Buch lesen: «Hanau 1813»

Schriftart:

Erik Schreiber

Historisches Deutschland

Hanau 1813

e-book 039 Hanau 1813

Erstauflage 01.10.2021

© Saphir im Stahl Verlag

Erik Schreiber

An der Laut 14

64404 Bickenbach

www.saphir-im-stahl.de

Titelbild: Erik Schreiber

Vertrieb neobooks

Erik Schreiber

Historisches Deutschland

Hanau 1813

Saphir im Stahl

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

C. M. Arndt Der heilige Kampf der Teutschen Mit chronologischer Angabe aller Schlachten vom 27. Aug. 1812 bis zur Schlacht bei Hanau den 30. Octob. 1813

Dr. Joseph Heinrich Wolf Das Haus Wittelsbach Bayerns Geschichte 1847, § 179 Die Schlacht bei Hanau Seite 563 – 564

Relation über die Ereignisse bei Hanau vom 29. October bis 1. November 1813, Wien 1814

A. H. L. Heeren und F. A. Ukert Geschichte der europäischen Staaten Geschichte Frankreichs im Revolutionszeitalter von Wilhelm Wachsmuth, 1844, Zehntes Buch, Sechstes Kapitel Der Krieg von 1813 nach dem Waffenstillstande, Der Rückzug, Schlacht bei Hanau, Seite 163 – 167

Geschichtliche Darstellung der Schlacht bei Hanau am 30. Oktober 1813, von einem Augenzeugen, 1814

Vorwort

Auf der Suche nach alten Dokumenten, um sie den Lesern näher zu bringen, findet man immer mal wieder etwas, das nicht gesucht wurde und doch gefunden werden wollte. Irgendwann stiess ich auf den Begriff der großen Schlacht bei Hanau im Jahre 1813. Aus einem Dokument wurden schnell mehr und ich entschloss mich, den Bericht über den Krieg gegen Napoleon aus verschiedenen Sichtweisen, zusammenzustellen und zu veröffentlichen. So enthält dieses Buch die französische, deutsche und österreichische Sicht. Immer etwas anders und doch war jeder der Kontrahenten der Gewinner.

Mit dem vorliegenden Buch können Sie sich selbst ein Bild der damaligen Zeit machen. Ich verzichte absichtlich darauf, aus der heutigen Zeit rückwirkend eine Beurteilung abzugeben. Mögen die Dokumente aus der damaligen Zeit für sich sprechen.

Ich hoffe, mit dieser Neuauflage ein wenig Abwechslung in den grauen Alltag der Leserinnen und Leser zu bringen

Der heilige Kampf der Teutschen

Mit chronologischer Angabe aller Schlachten vom 27. Aug. 1812 bis zur Schlacht bei Hanau den 30. Octob. 1813

Anhang

1) Lied: der Fahnen=Schwur des Landwehrmanns.

2) Gebet der Männer bei der Einweihung eines teutschen Jünglings zum Kampf fürs Vaterland.

