Liebesgeflüster
Über das Buch
Zolas Erzählungen sind auch in Frankreich selbst, geschweige denn im Ausland, weit weniger bekannt als die im Zyklus der «Rougon-Macquart» vereinigten zwanzig Romane oder sogar als die politischen und kunsttheoretischen Schriften. Zu Unrecht: denn gerade in seinen kürzeren Texten zeigt sich Zola als ein starkes erzählerisches Talent, das freier von den zeitverhafteten Doktrinen eines «wissenschaftlichen» Naturalismus bleibt und ohne Vorurteile und Belehrungsabsichten unmittelbar aus dem Leben schöpft. Von seinen ersten tastenden Versuchen an, seit 1859, und regelmäßiger bis 1880, hat er immer wieder die knappere Form gewählt; die Erzählung, «Angeline», stammt aus dem Jahre 1898 (Zola ist 1902 gestorben). Also eine große Zeitspanne; ebenso breit gefächert die Thematik und – das Erstaunlichste – die Vielfalt der Erzähltechnik und des immer wieder abgewandelten Stils.
Die zusammengestellten Prosatexte zeigen, welchen Weg der Autor von den frühen, noch romantisch getönten oder verspielten «Contes a Ninon» bis zu den im Band «Liebesgeflüster» gesammelten Erzählungen der Reife zurückzulegen haue. Was ihn auf diesem Weg vorantrieb, war nach seiner eigenen Aussage «ein glühendes Verlangen nach Realitäts». Als die schöne Pächterstochter Nais ihre Liebe einen Sommer lang an einen bürgerlichen Taugenichts verschwendet, da erlischt ihr Leben wie ein flüchtiger Sonnenstrahl; als die hochmütige Comtesse Therese einen gesellschaftlich unbedeutenden Verehrer zum Werkzeug eines Verbrechens macht, da offenbart sich hinter der Maske von Tugendhaftigkeit nicht nur ein Abgrund menschlicher Perversion, sondern auch der immerwährende Kampf zwischen den Geschlechtern und sozialen Klassen.
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