Buch lesen: «Jürgen Klopp»

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JÜRGEN

KLOPP

DIE BIOGRAFIE

ELMAR NEVELING

JÜRGEN

KLOPP

DIE BIOGRAFIE


Vollständige E-Book-Ausgabe der im Copress Verlag

erschienenen Printausgabe (ISBN 978-3-7679-1264-9).

Abbildung Cover: imago images (www.imago-images.de; Ein jubelnder Jürgen Klopp in der Premier-League-Meistersaison 2019/2020)

Bilder Innenteil (Seitenangaben der Printausgabe):

Alle von imago images (www.imago-images.de), außer: S. 104 (Thomas Bauer/ Designers in Motion/hiroki digital); 129 (oben und Mitte rechts: Walter Baur); 204–205, 206–207 (Gruppe Nymphenburg Consult AG/Deutschen Markenarbeit GmbH); 210 (Frank Dopheide); 229 (Cristián Gálvez); 266 (3), 267 (2, oben), 268 (unten), 269 (unten rechts) alle Sven Simon.

Umschlaggestaltung, DTP-Produktion und Layout: Stiebner Verlag,

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in

der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

6., erweiterte und vollständig überarbeitete Neuauflage 2020

© 2020, 2017, 2015, 2013, 2012, 2011 Copress Verlag

in der Stiebner Verlag GmbH, Grünwald Alle Rechte vorbehalten.

Wiedergabe, auch auszugsweise,

nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlags.

www.copress.de

ISBN 978-3-7679-2092-7

Inhalt

Editorial

Meisterfeier in Dortmund: Triumphator Jürgen Klopp

Der Jugendspieler Jürgen Klopp: »Bub, net auf die Gläser, aufs Tor«

von Roger Repplinger

In der »Linde«

Der Latschariplatz

Gerhard Trik bricht sich den Fuß

Astrid Wissingers Klassenfoto

Da bleiben, weg gehen

Das Kloppsche Haus

Klopp und der rote Brustring

F-Jugend

»s’Klopple« hat Talent

Kapitän Klopp

Vespa, orange

Die Meisterfeier

Sportplatz Riedwiesen

Wembley – von weitem

Der Waldplatz

Der Maulwurf

Heimweh

von Saban Uzun

Keiner nannte ihn Norbert

Auto oder Talent?

Kein Seehund

Berthold wird gescheucht

»Walter, rate mal«

Was wichtig ist

Vorbereitung auf die Trainerkarriere und Beginn der Berufung: Ein ordentlicher Spieler wird zum außergewöhnlichen Trainer 39

von Matthias Greulich

Der Profi Jürgen Klopp: Für britischen Fußball besser geeignet

»Da geht wirklich was!«

Der letzte hat einen Plan

»Lange Bälle und dann einen Kopfball, dass es kracht«

Frank folgt auf Hock

von Roger Repplinger

Als Spieler ganz ordentlich – als Trainer außergewöhnlich

Schillerplatz

Heidels Büro

Frank I

Dennis Weiland im »Café Raab«

Reinhard Saftig

Schattenkabinett

Frank II

Ufz Krautzun

»Mach ich«

»Gib mir ein Spiel«

Klopps erste Ansprache

Authentisch

Das System

Vertrauen

Der Scout des HSV

Ende

von Roger Repplinger

Knapp

Knapper

Es reicht

Abstieg

Abschied

Die zweite Trainerliebe: Klopp gibt Borussia Dortmund neue Identität

»Hätte weitaus schlimmere Angebote als das vom BVB geben können«

Wenn nur noch imaginärer Torjubel bleibt

Dortmunder Stimmungslage im Sommer 2008: Ein Trainingstag in Brackel

Klopp bringt »die Süd« wieder hinter ihr Team

Rasenschach verpönt

Die irre Aufholjagd im Revierschlager

Derbyheld Alexander Frei

Inventur in der Winterpause

Siegesserie nach Vertragsverlängerung

Die Entwicklung setzt sich fort

Meistersaison, die erste

Erster Sieg beim FC Bayern seit zwanzig Jahren

Jugend statt Routine

Trainer des Jahres

So stürmte die Borussia zum Titel: Die Taktik des BVB in der Saison 2010/11

Meistersaison, die zweite – doch zunächst stockt’s

Viel Aufwand, wenig Ertrag gegen defensive Gegner

Der Knipser fehlt – bis Lewandowski explodiert

Anderes Spiel ohne Taktgeber Sahin

BVB-Express nimmt wieder Fahrt auf – und wie!