3) Das Soldaten=Morgenlied

4) das Soldaten=Abendlied

von C. M. Arndt

1814

Nach den fürchterlichen Kämpfen (Schlachten bey Smolensk und an der Moskwa den 17ten August und 7ten September 1812) zog Napoleon, von seinen Schmeichlern als der gottgeliebte unüberwindliche Sieger gepriesen, in die alte Kaiserstadt des größten Reichs der Welt (den 14ten September 1812). Aber plötzlich änderte sich die Szene. In den Flammen von Moskau verließ ihn sein Glück – die rächende Nemesis nahte. Durch die Verheerung der heiligen Stadt zu neuer Wuth entflammt, strömten jetzt von allen Seiten frische Schaaren zu den russischen Heeren, ein hartes Volk, gewöhnt an alles Ungemach eines rauen Klimas und eben deshalb in seinem Lande unüberwindlich. Noch hauste Napoleon einsam unter den Trümmern des ungeheuren Moskau’s, noch ward von ihm in pomphaften anzeigen dem getäuschten Europa, die Vernichtung der russischen Heere und die nahe Unterjochung des Reichs verkündet, als schon der Mangel mit allen seinen Schrecknissen seine Schaaren heimsuchte und ihm nur die bittere Wahl ließ, in Moskau, fern von seine Vorräthen, durch eine zahlreiche feindliche Reuterei von aller Zufuhr abgeschnitten, sein Grab zu finden, oder den Rückzug durch unwirthbare Gegenden in dem fürchterlichsten Winter dem gewissen Untergange vorzuziehen. Napoleon wählte das letzte, und die Blüthe seiner Krieger kam um vor Hunger und Frost und durch das Schwerdt der Feinde und was diesem entrann, das fand in den Fluthe der Beresina sein Grab. Nur einige schwache Reste erreichten die Gränzen des russischen Reichs. Das zahlreichste Heer, welches je Europa seit der Völkerwanderung gesehen, war nicht mehr; mit ihm zugleich war ein ungeheurer Kriegsbedarf vernichtet, oder die Beute tapferer Russen. – Napoleon allein entkam und klagte mit frecher Stirn vor den Augen des französischen Volks die Elemente an, die sich zu seiner Vernichtung verschworen, nicht aber seine eigene Thorheit, seine sträfliche Herrschsucht, seinen unersättlichen Ehrgeiz, der hunderttausende tapferer Krieger geopfert und Frankreich von einer glänzenden Höhe der Macht, in ein tiefes Elend herabstürzen werden. Europa vernahm staunend die grenzenlose Niederlage des unüberwindlich geglaubten Eroberers; es hörte wie beinahe zu gleicher Zeit die Britten und Spanier unter Wellington’s Führung die französischen Heere aus dem größten Theile von Spanien vertrieben (Den 22. Julius 1812. Schlacht bei Calamanca); es erkannte, daß die rächende Hand des Himmels schwer auf dem Unterdrücker der Freiheit und Selbstständigkeit der Völker ruhe und ahndete seine Befreiung.

Bald darauf ward das Beispiel gegeben, daß ein edles Volk, die erlittene Schmach zu rächen, die Bande zerriß, mit der der Kaiser der Franzosen es bisher an seine ungerechte Sache gekettet und kühn den Fehdehandschuh ihm hinwarf. Bereit für Vaterland und Deutschland’s und Europa’s Freiheit das äusserste zu wagen. Die Preussen waren es, das Volk des unvergeßlichen Friedrich’s, die sich des angestammten Ruhmes erinnerten und der Unbilde, die sie von dem übermüthigen Sieger erduldet und sich entschlossen, lieber mit Ehren unterzugehen, als länger der Ball seiner Sultanslaunen zu seyn. Viel Ungemach hatten sie erduldet, seit dem Tage, wo in den Gefilden von Jena und Auerstädt die Hoffnung Deutschland’s zu Grunde ging; vergeblich hatten sie mit pünktlicher Gewissenhaftigkeit die unbilligen Bedingungen eines harten Friedens erfüllt, vergeblich mit unbegreiflicher Langmuth jede Kränkung ertragen, den tiefsten Haß des Unversöhnlichen zu entwaffnen. Mit jedem Tage stieg der Hohn, der Trotz, und der Uebermuth, mit jedem Tage häuften sich die Verletzungen feierlich geschlossener Verträge, ward immer deutlicher die Absicht Preussen gänzlich zu vernichten. Da erklärte Friedrich Wilhelm den heiligen Krieg (April 1813) gegen den Feind aller Staaten, und das Volk hörte freudig den Ruf des geliebten Königs, der ihm seinen alten Ruhm und Ehre und Unabhängigkeit verhieß, ein allgemeiner Enthusiasmus unter allen Klassen der Nation, vom Pallaste bis zur Hütte beantwortete ihn und beurkundete laut vor dem gesammten Europa, daß noch nicht der alte Heldensinn aus Friedrichs Volke gewichen und daß es noch ein Mahl bereit sey, seinen deutschen Brüdern voranzugehen auf der bahn des Ruhms und des Siegs. Dem leuchtenden Vorbilde der Preußen folgten bald Mecklenburg und die Hansestädte Hamburg und Lübeck – nur Bremen war noch in Fesseln – und ein großer Theil des Landes zwischen Elbe und Weser, und mit einem Gemeingeiste, wie ihn nur die gerechte Sache geben konnte, die sie vertheidigten und einer Aufopferung, die die Geschichte nie vergessen wird, waffneten sie sich für Deutschland und Freiheit.

