in Ermangelung einer Wohnung in G nicht Bürger sei, besitze er in G auch nicht das Wahlrecht, dementsprechend könne er auch keine Wahlbenachrichtigung bekommen.

Aufgabe

Ist diese Auskunft rechtlich zutreffend?

Lösung

Nach § 21 Abs. 2 GO ist Bürger, wer zu den Gemeindewahlen wahlberechtigt ist.

Nach § 7 KWahlG NRW ist wahlberechtigt (und damit Bürger), wer am Wahltag

1.Deutscher i. S. v. Art. 116 Abs. 1 GG ist oder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzt,

2.das sechzehnte Lebensjahr vollendet hat und

3.mindestens seit dem 16. Tag vor der Wahl in dem Wahlgebiet (Gemeinde) seine Wohnung hat oder sich sonst gewöhnlich aufhält und keine Wohnung außerhalb des Wahlgebietes hat.

Die ersten beiden Voraussetzungen erfüllt der seit mehr als 20 Jahren in G lebende W laut Sachverhalt.

Hinsichtlich der dritten Voraussetzung ist zunächst zu prüfen, ob der Pferdeunterstand, in dem W lebt, eine Wohnung im Rechtssinne ist.

Nach § 15 Abs. 1 MG NRW ist Wohnung jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird. Der überdachte aber nur an zwei Seiten geschlossene Unterstand erfüllt diese Voraussetzung nicht. W hat also keine Wohnung in der Gemeinde G.

Alternativ zur Wohnung ist nach § 7 KWahlG ausreichend, wenn man sich sonst (ohne eine Wohnung zu haben) gewöhnlich aufhält und auch außerhalb der Gemeinde keine Wohnung hat.

W hat lt. Sachverhalt nirgendwo eine Wohnung. Er lebt aber seit mehr als 20 Jahren ununterbrochen in der Gemeinde G, verdient dort seinen Lebensunterhalt, fühlt sich in der Gemeinde nach eigenem Bekunden sehr wohl, ist bei der Bevölkerung beliebt, unterhält Kneipenkontakte und hat den ausdrücklichen Wunsch, den Rat in der Gemeinde zu wählen, in der er schon so lange lebt. Dies alles beschreibt, dass W sich in G „gewöhnlich aufhält".

Damit erfüllt W alle gesetzlichen Voraussetzungen, um wahlberechtigt zu sein. Die Auskunft des Sachbearbeiters des Wahlamtes der Gemeinde G ist folglich rechtlich unzutreffend.

Anmerkung: Grundsätzlich sind alle Bürger zugleich auch Einwohner der Gemeinde (§21 Abs. 1 GO), da sie normalerweise in der Gemeinde wohnen müssen, um Bürger zu sein (§ 7 KWahlG). Der Wohnungslose mit „gewöhnlichem Aufenthalt" ist insoweit eine Ausnahme, als er Bürger (wahlberechtigt) ist, ohne Einwohner zu sein.

21. Fall: Ausländer als Bürger

Sachverhalt

Die Nachbarn A, B und C spielen regelmäßig Skat. Am heutigen Skatabend diskutieren sie über die demnächst stattfindende Kommunalwahl. Dabei wird auch die Frage erörtert, ob C, der zwar seit mehr als 20 Jahren in der Gemeinde wohnt, aber französischer Staatsangehöriger ist, zu den Gemeinderatswahlen wahlberechtigt ist.

Die Skatrunde kommt zu dem Ergebnis, dass er nicht wahlberechtigt ist, weil er nicht Deutscher ist.

Aufgabe

Ist diese Auffassung rechtlich zutreffend?

Lösung;

Ob C wahlberechtigt ist, bestimmt sich nach § 7 KWahlG.

Danach ist wahlberechtigt, wer am Wahltag

1.Deutscher i. S. d. Art. 116 Abs. 1 GG ist oder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzt,

2.das 16. Lebensjahr vollendet hat und

3.mindestens seit dem 16. Tag vor der Wahl in dem Wahlgebiet seine Wohnung hat oder sich sonst gewöhnlich aufhält und keine Wohnung außerhalb des Wahlgebiets hat.

Als französischer Staatsangehöriger besitzt C die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft. Laut Sachverhalt wohnt er seit mehr als 20 Jahren in der Gemeinde. somit erfüllt er auch die Lebensalter- und Wohnsitzvoraussetzungen.

C ist folglich wahlberechtigt. Die Auffassung der Skatrunde ist rechtlich unzutreffend.

22. Fall: Wählbarkeit gemeindlicher Mitarbeiter

Sachverhalt

Vier Bedienstete der Gemeinde G haben die Absicht, für den Rat der Gemeinde G zu kandidieren, und zwar

a)L, die Leiterin des gemeindlichen Kindergartens „Lernzwerge",

b)S, Mitarbeiter im Bauhof der Gemeinde, der in der Straßenbaukolonne überwiegend mit Pflasterarbeiten beschäftigt ist,

c)O, Sachbearbeiter im Ordnungsamt der Gemeinde und

d)B, Buchhalter bei den gemeindlichen Abfallbetrieben (Anstalt des öffentlichen Rechts).

Der Vorsitzende des Personalrats der Gemeinde G erfährt von dieser Absicht zu kandidieren und weist die Beteiligten in einem Gespräch darauf hin, dass sie bei erfolgreicher Wahl vor Annahme des Mandats ihr Beschäftigungsverhältnis zur Gemeinde beenden müssten.

