Kleine Morde zum Dessert

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Kleine Morde zum Dessert
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Elke Schwab

Kleine Morde zum Dessert

Ein Mordsgenuss für die dunkle Jahreszeit

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Dann klappt’s auch mit dem Nachbarn

Die Rechnung

Höllenfahrt

Im Schweinekoben

Der Kinderwagen

Tag der offenen Tür

Wer zu spät kommt

Die Weihnachtsüberraschung

Der Meister

Impressum neobooks

Dann klappt’s auch mit dem Nachbarn

Elke Schwab

Kleine Morde zum Dessert

Krimianthologie

Inhaltsangabe:

Dann klappt’s auch mit dem Nachbarn

Die Rechnung

Höllenfahrt

Im Schweinekoben

Der Kinderwagen

Tag der offenen Tür

Wer zu spät kommt

Weihnachtsüberraschung

Der Meister

Kleine Morde zum Dessert

Krimianthologie

Elke Schwab

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

© Elke Schwab, 2019

www.elkeschwab.de

Covergestaltung: Manfred Rother

Autorenfoto: Manfred Rother

Skizzen im Text: Pixabay

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.














Emil kann es nicht fassen. Schon von weitem erkennt er einen Reisigbesen an die Rückseite seines Hauses angelehnt. Ein Schauer geht durch seinen Körper. Er hasst diese Zeit – die Zeit vor Hexennacht. Als könnte tatsächlich jemand mit einem Besen über ihm schweben, schaut er suchend nach oben. Aber der Himmel zeigt nur sein schönstes Azurblau.

Mit wütenden Schritten stampft er auf den Besen zu. Ein Zettel hängt daran, darauf steht: „Kommt ein Besen aus Reisig, lass dich von mir umarmen, sonst wird‘s dir eisig!“

Das ist der Hammer!

Emil wirft verstohlen einen Blick zum Nachbarhaus, das ruhig in der Nachmittagssonne schmort. Diese Frau ist eine Hexe, da ist sich Emil ganz sicher. Nächtelang feiert sie. Vermutlich gehören diese Orgien zur Vorbereitung für Walpurgisnacht.

Er stöhnt. Seit diese Frau im Nachbarhaus wohnt, ist es mit seiner Ruhe vorbei. Wenn sie glaubt, ihn mit zweideutigen Geschenken aus der Fassung bringen zu können, dann hat sie sich aber getäuscht. Er nimmt den Besen, bricht ihn in der Mitte entzwei und legt ihn zum Feuerholz. Die Abende sind noch kalt, da schadet ein Feuerchen im Kamin bestimmt nicht. Und was brennt besser als Reisig?

Zufrieden mit sich und seiner Taktik geht er an die Gartenarbeit, die beste Methode nach stressigen Tagen seine Seele baumeln zu lassen.

Als er am folgenden Tag nach der Arbeit auf sein Haus zusteuert, sieht er schon von weitem einen Reisigbesen. An der gleichen Stelle wie am Vortag.

Eine Unverschämtheit!

Was plant diese Hexe von Nachbarin schon wieder? Wenn sie ihn aus seinem Haus vertreiben will, muss sie sich schon etwas Besseres ausdenken.

Er reißt den Zettel ab, auf dem dieses Mal steht: „Nimm neben diesem Reisigbesen - auch meine Liebkosung, sonst wirst du verwesen.“

Das gibt es doch nicht! Schon wieder wirft Emil einen Blick gen Himmel! Schon wieder kann er nur strahlendes Blau sehen. Keine herumfliegende Hexe, nichts …

Mit unbändiger Wut schlägt er auf den Besen ein, bis nur noch kleine Holzstücke und Splitter übrigbleiben. Die fegt er mit seinem richtigen Besen zusammen und legt sie vor den Kamin, um damit am Abend das Feuer zu entfachen.

Es dauert lange, bis sich sein Puls wieder beruhigt. Ständig schaut er auf das Haus seiner Nachbarin und glaubt tatsächlich, ihren Rotschopf zu erkennen. Vermutlich beobachtet sie ihn und heckt in aller Ruhe ihren verhexten Plan aus, ihn zu vertreiben.