Allein noch hatte die Stunde der endlichen Befreiung nicht geschlagen; schwere Prüfungen sollten vorangehen. Noch ein Mahl raffte Napoleon Frankreichs letzte Kraft zusammen, selbst ein großer Theil von Deutschland mußte ihm zum letzten Mahle die Jugend seiner erschöpften Länder leihen, um für die Wiedererlangung der ungerechten Gewalt und die Unterdrückung ihrer deutschen Brüder zu kämpfen. Ein neues fränkisches Heer zog nach Deutschland, an Zahl beinahe dem ersten gleich, in allem andern mit ihm nicht zu vergleichen.

Auf der Ebene von Lützen (den 20ten Mai 1813) ward der Kampf der Uebermacht gefochten, allein obgleich an Zahl ungleich schwächer, ward das verbündete Heer der Russen und Preussen nicht besiegt; zum Beweise, was der feste Wille und entschlossener Muth auch gegen die Uebermacht physischer Kräfte vermag. Noch ein Mahl ward jenseits der Elbe heftig gestritten (Schlacht bey Wurschen den 20ten und 21ten Junius 1813) da bot Napoleon die Hand zu friedlichen Unterhandlungen, hoffend im argen Sinn, mit verdoppelter Macht desto leichter nochmal die kühnen Feinde zu vernichten. Allein anders war es beschlossen in dem Rathe der ewigen Vorsicht, auf daß nicht die Völker den Glauben verlöhren an eine weise Weltordnung, die früher oder später den Uebermuth straft, der mit frecher Hand das heilige Gleichmaaß zu verrücken wagt. Kein Wunder erwarte der Mensch, aber auf Gottes Hülfe traue jeder, der mit redlichem Sinne für die gerechte Sache tapfer kämpft. So die Verbündeten Heere nach den Tagen bei Lützen und Wurschen. Kein Erschlaffen, keine dumpfe Verzweiflung, aber reger Muth und verdoppelte Anstrengung der äußersten Kraft mit Wort und That, mit Gut und Blut, entschlossen zu Sieg oder Tod! Und Gott war der gerechten Sache gnädig und von Norden und Süden kam die starke Hülfe tapferer Männer und Deutschland’s Freiheit ward der herrliche Preiß!

Seiner zügellosen Laune folgend, hatte Napoleon nach der Einnahme von Moskau, durch sein Glück geblendet, die Würde des schwedischen Reichs tief gekränkt. Mitten im Frieden zum Lohne für Schwedens Aufopferungen, für seinen Beitritt zu dem verderblichen Kontinentalsysteme, seine Kriegserklärung gegen England, besetzten französische Truppen Pommern, und erlaubten sich empörende Gewaltthätigkeiten in einem befreundeten Lande, während französische Kaper gleich feindselig den schwedischen Seehandel störten. Vergeblich beklagte sich Schweden; statt gerechter Genugthuung erfolgten unverschämte Ansinnen, wie sie die Würde keines selbständigen Staates, einer edlen Nation verträgt; und doch war Schweden nicht wehrlos, war das Vaterland eines Helden geworden, dem Napoleon einen größeren Theil seiner Siege verdankte. Bernadotte, Prinz von Ponte Corvo, als Feldherr nur den Feinden fürchterlich, des Wehrlosen ein Retter, war von der schwedischen Nation mit jenem edlen Vertrauen, was nur tapfere Männer gegen den tapfern fühlen, zum Thronfolger erwählt; (den 2ten August 1811.) die freie Wahl eines freien Volks, kein Gaukelspiel des Despotismus, wie weiland in Frankreich und Italien. Der edle Fürst rechtfertigte das Vertrauen der biedern Nation; er ward Schwede, dem Schweden’s Wohl über alles ging, der ihm willig das Opfer seiner Gefühle brachte. Schweden erkannte den Abgrund, in den ferneres Anhängen an das Kontinentalsystem es zu stürzen drohte und erbittert über die Kränkungen, die er von Frankreich erlitten und die gehäßigen Kabalen der französischen Abgeordneten, deren unerträglicher Uebermuth nicht länger geduldet werden konnte, schloß es Frieden und bald darauf ein Bündniß mit England. Ein Heer tapferer Schweden, gewohnt zu kämpfen für Unabhängigkeit und Recht, zog aus unter dem edlen Carl Johann, so wie einst unter Gustav Adolf zu Deutschlande’s Befreiung und der Name des sieggewöhnten Führers belebte kräftig jeden gesunkenen Muth!

