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Karl der Große im Norden

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4.2.2. Historiographische Literatur: krönikor

Inhaltlich und sprachlich ist diese Papierhandschrift deutlich homogener gestaltet als die zuvor beschriebene Cod. Holm. D4Cod. Holm. D4: Die verwendete Sprache ist ausschließlich Schwedisch und die Inhalte lassen sich als höfisch bzw. religiös und moralisch-didaktisch gruppieren. Zwischen den schon im vorangehenden Teilkapitel erwähnten EufemiavisorEufemiavisor und der ErikskrönikanErikskrönikan, der ältesten schwedischen Reimchronik,Erikskrönikan1 verfasst zwischen 1320–1335, existiert eine von der altostnordistischen Forschung als bestätigt geltende Verbindung. Es wird davon ausgegangen, dass der Autor der Erikskrönikan stark durch die Eufemiavisor beeinflusst war.EufemiavisorErikskrönikan2 Die Funktion der Chronik wird in der Forschung zum einen als Propaganda-Schrift zur Etablierung des Wahlkönigtums in Schweden eingeschätzt: Zu diesem Zwecke ist die narrative Gestaltung der gewählten Könige um einiges positiver als die Beschreibung derer, die durch die Erbfolge an die Regierung kamen.3 Zum anderen legitimiere die Chronik die privilegierte Position der jungen schwedischen Aristokratie, die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts sich auszubilden begann, mittels Glorifizierung ihrer Vorfahren, die in einer Reihe mit Helden wie Dietrich von Bern oder Parzival genannt werden.4 Aber auch um 1448, zu Zeiten der Anfertigung des ersten Teils der Handschrift Cod. Holm. D4aCod. Holm. D4a, ist der Legitimierungsdruck der schwedischen Aristokratie vor der Folie der Doppelwahl in Schweden und Dänemark weiterhin aktuell: Die Wahl Karls Knutsson Bonde zum schwedischen König stellte, wie bereits im Kapitel zum historischen Hintergrund detailliert erläutert, einen Bruch mit den Unionsverträgen dar und bezeugte verstärkte frühnationalistische Strömungen in den schwedischen aristokratischen Kreisen. In diesem Zusammenhang wusste Karl KnutssonKarl Knutsson um die Wirksamkeit der Historiographie und deren Potenzial – das beweist die von ihm in Auftrag gegebene KarlskrönikanKarlskrönikan. Vor diesem zeitgenössischen historischen Hintergrund ist die Aktualität eines solchen Textes evident: Dass die Erikskrönikan in einer Handschrift enthalten ist, die etwa 130 Jahre später entstanden ist, zeugt vom ungebrochenen Interesse an der Thematik und von deren Unterhaltungswert in den aristokratischen Kreisen Schwedens. Das Genre ist in der Handschrift mit zwei weiteren Chroniken vertreten, nämlich Den lilla RimkrönikanDen lilla rimkrönikan, der Reim-Version der im Anschluss folgenden Prosaiska Krönikan.

Versucht man nun, Karl Magnus mit der oben beschriebenen Gattung der Reimchroniken exemplarisch zu verbinden, so ist auch hier auf der Ebene der Narration die Darstellung der verschiedenen Herrschaftsmodelle als der rote Faden zwischen den Texten der Handschrift zu werten. Als Leitbild für den schwedischen Adel taucht in Gestalt des tapferen Joar Blå in der ErikskrönikanXE "Erikskrönikan „en historiemytisk idealfigur“ 5 auf. Da Karl der Große in der narrativen Gestaltung als Idealherrscher ebenfalls eine solche Funktion zu erfüllen hatte, lassen sich die Texte mit verschiedenen Herrschaftsformen als eine Art narratives Kontinuum ansehen. Die in der Erikskrönikan propagierten Ritterideale korrelieren zudem mit dem Konzept der miles Christi, der Soldaten Gottes, so dass hier eine Verbindung zur kontinentalen epischen Tradition, so auch den chansons de gestechansons de geste, besteht.6