Die wird ihn mal kennenlernen …

Schon morgen ist Walpurgisnacht! Genau das richtige Fest für diese Person, die ihn nervt, seit sie in das benachbarte Haus eingezogen ist. Ständig macht sie Lärm bis zum frühen Morgen. Er kann die laute Musik und das Gekicher der Weiber, die dort regelmäßig campieren, nicht mehr ertragen.

Seine Anzeigen bei der Polizei sind regelmäßig darin geendet, dass die Polizisten, die sich vor Ort umsehen wollten, allesamt in dem Haus verschwunden und nicht mehr herausgekommen sind. Noch eine Bestätigung dafür, dass es bei dieser rothaarigen Hexe nicht mit rechten Dingen zugeht.

Sogar die Arbeit im Garten schafft es nicht mehr, ihn zu beruhigen. Nachdem er einige Beete mit seinen hastigen Bewegungen ruiniert hat, gibt er auf, wirft die Schippe wütend auf den Boden und geht ins Haus. Von dort aus muss er das Nachbarhaus nicht mehr sehen, weil er die Läden zu dieser Seite dauerhaft verschlossen hält. Das ist der einzige Trost, der ihm noch bleibt.

Nach einer schlaflosen Nacht fällt Emil der letzte Arbeitstag im Monat April doppelt schwer. Er ist heilfroh, als er endlich Feierabend machen kann.

Doch das, was er schon von weitem sieht, kann und will er nicht glauben. Dort steht ein Reisigbesen.

Schlagartig verfliegt seine Müdigkeit und weicht einem grenzenlosen Zorn. Er beschleunigt seine Schritte.

Doch was passiert jetzt?

Der Postbote dieser Straße taucht plötzlich hinter seinem Haus auf, geht auf den Besen zu und steckt einen Zettel dran.

Kann das wahr sein? Ist es der Postbote, der ihm diese Avancen machte?

Das wird ja immer schlimmer!!!! Ein Perverser, der sich an Emil ranmachen will … er bekommt vor Schreck keine Luft mehr.

Er sprintet los, springt über den kleinen Gartenzaun und erreicht mit nur einem Satz den Hinterhof, in dem der Besen steht. Der Postbote ist bereits um die Hausecke verschwunden.

Emil reißt den Zettel ab und liest: „Der dritte Besen ist ein Wink mit dem Scheunentor, denn ich bin verliebt in dich vom linken bis zum rechten Ohr!“

Das ist der Gipfel. Gerade will er dem Postboten hinterherlaufen, als dieser vor ihm auftaucht und lachend sagt: „Ich habe den Besen …“

Doch Emil lässt ihn nicht zu Wort kommen. Mit einem Schlag liegt der Postbote auf dem Boden und hält beide Hände schützend vor das Gesicht.

„Aber, das verstehen Sie falsch…“, versucht er zu erklären, aber ohne Erfolg. Emil greift nach der Schippe, die er am Vortag achtlos liegengelassen hat und schlägt damit mehrmals auf den am Boden liegenden Mann ein.

„Ihre Nachbarin …“, setzt der erneut an, womit er Emil nur noch wütender macht.

Als kein Laut mehr vom Postboten kommt, hält Emil inne und schaut auf den Daliegenden. Die Augen sind geöffnet - keine Regung mehr zu sehen. Auch auf Emils Berührungen reagiert er nicht. Dieser Mann ist tot.

Meine Güte! Was hat er nur gemacht?

Panisch schaut er sich um. Niemand zu sehen. Auch im Nachbauhaus kann er den Rotschopf nirgends entdecken.

Wild entschlossen erobert er den Garten und gräbt ein Loch. Es kostet ihn mehr Mühe, als er erwartet hat. Doch nach zwei Stunden ist der Postbote vergraben und nichts mehr von ihm zu sehen. Er klatscht in die Hände!

Das war ein Akt der Befreiung!

Zufrieden geht er ins Haus.

Das Klingeln seines Telefons stört ihn. Jetzt will er nur noch in Ruhe unter die Dusche. Doch er kommt nicht umhin. Da er keinen Anrufbeantworter hat, schrillt das Gerät unbarmherzig weiter.

Kaum hat er den Hörer in der Hand hört er ein leise gehauchtes „Danke!“

Mehr nicht. Eine Frauenstimme.

„Was soll das?“, fragt Emil verwirrt.