Während der Waffenruhe waren, vornehmlich auf Oesterreich’s Betrieb, Unterhandlungen über den Frieden zu Prag eröffnet, und so weit trieben die Verbündeten den Waffenstillstand zum Vortheile Napoleons verlängerten, wiewohl große Ursache war, zu einer aufrichtigen Neigung zum Frieden von seiner Seite zu zweifeln! Nur zu bald wurden diese Zweifel zur Gewißheit. Um Zeit zu gewinnen, während aus Spanien, das indessen Wellington’s glänzender Sieg bei Victoria von dem Ursupator befreit, Verstärkungen herausgezogen! ward von den französischen Gesandten über leere Formalitäten gestritten, der Waffenstillstand gröblich verletzt, nach wie vor eine feindliche Sprache gegen die Verbündeten geführt, und dennoch entblödete sich der Kaiser der Franzosen nicht, der Welt seine Friedensliebe vorzuheucheln. Da erkannten die Verbündeten, daß längeres Zögern nur verderblich werden könne, und beschlossen den Frieden zu erkämpfen, und Oesterreich’s erhabener Monarch erfüllte den Wunsch seines biedern Volks und stärkte entscheident die gute Sache durch seinen Beitritt. Da schöpfte Deutschland neue Hoffnungen, und die unterdrückten Völker Italiens athmeten freier im Vorgefühle naher Erlösung, und Europa hörte mit froher Hoffnung, daß aus einem fernen Welttheile ein großer Feldherr gekommen sey, den Deutschland und Italien in seinen Siegen bewundert und geliebt, den aber nochmals Eifersucht und Bosheit aus seinem Vaterlande getrieben, um jetzt Frankreich’s Freiheit und Heil von seinem Unterdrücker zu erringen. Der Kampf begann; vor den Mauern von Dresden (den 26ten und 27ten August 1813) sank der edle Moreau, doch nicht der Muth der Verbündeten. Schon hatte Carl Johann den gegen Berlin dringenden Feind geschlagen (den 25ten August und folg. Großen Beeren;) ihn fechtend der Elbe zugetrieben, und krönte bald in einer großen Schlacht seine frühere Großthaten durch einen herrlichen sieg (den 6ten Sept. Schlacht bei Dennewitz oder Jüderbock); schon hatten Preussen und russen den entscheidenden Sieg an der Katzbach (durch Blücher den 26ten August) Schlesien von den Feinden befreit und drangen siegreich gegen die Elbe vor, als noch immer Napoleon in blindem Vertrauen auf sein – entflohenes Glück in Böhmen einzudringen hoffte. Als er aber endlich nach wiederholten unglücklichen Versuchen diese Hoffnung aufgab und von allen Seiten gedrängt, sich zum Rückzuge entschloß, da hatte schon Deutschland’s Freiheit, in Baiern’s Beitritte (Konvention zu Reid den 8ten Oktober) eine neue kräftige Bürgschaft gefunden. Die französischen Heere zogen nach Leipzig und dort erfolgten jene Riesenschlachten, (den 15ten bis 19ten Oktober 1813) durch welche endlich nach Jahrelanger Schmach die große Frage gelöset ward, ob es ferner deutsche Freiheit, wie sie einer großen Nation ziemt, ob es überhaupt noch Unabhängigkeit und Selbstständigkeit in Europa geben, oder alles dem engherzigen Willen eines gefürchteten Despoten gehorchen sollte. Und die Nemesis waltete und es ward Gerechtigkeit geübt und Schmach vergolten mit Schmach, und vernichtet flohen die Reste des französischen Heeres dem Rheine zu, den sie frevelnd oft überschritten. Da traf sie bei Hanau (den 30ten Oktober 1813. Wrede) der Oesterreicher und Baiern tapferer Feldherr und eine zweite Beresina ward Hanau für die Besiegten, und die Baiern, die so oft für Frankreich geblutet, sie rächten blutig die Erniedrigung Deutschlands. Da ward das alte Frankfurt die ehrwürdige Krönungsstadt deutscher Kaiser frei, Deutschlands Fürsten zerbrachen eilig die Ketten, in denen sie der Fremde gehalten, die schwachen Trümmer des noch vor kurzem zahllosen Heeres der Franken flohen ihren Festen zu, und Deutschlands und Europas Befreier betraten siegreich die Ufer des Rheins!