»Wir sind alle ein bisschen verknallt in diesen Verein«

Borussen-Durchmarsch lässt schäumende Bayern zurück

Lehrgeld in der Champions League

Von Pokalpleiten bis zum »Finale furioso« gegen die Bayern

Halbfinale mit brisantem Schlussakkord

Klopp sieht »eiskalte« Dortmunder

Herausforderungen bleiben

Entwicklung noch nicht abgeschlossen

Souveräne Auftritte in der Champions League

»Aggressives Potenzial«: Klopp gegen die Schiedsrichter, Teil eins

Vorwurf der »Industrie-Spionage« in Richtung München

Enttäuschungen nach der magischen Nacht gegen Málaga

Robben versetzt Borussia den späten Knockout

Nach dem Gipfel folgt der Abstieg

Götze-Nachfolger wartet auf den Durchbruch

Vizemeister – aber die Bayern nicht mehr in Sichtweite

»Da wird die Luft dünner«

Außer Rand und Band oder: Klopp gegen die Schiedsrichter, nächster Akt

Dr. Jekyll und Mr. Hyde

In ungewohnter Zuschauerrolle

Raus mit Applaus: Hinspiel-Hypothek wiegt zu schwer

Katastrophale Hinrunde trotz hoher Laufleistung

»Urlaub« in der Champions League

Trost im DFB-Pokal

Letzter – danach geht es aufwärts

Denkwürdige Pressekonferenz

Noch einmal mit dem Lastwagen um den Borsigplatz

Die Schwierigkeit, loszulassen

Spieltaktik, Trainingsarbeit und Entwicklung einer Mannschaft – die Spielphilosophie von Jürgen Klopp

»Eine bessere Mannschaft muss nicht zwingend gewinnen«

Traumeinstand: Sechs Siege in sieben Spielen

Zunächst die »Schotten dicht«

Schrittweise Entwicklung des BVB-Spiels

Gefühl für den richtigen Zeitpunkt

»Entscheidend ist nicht die Trainingsform, sondern das Coachen«

Der Autodidakt und die moderne Trainingslehre: Inspirieren lassen ja, kopieren nein

»Ein großer Verfechter davon, sich einen eigenen Eindruck zu verschaffen«

»Wahnsinn, in welchen Tempi wir laufen mussten«

Gerannt für den Urlaub

Fakten, nichts als Fakten

Stetige Entwicklung nicht nur des Spiels, sondern auch der Spieler

Schmelzer zeigte die größte Entwicklung

»La Masia« in Dortmund

Barcelona als Nonplusultra

Erfahrung sammeln in Sevilla

»Wahnsinn« Life Kinetik

Die Männer neben Klopp: »Gehirn« und »Auge« als Unterstützung für den Chefcoach

Eine Wellenlänge von Beginn an

»Fleisch gewordener Fußballsachverstand«

Video-Analyse in der Halbzeit

»Wir haben Schmelzer?«

Ein weiterer Nachmittag in Brackel: Trainingstag im Herbst 2011

Konzentration – aber ein bisschen Spaß muss sein

Kicken auf drei Tore

Klopp im Blick des BVB-Fans: Tacheles statt Larifari

»Für mich kommt Klopp direkt hinter Hitzfeld«

Mensch Klopp!

»Das lässt mich total locker bleiben«

Das zweite Gesicht

»Klopp lässt Dampf ab, ist aber nicht nachtragend«

Markenzeichen Jürgen Klopp

Marke ist nicht gleich Marke

Interview mit Frank Dopheide über Markenbildung – »Klopp ist eine treue Seele«

Regelmäßige Einzahlung auf das »Markenkonto«

»Klopp ist eine absolute Identifikationsfigur«

Individuell ja, extravagant nein

»Klopp hat ein verbindendes Element«

von Matthias Greulich

Marc Kosicke – der Mann, dem die Trainer vertrauen

Unaufgeregt und mit festem Händedruck

Schutz des Mandanten im Blick

Jürgen Klopp als »TV-Bundestrainer«

Zweifache Auszeichnung, aber …

… in erster Linie ein Fußballlehrer

Interview mit Cristián Gálvez zu Persönlichkeit und Außenwirkung von Jürgen Klopp

Klopp als Führungspersönlichkeit

»Klopp hat es früh aufgesogen«

»Menschen mit klarer Richtung wirken anziehend«

Klopp und die »aufgeklärte Patriarchie«

Klopps Maxime: Leistung bringen!