„Ich bedanke mich bei Ihnen, dass Sie mir diesen aufdringlichen Postboten vom Hals geschafft haben.“

Emil spürt Gänsehaut hochkriechen. „Ich verstehe nicht …“

„Wie auch?“ Ein heiseres Lachen ertönt. „Ich habe über die Postzentrale veranlasst, dass der lästige Postbote, meine Pakete beim Nachbarn – bei Ihnen - abgibt, falls ich nicht zuhause bin.“

 

Emil wird schwindelig.

„Bei der Gelegenheit haben Sie sich gleich mit entsorgt – ohne es zu wissen.“ Sie lacht.

„Was soll das heißen?“

„Ich suche meinen Seelenfrieden und ein Haus für meine Schwester“, bekommt er prompt die Erklärung. „Sobald die Polizei Sie verhaftet hat, ist Ihr Haus frei, Friede kehrt ein und mein Schwesterlein!“

Polizeisirenen ertönen, werden immer lauter und kommen direkt vor Emils Haus zum Stehen.

„Du verdammte Hexe“, lauten die letzten Worte, der er noch in den Hörer fluchen kann. Schon wird das Haus gestürmt.





Die Rechnung







Meine Gedanken drehen sich im Kreis. Immer schneller und schneller. Ich versuche sie aufzuhalten, bis eine einzige Frage plötzlich ganz laut in mir rumort: Was habe ich getan?

Ich halte den Knüppel immer noch in der Hand. Dieses Ding ist schuld daran. Ich wollte das nicht tun.

Da liegt er vor mir auf dem Boden. Der größte Gauner der Stadt. Mit seinen überzeugenden Argumenten hat er mich dazu überredet, die Versicherungspolice zu unterschreiben. Eine hohe Rendite hat er mir zugesagt. Und jetzt? Alles den Bach runter. Mein Geld futsch. Meine Firma insolvent.

Ein dünnes Blutrinnsal läuft über seine Schläfe. Sonst sieht er ganz friedlich aus.

Ich erwache aus meiner Erstarrung. Erschrocken lasse ich den Knüppel fallen und laufe weg. Mein Weg führt mich in die Innenstadt. Erschöpft bleibe ich stehen und überlege, was ich tun kann. Der Tote liegt an einer Stelle im Stadtpark, wo man ihn so schnell nicht findet. Und gesehen hat mich auch niemand. Außerdem wird kaum jemand nach diesem Gauner suchen, der so viele um ihr Geld betrogen hat. Ich bin nicht der einzige, der auf ihn reingefallen ist. Allein in meinem Bekanntenkreis hat es viele getroffen.

Dieser Kerl war ein Nimmersatt. Jetzt ist er für immer satt.

Der Spruch gefällt mir so gut, dass ich mir zu Belohnung einen Kaffee genehmige.

Ich suche mir ein ruhiges Lokal aus.

Die bestellte Latte Macchiato kommt sofort.

Doch meine ersehnte Entspannung will nicht einkehren. Je mehr ich davon trinke, desto größer wird meine innere Unruhe. Der Gedanke, dass ich ein Mörder bin, schleicht sich in mein Gewissen. Ich will diesen Gedanken nicht, verscheuche ihn, aber er drängt sich mir immer wieder auf. Meine Hände beginnen zu zittern. Ich rede mir ein, dass der Halunke es nicht anders verdient hat. Aber auch diese Erklärung kann mich nicht beruhigen. Ich versuche einen Schluck aus meiner Tasse zu trinken, doch die Hand zittert so stark, dass ich die Latte verschütte.

Der Gedanke, ein Mörder zu sein, behagt mir nicht. Die Aussicht, den Rest meines Lebens im Gefängnis zu verbringen – nur weil ich eine Sekunde lang die Beherrschung verloren habe – gefällt mir ebenso wenig.

Ganz still hat er auf dem Boden gelegen. Ich sehe wieder sein Gesicht vor mir. Es hat sogar friedlich ausgesehen. Der durchtriebene Ausdruck seines miesen Charakters war nicht mehr darin zu erkennen.

Auf der verzweifelten Suche nach etwas, das meine Nerven beruhigt, kommt mir ein Gedanke: Vielleicht lebt er ja noch.

Die Hoffnung trifft mich wie der Blitz.

Ich springe auf, werfe dabei den Stuhl um. Der Kellner schaut mich verärgert an. Aber das interessiert mich nicht. Ich sprinte auf den Ausgang zu - getrieben von der Vorstellung, dass der Börsenmakler noch lebt, ich rechtzeitig den Notruf wähle und am Ende als ein Retter dastehe.