4.2.3. Namnlös och Valentin

Namnlös och ValentinAuf einer mittelniederdeutschen und wohl mittelniederländischen Vorlage basiert Namnlös och ValentinNamnlös och Valentin, ein weiterer höfischer Text der Handschrift D4a. Aus einer verbreiteten mittelniederländischen Versfassung des 13. Jahrhunderts – nur noch in drei Fragmenten aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts überliefert und selbst auf eine verlorene französische Vorlage zurückgehend – ist die mittelniederdeutsche Dichtung hervorgegangen.1 Die Transmission von Namnlös och Valentin ist mutmaßlich vor dem Hintergrund der Handelsverbindungen zwischen den Hansestädten und Hansekontoren des 13. und 14. Jahrhunderts erfolgt. In der Forschung wird davon ausgegangen, dass ein aus Niederdeutschland stammender und in Brügge tätiger Kaufmann für die Übersetzung aus dem Mittelniederländischen verantwortlich ist, während die Verbreitung des Stoffes bis nach Schweden nicht weiter nachverfolgt werden kann. Die Geschichte der Zwillingsbrüder Namnlös und Valentin, die aufgrund einer Intrige ausgesetzt werden und nach einer Reihe von Abenteuern schließlich zu ihrer Familie zurückkehren können, vereint Motive höfischer abenteuerlicher Epik mit den Sagenkreisen der chansons de gestechansons de geste, speziell der Karlsepik. Die Mutter der Zwillinge, Phila, ist Schwester des Königs Pippin von Frankreich und somit eine Tante Karls des Großen. Hier ist die Verbindung zu Karl Magnus durch die motivische Verwandtschaft sowie die genealogische Ausgangslage gegeben: Es werden die familiären Verhältnisse des fränkischen Königs Pippin des Jüngeren aufgeführt. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass in Namnlös och Valentin und in der dänischen Karl Magnus Krønike die Geschichte einen ähnlichen Anfang nimmt:

Thz war en ærligh konung j frankarike; han het pipping. Han haffde enæ ærligæ jomfrv til dotter; hon heth clarina, och hennes fader syster hon het jomfrv phila. J then timæn æth hon war xx ara gamull, tha war en konung j vngernæ och han het crissosmos (NoV, S. 3, 5–10).2

I franke ryghe war en koningh som heth pippingus hans husfrv heth bertha, the hadde en søøn heth karll Ok ij døtther then eldræ hetth gylem och then ynger hetth besilet, Tha karll war xxxij aar gammell, tha bleff hans fadher pipping dødh (KMK, S. 2, 1–4).3

Die schwedische Bearbeitung der Karlsdichtung liegt im Gegensatz zu den zehn þættir oder Branchen der altwestnordischen Version und der ebenfalls deutlich umfangreicheren dänischen Prosaversion in nur zwei Episoden vor, so dass ein direkter Vergleich an dieser Stelle nicht möglich ist. Geht man jedoch davon aus, dass womöglich eine vollständigere schwedische Fassung zur Zeit der Entstehung der Handschrift im Umlauf war, so war der Name des fränkischen Königs Pippin dem Rezipientenkreis bekannt, ebenso gab die Erwähnung seines Namens wie auch des Herkunftslandes frankarike bzw. franke ryghe dem Rezipienten mögliche Anhaltspunkte zur historischen und literarischen Einordnung der Inhalte. Hinsichtlich der interkodikologischen Verbindung zwischen Namnlös och ValentinNamnlös och Valentin und Karl Magnus ist deren Zugehörigkeit zur Tradition der chansons de gestechansons de geste wie auch deren Einbettung in den Sagenkreis um Karl den Großen offensichtlich.

4.2.4. Herr abboten

Herr abbotenEin weiterer Text, der den Anthologie-Charakter des Cod. Holm. D4Cod. Holm. D4aCod. Holm. D4a unterstreicht, ist Herr abbotenHerr abboten [Hær sigx aff abotum allum skemptan myklæ], eine Klerikersatire aus der Tradition der Schwankdichtung. Obwohl hier keine direkte Vorlage bekannt ist, geht man in der Forschung davon aus, Herr abboten sei eine freie Übertragung des auf Latein verfassten Magister Golyas de quodam abbate, eines Textes aus dem 12. Jahrhundert, der Walter Map (Mapes) zugeschrieben wird.1 In satirischer Art und Weise wird dort das Leben eines nicht näher benannten genusssüchtigen Abtes beschrieben. Wie auch andere anti-klerikale Dichtungen enthält die Schwankdichtung (goliardic literature) gerade in ihrer parodistischen Ausprägung moralisierende Züge, auch wenn sie generell zur Gattung der profanen Prosa gehört. Diesbezüglich merkt Bridget Morris an: „By using parody and the burlesque, Goliardic poets are able to expose the weakness of clerical life and thereby express their own spiritual ideal“.2

Sucht man in dieser Handschrift nach dem fil rouge, welcher die Texte der Handschrift miteinander in Bezug setzt, so liegt das Augenmerk zunächst auf den EufemiavisorEufemiavisor und der ErikskrönikanErikskrönikan. Gleichermaßen sind es hier die familiären Verzweigungen, die eine Hypothese darüber erlauben, wo und für wen diese Texte in Auftrag gegeben wurden. Geht man von der in der Forschung als weitestgehend akzeptierten Annahme aus, Peter Algotsson sei der Übersetzer der Eufemiavisor gewesen, ist es möglich, dass dieser sich im Zeitraum zwischen 1289 und 1293, als er im Dienste des Königs in Schottland, England und Frankreich unterwegs war, auch eine Kopie des Golyas beschaffte, „which, being a clever and worldly-wise court cleric, he revised and gentrified, in order that it would suit better the literary tastes of the aristocratic circles in which the Eufemiavisorna were read“.3

Die Verbindung zwischen Karl Magnus und Herr abbotenHerr abboten auf inhaltlicher oder stilistischer Ebene ist zunächst nicht offenkundig. Ein verbindendes Element könnte der parodistische Charakter der ersten Episode, Karls Reise nach Jerusalem und Konstantinopel sein. In der Forschung schon früh als Parodie der archaischen chanson de geste-Tradition aufgefasst, wird diese Reise Karls in einer burlesquen Art und Weise dargestellt. Der Grund für sein Aufbrechen nach Jerusalem entspringt einem banalen Ehestreit: Karl, gekränkt in seinem Stolz, zieht aus, um sich mit dem byzantinischen Kaiser HugoHugo von Konstantinopel zu messen. Das Potential satirischer bzw. parodistischer Literatur besteht darin, als defizitär empfundene soziale, politische und gesellschaftliche Zustände indirekt durch sprachliche und literarische Methoden der Verfremdung anzugreifen, um auf diese Weise eine „ästhetisch sozialisierte Aggression“4 zu erzeugen. Dennoch muss sich die Satire im Rahmen der soziokulturellen Codes der Rezipienten bewegen, damit die Norm hinter der Satire erkennbar bleibt.5 In diesem Zusammenhang stellt sich unmittelbar die Frage nach der Übertragbarkeit parodistischer Literatur und ihrer Funktionen in einen fremden kulturellen und historischen Kontext. In Bezug auf Karl Magnus wird dieser Frage im weiteren Verlauf dieser Arbeit nachgegangen. Das Aufblühen der Schwankdichtung und der anti-klerikalen Satire allgemein lässt sich als Reaktion auf die monastischen Entwicklungen des 12. Jahrhunderts betrachten, allen voran auf die öffentlich ausgetragene Kontroverse zwischen Zisterziensern und Cluniazensern um die Befolgung der Benediktusregel.6 In Bezug auf die Intention des Übersetzers des Stoffes Magister Golyas de quodam abate kommt es in der Forschung zu wenig schmeichelhaften Urteilen, so z.B. Morris: „the author […] appears to have been moved less by indignation and a desire to reform monastic excess than by a wish to tell a humorous and inoffensive tale“.7 Die schwedische Übertragung sei folglich „a trivial story, intended simply to entertain and delight“.8 Nichtsdestotrotz demonstriert auch dieser Text Interesse und damit eine Teilhabe der schwedischen Rezipienten an einer weiteren kontinentaleuropäischen Tradition, nämlich der der Schwankdichtung des 12. Jahrhunderts.

 

4.2.5. Julens und fastans träta

Julens och fastans träta gehört zu der Gattung des dialogischen Streitgedichts, einer literarischen Form, deren Wurzeln bis in die Antike reichen. Es ist in einer einzigen Version, nämlich in der Handschrift Cod. Holm. D4Cod. Holm. D4aCod. Holm. D4a, überliefert und ist „på flere måder enestående i europæisk kulturel sammenhæng“.1 In die lange mittelalterliche Tradition der fabliaux, débats, batailles und Fastnachtspiele eingebettet, stellt dieses Gedicht ein weiteres Zeugnis für die Transmission kontinentaleuropäischer literarischer Formen ins altostnordische Literatursystem dar. Vor allem das Verhältnis des schwedischen Fastnachtspiels zur deutschen Tradition der Fastnachtspiele ist hier besonders hervorzuheben: Sowohl durch die Reimform, nämlich den Knittelvers, der auch schon die EufemiavisorEufemiavisor sowie die ErikskrönikanXE "Erikskrönikan kennzeichnet, als auch durch thematische Aspekte kann Julens och fastans träta als solches charakterisiert werden. Die deutsche Tradition der Fastnachtspiele erfuhr besonders in Lübeck und Nürnberg ihre spezielle literarische Ausprägung, darüber hinaus sind als Aufführungsgebiete Tirol, der Niederrhein und der alemannisch-schweizerische Raum durch Quellen belegt. Daneben dürfte es weitere regional ausgeprägte Traditionen gegeben haben, die jedoch nur durch Sekundärbelege zu erschließen sind.2 Auch inhaltlich unterscheiden sich die Nürnberger von den Lübecker Fastnachtspielen: Während das hansische Patriziat und dessen Anschauungen die literarischen Aspekte bestimmten, waren es in den süddeutschen Gebieten, vor allem in Nürnberg, die Zunfthandwerker.3 Dies hatte sicherlich Auswirkungen auf das Rezeptions- bzw. Performanzmilieu der Fastnachtspiele. In Bezug auf Julens och fastans träta kommt Søndergaard zum Fazit, „Julens och Fastans träta giver ingen tydelige fingerpeg om, i hvilken social sammenhæng, det har været spillet“4 bzw.:

På baggrund af de få og usikre kilder må vi holde muligheden åben for, at Julens och Fastans träta kan have været opført enten ved håndværkerlavenes fastelavnsstævner eller i forbindelse med lavkirkelige kredses fastelavns-udfoldelser.5

Auch wenn die Frage nach der genauen Herkunft und dem Rezeptionsmilieu des Gedichts aufgrund einer geringen Anzahl an Quellen und der einzigen Überlieferung in Cod. Holm. D4Cod. Holm. D4aCod. Holm. D4a nicht geklärt werden kann, so dokumentiert es doch die mögliche Existenz einer säkularen Fastnachttradition in Schweden des 15. Jahrhunderts, oder zumindest ein antiquarisches Interesse an deren Aufzeichnung. Die Funktion des Textes, durch die Aufführung anhand der Allegorisierung von Julen und Fastan dem christlich-stadtbürgerlichen Verhaltenskodex zu entrinnen, stellt eine Art ‚negativer Didaktik‘ dar. Erst mit der Personifizierung der Laster gegenüber der Askese können jene anschaulich dargestellt und auf diese Weise überwunden werden: Die inszenierte Normverkehrung setzt Handlungen, die als moralisch verwerflich empfunden werden, performativ um und macht sie so „erfahrbar und beherrschbar“,6 anstatt sie nur auszugrenzen. Hier findet sich auch der rote Faden zu moralisch-didaktischen Inhalten der Texte des Codex. Wie Bengt Jonsson anmerkt, gibt es „ett ovedersägligt samband“7 zwischen Herr abbotenHerr abboten und Julens och fastans träta: Durch die Personifizierung werden Julen die gleichen Eigenschaften zugeschrieben, die auch den genusssüchtigen Abt auszeichnen. Der Dialog zwischen Julen und Fastan kann als eine Art moralisch-didaktische Antwort auf das ausschweifende Leben des Abtes gelesen werden, obwohl beide Dichtungen verschiedenen Gattungen, nämlich Klerikersatire und Fastnachtspiel angehören. Die Zusammengehörigkeit der beiden Texte lässt sich auch durch ihre Platzierung in der Handschrift belegen: Nach der humorvollen Schilderung des Herrn Abtes folgt unverzüglich das moralisierende Moment.

Gleichzeitig offenbart auch dieses Gedicht eine Einbettung in die kontinentaleuropäische, hier vor allem deutsche literarische Tradition der Fastnachtspiele und macht die Handschrift zu einer Anthologie, die durch ihre verschiedenen Inhalte und Gattungen die schwedische Rezeption und Adaptation und somit Teilhabe am kontinentaleuropäischen Literaturerbe demonstriert.

4.2.6. Tungulus

Eine andere bedeutende Gattung des europäischen Mittelalters, nämlich die der Visionsliteratur, wird in diesem Codex mit dem Visionsbericht Tungulus1 vertreten. Dieser basiert auf der lateinischen Visio Tundali/ Tnugdali, aufgeschrieben vom irischen Mönch frater Marcus in Regensburg im Jahre 1149, und stellt einen der am weitesten verbreiteten Visionsberichte des Mittelalters dar:2 Seine geographisch weit gestreute Rezeption wird durch Übersetzungen in mindestens 13 Volkssprachen belegt.3

Die Voraussetzung für die Klassifizierung als Visionsliteratur ist ein verschriftlichtes visionäres Erlebnis, das entweder zu erbaulichen, didaktischen oder zu politischen Zwecken funktionalisiert werden kann: Die Visionsberichte mit ihren Schilderungen der Hölle und der Qualen, welche die Seele eines Sünders nach seinem Ableben zu erleiden hat, können so zum didaktischen Leitfaden werden oder als Propagandamittel bei der Durchsetzung verschiedener Interessen dienen, z.B. in der Auseinandersetzung geistlicher Motive gegen weltliche, oder der Mönche gegen Bischöfe etc.4 Visionen als Medium religiöser, transzendenter Erfahrungen und göttlicher Kommunikation sind in der schwedischen Literatur mit Revelationes celestes der Heiligen Birgitta von Schweden, einem der Hauptwerke der schwedischen Literatur des Mittelalters,5 vertreten. Lars Wollin hat in seinen Forschungen dargestellt, dass die altschwedischen Übersetzungen der auf Latein verfassten Offenbarungen im Skriptorium des Klosters VadstenaVadstena entstanden sind.

Im kodikologischen Verbund steht Tungulus stellvertretend für die Gruppe religiöser Texte und bringt auf diese Weise die lange und geographisch weit verbreitete Tradition der Tundalus-Vision in den altschwedischen Kontext. Auf der inhaltlichen Ebene korreliert der Text kaum mit Karl Magnus, abgesehen von den Visionen Karls des Großen und den daraus resultierenden moralisch-didaktischen Einsichten, die aber zu wenig Indizien geben, um hier einen konkreten Bezug herzustellen. Generell lässt sich jedoch auch hier das moralische Moment erkennen, das die Texte der Handschrift vereint.

4.3. Cod. Holm. D3 (Fru Elins bok)

Cod. Holm. D3Fru Elins bok, wie Cod. Holm. D3Cod. Holm. D3 auch genannt wird, ist eine Papierhandschrift, welche eine Datierung auf das Jahr 1476 enthält. Diese ist am Ende des Karl Magnus-Textes zu finden und gilt infolge Kornhall als wahrscheinlich, da Schriftdiktus, Tinte sowie Schreiberhand identisch sind, so dass man davon ausgehen kann, die Datierung erfolgte unmittelbar nach dem Karl Magnus-Text.1 Åström hingegen datiert die Handschrift auf das Jahr 1488, dem sich die neuere Forschung anschließt.2 Über die Herkunft der Handschrift kann indes nichts Gewisses ermittelt werden. Zwar hat Noreens Analyse des Ivan Lejonriddaren südskandinavische, d.h. dänische Züge in der Sprachform offenbart, diese seien aber für eine Handschrift aus der Zeit der Kalmarer UnionKalmarer Union nichts Ungewöhnliches, so Kornhall.3 Als Eigentümerin der Handschrift wurde die bereits erwähnte Frau Elin Gustavsdotter identifiziert – nach ihr ist der Codex benannt. Es handelt sich dabei um Märta Ulfsdotters Tochter, welche die zuvor aufgeführte Handschrift Cod. Holm. D4Cod. Holm. D4aCod. Holm. D4a besaß.

4.3.1. Inhalt


Blatt Inhalt Anmerkungen
2–84v Ivan Lejonriddaren Erste Eufemiavisa
85r–106v Karl Magnus Jahresangabe 1476
107r–173r Reimchronik
173r–204r Dritte Eufemiavisa
204r–231r Basiert auf niederländischen und deutschen Vorlagen
232–271v Zweite Eufemiavisa
271v–279v Tungulus Visionsbericht
280r–286v Historiographie
288r–296r Prosa-Version von Lilla RimkrönikanDen lilla rimkrönikan
296r–297r Klerikersatire
297r–313v Schacktavelslek Jacobus de Cessolis Liber de moribus hominum et officiis nobilium ac popularium super ludo schacorum
314r–318r Zwei Legenden von Sankt Anna, nämlich Rådmanens son i Ungern sowie Procopius af Ungern
318v–321r Wunder der Jungfrau Maria (Den omvände juden och djävulen)

Tab. 3:

 

Inhalt der Handschrift Cod. Holm. D3Cod. Holm. D3