So ward Deutschland von dem Joche der übermüthigen Fremden befreit, ein warnendes Beispiel für die Gewalthaber kommender Zeiten, nicht zu wähnen, daß sie durch Siege und durch das Schreckenssystem einer arglistigen Polizei ganze Nationen bis zum Vergessen ihrer Freiheit und Unabhängigkeit erniedrigen können. Das Gefühl des hohen Werthes einer unabhängigen Existenz kann wohl eine Zeitlang in seinen Aeusserungen unterdrückt, aber ausgerottet werden kann es nie. Unauslöschlich pflanzte es die Natur in jedes Edlen Brust und früher oder später, je später desto lauter wird es sich erheben und die Bande zersprengen, mit denen kurzsichtige Despoten es auf immer zu ersticken glaubten. So Deutschland! Eine der größten und kultiviertesten Nationen Europas, hatten die Deutschen größtentheils durch eigene Schuld, denn Zwietracht und Gleichgültigkeit der Fürsten bei den allgemeinen Angelegenheiten, hatten den Franzosen den Weg nach Deutschland gebahnt, Jahre lang die Fesseln einer schmachvollen Knechtschaft getragen. Ihre Fürsten waren weniger mehr als französische Stadthalter gewesen; ihr angestammtes Gebiet ward durch die Willkühr des französischen Kaisers verändert, bald vergrößert oder verkleinert, je nachdem sie mehr oder weniger bereitwillig in der Dienstschaft sich zeigten; jeder Widerstand ward mit Vertreibung bestraft. Unabhängigkeit ward den Fürsten Deutschlands durch den Rheinbund verheißen, allein sie ward ihnen nur gegen ihre Unterthanen, in allen andern waren sie dem Willen Frankreichs Unterthan. Nur deshalb ward ihnen erlaubt, die alten Verfallungen, die uralten Vorrechte des Volks zu vernichten, auf das kein Widerspruch desselben sie in der Darbringung der schweren Opfer hindere, die Frankreich auf Kosten der Nation verlangte. Vergeblich gab Frankreich den, unter seinem unmittelbaren Einflusse stehenden Staaten Verfassungen! – sie bleiben ein todtes Wort ohne Leben und Kraft, denn wo dem Volke keine öffentliche Meinung erlaubt ist, wer soll es da schützen gegen die Willkühr der Fürsten? Jegliche Preß= und Denkfreiheit war vernichtet, denn das Volk ward mißhandelt und jeder hatte gerecht Ursache zu klagen. Doch nicht genug jede laute Aeußerung des gerechten Unwillens zu unterdrücken, auch jeden mißfälligen Gedanken aufzuspüren und tyrannisch zu ahnden, die Thränen des Unglücklichen selbst als Rebellion zu bestrafen, dahin ging das Bestreben des fremden Beherrschers. Da kam von Frankreich jene berüchtigte geheime Polizei, diese Ausgeburt der Hölle, vielleicht anwendbar bei einem hinterlistigen knechtischen Volke, was nur durch Ränke und Kabalen getrieben wird, aber ein hassenswerthes Ungeheuer unter biederen Deutschen, von jeher gewohnt offen und frei Recht und Gerechtigkeit anzurufen gegen jegliche Unterdrückung. Kein wirksameres Mittel konnten die Unterdrücker anwenden, den Karacter des Volkes zu verschlimmern, und aus freien, offenen treuherzigen Deutschen, verschlossene, mißtrauische und verschmitzte Franzosen zu bilden. Doch eben dies war ihre Absicht, denn wo keiner dem andern traut, wo der Freund in dem vermeinten Freunde nur einen Verräther argwöhnt, da ist eine verhaßte Regierung am sichersten gegen einen plötzlichen Ausbruch des Unwillens – daß aber einem verderbten Volke bald nichts mehr heilig sein werde, daß die allgemeine Schlechtigkeit ihm einen furchtbaren Vereinigungspunkt gebe, daran dachten die Kurzsichtigen nicht.