Nicht als Mörder.

„Halt! Sie haben noch nicht bezahlt!“, höre ich die Stimme des Kellners hinter mir, als ich schon auf der Straße bin.

Der kann mich mal.

Wie von Furien gehetzt laufe ich den ganzen Weg zurück zum Stadtpark. Zielstrebig schlage ich die verschlungenen Pfade ein, bis ich vor ihm stehe.

Seine Augen starren in den Himmel. Mein Plan, als Retter zu fungieren, geht nicht auf.

Und noch ein weiterer Plan scheitert.

Hinter mir steht der Kellner.

„Sie haben Ihre Rechnung nicht…“, mehr bringt er nicht heraus, als sein Blick auf den toten Börsenmakler fällt.



Höllenfahrt




Dunkelheit hüllt sie ein. Die Ecke, die sie ansteuern, ist noch schwärzer als die Nacht. Zusammen mit der Finsternis verschmelzen Bernd und Walter in ihren schwarzen Motorradoveralls mit schwarzen Helmen zu einer Einheit.

Bernds schwarze Honda CX 500 ist kaum auszumachen. Lediglich die chromfarbenen Zylinder, die rechts und links schräg nach außen abstehen, glänzen im Lichtschein der Autoscheinwerfer. Der Motor röhrt bedrohlich.

Die BMW K 1200 GT summt dagegen leise, was die 150 PS dieser Maschine kaum vermuten lässt. Walter dreht das Gas auf, aber der röhrende Sound bleibt aus.

Die Wagentür geht auf.

Bernd schiebt seine Hand in die rechte Jackentasche, umfasst seine Smith & Wesson.

Die Zeit steht still. Nichts geschieht. Wachsam hält er seinen Blick auf den Wagen gerichtet. Im Augenwinkel erkennt er, dass Walter ebenso angespannt ist.

Ein Mann steigt aus. Seine Bewegungen sind langsam.

Bernd spürt, wie ihm der Schweiß über den Rücken läuft. Was geschieht hier? Der Mann hebt seine rechte Hand. Blitzartig entsichern Bernd und Walter ihre Waffen. Das leise Klicken donnert durch die Stille. Fast im gleichen Augenblick hebt der Fremde seine zweite Hand als das Zeichen seiner Kapitulation.

Bernd und Walter steigen von ihren Maschinen, nehmen den Koffer des Fremden im Tausch gegen ihren.

Der Autofahrer steigt eilig in seinen Wagen und fährt mit quietschenden Reifen davon.

Bernd und Walter schlagen sich nach dem gelungenen Coup auf Helm und Schulter und bewegen sich schwerfällig in ihren enganliegenden Lederoveralls auf ihre Motorräder zu.

Im Lichtkegel der BMW stoppt Walter plötzlich. Er legt den Koffer auf den Boden, öffnet ihn und starrt auf den Inhalt.

„Hey! Das gehört nicht zu den Regeln“, erinnert Bernd. Doch als er sieht, wie viel Geld in diesem Koffer liegt, verstummt er.

„Ich ahnte es: Big-Daddy bescheißt uns die ganze Zeit“, brummt Walter und beginnt zu zählen. „Das ist mindestens eine Million!“

„Wir bringen ihm jetzt das Geld, kassieren unseren Anteil und hauen ab“, befiehlt Bernd, der immer nervöser wird, je länger Walter mit dem Geld herumhantiert.

„Ich will mich nicht mehr bescheißen lassen“, quäkt Walters schrille Stimme durch die Nacht.

Bernd redet auf Walter ein: „Seit Jahren verdienen wir gutes Geld dafür, dass wir alle paar Wochen mal einen Auftrag für Big Daddy ausführen. Genau genommen bekommen wir viel Geld für nichts. Das sollte uns reichen.“

Aber Walter hört Bernd nicht zu.

Auf einmal geht es ganz schnell. Er verschließt den Koffer, erhebt sich und verstaut das ganze Geld im Topcase seiner Maschine.

„Spinnst du!“, ruft Bernd.

Walter hört nicht auf ihn. Schwungvoll springt er in den Sattel seiner BMW, gibt Gas und beschleunigt in nur wenigen Sekunden das Motorrad zu einem hohen Tempo.

Bernd verliert die Umrisse der BMW aus den Augen.

Hastig schwingt er sich auf seine „Güllepumpe“, wie die Honda in Motorradkreisen spöttisch genannt wird und folgt seinem Freund. Doch mit seiner alten Maschine, die gerade Mal fünfzig Pferdestärken vorzuweisen hat, sehen seine Chancen schlecht aus, Walter zu stoppen.

Mit halsbrecherischer Geschwindigkeit verlassen sie die Stadt, gelangen auf die Landstraße, wo Bernd sein Gewicht so verlagert, dass er die Honda in Schräglage kippt, um die Kurve ohne abzubremsen nehmen zu können. Funken sprühen zu seiner Linken auf. Die Fußpedale berühren den Asphalt. Die nächste Kurve kommt, nun sprühen die Funken zu seiner Rechten auf. Er wechselt auf eine Spur, die im engen Bogen auf die nächste Straße führt, was ein Gefühl der Fliehkraft in ihm auslöst. Bernds Wut verraucht in Sekundenschnelle. Der Rausch der Geschwindigkeit hat ihn gepackt. Immer mutiger, immer schneller und immer gewagter steuert er die Kurven an. Fahren auf äußerster Profilrille lässt sein Adrenalin in ungeahnte Höhen steigen. Seine Güllepumpe spielt jedes Asphaltspiel mit Leichtigkeit mit. Kein Schotter, keine Baustelle, keine enge Schikane können sie aufhalten. Der Wind drückt gegen seinen Körper. Sein Oberkörper richtet sich auf, nimmt das Gewicht von seinen Händen am Lenker. In seinem Helm rauscht und faucht es. Sein Kopf hat Mühe, ruhig auf den Schultern zu bleiben.

Sein Blick auf den Kilometerstand verrät ihm, dass der erste Tankstopp fällig wird. Bernd steuert eine Tankstelle an. Schon von weitem kann er die Maschine seines Freundes ausmachen. Dem will er was erzählen.

Doch er erlebt eine Überraschung. Er landet an einer Tankstelle mit Service. Ein Tankwart tritt an ihn heran, tankt ihm den Tank vor seinem Sitz voll und führt auch die Bezahlung mit der Karte durch, sodass sich Bernd nicht von seiner Maschine wegbewegen muss. Trotzdem versucht er, Walter zum Umkehren zu überreden. Doch unter dem schwarzen Helm seines Freundes ist keinerlei Regung zu erkennen.

Walters Maschine ist lange vor Bernds Güllepumpe vollgetankt. Der Freund gibt Gas, setzt seine Fahrt ohne ein Zeichen einfach fort.

Der Abstand zu Walter wird immer größer. Bernd schätzt, dass Walter zweihundertfünfzig Stundenkilometer draufhat. Er sieht, wie Walter seine Maschine nach links kippt und die Spur wechselt. Er überholt eine Kawasaki Z 1000, die auch nicht gerade langsam fährt. Anschließend schwenkt er seine BMW nach rechts und fädelt sich wieder in seine Spur ein.

Bernds Absicht, seinen Freund aufzuhalten, scheitert an der alten Güllepumpe, von der er sich einfach nicht trennen kann.

Plötzlich taucht ein fremdes Motorrad von hinten auf, eine rote Ducati Monster. Sie überholt Bernd so schnell, als würde er auf der Autobahn stehen, saust mit der gleichen Leichtigkeit an der Kawasaki Z 1000 vorbei und gelangt auf gleiche Höhe mit Walter, womit er Walter die Überholspur nimmt.

Von seiner Position aus kann Bernd deutlich einen PKW mit Wohnwagenanhänger direkt vor Walter erkennen. Am liebsten würde er die Augen schließen, um den Crash nicht sehen zu müssen. Aber es gibt keinen Unfall. Walter reißt seine Maschine überraschenderweise nach rechts und überholt den Caravan einfach auf der Standspur, während gleichzeitig die Ducati Monster 1100 S von links daran vorbei rast.

Was für ein Anblick!

Bernd spürt sofort Heißhunger nach Geschwindigkeit. Er beschleunigt seine gute alte Maschine, damit er seinen Freund nicht völlig aus den Augen verliert. Doch bei hundertachtzig Sachen beginnt sie zu zittern und zu wackeln. Das lässt ihn erschrocken wieder zurückfallen.

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