Klopp beim »Unternehmen des Aufbaus«

Komfortzone ade!

»Klopp for the Kop«: Auf zu neuen Ufern

Vertrauen auch in Schwächephase

Es wurde Skat »gekloppt«

Paukenschlag im April

Eine respektvolle Geste zeigt die Richtung an

»The normal one«

Der Reiz des »schlafenden Riesen«

Zum Erfolg verdammt

Sprachliche Herausforderung

Erstes Highlight ausgerechnet gegen Mourinhos Chelsea

Schwierigkeiten gegen Defensivteams

Gegenwind für den »Vulkan«

»It’s not a wish concert!«

Wunden lecken nach turbulenten Tagen

Rückkehr nach Wembley

Epische Aufholjagd gegen den BVB

Ein Spiel wie ein Orkan

»Schwingungen mit Händen greifbar«

Durchwachsene Ligabilanz

Das »Gelbe U-Boot« versenkt

Spalier fürs Team: »We are Liverpool!«

Wieder ein Finale, wieder verloren

Klopps Hadern mit strittigen Entscheidungen

Gekommen, um zu bleiben

Keine Scheu vor konsequenten Entscheidungen

Premiere im »neuen« Anfield wird zum Befreiungsschlag

Vereinsrekord, aber …

Ernüchterung im neuen Jahr: Im trüben Januar (fast) alles verspielt

Im Endspurt noch Rang vier gesichert

Eine hypothetische Frage

Wunschspieler für Angriff bekommen – Abwehr bleibt Achillesferse

Manchester City als Nonplusultra

Wechseltheater um Coutinho

Ein Fall von Doppelmoral?

Mit Glück und Geschick ins Halbfinale

Unerwartetes Ende eines »telepathischen Duos«

Ein Drama in drei Akten

Salahs Verletzung und Karius‘ Blackouts schocken Liverpool

Das »Feierbiest« zeigt sich trotzig

Wunden lecken nach Finalkater – Kader wird optimiert

Historische Bilanz in der Liga, doch die Meisterkrönung bleibt wieder aus

Loblied auf Abwehrbollwerk um van Dijk

Wechsel an der Spitze nach Merseyside-Derby

Pokal? To be continued …

Alisson Becker rettet das Weiterkommen

Englische Party in München – Liverpool »on fire«

Couragierter Auftritt nicht belohnt

Geistesblitz von Alexander-Arnold

Die »Mentalitätsgiganten« haben zugeschlagen

Benfica B wird zu Tottenham

Die Abwehr eine Wand

Größe auch im Erfolg – Entwicklung wichtiger als Titel

Ein Lied als Prophezeiung

Dreiteiliges Versprechen

Eine Saison im Rausch – bis zum Frühjahr 2020

Nachspielzeit ist »Kloppage Time«

Fanpost der anderen Art

Höchste sportliche Ehren – für Klopp und Klub

Harsche Kritik wegen Boykott im FA-Cup

»Die Unbesiegbaren« sind doch verwundbar

»… wie der schlechteste Verlierer der Welt«

Coronavirus legt öffentliches Leben lahm – was nun?

Eigentor besonderer Güte

Der Ball rollt wieder – und Liverpool wird Meister »auf der Couch«

»Es ist einfach groß«

Liebe ist teilbar

Als Mittfünfziger in Rente?

Nachspielzeit: Zitate von und über »Kloppo«

Jürgen Klopp über …

Meinungen zu Jürgen Klopp von …

Anhang

Steckbrief Jürgen Klopp

Der Herausgeber und die weiteren Autoren

Editorial

Welch ein Kontrast: Noch 2005 stand Borussia Dortmund am Rande der Insolvenz. Der Verein konnte nur deshalb im Profifußball gehalten werden, weil die Anleger des Stadionfonds dem Sanierungskonzept zustimmten. Die Borussia verschwand somit zwar nicht in der Versenkung, dümpelte jedoch in den Folgejahren aufgrund des notwendigen rigiden Sparkurses im sportlichen Mittelmaß umher. Inzwischen ist der BVB wieder eine der ersten Adressen im deutschen Fußball. Die Erinnerungen an die enthusiastisch bejubelten Titelgewinne von 2011 und 2012, die ersten nach dem Beinahe-Crash, sind in Dortmund noch sehr präsent.