Und dennoch waren es unerträgliche Uebel, unter denen die Völker litten, von denen man blinde Aufopferung für fremdes Interesse, als erste Pflicht schuldiger Dankbarkeit zu fordern wagte! Handel und Gewerbe lagen gänzlich darnieder, - wie konnten sie bei dem Kontinentalsysteme bestehen, - und nichts desto weniger wurden unerschwingliche Abgaben gefordert, und was diese nicht nahmen, das ward unter andern Namen, als ausserordentliche Kriegssteuern, als gezwungene Anleihen den Unglücklichen entrissen. Die Hülfsquellen, aus denen die väterlich gesinnten Regierungen Deutschlands in besseren Zeiten die Ausgaben bestritten, waren größtentheils versiegt. Jene reichen Domänen waren die Beute französischer Krieger geworden, zum Lohn ihrer Dienste bei der Unterjochung Deutschlands; so tief waren die Deutschen gesunken, so schamlos wurden sie unter ihren Augen verhöhnt, jeden Augenblick an ihre Schande erinnert. Fremde Gesetze und Rechte traten an die Stelle alter geheiligter Gewohnheiten und wohlbekannten Herkommens; ohne alle Rücksicht auf Sitten und Gebräuche, und Verschiedenheit des Karacters des Volks, ward alles nach fremden Formen gemodelt; die herrliche Sprache der Deutschen verachtet, entwürdigt gegen ein fremdes Geschwätz! Denn der eherne Sinn des allgewaltigen Herrschers kannte keine schonende Rücksicht; nur Einförmigkeit wollte er, nur sie verträgt der Despotismus. Die Formen wurden unerträglich gehäuft, damit jeder lebendige Sinn erstickt werde unter ihrer Last, denn nur brauchbare Maschinen wollte man, keine selbstständigen Menschen; stumm und gedankenlos den Willen des Herrschers vollziehen, ward das höchste Verdienst. Dennoch trug das geduldige Volk Jahrelang das schmachvolle Joch und harrte in stiller Ergebung der Hoffnung besserer Zeiten entgegen; es that jedoch für die fremden Tyrannen, es beugte willig seinen Nacken unter die Gesetze der Konskription! Daß es heilige Pflicht eines jeden sei, das Vaterland zu vertheidigen mit Gut und Blut, das wußten von jeher die Deutschen und was sie in der letzten Zeit gethan, macht jede Verläumdung verstummen. Wer kennt nicht den alten Kriegsruhm der Germanier? Ein tapferes Volk, fochten Deutsche Jahrhunderte lang, gern und willig für Vaterland und angestammte Fürsten; doch anders war es unter fränkischer Herrschaft. Nicht für das Vaterland, sondern gegen dasselbe, nicht für Freiheit und Recht, sondern für Unterdrückung und Knechtschaft, nicht für angestammte Fürstne, sondern für einen fremden Despoten verspritzen Deutschland’s Jünglinge ihr Blut; um aller Völker Freiheit zu verderben, um den unersättlichen Ehrgeiz, die rasende Herrsucht Eines Fremdlings zu befriedigen, wurden sie Sklaven gleich in fremde Kriege geschleppt; Kriege gegen ihr eigenes Vaterland, gegen sie selbst geführt, weil sie die allgemeine Knechtschaft zu befestigen dienten. Unter Spaniens brennendem Himmel und in Rußland’s unwirthbaren sTeppen bluteten Deutsche für fremden Uebermuth, gegen des unsterblichen Friedrich’s Volk, gegen Habsburg’s heiligen Stamm kehrten Deutsche das entweihte Schwerdt! Der Schande! Und alle jene blutigen Greuel, diesen Brudermord, wer hat ihn verschuldet? Von ihm, dem finstern entmenschten Würger, von ihm den seiner Schmeichler Gewürm, den von Gott erkohrenen Weltheiland nennt, von ihm fordert eure Väter, eure Brüder, eure Kinder wieder, ihr alle denen er das theuerste erschlug! In seinen Schlachten verblutete Deutschland’s kräftige Jugend, durch ihn wurden seine blühenden Länder zu Wüsten. Bettler ihr emsiges Volk! – Seit Jahrhunderten kämpften Deutsche in allen Kriegen; in allen Ländern Europa’s, in allen Welttheilen sind die Grabhügel deutscher Krieger zerstreut; welche Scholle Deutschlands ist nicht mit deutschem Blute getränkt! Aber ärger war es in der letzten Zeit, als der Franke es beherrschte. Zertreten, zerrissen, erniedrigt, von den Feinden verhöhnt, standst du da, theures Vaterland, der Schauplatz jeglichen Gräuels, jeglichen Bubenstücks, deine Söhne Sklaven, mit Gut und Blut der Spielball fremder Lust! Aber dennoch, unter solchen namenlosen Leiden, erstarb de deutsche Sinn, deutsche Treue nicht. Vernichtet schien das Vaterland, allein es lebte fort in jeder deutschen Brust, und als die Hoffnung der Errettung nahte, da ermannte sich, einem Zauber ähnlich, Germaniens Volk; kühn hervor that der lang verhaltne Grimm, und der Franken Herrschaft war nicht mehr. Welch ein Volk! – Durch nichts gebeugt, behielt es seinen Sinn und seine Art; auch unter den schwersten Prüfungen, war es beinah ohne alle Aufmunterung daß gebildetste Volk von Europa und rettete aus der Periode der fremden Oberherrschaft dennoch das unschätzbare Kleinod eigenthümlicher Kultur!