Diese Mitteilung verunsichert die vier Bediensteten. Sie wenden sich mit der Bitte um verbindliche Auskunft, ob die Auffassung des Personalratsvorsitzenden rechtlich zutreffend ist, an das Wahlamt.

Aufgabe

Sie sind der zuständige Sachbearbeiter des Wahlamtes. Welche Rechtsauskunft würden Sie erteilen?

Lösung

Ob die vier Bediensteten im Falle ihrer Wahl das Mandat annehmen dürften, ohne ihr Beschäftigungsverhältnis zu beenden, bestimmt sich nach § 13 KWahlG.

Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a KWahlG dürfen Beamte und Arbeitnehmer der Gemeinde mit Ausnahme der überwiegend körperliche Arbeit verrichtenden Arbeitnehmer nicht dem Rat ihrer Gemeinde angehören. Sie können die Annahme der Wahl nur erklären, wenn sie die Beendigung ihres Dienstverhältnisses nachweisen (§ 13 Abs. 3 Satz 1 KWahlG).

a) L, die Leiterin eines gemeindlichen Kindergartens, ist Arbeitnehmerin, die nicht überwiegend körperliche Arbeit verrichtet. Sie dürfte ein Ratsmandat nur annehmen, wenn sie ihr Beschäftigungsverhältnis zur Gemeinde beendet hat (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a KWahlG). Insoweit hat der Personalratsvorsitzende recht.

b) S ist als Mitarbeiter des Bauhofes in der Straßenbaukolonne überwiegend mit Pflasterarbeiten, also mit körperlichen Arbeiten beschäftigt. Für ihn gelten somit die Unvereinbarkeitsvorschriften nicht (§13 Abs. 1 Satz 1 KWahlG). Er könnte die Wahl annehmen, ohne sein Beschäftigungsverhältnis zu beenden. Insoweit irrt der Personalratsvorsitzende.

c) Als Sachbearbeiter im Ordnungsamt ist O Beamter oder Arbeitnehmer, der nicht überwiegend körperliche Arbeit verrichtet. Er darf gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a KWahlG nicht gleichzeitig dem Rat der Gemeinde angehören, müsste also vor Annahme seines Mandats sein Dienst- oder Beschäftigungsverhältnis beenden. Der Personalratsvorsitzende hat folglich in seinem Falle recht.

d) Nach § 13 Abs. 6 Satz 1 KWahlG finden die Unvereinbarkeitsvorschriften des § 13 KWahlG für Beamte und Arbeitnehmer einer rechtsfähigen Anstalt der Gemeinde nur Anwendung, wenn sie berechtigt sind, die Anstalt zu vertreten, wie Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer, stellvertretende Geschäftsführer und Prokuristen.

Anstalten des öffentlichen Rechts (AöR) sind rechtsfähige Anstalten (§ 114 a GO). Es ist nicht davon auszugehen, dass ein Buchhalter in einer der in § 13 Abs. 6 Satz 1 KWahlG aufgeführten Positionen tätig ist. Folglich würde ihn sein Beschäftigungsverhältnis nicht hindern, eine Wahl zum Ratsmitglied anzunehmen. Der Personalratsvorsitzende hat also insoweit nicht recht. Sollte der Buchhalter allerdings Prokurist sein, was sich dem Sachverhalt nicht entnehmen lässt, wäre Unvereinbarkeit von Amt und Mandat i. S. v. § 13 KWahlG gegeben.

23. Fall: Anregungen und Beschwerden

Sachverhalt

A regt in einem an den Rat der Gemeinde G gerichteten Schreiben an, die Straße „Friedhofsweg" in G zu sanieren, da diese Straße große Schlaglöcher und Unebenheiten hat. Er besuche wöchentlich den Friedhof in G, da dort seine Schwiegereltern begraben seien, und müsse daher regelmäßig den „Friedhofsweg" benutzen. In Gesprächen mit anderen Friedhofsbesuchern habe er erfahren, dass auch sie mit dem Straßenzustand des Friedhofsweges sehr unzufrieden sind.

Die Gemeindeverwaltung G stellt fest, dass A gar nicht in der Gemeinde G, sondern in der Nachbargemeinde N wohnt. Sie teilt A mit, dass sein Schreiben nicht dem Rat der Gemeinde G zugeleitet werde, da er nicht Einwohner der Gemeinde G und somit in der Gemeinde G nicht zu einem solchen Verlangen berechtigt sei.

Aufgabe

Ist die Auffassung der Gemeindeverwaltung G rechtlich zutreffend?

Lösung

Die Auffassung der Gemeinde G wäre zutreffend, wenn nur Einwohner der Gemeinde zu einer solchen Anregung berechtigt wären.

Nach § 24 GO hat jeder das Recht, sich mit Anregungen und Beschwerden in Angelegenheiten der Gemeinde an den Rat zu wenden. Einzige Voraussetzung ist also, dass es sich um eine gemeindliche Angelegenheit handelt. Die Sanierung einer gemeindlichen Straße ist zweifelsfrei eine gemeindliche Angelegenheit.

Wenn jeder das Recht zu einer Anregung in gemeindlichen Angelegenheiten hat, ist die Einwohnereigenschaft nicht Voraussetzung. Somit ist auch ein „Nichteinwohner" von G dazu berechtigt.

Die Auffassung der Gemeindeverwaltung G ist folglich rechtlich unzutreffend. Sie muss die Anregung dem Rat der Gemeinde G zuleiten.

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