Schwarz-Gelb hat sich inzwischen auch auf finanzieller Ebene konsolidiert – dank einer jungen und erfolgreichen Mannschaft, die sportliche wie wirtschaftliche Rendite abwirft. »Nie zuvor war eine Meisterschaft verdienter«, lautete das einhellige Expertenurteil nach dem unerwarteten Titelgewinn 2011. Selten zuvor hatte der Fußball für mehr Begeisterung gesorgt. Ein spielerischer Rausch, der Fußball-Feinschmecker vor Freude Sinnessprünge machen ließ. Ein Rausch ohne Kater im Jahr darauf – ganz im Gegenteil: 2012 wurde nicht nur die Meisterschaft verteidigt, sondern mit dem furiosen 5:2-Pokalsieg über den FC Bayern erstmals in der Vereinsgeschichte auch das Double gewonnen.

Als sportlicher Architekt dieser Erfolgsstory gilt bis heute Trainer Jürgen Klopp, der binnen drei Jahren aus einer mittelmäßigen Bundesliga-Mannschaft ein Meisterteam formte. Ein charismatisch-akribischer Coach, über den Borussias Sportdirektor Michael Zorc sagt, dass »er mein bester Transfer war«. Faszinierend ist vor allem die Art und Weise, wie der Erfolg zustande kam: War die Dortmunder Meisterschaft 2002 noch das Ergebnis von Routine und internationalen Topstars (Tomáš Rosický, Jan Koller, Marcio Amoroso), so war es diesmal eine dynamische Jugendtruppe mit Eigengewächsen wie Mario Götze oder Kevin Großkreutz. Gelebte Identifikation, die den Enthusiasmus um den BVB noch weiter steigerte. Klopp hatte bei Amtsantritt in Dortmund »Vollgas-Veranstaltungen« versprochen – und Wort gehalten.

Es ist an der Zeit, den Menschen und Trainer Jürgen Klopp näher vorzustellen. Was zeichnet diesen Mann aus, der nicht nur von den Fans in Mainz, Dortmund und Liverpool geliebt wird, sondern dem über Grenzen hinweg die Sympathien zufliegen? Der als »TV-Bundestrainer« Millionen von Deutschen das Spiel erklärte, in einer auch für Laien verständlichen Sprache. Was treibt ihn an, was ist sein Erfolgsgeheimnis und wie wurde er zum Meistertrainer?

Auf diese Fragen will das vorliegende Buch Antworten geben und vermittelt daher einen ausführlichen Eindruck von der Persönlichkeit, dem Werdegang, der Arbeitsweise sowie der taktischen Philosophie des Trainers Jürgen Klopp. Zusätzliche Einblicke geben Gespräche mit Experten, die eine wertvolle Perspektive von außerhalb des Fußballs mitbringen. Dabei behandelt diese in Zeitabschnitten erzählte Biographie nicht die Privatsphäre, sondern die sportlichen wie menschlichen Überzeugungen des früheren Spielers und heutigen Fußballlehrers Jürgen Klopp.

Klopp selbst hat bei diesem Buch nicht mitgewirkt. Dafür kommen einige seiner früheren Weggefährten zu Wort, die eine objektive Sicht auf sein Wesen und Wirken geben können. Dabei zeigt sich, dass das oberflächliche Klischee des »Lautsprechers Klopp« nicht greift und hier nicht allein ein Motivator im legeren Outfit am Werk ist.

Das Buch skizziert die bisherigen Stationen Klopps und dokumentiert seine große Liebe zum Spiel. Angefangen von seiner Jugend in Glatten, über die Zeit als Zweitliga-Spieler, bis hin zu seiner inzwischen knapp zwei Jahrzehnte währenden Trainerkarriere, in der sich Klopp eine eigene, unverwechselbare Identität geschaffen hat.

Eine Laufbahn, die er 2015 nach sieben intensiven Jahren bei Borussia Dortmund freiwillig unterbrach. Um sich eine Auszeit zu nehmen und Kräfte zu sammeln – ehe schon bald mit dem FC Liverpool eine neue große Herausforderung auf ihn wartete: Den »schlafenden Riesen« von der Anfield Red zurück zu alten Erfolgen zu führen und somit als erster deutscher Trainer erfolgreich in der englischen Premier League zu arbeiten. Und wie ihm dies gelingen sollte: Als Klopp das Kommando übernahm, lebte der Verein vom Glanz vergangener Tage. Fünf Jahre später hatte er die »Reds« nicht nur auf Europas Fußball-Thron geführt, sondern auch zu unvergleichlicher Dominanz in der Premier League. Nach Mainz und Dortmund lagen ihm nun auch die Fans in Liverpool zu Füßen. Keine Zweifel, dieser Mann kann Mannschaften entwickeln!

Jürgen Klopp ist zu einer international bewunderten und markanten Trainergröße gereift, die bei all ihren bisherigen Vereinen bereits Legendenstatus erreicht hat. Die deutsche Meisterschaft 2011, so sagte er selbst nach seinem ersten offiziellen Titel als Trainer, war erst »wie ein Etappensieg bei der Tour de France«. Inzwischen hat Klopp den Triumphbogen in Paris erreicht. Doch die wilde Fahrt ist noch nicht zu Ende.

Meisterfeier in Dortmund:
Triumphator Jürgen Klopp

Dortmund, 15. Mai 2011. Eine Stadt im Ausnahmezustand, die gesperrte B1 ist von Menschenmassen gesäumt. Geschätzte 400.000 Fans feiern glückselig die siebte Deutsche Meisterschaft ihres BVB. Mannschaft und Verantwortliche fahren im offenen, schwarz-gelben Meisterbus durch die Stadt. Der Zug startet um 12 Uhr am Borsigplatz, der Wiege des BVB im Norden der Stadt. Hier wurde der Verein 1909 im Restaurant »Zum Wildschütz« gegründet. Diesem Ursprung zu Ehren entwickelt sich ein Lied zu dem Hit dieser fulminanten Feier, die schier eine ganze Stadt in Bewegung bringt und sich auch vom einsetzenden Regen nicht beeinträchtigen lässt:

»Rubbeldikatz, rubbeldikatz, rubbeldikatz am Borsigplatz!«, intoniert ein freudetrunkener Jürgen Klopp auf dem Bus – und die Menge stimmt mit ein. Ein Ohrwurm von Borussias Spielerlegende Alfred »Aki« Schmidt, einst selbst mit dem BVB Deutscher Meister, und der Band Casino Express. Nach zwei Stunden Schlaf versteckt »Kloppo« die übermüdeten Augen hinter einer verspiegelten Pilotenbrille. Der krächzende Tonfall seiner Stimme verrät die Feierspuren der vorangegangenen Meisternacht. Meister. Er, der die Bundesliga während seiner Spielerkarriere nur aus dem Fernsehen kannte.

Dortmunds Stadionsprecher Norbert Dickel, der vielbesungene »Held von Berlin« des BVB-Pokalsiegs von 1989, hält ihm das Mikrofon vor den Mund. Ein kurzer Gruß an die Fans, die bereits vor den Westfalenhallen auf ihre Lieblinge warten? Klopp verspricht: »Jetzt ist erst das Warmmachprogramm. Wir kommen gleich vorbei und dann geht richtig die Post ab. Bis dahin: Elfmeterschießen üben!« Dabei hält er ein handbeschriftetes Plakat hoch, das ihm zugesteckt wurde und genau das empfiehlt. Denn während der abgelaufenen Saison hatte der BVB alle fünf seiner Elfmeter vergeigt. Doch wen interessierte das jetzt schon?

Das Feierprogramm kennt keine Pause, stundenlang braucht der BVB-Bus, um an seinem Ziel vor den Westfalenhallen anzukommen. Spieler und Trainer, einer nach dem anderen läuft über die improvisierte Bühne und wird von den Massen gefeiert. Als Klopp die Bühne betritt, erklingt der Song, der ihm von Sänger Baron Von Borsig eigens gewidmet wurde: »Kloppo, du Popstar.« Seine Stimmbänder mobilisieren ihre verbliebenen Kräfte: »Vielen Dank. Ihr müsst ein bisschen leiser sein, denn meine Stimme ist nicht mehr ganz so gut. Dafür gibt es gute Gründe. Unglaublich, unglaublicher Tag, unglaubliche zwei Wochen« (Anm.: seitdem die Meisterschaft feststand), um dann wieder in die Fangesänge einzustimmen: »Deutscher Meister ist nur der BVB, nur der BVB!« Wenn sich Louis van Gaal bei der Meisterschaft des FC Bayern 2010 zum »Feierbiest« ernannte, dann hat er mit Jürgen Klopp einen würdigen Nachfolger gefunden.

Noch ein »zweiter Jürgen Klopp« zieht die Blicke auf sich: Der, den der Dortmunder Martin Hüschen auf dem Rücken trägt. Der glühende BVB-Fan ließ sich im Frühjahr 2011 erst ein Portrait-Tattoo des rufenden Klopp auf den Rücken stechen, ehe direkt neben dem Trainer ein Tattoo der Meisterschale folgte – und das noch bevor sie die Borussia definitiv gewonnen hatte! Begleitet von Fernsehteams, die festhielten, wie das gesamte Kunstwerk nun die komplette obere Hälfte seines Rückens bedeckt. Klopp sei nun mal ein »toller Typ«, der »menschlich zu uns passt«, begründete Hüschen seine Motivwahl.1 Kommentar des so Geadelten: »Er ist alt genug. Er weiß, was er tut.« 2011 ist Hüschen Anfang 40 ...

Fans, Mannschaft, Verein und Stadt zelebrieren eine überschwängliche Meisterschaftsfeier, die nicht geplant, nicht erwartet war, auf die nicht einmal zu hoffen gewagt wurde. Denn die Jahre zuvor waren von einer sportlichen wie wirtschaftlichen Durststrecke des Vereins geprägt: Im Streben nach maximalem sportlichen Erfolg waren die Ausgaben aus dem Ruder gelaufen, der BVB stand dicht vor der Insolvenz und befand sich gar im vielzitierten »Vorraum der Pathologie«. Der Super-GAU konnte zwar vermieden werden, doch die sportliche Entwicklung der Mannschaft darbte.

Sicher, auch die zuvor letzte Dortmunder Meisterschaft von 2002 war groß gefeiert worden. Doch nicht mit dieser Hingabe, nicht mit dieser allumfassenden Sympathiewelle, die sich längst nicht nur auf Dortmund erstreckte. Dieses junge, Spiel für Spiel aufopferungsvoll kämpfende Team machte Identifikation auch über die Stadtgrenzen hinaus leicht. So feierte Dortmund seine Helden von 2011 so enthusiastisch wie wohl nie zuvor. 2002 waren die Erfolge der Vorjahre noch frisch gewesen, der Geschmack des Erfolges lag noch auf der Zunge: Champions-League- und Weltpokalsieger 1997, Deutscher Meister 1995 und 1996, UEFA-Cup-Finale 1993 und 2002. Dass die Borussia ihren Briefkopf regelmäßig um neue Auszeichnungen erweiterte, schien ein Gesetz der Serie zu werden.

Klopp und sein Team schenkten der Stadt mit ihrem Erfolg Stolz und Selbstvertrauen. Eine Stadt, deren Menschen sich in einer Weise über ihren Fußballklub definieren, wie dies deutschlandweit wohl nur im Ruhrgebiet passiert. Eine Stadt, die mit einer Arbeitslosenquote von 13 Prozent2 Erfolge des BVB umso mehr als Ersatzbefriedigung wahrnimmt. Eine Stadt, in der Dortmund nur ein Vorort von Borussia zu sein scheint.

Klopp ist sich der Verantwortung, die daraus folgt, bewusst: »Was wir tun können, ist, ihnen eine Ablenkung zu verschaffen, ihnen Freude zu geben. (...) Ich kann die politischen Umstände nicht verbessern, ich kann an der sozialen Wirklichkeit nichts ändern – aber wir können diese Menschen einen Moment lang glücklich machen«, offenbarte er seine Motivation schon knapp zwei Jahre vor der Meisterfeier.3 Für diese Einstellung lieben ihn die Menschen. Und Jürgen Klopp hatte nach Mainz 05 mit Borussia Dortmund seine zweite sportliche Liebe entdeckt.

Doch wie wurde aus Jürgen Klopp der gefeierte Meistertrainer? Es begann einst in einem idyllisch gelegenen Luftkurort, einer kleinen Gemeinde im Schwarzwald …

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