Die Macht des Feindes ist gebrochen; die schmachvollen Banden von Deutschland sind gelößt; aufgerichtet steht ein tapfres Volk, nur zu lange unter fremdes Joch gebeugt. Unterjocht ward es durch seinen innern Zwiespalt; weil die einzelnen Theile des Ganzen sich trennten vom Ganzen, würden sie sämmtlich die leichte Beute des hinterlistigen Feindes. Eins thut Noth – innige Eintracht; sie hat Deutschland gerettet! sie sei fortan seine unüberwindliche Feste! Denn wo ist die Macht, die das vereinte deutsche Volk zu unterjochen vermochte? Jahrhunderte lang hat der Franke die Ruhe des deutschen Landes gestört, weil er hinterlistig Uneinigkeiten zu erregen wußte unter seinen Fürsten und es ihm nicht selten gelang. Deutsche gegen Deutsche zu waffnen. Durch Eintracht widerstanden kleine Staaten, so lehrt uns die Geschichte, den Anfällen mächtiger Reiche – und was dem schwachen Holland gelang, das große, starke Deutschland sollte es nicht erreichen? Nur des festen Willens bedarf es; Deutschland sage es laut und kühn, daß es frei sein wolle, und es laut und frei und die Fürsten und Völker werden seinen Willen ehren und in ruhmvollen Frieden wird es ruhen das deutsche Volk, gleich fern von Eroberungswuth, wie von sklavischer Trägheit. Mit solcher Zuversicht sehe jeder Deutsche der kommenden Zeit entgegen; das gesammte Europa im Bunde mit ihm, sichert ihm eine lange glückliche Ruhe, denn alle Nationen Europa’s haben es erfahren, wie gefährlich die Sorglosigkeit bei Frankreich’s Anmassungen sei. War es nicht Frankreich, das mit England den Kampf auf Tod und Leben begann, das Oesterreich’s Glanz verdunkelte und Friedrich’s Monarchie zu vernichten drohte, das Italien unterjochte, Spanien zur Einöde schuf, des mächtigen Rußland’s alte Hauptstadt verwüstete und Schweden entehren wollte? – Der Finger Gottes brach des Weltenstürmers macht, befreite die Völker vom schmählichen Joch, zum ewigen Zeugniß, daß er die nicht verläßt, die sich selbst nicht verlassen!

Der kostenlose Auszug ist beendet.

4,99 €
Genres und Tags
Altersbeschränkung:
0+
Umfang:
130 S. 1 Illustration
ISBN:
9783753196596
Verleger:
Rechteinhaber:
Bookwire
Download-Format:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip